Protocol of the Session on May 30, 2013

Im Übrigen ist das Land Berlin durchaus in der Lage, seine Vorstellungen von einer nachhaltigen Energie- und Klimaschutzpolitik auch gegenüber großen privaten Unternehmen zu formulieren und gegebenenfalls auch durchzusetzen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Senator Müller! – Für die Besprechung der Großen Anfrage und die Beratung des Antrags stehen den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat Herr Abgeordneter Schäfer. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank, Herr Senator Müller! Bei allem Bemühen, ist es natürlich unmöglich für Sie, die Frage zu beantworten, warum der Chef zur aktuellen energiepolitischen Debatte schweigt. Da müsste der Chef schon einmal selbst ans Redepult gehen. Herr Wowereit! Sie haben jederzeit das Rederecht in diesem Parlament. Wenn Sie sich trauen und die Bilanz Ihrer Chefsache Klimaschutz aushalten, kommen Sie doch hier nach vorn und erklären uns, warum das nichts geworden ist!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Was Herr Müller hier gesagt hat, wirft neue Fragen auf. Er bezieht sich auf die Klimaschutzvereinbarungen mit Vattenfall. Vattenfall hat in dem Zusammenhang versprochen, den Braunkohleausstieg Berlins bis zum Jahr 2016 zu realisieren, und hat dieses Versprechen wieder kassiert und zurückgenommen. Der Regierende Bürgermeister ist zum Standortjubiläumsfest gegangen, hat sein Plazet gegeben und Vattenfall gezeigt, dass die Braunkohle so lange betrieben werden kann, wie es gewollt ist. Das ist Chefsache Klimaschutz, Herr Wowereit, wie Sie sie verstehen.

Bei aller Kritik an dem klimapolitischen Arbeitsprogramm des Senats war es zu wenig ambitioniert. Wesentliche Teile sind nicht umgesetzt worden. Das Gesamtkonzept für die CO2-Sanierung – das hat Herr Müller noch einmal bestätigt –, das Klimaschutzgesetz gibt es bis heute nicht, das Finanzierungskonzept für öffentliche Gebäude fehlt auch. Immerhin war das klimapolitische Arbeitsprogramm von 2008 aber konkret. Es wurden Verantwortliche benannt und teilweise sogar Termine gemacht. So geht moderne Klimapolitik. Wir haben im

Berliner Energiespargesetz festgelegt, dass der Senat einen Maßnahmeplan machen muss, der jedes Jahr überprüft wird, wie erfolgreich er ist. Andere Bundesländer beschließen ähnliche Regelungen, finden es ganz toll und halten es für eine gute Innovation. Wir haben es seit den Neunzigerjahren. Wir haben nur ein Problem damit: Sie machen diese Maßnahmepläne überhaupt nicht. Sie ignorieren das Gesetz schlicht und ergreifend, das Ihnen vorschreibt, bis zum Jahr 2010 einen solchen Plan vorzulegen. Das ist nicht akzeptabel. Deshalb sind wir dafür auch vor das Landesverfassungsgericht gegangen und hoffen auf Erfolg.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Herr Senator Müller! Die öffentliche Gebäude sind noch schlechter als der Durchschnitt hier gedämmt. Ich würde gern noch einmal um Ihre Aufmerksamkeit bitten, auch wenn es immer verlockend ist zu reden, um zu zeigen, wie unwichtig man den Redner findet. Bei der Finanzierung der Sanierung öffentlicher Gebäude ist es klar, und wir haben lange darüber gesprochen. Wir haben damals als Fraktion vorgeschlagen, dass die nicht verausgabten Investitionsmittel hier in einen zu gründenden revolvierenden Fonds fließen. Das wäre ein Ansatz gewesen. Inzwischen geben Sie selbst diese Mittel in den Haushaltplänen schon aus. Wir brauchen einen neuen Weg.

Herr Müller! Sie haben zum Sanierungsbedarf bei der BIM gesprochen. Fakt ist aber, dass für die großen Projekte, wie beispielsweise am Fehrbelliner Platz und das Krankenhaus Moabit, die die BIM anmeldet, keine Finanzierung vorhanden ist. Dafür stellt Herr Nußbaum keine Finanzierung zur Verfügung. Wie soll er das auch aus dem laufenden Haushalt bewerkstelligen? Das ist eine extrem schwierige Aufgabe. Gerade deshalb bitte ich Sie, darüber nachzudenken, diese Aufgabe an ein neues Stadtwerk zu geben.

Ich weiß nicht, welchen Sinn es hat, hier darüber zu debattieren. Es ist ein schönes politisches Mittel, seine Missachtung zu zeigen. Wenn Sie aber an der Debatte interessiert sind und Interesse an einer Verständigung über verschiedene Ansätze, die es gibt, haben, um ein solches Stadtwerk zu gründen, wäre es wirklich vorteilhaft, wenn man auch auf Argumente eingeht. Ich versuche auch, auf Ihre Argumente einzugehen. Ich finde es, gelinde gesagt, eine Unverschämtheit und eine Missachtung des Redners und damit auch des Parlaments und so nicht hinnehmbar, Herr Müller.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Wenn Sie kein Interesse an einer inhaltlichen Debatte haben, können wir gern die Draufhaupolitik machen, wie Sie es in der Aktuellen Stunde getan haben. Die Glaubwürdigkeit Ihrer Politik sieht folgendermaßen aus: Sie beschließen ein Arbeitsprogramm, machen ein großes Presseevent, und die Umsetzung ist größtenteils Fehlanzeige. Sie gründen ein Klimabündnis. Herr Wowereit macht zwei große Presseevents, eine Ausstellung mit dem

Stand von 2009, tourt durch die Gegend, die Internetseite ist nicht aktuell – im Gegensatz zu dem, was Sie hier gesagt haben. Sie machen ein solches Klimabündnis. Dann ist nichts mehr davon zu hören. Das ist nicht glaubwürdig. Sie versprechen bis 2011 einen Umsetzungsplan, einen Arbeitsplan zur Umsetzung des Energiekonzepts 2020, und nie wieder ist etwas davon zu hören. Es hat Ihre Unterschrift, Herr Wowereit! Sie machen den Klimaschutz zur Chefsache und kümmern sich dann nicht mehr.

Und Sie ignorieren Gesetze. Das ist für mich der entscheidende Punkt, dass wir in diesem Haus ein Gesetz beschließen, das dem Senat die Aufgabe gibt, alle vier Jahre einen Maßnahmenplan zu machen und ihn jährlich zu überprüfen und dem Abgeordnetenhaus diesen Bericht vorzulegen, aber Sie machen das einfach nicht. Wie soll Ihnen denn die Öffentlichkeit da draußen glauben, dass Sie ein Stadtwerk gründen wollen? Wie soll sie Ihnen glauben, dass Sie Energienetze rekommunalisieren wollen? Das sind alles Erklärungen. Wenn Sie noch nicht einmal Gesetze beim Klimaschutz einhalten, dann ist Ihre Politik nicht glaubwürdig. Die Chefsache Klimaschutz ist genauso gescheitert wie die Chefsache Flughafen, Herr Wowereit! Aber hier gibt es, anders als beim Flughafen, noch weniger Ausreden, denn Sie allein hatten die Richtlinienkompetenz. Sie allein hätten jeden Senator dazu anhalten können, seine Aufgaben umzusetzen, aber Sie haben es unterlassen. Sie haben es noch nicht einmal nötig, hier Ihre Politik zu erklären oder selbst Bilanz zu ziehen.

Wir rufen deshalb die Berlinerinnen und Berliner auf: Machen Sie Klimaschutz wirklich zur Chefsache! Es ist ja wohl klar, mit diesem Chef geht es nicht. Herr Stöß ist auch nicht da. Deshalb rufen wir die Berlinerinnen und Berliner auf: Sorgen Sie dafür, dass der wirkliche Chef, der Souverän, darüber entscheiden kann,

[Ah! von der CDU]

am 22. September, am Tag der Bundestagswahl, Klimaschutz zur Chefsache zu machen und mit einem Volksentscheid das Gesetz des Energietisches einzuführen; denn dann kommt endlich Bewegung in dieses Land!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Berlin ist Letzter beim Klimaschutz, Herr Wowereit! Wir reduzieren unseren CO2-Ausstoß langsamer als die anderen Bundesländer. Wir sind Letzte bei den erneuerbaren Energien! Und Ihnen ist das so was von egal! So was von egal!

[Beifall bei den GRÜNEN – Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Machen Sie nicht den Müller hier!]

Sie können zu diesem Thema gerne hier vorne Stellung nehmen – jederzeit!

[Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Nein, ich trau’ mich nicht! – Heiterkeit bei der SPD und der CDU]

Dass dieses Thema Sie so amüsiert!

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Wenn Klimaschutz Chefsache ist, dann muss doch die aktuelle CO2-Bilanz, die einen Anstieg anzeigt, wie es ihn seit Beginn der Messungen hier in Berlin noch nie gab, einen Anstieg in einem Jahr, höher als je zuvor seit 1990 – dann muss doch einer Ihrer Mitarbeiter das lesen und sagen: Herr Wowereit, hier haben wir ein Problem. – Und dann müssen Sie sich damit beschäftigen.

[Zuruf vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit]

Und was passiert wirklich? – Wir haben das einen Monat später hier im Parlament, und sie glauben die Zahlen vom Statistischen Landesamt nicht.

[Zuruf vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit]

Ja, dann lesen Sie doch die Zahlen vom Statistischen Landesamt, da stehen sie: 10,3 Prozent mehr CO2-Ausstieg im Jahr 2010 nach der Quellenbilanz, Statistisches Landesamt Berlin-Brandenburg.

[Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Und womit hängt das zusammen? Weil es einen langen Winter gegeben hat – eine tolle Erkenntnis!]

Ja, natürlich hat es einen langen Winter gegeben. In ganz Deutschland ist die CO2-Emission angestiegen, im Rest der Republik um 3,9 Prozent, hier um 10,3. Das ist ja wohl nicht die einzige Erklärung!

[Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Wenn Sie sich das über mehrere Jahre angucken, Herr Wowereit: Von 2005 an ist hier nicht mehr viel passiert. Die CO2-Emission stagniert. Im Rest der Republik geht sie – viel zu langsam – zurück, 1 Prozent pro Jahr im Schnitt, und hier sind es 0,2. Das ist nicht das Phänomen eines Jahres. Wie soll sie denn auch zurückgehen?

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Auch Herr Müller konnte uns nicht sagen, welches die drei großen Projekte waren, die Sie vorangestoßen haben. Wie soll die CO2-Emission zurückgehen?

Wir können da Frau Merkel nicht vertrauen wie Sie, sondern wir müssen auch im Land Berlin endlich selbst einen Beitrag leisten. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Schäfer! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Buchholz. – Bitte sehr!

Meine Damen, meine Herren! Verehrter Kollege Schäfer! Verehrte Präsidentin – ich will Sie nicht vergessen! Was machen wir denn mit Ihnen, Herr Schäfer?

[Heiterkeit – Beifall bei der SPD und der CDU]

Was machen wir denn da? Ich weiß nicht, ob es an dem bordeauxfarbenen Anzug liegt

[Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Aubergine!]

oder an der heutigen Mondkonstellation, dass Sie sich so echauffieren mussten. Es war ein bisschen viel Tränendrüse dafür, dass Sie, wenn Sie im Augenblick regieren würden, nichts anderes vorweisen könnten als diese Landesregierung.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU – Zurufe von den GRÜNEN]

Fangen wir mit den Fragen zum Kohlendioxidausstoß an! Das ist ein sehr ernsthaftes Thema.

[Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Chefsache seit 2008!)]

Was passiert nicht nur in Berlin, nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, was passiert weltweit in Bezug auf den Klimawandel? – Vielleicht, Herr Schäfer, haben Sie es mitbekommen: Dazu gibt es sogar internationale Konferenzen. Ich würde mir wünschen, dass die Bundeskanzlerin Angela Merkel, wo sie sich früher als Umweltministerin und auch am Anfang ihrer Zeit als Bundeskanzlerin mehr um die Klimathemen gekümmert hat, das auf der nationalen und internationalen Ebene mehr durchsetzen würde. Da muss viel mehr passieren. Wir gehen tatsächlich international ein Stück weit darüber hinaus.

[Zuruf von Joachim Esser (GRÜNE)]