Fakt ist jedenfalls: Die Berliner Verwaltung erhebt zunehmend für Arbeiten, die sie steuerfinanziert sowieso per definitionem machen muss, zusätzlich mit großer Leidenschaft diverse Gebühren. Das haben wir als Tendenz zu verzeichnen. Dieser Gesetzentwurf will nun eine solche Zusätzlichkeit für einen kleinen Teil der Verwaltungsarbeit für Kirchensteuerzahlungen erheben. Die sind eine Dienstleistung für die christlichen Kirchen, die sich
der Senat selbstverständlich recht gut bezahlen lässt, und zu dieser Verwaltung gehört natürlich auch die Erfassung der Steuerpflichtigen – ein ganz normaler Vorgang.
Wenn man es allerdings wie in Deutschland mit der Trennung von Staat und Kirche nicht allzu ernst nimmt, dann ist das in Ordnung. Aus keinem anderen Grund hat es den Staat zu interessieren, welcher Kirche ich angehöre und welcher nicht. Die Standesbeamtin, die meine Trauung beurkundet hat, geht das überhaupt nichts an. Ich verstehe nicht, weshalb diese Dame jetzt durch das Amtsgericht im Falle meines Kirchenaustritts nun auch noch eine Nachricht erhalten soll. – Was bin ich froh, dass ich nicht auf Feuerland geheiratet habe!
Das Finanzamt muss ich allerdings durch eine Vorlage der Austrittsbescheinigung selbst informieren. Ausgerechnet der Sprecher des Erzbistums Berlin verteidigt diesen neuen Fischzug der öffentlichen Hand durch private Taschen. Ich darf zitieren:
So Herr Förner. – Wenn eine Amtskirche, die nichts für umsonst macht, sich dermaßen vehement vor ein Verwaltungshandeln wirft, dann muss sie ein gewisses Eigeninteresse haben – sonst würde sie das nicht tun.
Einige Journalisten – die Sache hat tatsächlich ein gewisses Geschmäckle, Herr Wowereit, Sie reichten diese Vorlage ja nach Ihrem Gespräch mit Herrn Woelki ein – mutmaßten dann auch sofort eine politisch gewollte Hindernissetzung für Kirchenaustrittswillige, nach dem Motto: Wer in unserer Discounterwelt für einen Austritt zahlen muss, der tritt eben nicht aus. – Herr Verrycken hat das eben ein kleines bisschen bestätigt. Wir wollen ja nun nicht – sagte er – Kirchenaustritte subventionieren. Es handelt sich ja immerhin um Größenordnungen von 2 200 bis 2 300 pro Jahr allein für die Landeskirche BerlinBrandenburg, Schlesische Oberlausitz.
Wir wollen Ihnen gern helfen, Herr Regierender Bürgermeister. Diese billigen Vorwürfe atheistischer Kreise wären sehr leicht zu entkräften, würde das uns jetzt vorliegende Gesetz durch einen Absatz 4 in § 1 ergänzt werden, der festschreibt, dass auch Kircheneintritte mit 30 Euro belastet werden.
Auch darüber müssen die beteiligten Stellen schließlich informiert werden. Das würde Sie vom Vorwurf einer einseitigen ideologischen Parteinahme entlasten und im Interesse des Finanzsenators eine Gebührengerechtigkeit im Land Berlin herstellen, die sowohl im Sinne des Grundgesetzes als auch in dem der Kassenlage des Landes sein müsste.
Auch die Kirchen müssten über eine solche Änderung froh sein, denn die atheistischer Umtriebe tatsächlich vollkommen unverdächtige „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ stellte vor zwei Jahren fest – ich zitiere:
Der Berliner Fachanwalt Karsten Sommer wirft der von beiden Kirchen getragenen Kirchensteuerstelle in der Bundeshauptstadt vor, sie suche so gezielt nach Einnahmen. Auffällig sei, dass es fast immer nur Konfessionslose treffe, die einst evangelisch getauft worden seien. Sommer spricht von einem „skrupellosen Geschäftsgebaren“.
Es geht hier um die Praxis, nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist der Austrittsbescheinigungen genau diesen Austritt kirchlicherseits wieder anzufechten – die Urkunden sind ja weg in den Amtsgerichten.
Liebe Berlinerinnen und Berliner! Ich rate Ihnen dringend: Heben Sie diese Bescheinigungen gut auf! Nach zehn Jahren kreisen die Geier wieder über Ihrem Haupt. Sie werden dann noch einmal austreten müssen und natürlich Steuern nachzahlen dürfen plus 30 Euro Austrittsgebühr. Ein Unding, wie wir finden.
Das Beste wäre, Herr Wowereit, Sie werfen diesen Pfusch von Gesetzgebungsversuch stillschweigend in den Papierkorb, dann hat sich das Ganze erledigt. Mit dem Status quo konnte diese Stadt bislang recht gut leben – die Kirchen übrigens auch. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung der Gesetzesvorlage federführend an den Ausschuss für kulturelle Angelegenheiten und mitberatend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung und an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.
Gesetz über die Bestimmung der für das Schulwesen zuständigen Senatsverwaltung als Dienstbehörde für Schulsekretärinnen und Schulsekretäre
Ich eröffne die erste Lesung. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Es wird die Überweisung der Gesetzesvor
lage an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.
a) Bußgeldverbundene Teilnahmeverpflichtung an der Sprachstandsfeststellung (Änderung des Schulgesetzes)
Ich eröffne die erste Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der CDU. – Herr Kollege Schlede! Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich gehe mal der Reihe nach vor: Wir sehen als erstes die bußgeldverbundene Teilnahmeverpflichtung an der Sprachstandsfeststellung. Wie wir festgestellt haben – das sind die jüngsten Daten, vorher kenne ich keine, die sind das letzte Mal so aufgenommen worden –, sind bei der Sprachstandsfeststellung im Jahr 2012 für das Schuljahr 2013/14, also für die Vier- und Fünfjährigen, von den damals 2 122 gemeldeten Kindern bis Dezember 2012 gerade mal 740 zu diesem Sprachstandstest erschienen. Das heißt, ca. zwei Drittel sind nicht zum Test erschienen und haben von daher die Fördermaßnahmen, die das Land Berlin zur Förderung des Sprachstands anbietet – natürlich für das Land kostenpflichtig, aber für die Betroffenen kostenlos –, vor der Einschulung nicht wahrgenommen. Das ist nach unserem Dafürhalten ein Zustand, den wir nicht akzeptieren können.
Wenn wir allein mal von der Tatsache ausgehen, dass – nach diesen Zahlen gerechnet – ca. 1 400 Schülerinnen und Schüler in die erste Klasse aufgenommen werden, ohne die entsprechenden sprachlichen Kenntnisse aufzuweisen – wir haben gleichzeitig am 31. Dezember 2012 festgestellt, dass bei all den Kindern, die zuvor keine Kita, keine Tagesmutter oder ähnliche Einrichtungen besucht haben, schließlich 52,9 Prozent einen Förderbedarf aufgewiesen haben –, dann heißt das, dass mindestens die Hälfte von denen, die sich nicht zum Test gemeldet haben – sprich, etwa 700 –, vermutlich mit mangelhaften Kenntnissen ausgestattet sind. Wenn ich unter den eingeladenen 740 Kindern auch noch einen entsprechenden Prozentsatz sehe, dann haben wir gut 1 000 bis
1 200 Kinder, die mit absolut defizitären sprachlichen Leistungen in die erste Klasse aufgenommen werden. Und als Nächstes kommen jetzt die Ärzte, die nach den jüngsten Untersuchungen bescheinigt haben, dass sich quasi ein solcher sprachlicher Rückstand bis zum Ende der Schulkarriere nicht aufholen lässt.
Und aus diesem Grunde haben wir vor, in den Bußgeldkatalog aufzunehmen, dass Eltern, die ihre Kinder zu diesem Sprachstandstest nicht schicken, mit einem Bußgeld von bis zu 2 500 Euro belegt werden können. Wir sind uns alle darüber im Klaren: Dieses ist kein alleiniges Rettungsmittel. Aber wir wissen auf der anderen Seite, dass es eine Dunkelziffer von nicht erfassbaren oder nicht erfassten Kindern gibt. Ich habe deshalb den Senat zur Klärung der Situation gefragt, aber leider keine eindeutige Antwort bekommen, wer denn von den ursprünglich gemeldeten Berliner Kindern zwischen dem 4. und 5. Geburtstag dann auch tatsächlich gar nicht erscheint, das heißt abzugleichen, die, die zu diesem Test aufgefordert worden sind, mit denen, die tatsächlich nachher in der Schule gemeldet werden.
Ich bin nicht sicher, ob es da nicht eine Dunkelziffer von doch zumindest ursprünglich Gemeldeten gibt, die gar nicht mehr im Land Berlin sind, und selbst wenn sie im Land Berlin sind, dann tragen sie die Last ganz offensichtlich mit sich herum. – Es ist aufgrund der Statistik zu vermuten, dass mindestens 50 Prozent von ihnen die Förderung nicht wahrgenommen haben, und dann mit den entsprechenden Defiziten in die Schule kommen. Um diese Last von den Schulen und vor allen Dingen von den Kindern, von den Schülerinnen und Schülern zu nehmen, haben wir diesen Antrag, diesen Gesetzesvorschlag gestellt.
Den zweiten Antrag in zwei Sätzen: Es ist geradezu absurd, dass aus Datenschutzgründen das, was die Kita bezüglich der sprachlichen Förderung der Kinder in ihren Einrichtungen leistet, dass diese Sprachlerntagebücher nicht an die Grundschulen weitergereicht werden dürfen, damit die Lehrer dort von den sprachlichen Defiziten derjenigen, die ihnen anvertraut sind, in Kenntnis gesetzt werden und entsprechend zielgerichtet und angemessen fördernd mit diesen Kindern arbeiten können. Dafür plädieren wir ausdrücklich.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Lieber Herr Schlede! Ich glaube Ihnen gern, dass Sie
sehr engagiert sind und wollen, dass die Sprachförderung und Sprachkompetenzen unserer Kinder zunehmen, allein die Mittel, die Sie wählen, sind untaugliche Mittel. Sie wollen mit Ihren Anträgen dafür sorgen, dass die Schulen klare Vorstellungen von den Fähigkeiten und/oder Förderbedarfen ihrer Erstklässlerinnen und -klässler haben. Das ist ein vernünftiges Ziel, aber der Weg wird ausschließlich durch den Druck auf Eltern angeboten. Das ist Law-and-order-Politik. Die hat noch nie funktioniert, wenn es darum ging, Menschen zu unterstützen, Fähigkeiten zu entwickeln, und wird auch hier nicht funktionieren.