1. Wie bewertet der Senat, dass die den Regierenden Bürgermeister stellende Partei die Abschaffung des Gesetzes zur Ermöglichung von Übersichtsaufnahmen bei Versammlungen gefordert hat, weil dieses Gesetz unverhältnismäßig in das Grundrecht für Versammlungsfreiheit eingreift?
2. Wird der Senat die Anwendung dieses Gesetzes aussetzen, bis sich die Koalitionsfraktionen über eine mögliche Wiederaufhebung des Gesetzes verständigt haben?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Taş! Der Senat hat keinen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. Es ist ein gutes und wichtiges Gesetz, das der Sicherheit von Versammlungen unter freiem Himmel für die Versammlungsteilnehmenden, für Polizeibeamtinnen und -beamte und für Dritte dient. Es beschränkt die Versammlungsfreiheit in verfassungsrechtlich zulässiger Weise, insbesondere unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Dies gilt insbesondere für die Übersichtsaufnahmen, denn sie sind nur unter engen Voraussetzungen zulässig, insbesondere nicht anlasslos und nicht von jeder Versammlung. Die Polizei darf Übersichtsaufnahmen nur anfertigen, wenn diese wegen der Größe oder Unübersichtlichkeit der Versammlung oder des Aufzugs im Einzelfall zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes erforderlich sind. Übersichtsaufnahmen werden also überhaupt nur bei einem Bruchteil der Versammlungen in unserer Stadt zur Anwendung kommen.
Für sie gelten selbstverständlich auch die strengen Kriterien des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, übrigens auch hinsichtlich der Modalitäten. Sie werden daher zurückhaltend durchgeführt, sodass Einschüchterungseffekte –
damit wurde ja argumentiert – unterbleiben. Außerdem werden Übersichtsaufnahmen nicht gespeichert, und sie sind offen anzufertigen. Die Polizei muss die Versammlungsleitung informieren, dass Übersichtsaufnahmen angefertigt werden. Schließlich dürfen Übersichtsaufnahmen nicht zur Identifikation einzelner Teilnehmerinnen und Teilnehmer genutzt werden.
Zu Ihrer zweiten Frage: Ungeachtet dessen, dass es sich hier um ein – wie ich formuliert habe – gutes und wichtiges Gesetz handelt: Der Senat hat nicht das Recht, Gesetze, die dieses Haus beschlossen hat, auszusetzen, wie Sie schreiben. Die Gesetzgebung ist Ihre Sache, die Sache des Abgeordnetenhauses, und nicht die des Senats. Das Abgeordnetenhaus hat das Gesetz über Aufnahmen und Aufzeichnungen in Bild und Ton von Versammlungen und Aufzügen unter freiem Himmel am 18. April hier in diesem Haus mehrheitlich beschlossen. Es ist zehn Tage später, am 28. April dieses Jahres in Kraft getreten. Damit ist es geltendes Recht in Berlin und kann vom Senat weder ausgesetzt noch aufgehoben werden.
Herzlichen Dank für die allgemeinen Antworten, Herr Henkel! Nichtsdestotrotz: Haben Sie denn mit dem Regierenden Bürgermeister, den SPD-Senatoren oder einem Vertreter der SPD-Fraktion überhaupt einmal über diesen Parteitagsbeschluss und darüber gesprochen, wie man damit umgehen soll? Haben Sie darüber gesprochen, ob man die Anwendung des Gesetzes – das war ja meine Frage – aussetzen oder den Parteitagsbeschluss tatsächlich ignorieren soll, was die Sozialdemokraten ja recht häufig machen? Zu welchem Schluss sind Sie dabei gekommen – wenn es ein Gespräch gegeben hat?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Taş! Sie wissen, dass wir uns mit diesem Gesetz sehr viel Mühe gegeben haben. Es gab eine Anhörung in den Ausschüssen. Es gab eine Runde, wo alle Fraktionen ihre Auffassung darlegen konnten. Es ist ja auch von Ihrer Fraktion schon angekündigt worden, gegen dieses Gesetz zu klagen. Auf Nachfrage hat Herr Wolf noch nicht ge
Herr Lederer, Sie machen das, wunderbar! – Ich sehe dieser Klage mit großer Gelassenheit entgegen, weil ich – noch einmal – dieses Gesetz für gut und wichtig halte.
Noch eine Anmerkung, Herr Kollege Taş – die Antwort können Sie einer Ihr drei Fragen zuordnen –: Ich sehe mich hier wirklich nicht in der Pflicht, SPD-Parteitagsbeschlüsse in irgendeiner Form zu kommentieren. – Herzlichen Dank!
Ich kann es nicht lassen – es ist ja auch Politik. – Herr Innensenator Henkel! Wie bewerten Sie, dass der SPD-Parteitag laufend Beschlüsse fällt, die Ihrer Politik zuwiderlaufen, beispielsweise über den Einsatz von Pfeffersprays, die der SPD-Parteitag verbieten will? Ein weiteres Beispiel sind Übersichtsaufnahmen, die der SPD nicht haben will. Wie lange wollen Sie sich das denn noch gefallen lassen,
dass Ihnen Ihr Koalitionspartner ständig sagt, dass Ihre Politik seinen Ansprüchen an Rechtsstaatlichkeit und Gesetzlichkeit widerspricht?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Lux! Es ist ja eine Fragestunde, die sich an den Senat richtet, und als Senator – ich habe es gerade gesagt – bewerte ich dies nicht. Überdies sollten Sie diese Fragen, die Sie gerade formuliert haben, gegebenenfalls an Ihre Kollegen aus der SPD-Fraktion stellen. Sie haben es ja schon gemacht, und Sie wissen genau, wie der Verlauf der Diskussion im Ausschuss war. Sie wissen auch, wie die Abstimmung über das Gesetz in diesem Haus verlief. Insofern sehe ich mich hier keiner Kritik ausgesetzt, sondern SPD und CDU, wir beide gemeinsam, haben dieses Gesetz beschlossen. Ich bleibe dabei: Es ist ein gutes, ein richtiges und ein notwendiges Gesetz. – Herzlichen Dank!
2. Teilt der Senat die Einschätzung, dass die großräumige Umzäunung des Bereichs der Straße des 17. Juni und der Fanmeile zu einer intensiveren Nutzung für Veranstaltungen führen wird als bisher?
Herr Präsident! Herr Abgeordneter Magalski! Zum Ersten: Eine Einzäunung oder Teileinzäunung des Großen Tiergartens ist aus naturschutzfachlicher Sicht der Grünplanung und Landschaftspflege nicht erforderlich und kritisch zu hinterfragen.
Grundsätzlich werden Auswirkungen auf die Zugänglichkeit dieses wichtigen Erholungsraums befürchtet, und ich habe es gestern im Ausschuss auf Ihre Frage hin schon deutlich gesagt: Ich glaube, wir haben in den letzten Jahrzehnten sehr gut ohne diesen Zaum im Tiergarten gelebt.
Die Frage einer Einzäunung ist im Zusammenhang einer Überprüfung der bestehenden Sicherheitsvorkehrung für Großveranstaltungen auf der Straße des 17. Juni zwischen Brandenburger Tor und Großem Stern vom Bezirksamt Mitte aufgeworfen worden. Aufgrund der Sylvesterparty im letzten Jahr mit etwa einer Million Besuchern will man sich offensichtlich mit den bestehenden und zu verbessernden Sicherheitskonzepten auf der Festmeile auseinandersetzen.
Der Bezirk Mitte hat hierzu eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die mit Experten aus Feuerwehr, Polizei und Sicherheitsexperten ein Konzept erarbeitet hat. Diese Sicherheitskonzept muss nun innerhalb des Landes abgestimmt werden, und ich füge hinzu: Ich glaube, dass man bei
dieser Abstimmung auch die Gesamtinvestitionssumme von über 40 Millionen Euro kritisch hinterfragen sollte.
Zu Ihrer zweiten Frage, Herr Magalski: Die Einschätzung, dass die Umzäunung des Bereichs der Straße des 17. Juni und der Fanmeile zu einer intensiveren Nutzung durch Veranstaltungen führen wird, ist spekulativ. Die Erhöhung der Gesamtzahl der Veranstaltungen pro Jahr wird schon aus Gründen der Beeinträchtigung des Straßenverkehrs nicht möglich sein. Insgesamt ist es eher die Frage, ob sich die Größenordnung der Veranstaltungen hinsichtlich Zahl und Intensität der Teilnehmerinnen und Teilnehmer verändert. Ich halte es daher für geboten, dass im Rahmen der Überprüfung und Verbesserung des Sicherheitskonzepts auch der Große Tiergarten mit seiner Erholungsfunktion für die Berlinerinnen und Berliner sowie alle Besucherinnen und Besucher unserer Stadt noch stärker in die Diskussion einbezogen wird.
In den letzten Jahren wurden bereits umfangreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur im Tiergarten umgesetzt. Alle weiteren Maßnahmen müssen insgesamt dazu dienen, sowohl die Erholungsfunktion für das Gartendenkmal Großer Tiergarten zu stärken als auch sichere Veranstaltungen auf der Festmeile zu ermöglichen.
Danke, Herr Senator, für die in Teilen schon ausreichende Antwort! Es war auch herauszuhören, dass Ihnen das nicht entgangen ist. Es besteht allerdings innerhalb der Stadtgesellschaft eine Unsicherheit auch aus verschiedenen anderen Gründen, beispielsweise der Barrierefreiheit und des Naturschutzes – das hatten Sie angesprochen – oder der historischen und kulturellen Bedeutung des Tiergartens als größter Parklandschaft und nicht zuletzt auch aufgrund der zu erwartenden Kosten. Hält es der Senat nicht mindestens für angebracht, dass vor einem solchen weitreichenden Eingriff von landesweiter Bedeutung eine breite Diskussion durch geeignete Bürgerbeteiligungen – es gibt verschiedene Instrumentarien auch auf Bezirksebene – angestrebt wird?
Herr Präsident! Herr Abgeordneter Magalski! Zum einen haben wir die öffentliche Diskussion. Ich gehe davon aus, dass der Bezirk Mitte auch noch einmal in seine Überle