Protocol of the Session on April 18, 2013

Kosten, sage ich, das ist absurd, das ist Kirchturmspolitik, die nicht guckt, wie man die Mittel überhaupt sinnvoll prioritär verteilt in der Verkehrspolitik, was den Bundesverkehrswegeplan angeht. Und zum Zweiten ist es absurd, weil es Stadtstruktur zerstört. Das ist nach wie vor die Planung der A 100 aus der Vorstellung der autogerechten Stadt aus den Siebzigerjahren. Und bei aller Wertschätzung für Willy Brandt: An dieser Stelle sollte man sich an seinen alten Zeiten nicht orientieren und auch nicht an Harry Ristock.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Und deshalb sage ich: Der Antrag ist vernünftig, in beiden Teilen. Deshalb werden wir ihn unterstützen.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Danke schön! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Kollege Friederici. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Grundsätzlich sind Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur immer zu begrüßen. Gerade in Berlin wurden seit der Wiedervereinigung Maßnahmen mit erheblichem Investitionsvolumen realisiert. Ich erinnere nur exemplarisch an die Wiederherstellung des getrennten S-Bahn-Netzes und die damit zusammenhängende Sanierung großer Teile des Schienennetzes und der Bahnhöfe sowie an den Bau des Nord-Süd-Fernbahntunnels und des neuen Berliner Hauptbahnhofs. Die Koalition hat sich daher auf ein ganzes Bündel von Maßnahmen verständigt, im öffentlichen Nahverkehr und auch im Straßenbau. Gegen all diese Berlin zusammenführenden Projekte haben sich in der Vergangenheit immer die Grünen gewandt. Gegen jedes Projekt der Wiedervereinigung im Verkehrswesen unserer beiden Stadthälften wenden sich die Grünen seit 1990 – ob Schiene, ob Straße. Das ist verwerflich und zeigt, dass die Grünen offensichtlich die deutsche Einheit bis heute immer noch nicht verkraftet haben.

Gerade die Außenbezirke im Norden und Osten unserer Stadt sind bisher nur sehr unzureichend miteinander verbunden. Genau deswegen wollen und werden wir ja auch die Tangentiale Verbindung Ost weiter verlängern. Die Maßnahme, die hier zur Rede steht im ersten Antrag, ist jedoch, meine Damen und Herren von den Grünen, nicht neu. Bereits im März 2011 hat der Berliner Senat im Rahmen seines Stadtentwicklungsplans Verkehr diese Maßnahme in seinen Katalog aufgenommen. Dabei gilt für diese ebenso wie für alle Projekte des StEP Verkehr der gleiche Maßstab im Hinblick auf die Prüfung der verkehrlichen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit. Das heißt, es muss in jedem Fall eine Untersuchung über

Kosten und Nutzen dieser Maßnahmen erbracht werden, und das Ergebnis dieser Untersuchung ist Voraussetzung für die Anmeldung einer Maßnahme beim Bund.

In der Tat wäre es wichtig, diese Untersuchung durchzuführen und dann mit einer entsprechenden Begründung gegenüber dem Bund die Erforderlichkeit dieser Maßnahme darzustellen. Dabei kommt es auch darauf an, Prioritäten zu setzen, um gegenüber dem Bund eine gute Verhandlungsposition zu erreichen, damit die vom Land Berlin angemeldeten Maßnahmen auch tatsächlich im Bundesverkehrswegeplan verbindlich verankert werden.

Dazu gehören die von der Koalition beschlossenen und in der Koalitionsvereinbarung festgeschriebenen Projekte des Schienen-, Wasser- und Straßenbaus, bei Letzterem ganz konkret: Wir haben uns in der Koalition verständigt, dass der aktuell zu bauende und begonnene Abschnitt 16 der Bundesautobahn 100 in den Abschnitt 17 münden wird, der planerisch gesichert wird über den Bundesverkehrswegeplan, denn wir wollen, dass der Verkehr aus den Wohngebieten und der Innenstadt in Berlin ferngehalten wird, leistungsfähig genau diese Gebiete eben umfährt. Das ist aktiver Umweltschutz, entlastet Mensch und Umwelt

[Katrin Lompscher (LINKE): Das ist ein guter Witz!]

und fördert Berlins Wirtschaft und Infrastruktur. Deshalb wird aus Sicht der CDU der Bauabschnitt 17 der A 100 dringend benötigt und nach dem Bau des jetzigen Bauabschnitts 16 planerisch angegangen. Somit, meine Damen und Herren von den Grünen, sehen Sie, dass bei der Entwicklung des Verkehrsstandortes der Bundeshauptstadt in vielerlei Einzelmaßnahmen des öffentlichen Nahverkehrs, des Individual- und des Wirtschaftsverkehrs der Senat und die Koalitionsfraktionen auch schon wieder einmal weiter sind als die Opposition mit ihren beiden Anträgen.

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, lieber Kollege Friederici! – Bevor ich dem Kollegen Prieß das Wort erteile, möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, der Kollegin Bentele und ihrem Gatten ganz herzlich zur Geburt ihres Sohnes Nikolas zu gratulieren. – Kollegin Bentele, alles Gute!

[Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Sie haben ihn mitgebracht, wie ich gesehen habe.

Jetzt hat der Kollege Prieß das Wort – bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte verbliebene Zuhörer! Die Verknüpfung der beiden verwandten Themen unter einem Tagesord

nungspunkt gibt mir die Gelegenheit, darüber zu sprechen, welche Formen von Verkehr wir zukünftig in unserer Stadt haben wollen und welche Maßnahmen wir ergreifen, um diese zu fördern. Einerseits haben wir die Umwidmung und großflächige Betonierung von derzeit intakten Kiezen der Innenstadt für den motorisierten Individualverkehr und auf der anderen Seite einen Antrag, der die Anbindung zum künftigen Flughafen BER, insbesondere der östlichen Bezirke von Berlin, verbessern will. Zur A 100 hat die Piratenfraktion schon früher klargemacht, dass wir eigentlich jeglichen Weiterbau, egal ob den 16. oder 17. Bauabschnitt, ablehnen.

[Beifall bei den PIRATEN und von Harald Moritz (GRÜNE)]

Das ist die Verkehrspolitik der Sechziger- und Siebzigerjahre, und das ist nicht mehr zeitgemäß. Wie Herr Moritz auch schon bemerkte, hat Bau- und Verkehrssenator Müller auch in der Aktuellen Stunde heute schon erwähnt, dass der motorisierte Individualverkehr in Berlin zurückgeht. Unter diesen Umständen halten wir gerade den 17. Bauabschnitt, der als Bresche durch dicht bebaute Innenstadtbereiche geschlagen werden muss, für eine grandiose Verschwendung von Geld und Beton. Das Geld muss ja nicht nur deswegen ausgegeben werden, weil der Bund bereit ist, großzügig zuzuschießen, und für den Beton können wir uns auch bessere Verwendung vorstellen – gerade jetzt, wo der Wohnungsbau in Berlin zum Thema geworden ist.

[Beifall bei den PIRATEN]

Damit wir als Opposition nicht immer nur die Verhinderer und Blockierer sind, gab es im Januar bereits den Alternativvorschlag, die Bahn-Nahverkehrstangente vom Karower Kreuz über Hohenschönhausen, Biesdorf, Wuhlheide, Grünau zum zukünftigen Flughafen BER auszubauen. Die Bedeutung dieser Strecke wird ja nicht in Abrede gestellt, im StEP Verkehr wird sie aufgeführt. Die BVV in Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Treptow-Köpenick befasst sich in diversen Anträgen mit dem Thema. Es gibt auch schon Beschlüsse dazu. Der Einwand lautet nun, dass die Nahverkehrstangente eben nur den Nahverkehr betrifft und damit im Bundesverkehrswegeplan nichts zu suchen habe. Wir stellen aber hier zwei Argumente dagegen: zum einen, dass diese Strecke ganz wesentlich der Anbindung des internationalen Großflughafens dient, zum anderen, dass diese Strecke auch Teil des überregional bedeutenden Berliner Außenrings ist, der aufgrund seiner Entstehungsgeschichte auf dem Stadtgebiet verläuft. Außer dem formalen Aspekt, dass es in beiden Anträgen um die Aufnahme von Projekten in den Bundesverkehrswegeplan geht, haben wir auch die Gemeinsamkeit, dass es in beiden Projekten um Tangentialverbindungen im östlichen Stadtraum geht. Die sind ja im radial stärker ausgebauten Verkehrsnetz von Berlin etwas stiefmütterlich behandelt. Hier muss ich auch Herrn Kreins – das ist ja schon angesprochen worden – darauf hinweisen, dass eine Ablehnung der TVO im Text des Antrags nirgends zu finden ist.

Neben der Frage, ob wir diesen Verkehr eher auf die Straße oder auf die Schiene verlagern wollen, wird auch die Frage gestellt, ob wir den Ausbau eher im Innenstadtgebiet vorantreiben wollen oder ihn vielleicht doch mehr in die Außenbezirke verlagern, damit die Verkehrsströme nicht erst durch die Innenstadt fahren müssen, um an anderer Stelle wieder außen anzukommen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und wünsche noch eine frohe Plenarsitzung!

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank für diese guten Wünsche, Herr Kollege Prieß! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir haben jetzt unterschiedliches Abstimmungsverhalten zu den unterschiedlichen Anträgen. Zu dem Antrag Drucksache 17/0760 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich gegen Grüne, Linke und Piraten die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind Grüne, Linke und Piraten vollständig. Wer ist dagegen? – CDU und SPD, Letzteres war die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Zu dem Antrag Drucksache 17/0931 wird die Überweisung an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr empfohlen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5.5:

Priorität der Fraktion Die Linke

Regierender Bürgermeister muss handeln – Mitglied einer rechten Burschenschaft als Staatssekretär entlassen

Dringlicher Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0935

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Für die Beratung gibt es wieder fünf Minuten pro Fraktion. Für die Fraktion Die Linke beginnt der Kollege Taş. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle dachten, im Dezember 2012 hätte Staatssekretär Büge erkannt, dass eine Mitgliedschaft seiner Verbindung im Dachverband Deutsche Burschenschaft mit seinem Amt in Konflikt steht. Er ließ verlauten, dass er auf einen Austritt der Gothia aus der Deutschen Burschenschaft bis Ende Januar 2013 dränge. Sollte das nicht passieren, wolle er aus seiner Verbindung austreten. Wir schreiben heute den 18. April 2013, und Herr Büge lässt uns mittlerweile wissen, dass er überhaupt nicht an einen Austritt denkt. Senator Czaja sagt, das sei alles seine Privatangelegenheit. – Ich sage: So geht es nicht!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Für die Fraktion Die Linke und für viele andere in dieser Stadt steht fest: Herr Büge hat das Abgeordnetenhaus und die Öffentlichkeit über seine Absichten getäuscht. Wir fragen ernsthaft: Wie lange will die Koalition dabei noch zusehen?

Herr Büge selbst findet seine Burschenschaft großartig, wie wir wissen. Welches völkisch-nationalistische Weltbild im Dachverband Deutsche Burschenschaft herrscht, dürfte hinlänglich bekannt und auch unstrittig sein. Ich möchte Ihnen heute ein Beispiel vortragen und dafür Folgendes zitieren:

Eine einseitige Geschichtsbetrachtung wie sie sich beispielsweise im Terminus von der „Befreiung“ niederschlägt und den daraus resultierenden Schuldkult lehnen wir jedoch ab, da er zu nationalem Selbsthass führt und unsere Jugend ihrer Zukunft beraubt.

Das ist nachzulesen auf der Internetseite – oder, wie es in rechtsextremen Kreisen heißt, im Weltnetz – der Burschenschaft Dresdensia-Rugia, Mitglied im Dachverband Deutsche Burschenschaft. Seit Anfang dieses Jahres wird die Deutsche Burschenschaft von der Wiener Akademischen Burschenschaft Teutonia geleitet. Auch hier lohnt es sich, auf die Netzseite zu schauen. Die Teutonia hat sich zum Ziel gesetzt, „ihre Mitglieder zu charaktervollen Männern zu erziehen“. Das bedeutet „das mannhafte Eintreten für Heimat und Volk“ sowie die „Pflege von völkischem Wesen“. 20 Verbindungen sind wegen dem dort vorherrschenden rechtsextremen Gedankengut seit Herbst 2012 aus der Deutschen Burschenschaft ausgetreten.

Darunter befindet sich die Münchner Franco-Bavaria, der auch Bundesverkehrsminister Ramsauer angehört. Herr Ramsauer hat dazu gesagt, er sei es leid, in den Mitteilungsblättern völkisch geprägter Verbindungen neben dem Emblem der NPD und neben sächsischen NPDLandtagsabgeordneten abgebildet zu werden. Es sei ihm guten Gewissens nicht mehr möglich, sich zur Deutschen Burschenschaft zu bekennen. Das finde ich interessant, meine Damen und Herren von der CDU.

Die Gothia selbst hat auch schon klargemacht, wo sie politisch steht. Sie veröffentlicht unerträgliche Witze über einen antisemitischen Vorfall in Hamburg, und sie lädt Redakteure der Zeitung „Junge Freiheit“ und den Leiter des rechtsradikalen Instituts für Staatspolitik zu Vorträgen ein. – Ich frage die Abgeordneten der SPD: Wollen Sie allen Ernstes, dass ein Mitglied dieser Burschenschaft als Staatssekretär in Ihren Regierungsreihen sitzt und dass er ausgerechnet für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig ist? Ich verstehe nicht, wie Sie diesen Zustand ertragen können, und fordere Sie auf, sich heute zu unserem Antrag zu bekennen.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Zum Schluss komme ich zu Ihnen, Herr Wowereit. Der Regierende Bürgermeister sieht bei diesem Schauspiel bislang weg. Heute ist er unter uns. Herr Wowereit! Ich wende mich direkt an Sie: Sie haben sich selbst zum konsequenten Engagement gegen jegliche rechten Umtriebe bekannt. Seien Sie konsequent, und sorgen Sie dafür, dass Michael Büge entlassen wird, sonst machen Sie sich unglaubwürdig! – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich jetzt der Kollegin Herrmann das Wort. – Bitte sehr, Frau Kollegin!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute stellt sich die Frage, ob die Mitgliedschaft in einer Vereinigung, wie der Burschenschaft Gothia, politisch vereinbar ist mit der Mitgliedschaft in der Regierung des Landes Berlin, namentlich mit der Ausübung des Amts eines Staatssekretärs. Wir sind der Auffassung, das ist sie nicht.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Es ist auch keine Privatsache eines Staatssekretärs, wenn er in inakzeptabler Nähe zu rechten Kreisen steht. Es ist keine Privatsache, wenn Staatssekretär Büge öffentlich mit seiner Mitgliedschaft in der Gothia hausieren geht, sich als Staatssekretär von seinen Verbandsbrüdern feiern lässt, als Referent zu Veranstaltungen der Gothia geht und auf seiner Facebookseite öffentlich seine Mitgliedschaft und dabei die Deutsche Burschenschaft verteidigt.

Die Burschenschaft Gothia ist Mitglied im Dachverband der ultrarechten Deutschen Burschenschaft. Geführt wird die Deutsche Burschenschaft momentan von der Wiener Teutonia, einem österreichischen Bund mit einem merkwürdigen Grenzverständnis. So wirbt die Wiener Burschenschaft zum Beispiel mit einer Karte von großdeutschen Reich. Dazu gehören dann Ostpreußen, Südtirol oder Deutsch-Böhmen. In den „Burschenschaftlichen Blättern“, das ist die Verbandszeitung der Deutschen Burschenschaft, wird in einem Artikel „Weg in die Freiheit – Deutschlands Aufbruch 2012“ für eine „revolutionäre Neuordnung“ und die „Abschaffung des Parteienstaates“ plädiert und einen inflationäre Vergabe der bundesrepublikanische Staatsbürgerschaft ohne Rücksicht auf deutsche Herkunft und Abstammung beklagt. Mit diesen Aussagen wird klar der Boden der freiheitlichdemokratischen Grundordnung verlassen.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Seit 1989 ist Herr Büge Mitglied der Gothia. Seitdem er Mitglied ist, war die Gothia die längere Zeit im noch rechteren Dachverband der Burschenschaftlichen Gemeinschaft.