Bundesratsinitiative für eine Verordnung zur Änderung der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung – endlich mehr Sicherheit für Verbraucher/-innen
Soweit mir berichtet wurde, wird jetzt noch zum Tagesordnungspunkt 16 gesprochen. Es beginnt der Kollege Kowalewski für die Piratenfraktion.
Das stimmt auch nicht. Das ist richtig. – Es ist immerhin eine Forderung, für die 66 000 Unterschriften gesammelt worden sind. Die Bundesverbraucherschutzministerin hat es noch nicht einmal für nötig gehalten, sich dazu zu äußern. Ich halte es schon für nötig. Nicht nur wir, sondern auch die anderen drei Piratenfraktionen haben gemeinsam diesen Antrag eingebracht, weil wir es für unverzichtbar halten, dass Verbraucherinnen und Verbraucher über alle Inhalts- und Hilfsstoffe in ihren Lebensmitteln informiert werden.
Es gibt 31 E-Nummern in den Zutatenlisten, die für Zusatzstoffe stehen, die tierischen Ursprungs sein können oder auch nicht. Das erfahren wir momentan nicht. Bei manchen Stoffen ist es einfacher. Also die 0,3 Prozent der Bevölkerung, die mit E-Nummern etwas anfangen können, wissen, was E 120 beispielsweise ist und wie es hergestellt wird. Wir möchten aber auch wissen, ob beispielsweise Schweineborsten im Brot, Kälberlab in den Salzstangen oder Knochenabfälle im Fruchtsaft oder im
Wein sind. Momentan erfahren wir auch das leider nicht, weil diese Hilfsstoffe überhaupt nicht deklariert werden müssen. Wer das Essen nicht aus der Tüte oder der Dose bezieht, sondern, weil es angeblich gesünder ist, frisch zubereitetes Essen am Imbissstand oder im Restaurant zu sich nimmt, sieht meist gar keine Inhaltsstoffdeklaration.
Das ist nicht nur für die 255 000 Menschen muslimischen Glaubens und 11 000 Menschen jüdischen Glaubens in Berlin wichtig, die aus religiösen Gründen auf bestimmte tierische Inhaltsstoffe oder bestimmte Kombinationen von tierischen Inhaltsstoffen in ihrer Ernährung verzichten, sondern auch für die 710 000 Berliner, die aufgrund von Intoleranzen oder Allergien auf bestimmte tierische Stoffe achten müssen, für die geschätzt 350 000 Veganer oder Veganerinnen in Berlin, die aus ethischen, moralischen, ökologischen und anderen Gründen komplett auf tierische Produkte verzichten wollen, und auch für die über 10 Millionen Touristen jedes Jahr in Berlin, die sich auch in der Gastronomie und dem Einzelhandel verpflegen. Es ist natürlich auch für alle anderen Menschen wichtig, die aus welchen Gründen auch immer einfach gern wissen wollen, was in ihrem Essen ist.
Für die wenigen verbleibenden Menschen, die es einfach nicht interessiert, was sie zu sich nehmen, bleibt es natürlich auch weiterhin möglich, die Deklaration auf der Verpackung einfach nicht zu lesen. Bereits heute bewerben viele Hersteller ihre Produkte als vegetarisch oder vegan. Diese Worte haben allerdings keine verbindliche Legaldefinition. Sie sind wertlos, sowohl für die Hersteller als auch für die Verbraucher. Der Verein foodwatch, von dem wir die Anregung für diesen Antrag erhalten haben, hat bereits erfolgreich rechtlich prüfen lassen, dass dieser Antrag nicht gemeinschaftsrechtswidrig ist. Eine ähnliche Regelung in Großbritannien wurde bislang auch noch nicht beanstandet.
Das Portal Lebensmittelklarheit, das sich um Probleme mit der Kennzeichnung oder den Leitsätzen des deutschen Lebensmittelbuchs auseinandersetzt, wird vom Bundesverbraucherschutzministerium mit knapp 1 Million Euro gefördert. Dort kann man lesen, dass die aktuelle Kennzeichnung nicht ausreichend ist. Verbrauchern wird empfohlen, sich im Zweifelsfall beim Lebensmittelhersteller selbst zu erkundigen. Das ist meiner Meinung nach ein Armutszeugnis für den Verbraucherschutz und ein Schlag ins Gesicht des mündigen Verbrauchers. ZehnPunkte-Pläne helfen immer nur beschränkt viel. Hier haben wir den interessanten Fakt, dass die Hersteller, die sich an die geltenden Gesetze halten, von einer mehr oder weniger staatlichen Stelle empfohlen bekommen, mit Produktanfragen überschwemmt zu werden. Das ist komisch. Deswegen ist das unserer Meinung nach ein Antrag, der vielen Menschen hilft, aber keinem Menschen und auch keinem Nahrungsmittelhersteller schadet. Berlin als das Land, das am meisten von dieser Lebensmit
Danke, Herr Kollege Kowalewski! – Für die Fraktion der SPD hat das Wort die Kollegin Köhne. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie wir zunehmend wahrnehmen können, liegt vegetarisches und auch veganes Essen im Trend. Immer mehr Menschen gehen diesem Lebensstil nach. Umso wichtiger ist es, dass sich die Verbraucherinnen und Verbraucher auf die Kennzeichnung von tierischen Stoffen in Lebensmitteln und Lebensmittelzusatzstoffen verlassen können. Jüngste Lebensmittelskandale wie der Pferdefleischskandal haben gezeigt, dass nicht immer das – insbesondere Fleisch – im Produkt drin ist, was auf der Verpackung draufsteht.
Die Bundesratsinitiative der Piratenpartei fordert nun – übrigens annähernd zeitgleich wurde in SchleswigHolstein, im Saarland und in Nordrhein-Westfalen ein fast identischer Antrag eingebracht, der, wie gerade gesagt wurde, von foodwatch gesponsert wurde –, die Verordnung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zum Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch dahin gehend zu ändern, dass immer auch die jeweils für die Herstellung der Produkte verwendeten Tierarten gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern transparent gemacht werden. Außerdem wird eine juristische Definition der Begriffe „vegetarisch“ und „vegan“ in der Verordnung gefordert. Nichtjuristen sollte allgemein bekannt sein, was unter „vegetarisch“ und „vegan“ zu verstehen ist: „Vegetarisch“ ist ohne Verwendung von Fleisch und „vegan“ ohne jegliche tierische Produkte und Zusatzstoffe. Erfüllen bestimmte Lebensmittel diese Voraussetzungen nicht, dürfen sie nicht als vegetarisch bzw. vegan gekennzeichnet werden. Wenn Hersteller Produkte als vegan ausloben, dürfen sie das nur, wenn das Produkt tatsächlich vegan ist. Das ergibt sich aus dem Irreführungsverbot. Insofern reicht meines Erachtens der Schutz vor Täuschung schon jetzt.
Mehr Transparenz schafft bereits eine einheitliche Kennzeichnung von unabhängiger Stelle, das V-Label, das in Deutschland vom Vegetarierbund Deutschland e. V., VEBU, vergeben wird. Es sieht so aus, ich habe es extra groß kopiert, damit alle es mal sehen können, auch die, die nachher nicht im Ausschuss sitzen.
Derzeit gibt es ungefähr 90 Lizenznehmer dieses Labels. Das V-Label ist eine international geschützte Marke zur Kennzeichnung von vegetarischen und veganen Lebensmitteln. Es wird als Orientierungshilfe für Vegetarier und
Veganer auf Lebensmittelverpackungen und Speisekarten eingesetzt. Es wird in Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, Belgien und Tschechien verwendet. Das unterstreicht, dass wir eigentlich eine europäische Lösung brauchen und nicht eine auf Bundesebene.
Die Frage ist, ob das scheinbare Problem wirklich an den Kennzeichnungspflichten für Lebensmittel festgemacht werden kann und ob diese nicht ohnehin bereits durch EU-Recht bestehen. Stattdessen sollten vielleicht die Verstöße gegen die Kennzeichnungspflicht allgemein stärker geahndet werden. Wir haben jetzt, wie gesagt, Pferdefleischskandale und andere Lebensmittelproblematiken gehabt und sollten uns überlegen, ob der Bereich der Ordnungswidrigkeiten, der da zuständig ist, nicht geändert und das als Straftat deklariert werden sollte. Wenn etwas unter Strafe steht, wird man sich hoffentlich zweimal überlegen, wie sorgfältig man als Lebensmittelproduzent die Kennzeichnung von Waren vornimmt. Auf diese Weise würde auch den Vegetariern und Veganern bei der transparenten Zusammenstellung ihrer Mahlzeiten geholfen werden, und ein sorgloser Genuss der Waren wäre sichergestellt.
Das Fazit von mir zu diesem Antrag ist: Die Forderungen der Piraten sind an den falschen Adressaten gerichtet; es sollte Europa sein. Was die Irreführung angeht, ist der Antrag meines Erachtens überflüssig, und was die Verordnungsermächtigung angeht, so nicht möglich. Lassen Sie uns die Problematik einfach noch mal im Ausschuss erörtern, um eventuell eine sinnvolle Lösung zu finden. – Vielen Dank!
Danke schön, Frau Kollegin Köhne! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Kollege Dr. Altug das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion setzt sich seit Jahren für die Reduzierung des Fleischkonsums ein. Neulich haben wir einen Antrag für einen Berliner Veggie-Day eingebracht. Es spricht aus unserer Sicht auch nichts dagegen, vegetarische und vegane Lebensmittel in Zukunft auch als solche zu kennzeichnen.
Foodwatch hat Anfang April einen Gesetzentwurf unter der Überschrift „Versteckte Tiere“ veröffentlicht. Dieser Entwurf einschließlich der Begründung liegt nun unverändert als Antrag der Piratenfraktion vor. Worin genau die Zusammenarbeit bestand, die im Antrag der Piraten erwähnt wird, können die Piraten vielleicht in der Ausschusssitzung erklären.
Das Anliegen von foodwatch, die Begriffe „vegan“ und „vegetarisch“ gesetzlich zu definieren und das Kennzeichnungsrecht entsprechend zu ändern, ist richtig und wichtig.
Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind verunsichert, weil sie sich nicht auf das verlassen können, was auf der Verpackung steht. Das ist nicht gut für die Berlinerinnen und Berliner. Man muss sicher sein können: Was auf der Verpackung steht, ist auch drin.
Um das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen, brauchen wir engmaschige Kontrollen, umfassende Informationspflichten und wirksame Sanktionen. Das scheint nun auch Herr Verbraucherschutzsenator Heilmann erkannt zu haben. Er will die Wirtschaft und den Einzelhandel in die Pflicht nehmen. Wir werden sehen, was das mit sich bringen wird.
Die Berlinerinnen und Berliner haben ein Recht darauf zu wissen, was in den Lebensmitteln enthalten ist und wie sie hergestellt werden. Der Antrag der Piraten ist dazu ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Auf der Homepage von foodwatch kann man nachlesen, welche Schritte folgen müssen, von den Nährwertampeln über die Kennzeichnungspflicht für verarbeitete Eier und gentechnisch veränderte Lebensmittel bis zum Smiley. Zu einigen dieser Themen haben wir bereits Anträge eingebracht. Darüber haben wir auch in diesem Haus diskutiert. Weitere werden folgen.
Am Ende ist einmal mehr darauf hinzuweisen: Nur ein klares Umdenken bei der Herstellung und Wertschätzung von Lebensmitteln wird uns auf Dauer vor weiteren Skandalen bewahren. Anstelle der multinationalen industriellen Lebensmittelproduktion setzen wir auf die Förderung einer regionalen ökologischen Landwirtschaft. Dann kann jeder und jede sich vor Ort davon überzeugen, was zum Beispiel im Müsli enthalten ist. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Altug! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Kollege Jupe. – Bitte schön!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich kurzfassen, da wir verabredet haben, diesen Antrag in den zuständigen Rechts- und Verbraucherschutzausschuss zu überweisen. Ich bin – jedenfalls hinsichtlich der Formulierung des Antrags – ein bisschen skeptisch. Ich
würde den zweiten Titel des Antrags so formulieren: „Endlich mehr Sicherheit für Vegetarier und Veganer“.
Ich habe zum Antrag auch grundsätzliche Bedenken vorzutragen. Ein Staat, der versucht, sämtliche Angelegenheiten einzelner gesellschaftlicher Gruppen in Gesetze und in Vorschriften zu gießen, der überfrachtet das alles, der erstickt die Initiativkraft des Einzelnen, die Kreativität der Gesellschaft und die Balance zwischen Bürger und Staat. Das ist meine persönliche Meinung zu dem Vorschlag, den Sie gemacht haben, aber wir können das im Ausschuss gerne noch im Einzelnen diskutieren.
Hinzu kommt, dass wir den abwehrenden Verbraucherschutz im Vordergrund sehen, das bedeutet Abwehr von Gesundheitsgefahren, nicht aber die Hinzufügung einzelner weiterer Vorschriften, die lediglich einzelne Gruppen betreffen.
Eine andere Frage ist, inwieweit Lebensmittel, die als vegan oder vegetarisch deklariert werden, den Verbraucher oder die Verbraucherin über ihre Zusammensetzung ordnungsgemäß nicht unterrichten. Dazu hat Frau Köhne eigentlich das Richtige gesagt: Klarheit und Wahrheit muss sein. Das ergibt sich aber aus den bisherigen Verbraucherschutzvorschriften.
Formal ist vielleicht noch zu sagen, dass eine Änderung der im europäischen Bereich bestehenden Lebensmittelinformationsverordnung derzeit nicht in Betracht kommt und auch keine Aussicht auf Umsetzung und Realisierung hat. Diese europäische Verordnung wird nämlich die deutsche Lebensmittelkennzeichnungsverordnung ablösen, und dann gilt der Inhalt der europäischen Lebensmittelinformationsverordnung. Da das bereits zum Ende des Jahres, nämlich zum 13. Dezember 2014, der Fall sein wird, würden wir mit einer solchen Anregung ins Leere stoßen. Ich bin aber gerne bereit, weitere Argumente auszutauschen, und freue mich auf eine Diskussion im Ausschuss. – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Kollege Jupe! – Für die Fraktion Die Linke zum wiederholten Male heute Dr. Lederer – bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, das Vergnügen, hier heute die Rederunden für das Parlament quasi abzuschließen, hatte ich, glaube ich, bisher selten.
Lieber Herr Kowalewski! Das sind alles total unschöne Sachen, die Sie uns vorhin hier erzählt haben: Pferde in der Pizza und so, ich mag das auch alles nicht.
Ich will mich auch überhaupt nicht darüber lustig machen. – Ja, es wäre prinzipiell gut, wenn wir eine bessere Kennzeichnung von Lebensmitteln hätten. Jetzt kann man darüber diskutieren, wie sie stattfinden soll. Ich bin auch gar nicht prinzipiell gegen Regulierung wie manch anderer hier im Saal, der findet, das regelt alles die Gesellschaft von sich aus, nein, es soll schon Regeln über Kennzeichnung von Lebensmitteln geben. Aber wenn ich dann höre: Es gibt Ampeln, Tabellen, Label, Normen – da kommst du ja gar nicht mehr zum Essen, wenn du das alles lesen willst, was auf den Dingern drauf ist.
Deswegen finde ich, muss man schon darüber reden, was geeignete Formen sind. Da würde ich es dann auch als Vegetarier selbst – na klar – schön finden, wenn man sich als Vegetarier darauf verlassen kann, dass tatsächlich vegetarisch ist, was man da bekommt. Und Veganerinnen und Veganern möchte ich dieselbe Chance zubilligen. Aber über die geeignete Form dieser Kennzeichnung, was wirklich sinnvoll ist, sollten wir dann in den Ausschüssen reden. – Ich habe es jetzt in einer Minute geschafft und danke für die Aufmerksamkeit.