Protocol of the Session on April 18, 2013

Seit 1989 ist Herr Büge Mitglied der Gothia. Seitdem er Mitglied ist, war die Gothia die längere Zeit im noch rechteren Dachverband der Burschenschaftlichen Gemeinschaft.

Der frühere bayerische Innenminister Beckstein, das hessische Innenministerium, auch Hamburg beobachten Teile der Burschenschaften, stufen sie rechtsextrem ein und attestieren ihnen rechtsextreme Bestrebungen. Auf der Facebookseite der Gothia wird auf islamfeindliche und menschenverachtende Artikel verwiesen, zum Beispiel auf einen mit dem Titel „Das Schlachten hat begonnen“. Da ist die Rede von „Bestialitäten, die meist von jungen Männern moslemischen Glaubens an deutschen Männern“ verübt werden. Empfohlen wird derlei gedankengut mit dem Spruch: „Dieser Artikel macht schon nachdenklich. Bitte lesen!“ – Die Themen, mit denen sich die Gothia befasst, und die Wahl ihrer Referenten zeigen, wie weit rechts außen sich die Gothia positioniert. Redakteure der „Jungen Freiheit“, Vertreter des Instituts für Staatspolitik – eine lange Liste der neuen Rechten ließe sich fortsetzen. Der Sprachgebrauch weist unübersehbare Parallelen zum Sprachgebrauch der organisierten Rechten auf. Ob Kranzniederlegungen mit NPD-Mitgliedern oder ein Stand auf der Rechtsaußen-Messe Zwischentag im letzten Jahr oder, oder, oder – – Das ist keine Ansammlung von Einzelfällen, sondern ein konsistentes Bild.

Es geht nicht darum, ob man sich für Saufgelage, bunte Uniformen und frauenfeindliche Männerbünde begeistern kann oder nicht. Es geht um die Mitgliedschaft eines Senatmitglieds in einer Vereinigung, die sich inhaltlich so weit rechts positioniert, dass dies das Anstandsgefühl jedes überzeugten Demokraten verletzen muss. Es geht um eine inakzeptable Nähe zu rechten Kreisen und Inhalten!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Herr Büge! Auch das gehört zur Wahrheit: Sie hatten jede Möglichkeit und jede Zeit, sich mit der Mitgliedschaft in der Gothia auseinanderzusetzen und Konsequenzen zu ziehen. Sie selbst haben sich eine Frist gesetzt. Sie haben Ihr Wort nicht gehalten! Ihre anhaltende Mitgliedschaft in der Gothia ist nicht länger vertretbar! – Und die CDU, allen voran Herr Czaja, duldet dieses Verhalten, und genau deshalb, liebe SPD-Fraktion, möchte ich Sie hier ganz ausdrücklich auffordern: Unterstützen Sie diesen Antrag! Die Bundes-SPD hat sich ihrerseits vor einiger Zeit zu einem Unvereinbarkeitsbeschluss durchgerungen. Der Staatssekretär der Senatorin für Wissenschaft hat gesagt: Rechte Burschenschaften sind in Berliner Hochschulen nicht willkommen.

Sie müssen zum Ende kommen, Frau Kollegin!

Sind sie es denn in Ihrem Senat? Der Regierende Bürgermeister und stellvertretende Vorsitzende der SPD kann den schlagenden Burschen auf der Regierungsbank nicht länger mittragen.

Bitte zum Ende kommen!

Herr Büge hatte alle Zeit. Er hat sich einer Entscheidung bewusst verweigert. – Sehr geehrter Herr Wowereit! Zeigen Sie als Regierungschef und Sozialdemokrat Handlungsfähigkeit und entlassen Sie endlich Bürschchen Büge!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Danke sehr, Frau Kollegin Herrmann! – Für die Fraktion der CDU erteile ich jetzt dem Kollegen Krüger das Wort. – Bitte sehr, Herr Kollege Krüger!

Danke schön, Herr Präsident! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, Sie nehmen sich jetzt die Zeit, einen etwas anderen Standpunkt als das zu ertragen, was bisher vorgetragen worden ist. Ich möchte mit einer Bemerkung zum Zeitpunkt und zur Intensität Ihrer Rücktritts- oder Abberufungsforderung beginnen: Seit Jahren arbeitet Michael Büge in der Öffentlichkeit – das dürfte Ihnen nicht entgangen sein. Er war verantwortlicher Kommunalpolitiker und als Stadtrat für Soziales und Bürgerdienste im Bezirk Neukölln tätig. Er lehrt seit Jahren an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in dieser Stadt. Büge hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er Mitglied einer Burschenschaft ist. Auch im ersten Jahr seiner Amtszeit hier im Haus gab es keine vernehmbare Kritik. Jetzt wird diese Mitgliedschaft ohne substanziellen Anlass skandalisiert, nachdem das zwölf Jahre scheinbar kein lohnendes Thema war.

[Zuruf]

Sie können so laut schreien, wie Sie wollen, Sie kommen sowieso nicht gegen mich an!

[Heiterkeit und Beifall bei der CDU]

Fazit ist jetzt: Er soll als erfolgreicher CDU-Politiker zu einem Zeitpunkt, wo die Union die Umfrageergebnisse in

dieser Stadt anführt, ins rechte Abseits gedrängt und demontiert werden.

[Zurufe]

Der zweite Punkt: Herr Büge soll entlassen werden, weil er seine Zusage, die Gothia zu verlassen, wenn seine Verbindung nicht bis zum Januar aus dem Dachverband der Deutschen Burschenschaft ausscheidet, nicht eingehalten hat. Sie wissen ganz genau: Ein solches Ergebnis ist nicht innerhalb von ein paar Tagen zu erzielen. Sicher hat er sich da auch zeitlich verschätzt.

[Zurufe]

Sie bezeichnen das als eine Täuschung der Bevölkerung. Nun wissen wir ja, dass die Gothia – und das haben Sie auch zur Kenntnis genommen – vor 14 Tagen aus der Burschenschaftsgemeinschaft ausgetreten ist. Ich meine, das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Kommentar der „taz“: Alles nur Feigenblatt. – Ich bin sicher: Tritt die Gothia aus der Deutschen Burschenschaft aus, werden sie kommentieren: Alles nur Taktik. – Würde Büge aus der Gothia austreten, höre ich schon die Parole: Schnöde Karrieresicherung – Büge muss trotzdem weg!

[Elke Breitenbach (LINKE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein danke! Ich möchte hier zusammenhängend vortragen. – Was steht dahinter? – Sie wollen suggerieren, die langjährige Mitgliedschaft in der Gothia weise Büge und, wie Sie ja meinen, alle Burschenschaftler als unverbesserliche Rechtsradikale aus, und damit haben Sie Ihr Urteil gesprochen. Warum diese untauglichen Verallgemeinerungen und Hilfsargumente? – Weil Sie – und es liegt mir sehr daran, das zu sagen – keinerlei handfeste Beweise für Ihre Beschuldigungen gegenüber dem Staatssekretär haben. Aber etwas Negatives wird bei der Debatte schon hängen bleiben. Das sind wir ja gewohnt.

Für die CDU möchte ich zwei Kriterien vortragen, die für uns bei der Einschätzung eines Staatssekretärs wichtig sind: Da ist zum einen die fachlich-sachliche Eignung. Seine Ausbildung als Diplomkaufmann, seine zehnjährige Tätigkeit als Stadtrat in Neukölln und alles andere, was er geleistet hat, sind als sachlich und kompetent einzuschätzen. Er war Einzelschicksalen zugewandt und engagiert für Gerechtigkeit – so habe ich ihn über die Stadtratsjahre erlebt, die wir gemeinsam hatten. Ich kann auch sagen, dass in den letzten Monaten, in denen wir hier zusammengearbeitet haben, dies eine erfolgreiche und verlässliche Zusammenarbeit war. Und wenn in der Begründung eines Antrags steht, den hier die Linkspartei stellt, dass Herr Büge für den Bereich der Obdachlo

senunterbringung zuständig ist, kann ich nur sagen: Ich schätze sein Engagement dafür, auch in den Bezirken, wo es nicht einfach ist, solche Quartiere zu akquirieren und dafür zu kämpfen und zu sorgen, dass diese Menschen vernünftig untergebracht werden.

Der zweite Punkt – ich bin gleich am Ende – ist die Frage, wie wir sein Engagement für die demokratische Grundordnung unseres Staates einschätzen. Ich kenne Herrn Büge seit mehreren Jahrzehnten. Ich habe zu keinem Zeitpunkt auch nur in irgendeiner Weise einen Zweifel daran gewonnen, dass er sich für unsere demokratische Ordnung nicht mit vollem Herzen und mit vollem Engagement einsetzt. Ich verlange von denen, die hier jetzt die großen Worte führen, dass sie auf den Tisch legen, wo dieser Staatssekretär Äußerungen gemacht oder Texte verfasst hat, die ihn in die Ecke stellen, in der Sie ihn gerne haben wollen!

Sie müssen zum Ende kommen, Herr Kollege!

Solange Sie das nicht leisten, komme ich zu dem Schluss, dass man einem solchen Antrag, wie Sie ihn gestellt haben, nicht zustimmen kann.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön, Kollege Krüger! – Frau Kollegin Herrmann! Sie baten um eine Kurzintervention. Sie haben das Wort. Bitte schön!

Herr Krüger! Mit Ihrer Rede haben Sie wenigstens eingestanden, dass es sich bei dem, über das wir hier reden, nicht um eine Privatangelegenheit des Staatssekretärs handelt – das vorweg.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Ich habe Ihnen ganz eindeutig eben in meiner Rede vorgelegt, was man beispielsweise in den „Burschenschaftlichen Blättern“ – das ist die Verbandszeitung der Deutschen Burschenschaft, und diese ist die Dachorganisation der Burschenschaft, in der Herr Büge Mitglied ist – lesen kann – ich lese es noch einmal vor, damit Sie es auch verstehen: Da wird für „eine revolutionäre Neuordnung und die Abschaffung des Parteienstaats“ plädiert. Auch wird von einer „inflationären Vergabe der bundesrepublikanischen Staatsbürgerschaft ohne Rücksicht auf deutsche Herkunft und Abstammung“ geredet. – Ich möchte gerne, dass Sie sich inhaltlich mit den Vorwürfen ausein

andersetzen, die hier im Raum stehen und die auch der Kollege Taş bereits aufgelistet hat, mit den vielen, vielen Beispielen der Überschneidung der Aktivitäten der Gothia mit der rechten, ja sogar der rechtsextremen Szene in Berlin. Dazu haben Sie kein Wort gesagt, auch nicht zu der Frage, welches Gedankengut, welche menschenverachtenden, islamfeindlichen Thesen die Gothia vertritt, z. B. auf der Facebookseite. Das ist alles öffentlich. Ich möchte gar nicht wissen, was in dem Verbandshaus der Burschenschaft, die in burschenschaftlichen Kreisen als „braune Wolfsschanze Zehlendorf“ bezeichnet wird, hinter verschlossenen Türen geredet wird.

Warum taucht diese Problematik jetzt auf? – Es geht um die inakzeptable Nähe eines Senatsmitglieds zu rechten Kreisen. Die Deutsche Burschenschaft führt gerade eine Auseinandersetzung. Es gibt einen Rechtsruck in der Deutschen Burschenschaft. Über 20 Prozent der Burschenschaften sind wegen dieses Rechtsrucks aus der Deutschen Burschenschaftsszene ausgetreten, darunter die Burschenschaften von Herrn Ramsauer und von Herrn Uhl. Die Berliner CDU ist ja nahezu noch die einzige, die sich vor die Deutsche Burschenschaft in diesem Land stellt. Warum beziehen Sie sich nicht hier einmal eindeutig auf diese Vorwürfe, anstatt einfach nur irgendwie zu erzählen, wie lange Sie Herrn Büge kennen?

[Unruhe bei der CDU]

Ich bitte noch mal eindringlich, an die Seite der SPD gewandt: Kommen Sie dem nach, was Ihr innenpolitischer Sprecher Kleineidam in der „taz“ gesagt hat: entweder Staatssekretär oder Burschenschaft! Stimmen Sie dem Antrag der Linken zu!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Herr Kollege Krüger! Ich erteile Ihnen das Wort zur Erwiderung. – Bitte schön!

Frau Kollegin! Es wird doch nicht dadurch anders, dass Sie das noch einmal sagen, was Sie vorher schon einmal gesagt haben.

[Zuruf von den GRÜNEN: Weil Sie nicht zuhören! – Christopher Lauer (PIRATEN): Jetzt sagen Sie mal was Neues!]

Ich habe ja gar nicht die Chance, etwas Neues zu sagen, wenn Sie dazwischenschreien.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Sie haben doch eben behauptet, Sie seien lauter!]

Jetzt hat der Kollege Krüger das Wort. – Bitte schön!

Ich gehe nach wie vor davon aus, dass das Wort von Herrn Büge gilt, dass er die Gothia massiv darin unterstützt und vorantreibt, dass sie aus dem Dachverband herausgeht. Das ist das eine.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Sein Wort war, dass sie bis Januar austritt!]

Sie wissen doch auch aus Ihren Organisationen ganz genau, wie schwer es ist, mal einen Meter zur Seite zu gehen. Da würde ich doch mal ganz schön den Mund halten.

[Beifall bei der CDU]

Das Zweite ist: Sie machen doch wieder genau dasselbe. Sie zitieren irgendetwas, was ich auch nicht gut finde und nie unterschreiben würde, das können Sie mir abnehmen. Und Sie schieben es letztendlich über drei Ecken Herrn Büge in die Schuhe.