Zur Begründung der Großen Anfrage erteile ich einem Mitglied der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort – mit einer Redezeit von bis zu fünf Minuten. Es spricht Herr Kollege Schäfer. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Sommer 2008 hat der Regierende Bürgermeister den Klimaschutz zur Chefsache gemacht. Mit großem Tamtam hat er eine Berliner Klimastrategie präsentiert. Er hat mit großem Tamtam ein Klimabündnis mit Unternehmen vorgestellt. Fünf Jahre später denken wir, es ist an der Zeit, Bilanz zu ziehen. Herr Wowereit! Wir haben acht konkrete Fragen an Sie, auf die wir heute konkrete Antworten erwarten.
Die erste Frage ist ganz einfach: Ist Klimaschutz noch Chefsache? – Die zweite Frage ist: Wie zeigt sich das in Ihrer Arbeit? – Und die dritte: Was sind die drei wichtigsten konkreten Klimaschutzprojekte, Herr Wowereit, die Sie in Ihrer Amtszeit bisher angestoßen haben?
Diese Fragen betreffen den Charakter Ihrer Arbeit grundlegend. Was bedeutet es konkret, wenn Sie etwas zur Chefsache machen? Sie machen das ja gerne mal; mal der Tourismus, mal die Integration. Auch die Stadtreinigung war schon Chefsache. Wir wollen von Ihnen wissen: Ist das nur ein Mittel, um mal kurz mediale Resonanz zu ernten, oder kümmern Sie sich so lange um das Problem, bis eine Lösung in Sicht ist? –
Der zweite Fragekomplex ist: Was ist denn aus den Beschlüssen von 2008 geworden? Da möchten wir von Ihnen wissen: Wie lange müssen wir noch auf das Gesamtkonzept zur CO2-Sanierung warten, das Sie damals angekündigt haben? Wie lange müssen wir noch auf das Finanzierungskonzept zur ökologischen Instandsetzung öffentlicher Gebäude warten, das Sie damals angekündigt haben? Heute möchten wir endlich klare Termine von Ihnen hören, wann diese Arbeiten abgeleistet werden.
Die fünfte Frage ist: Warum hat der Regierende Bürgermeister sein Berliner Klimabündnis, das Sie damals ganz groß mit mehreren Unternehmen gegründet haben, nach nur zwei Pressekonferenzen wieder einschlafen lassen? Was macht dieses Klimabündnis heute? Bitte erklären Sie uns das! Das ist ja ein guter Ansatzpunkt, auf dem man aufbauen kann, und wir würden uns wünschen, dass das weitergeht. Dazu haben wir auch einen Antrag eingebracht.
Die sechste Frage ist: Warum ist Ihr Senat, Herr Wowereit, seiner gesetzlichen Pflicht, im Jahr 2010 ein Landesenergieprogramm mit konkreten Maßnahmen zum Klimaschutz vorzulegen, bis heute nicht nachgekommen? Das ist ein Gesetz, das dieses Abgeordnetenhaus beschlossen hat. Sie hätten 2010 einen Maßnahmeplan vorlegen müssen. Sie ignorieren dieses Gesetz einfach komplett, ohne uns bisher einen Termin genannt zu haben, bis wann Sie dieses Klimaschutzprogramm, das gesetzlich vorgeschrieben ist, vorlegen wollen. Seit 2010 ignorieren Sie Gesetze – das nehmen wir nicht weiter hin!
Der dritte Fragenkomplex ist, warum Sie sich nicht in die aktuelle energiepolitische Debatte einschalten, wo es um Stadtwerke und Energienetze geht. Hier gibt es viele hundert Aktive, die viele tausend Stunden ehrenamtliche Arbeit hineinstecken, um Unterschriften für ein Volksbegehren zu sammeln, und es gibt viele Berlinerinnen und Berliner, die sich die Frage stellen, ob sie da unterschreiben sollen oder nicht. Ich finde, diese Menschen haben Anspruch darauf, endlich einmal zu hören, was die Meinung des Regierenden Bürgermeisters zu diesen zwei wesentlichen Fragen für unsere Stadt ist.
Deshalb beantworten Sie uns heute bitte zwei weitere Fragen: Welche Eigentümerstruktur, welche konkreten Aufgaben und wie viel Eigenkapital soll das zu gründende Berliner Stadtwerk aus Sicht des Regierenden Bürgermeisters haben?
Was unternimmt der Regierende Bürgermeister, um beim Stromnetzbetrieb das Modell Wasserbetriebe, das gescheitert ist, zu verhindern, also eine gemeinsame Netzgesellschaft von Land und Vattenfall? – Das sind acht konkrete Fragen, zu denen wir acht konkrete Antworten erwarten.
Nun haben wir schon gehört, dass Sie heute gar nicht in die Bütt wollen. Sie schicken Senator Müller vor. Das ist ziemlich feige! Wenn man solche Programme in der Öffentlichkeit vorstellt, ganz groß die Presse einlädt und erzählt, was man alles macht, und dann nicht selber die Kraft hat, hier dem Parlament zu berichten, was davon umgesetzt wurde und was nicht – das ist einfach feige!
Aber eins muss man sagen: Die erste Frage, ob Klimaschutz noch Chefsache ist, beantworten Sie damit. Diese Antwort haben wir heute bekommen. Sie ist nicht die, die wir uns erhofft haben. Aber das ist immerhin eine Antwort.
Herr Müller! Wir bitten Sie, hier keine Rede über Klimapolitik im Allgemeinen zu halten, sondern konkret die Fragen zu beantworten, die wir gestellt haben und die ich eben noch einmal vorgetragen habe! Ich denke, es ist das gute Recht des Parlaments, es ist unser Verfassungsauftrag, Sie zu kontrollieren. Das können wir nur, wenn Sie Fragen auch beantworten und nicht ausweichend darauf reagieren. Ich hoffe auf konkrete Antworten. – Vielen Dank!
[Joachim Esser (GRÜNE): Der Wowereit ist kein Abgeordneter, kann der mal auf seinen Platz gehen? – Beifall bei den GRÜNEN]
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantworte Ihre Große Anfrage, Herr Schäfer, für den Senat natürlich, wie immer, konkret. Als Erstes fragen Sie: Was bedeutet es konkret, wenn Klaus Wowereit etwas zur Chefsache macht? – Klimaschutz hat für den Senat insgesamt und für den Regierenden Bürgermeister höchste Priorität, wenngleich die fachliche Bearbeitung entsprechend der Geschäftsverteilung des Senats den einzelnen Ressorts obliegt. Der Regierende Bürgermeister setzt aber die Gesamtagenda durch entsprechende Aufträge.
Dies zeigt sich an den verschiedenen Projekten und Arbeitsaufgaben, die in den zuständigen Fachverwaltungen bearbeitet werden. Beispielhaft seien dafür die Klimaschutzvereinbarungen mit Verbänden und Unternehmen zu nennen. So konnte mit dem Energieversorger Vattenfall – im Gegensatz zum Bundestrend – vereinbart werden, dass die künftige Energieversorgung im Land Berlin nicht mehr auf Kohle, sondern auf dem umweltfreundlichen Energieträger Gas beruhen wird. Auch mit dem Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen konnte für den Wohngebäudebestand seiner Mitgliedsunternehmen eine Rahmenvereinbarung mit einem CO2-Minderungsziel bis 2020 abgeschlossen werden. Konkrete Vereinbarungen wurden bereits mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften geschlossen.
Eine wichtige Grundlage für ökologische und nachhaltige Stadtentwicklung, die auch die Aspekte des Klimaschutzes und der Klimaanpassung berücksichtigt, sind die vorliegenden Stadtentwicklungspläne wie der StEP Verkehr, der StEP Klima oder auch das Stadtentwicklungskonzept 2030.
Die Entscheidung, dass Berlin 2050 klimaneutrale Stadt sein wird, steht im Einklang mit den Entwicklungen in vielen anderen Bundesländern. Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie „Klimaneutrales Berlin 2050“ wird derzeit durch ein Konsortium unter Federführung des PIK untersucht, welcher Rahmenbedingungen es dafür bedarf. Die Ergebnisse der Studie werden Ende 2013 vorliegen und eine wichtige Grundlage bei der Aufstellung eines integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts bilden. Das Konzept wird konkrete Maßnahmen und Handlungsempfehlungen zur Zielerreichung aufzeigen und einem regelmäßigen Monitoring-Prozess unterliegen.
Geplant ist, die energie- und klimaschutzpolitischen Aktivitäten durch ein Berliner Energiewendegesetz zu flankieren, das die CO2-Minderungsziele gesetzlich verankert
und die Energie- und Klimaschutzpolitik im Land Berlin auf eine einheitliche gesetzliche Grundlage stellt. Derzeit wird der Entwurf in meiner Verwaltung im Sonderreferat „Klimaschutz und Energie“ erarbeitet. Am 10. Juni 2013 wird die Diskussion darüber erweitert, indem der Entwurf mit wichtigen Akteuren der Stadt diskutiert wird.
Abschließend sei hier die Beteiligung am Vergabeverfahren um die Netzkonzessionen im Bereich Gas und Strom sowie die Entscheidung zur Gründung eines Stadtwerks als weiteres wichtiges energie- und klimaschutzpolitisches Projekt genannt. Eine Informationsveranstaltung dazu mit Workshop fand am vergangenen Montag, am 27. Mai statt. Sie ist damit ein Beispiel für Kommunikation und Transparenz zu diesem Bereich in dieser Stadt.
Sie fragen als Zweites, Herr Schäfer: Was ist aus Wowereits Berliner Klimastrategie und seinem Berliner Klimabündnis von 2008 geworden? – Ein Gesamtkonzept über die CO2-Sanierung ist ein sehr anspruchsvolles Projekt, das neben den notwendigen finanziellen Mitteln umfassende Untersuchungen und Betrachtungen auf Verwaltungsseite erfordert. Nach Auskunft der Finanzverwaltung wurde und wird der Sanierungsbedarf inklusive energetischer Maßnahmen im Sondervermögen Immobilien des Landes Berlin durch die BIM jeweils nach Auswertung der im Rahmen des sogenannten Gebäudescans erhobenen Daten und Kosten ermittelt. Untersuchungsschwerpunkte dabei sind Themen wie Standsicherheit, Schadstoffe, Brandschutz, Einhaltung gesetzlicher Normen und Vorschriften sowie der allgemeine Zustand der jeweiligen Gebäude. Für die Gebäude, die nach 2009 übertragen wurden, wird der Gebäudescan derzeit vorbereitet. Die Ergebnisse liegen bis spätestens Mitte 2014 vor.
Die BIM arbeitet zudem intensiv an einem ganzheitlichen Energiekonzept für die Liegenschaften des BILB. Dieses berücksichtigt aktuelle und künftige Handlungsfelder wie die energetische Gebäudesanierung, Energiesparpartnerschaften, Wärmelieferungscontractingvereinbarungen, Umweltmanagement sowie den Einsatz von erneuerbaren Energien. In diesen Handlungsfeldern konnten bereits viele Maßnahmen realisiert werden, über die unter anderem mit Hauptausschussvorlagen vom 23. November 2010, 20. April 2011 sowie 1. Dezember 2011 berichtet wurde. Auch befinden sich derzeit viele Projekte in der Umsetzungs- oder Planungsphase für die Folgejahre.
Vor dem Hintergrund des vom Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses in seiner Sitzung am 13. Juni dieses Jahres erneut zum Thema Gebäudesanierung erteilten Berichtsauftrags wird voraussichtlich nach der Sommerpause im Rahmen der Vorlage der Finanzplanung 2013 – 2017 über die Größenordnung und den Zeitrahmen des geplanten Abbaus des Sanierungsstaus der Gebäude des BILB berichtet werden.
Zwischenzeitlich wurden auch auf Bundesebene Anforderungen an die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand formuliert. So kommt das Land Berlin mit der Umsetzung der Verpflichtung aus dem Erneuerbare-EnergienWärmegesetz seiner Vorbildfunktion bereits nach, und auch im Bereich ökologischer Beschaffung sind wir auf dem richtigen Weg: Hier haben wir mit unseren Verwaltungsvorschriften zur umweltfreundlichen Beschaffung bereits ein erstes Zeichen gesetzt.
Mit der Entscheidung, Berlin bis 2050 zu einer klimaneutralen Stadt zu entwickeln und das Wie im Rahmen einer Machbarkeitsstudie untersuchen zu lassen, ist ein weiterer wichtiger Schritt eingeleitet worden. Im Rahmen der Zielerreichung wird die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand eine wichtige Rolle spielen. Erforderliche Maßnahmen wie die Entwicklung eines Konzepts für eine CO2-neutrale Verwaltung oder die Aufstellung eines Sanierungsfahrplans für die Gebäude der öffentlichen Hand werden dabei Berücksichtigung finden.
Das Berliner Klimabündnis ist eine auf Dauer angelegte Initiative, die unabhängig von Presseterminen zu kontinuierlichen Klimaschutzmaßnahmen in Berliner Unternehmen beiträgt. Das Klimabündnis wurde 2008 ins Leben gerufen, um die Verantwortung der Berliner Unternehmen für den Klimaschutz deutlich zu machen und durch Klimaschutzanstrengungen einen Beitrag zu CO2-Reduktionen und Energieeinsparungen in den Unternehmen zu erreichen.
Hierfür verpflichten sich die beteiligten Unternehmen zur fortlaufenden Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen, über die die Öffentlichkeit unter anderem im Rahmen einer Ausstellung an verschiedenen Standorten informiert wurde. Zudem gibt die Internetseite des Berliner Klimabündnisses einen Überblick über laufende Klimaschutzmaßnahmen der am Berliner Klimabündnis beteiligten Unternehmen. Die Pflicht zur Aufstellung eines Landesenergieprogramms ergibt sich noch aus dem alten Energiespargesetz, das inhaltlich sicherlich überholt ist. Sie soll deshalb mit Verabschiedung des Energiewendegesetzes Berlin aufgehoben werden. Das Energiewendegesetz Berlin soll die Verpflichtung zur Aufstellung eines integrierten Energie- und Klimaschutzkonzeptes enthalten, welches ebenfalls konkrete Maßnahmen enthalten, allerdings stärker auf die Zielerreichung Klimaneutralität 2050 ausgerichtet sein wird.
Das integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept ist stärker auf die neuen Anforderungen im Bereich Energie- und Klimaschutz ausgerichtet und unterliegt einem klaren Evaluierungs- und Monitoringprozess. Berlin steht mit dieser Entscheidung auch im Einklang mit Initiativen in anderen Bundesländern wie beispielsweise BadenWürttemberg. Mit Aufstellung eines derartigen Konzepts wird die Energie- und Klimaschutzpolitik im Land Berlin
Sie fragen als Drittes, Herr Schäfer, warum der Chef zu den großen Themen Stadtwerke und Energienetz schweigt. Welche Eigentümerstruktur ein Berliner Stadtwerk erhalten soll, wird der derzeit in dem dafür zuständigen Fachbereich geprüft. So sind mindestens drei verschiedene Optionen BSR Tochtergesellschaft, Berliner Energieagentur und die Neugründung eines Unternehmens denkbar. Für den Fall einer BSR Tochtergesellschaft, bei der die Erweiterung des gesetzlichen Auftrags Voraussetzung ist, besteht die Möglichkeit der Gründung einer eigenen Tochtergesellschaft der BSR beispielsweise in der Rechtsform einer GmbH. Alternativ käme auch eine Beteiligung der BSR an einem anderen Unternehmen in Betracht. Grundsätzlich ist auch die BEA, die Berliner Energieagentur, in der bestehenden Rechtsform geeignet, Nukleus eines Stadtwerkes Energie zu sein. Dies setzt lediglich Einverständnis der Gesellschafter darüber voraus, die bisherige Geschäftstätigkeit der BEA zu erweitern und das Unternehmen mit dem entsprechenden Kapital auszustatten. Zudem stellt sich die Frage nach Akzeptanz, wenn private Anteilseigner bleiben.
Auch bei der Neugründung eines Unternehmens würde sich die Rechtsform der GmbH anbieten. Die Höhe der Eigenkapitalausstattung ist abhängig von dem gewählten Unternehmens- und Geschäftsmodell. Das neue Unternehmen könnte allein im Eigentum Berlins stehen.
Neben der Prüfung der verschiedenen Optionen hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile werden konkrete Aufgaben und Zielstellungen für ein Stadtwerk erarbeitet. Die notwendige Eigenkapitalausstattung wird Gegenstand der anstehenden Haushaltsberatungen sein. Welche Aufgaben ein künftiges Stadtwerk leisten kann und sollte, wurde unter anderem auch im Rahmen eines Werkstattgesprächs zum Thema Energiewende – ich habe schon darauf hingewiesen – mit Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung diskutiert.
Die überwiegende Übereinstimmung unter den Teilnehmern bestand insofern, als in Zukunft Erzeugung, Verteilung und Verbrauch von Energie unter klimapolitischen Anforderungen betrachtet werden muss, ohne dabei ökonomische, aber natürlich auch soziale Erfordernisse aus dem Blick zu verlieren. Die Wiedererlangung der kommunalen Verantwortung für die Netze wurde kaum in Frage gestellt bei der Frage, was ein künftiges Stadtwerk alles leisten kann und sollte, wurde aber zum Teil sehr kontrovers diskutiert.
Dies bedeutet, dass die Diskussion darüber natürlich noch nicht abgeschlossen ist und von mir auch fortgesetzt wird. Der LHO-Betrieb Berlin-Energie bewirbt sich nicht mit einem Kooperationsmodell, sondern als alleiniger Betreiber des Gas- und Stromnetzes in Berlin. Damit ist die
Zielstellung des Landes auch klar beschrieben. Kooperationsmodelle kommen nur dann zum Tragen, wenn keines der Alleinbetreibermodelle aus Sicht der Vergabestelle bei der Senatsverwaltung für Finanzen vorzugswürdig ist.