Vielen Dank, Herr Lux! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Juhnke. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Lux! Der Innensenator mag ja vieles bewirken können. Aber dass er mittlerweile auch dafür verantwortlich ist, dass Ihre Fraktion bei Ihren Reden klatscht – ich glaube, das ist ein bisschen viel verlangt.
Jetzt zum Antrag der Piraten. Der Antrag ist aus meiner Sicht überflüssig, denn was Sie dort fordern, ist weitge
hend Realität. Die Koalition hat sich – das weiß hier jeder im Hause – pragmatisch darauf geeinigt, mit der Pflicht zu einer rotierenden Nummer oder dem Namen. In Ihrem Antrag lassen Sie es übrigens bewusst oder unbewusst unklar, ob Sie bei dieser rotierenden Nummer bleiben wollen. Das präzisieren Sie überhaupt nicht. Und ich sage ganz deutlich: Eine solche Regelung wäre ein gewaltiger Nachteil für die Polizeibeamten, die Abschaffung dieser Möglichkeit der rotierenden Nummer. Die CDU würde das niemals akzeptieren.
Und nun mit der Forderung zu kommen, man müsse ein Gesetz einführen, nur weil nicht alle Kleidungsstücke die technischen Voraussetzungen für diese Kennzeichnung erfüllen, ist, glaube ich, unsinnig. Daran würde im Übrigen auch kein Gesetz zunächst etwas ändern. Die bisherige Regelung ist aus unserer Sicht völlig ausreichend. Deshalb können wir diesem Antrag nicht zustimmen. Ich sage auch ganz deutlich: Flauschflächen für Klettschilder an der Oberbekleidung stehen für mich nicht an der Spitze der Ausstattungsprobleme bei der Polizei. Das will ich einmal unterstreichen.
Die Kennzeichnung kann für uns – so steht es auch im Koalitionsvertrag – ein Beitrag zu mehr Bürgernähe sein, und sie kann auch zu Distanzabbau führen. Das hoffen wir alle. Aber sie ist für uns mitnichten ein Instrument zur Überwachung und Kontrolle der Polizei, der wir vertrauen.
Aber Überwachung und Kontrolle, das ist genau der Geist, der in Ihrem Antrag und vor allem auch in der Erklärung zum Antrag drinsteht. Auch das lehnen wir ab. Und da können Sie zehnmal in Ihre Begründung hineinschreiben, es gehe Ihnen nicht um Misstrauen gegen die Polizeibeamten. Doch genau darum geht es Ihnen. Sie haben schließlich auch nichts dagegen, wenn die Polizei Namen oder Dienstnummer offenbaren muss, während gleichzeitig gewaltbereite Demonstranten sich vermummen. Und Sie, die Piraten, haben auch nichts dagegen, wenn Sie bei jeder staatlich in engen Bahnen reglementierten Videoüberwachung aufschreien, aber gleichzeitig akzeptieren, dass Private mit Amateuraufnahmen, die völlig aus dem Zusammenhang gerissen werden, einzelne Polizeibeamte möglichst auch namentlich im Internet bloßstellen und diffamieren. Ich bin mir auch sicher, dass Sie jetzt schon wissen oder die Überzeugung haben, dass bei eventuellen Ausschreitungen um den Tag der Arbeit in Berlin es natürlich die Polizei war, die durch ihr unsensibles und unangemessenes Auftreten für Eskalation gesorgt haben wird. Das wissen Sie jetzt schon, da bin ich mir sicher.
Genau dieses Misstrauen gegen die Polizei wird auch durch Ihr Auftreten hier im Parlament und in den Ausschüssen bestätigt. Die CDU-Fraktion lehnt diese Herangehensweise entschieden ab. Im Übrigen werden Sie auch nicht die Leute, die mit der Polizei auf Kriegsfuß stehen,
mit einer noch so verschärften Kennzeichnungsregelung befrieden, denn diese werden erst dann zufrieden sein, wenn es gar keine Polizei mehr gibt.
Natürlich besteht die Berliner Polizei nicht nur aus unfehlbaren Übermenschen, aber sie ist hervorragend ausgebildet und ist trotz schwieriger Rahmenbedingungen und unterdurchschnittlicher Bezahlung motiviert und in erster Linie für den Bürger da und auch für den Schutz der Demonstrations- und Meinungsfreiheit. Ich möchte mal erleben, wie es in dieser Stadt mit der Demonstrations- und Meinungsfreiheit beschieden wäre, wenn es die Polizei nicht gäbe, die diese in vielen Einsätzen durchsetzt gegenüber Demonstranten von ganz unterschiedlichen politischen Rändern, die dann aufeinander einschlagen würden wie die Kesselflicker.
Deshalb ist genau das Gegenteil notwendig: nicht Bekundung des Misstrauens, sondern Bekundung des Vertrauens hat unsere Polizei verdient. Die steigenden Gewaltzahlen gegen die Polizeibeamten sprechen eine beredte Sprache. Wir müssen daher den Schutz der Polizisten verbessern. Wir werden uns daher Gedanken machen müssen, wie wir der Gewalt gegen Polizeibeamte noch deutlicher entgegentreten können. Und wir werden uns Gedanken machen, wie wir den einzelnen Beamten bei der Frage der Durchsetzung von Schadensersatzforderungen unterstützen können. Wir werden uns auch Gedanken darüber machen, wie wir die Polizeivollzugsbeamten gegen unberechtigte Anschuldigungen Dritter besser schützen können. Genau das sind die Fragen, die sich mit Blick auf das tatsächliche Geschehen auf der Straße stellen, und nicht das, was die Piraten hier völlig überflüssig heute formuliert haben. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Dr. Juhnke! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Höfinghoff. – Bitte sehr!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Juhnke! Zuallererst möchte ich mal Ihre Anschuldigung zurückweisen. Meine Fraktion heißt es weder gut, wenn Vermummte Straftaten begehen, noch, wenn unvermummte Menschen Straftaten begehen. So weit mal vorab.
Ich möchte Sie mal ganz kurz darauf hinweisen, mit welchem Geist die Väter des Grundgesetzes dieses Grundgesetz geschrieben und vor allem auch die Grundrechte da rein geschrieben haben.
Ja, es waren wohl leider nur Väter anwesend, deswegen kann ich auf die Mütter des Grundgesetzes schlecht abstellen. Für historische Ungenauigkeiten entschuldige ich mich an der Stelle.
Fakt ist allerdings, das, was in diesem Grundgesetz drinsteht, nämlich die Grundrechte definieren die Schutzrechte der Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Staat. Ihre Aussage vom Vertrauen gegenüber der Polizei ist in dem Kontext schlicht einfach kein Argument, denn wenn wir in alle unsere Behörden so viel Vertrauen haben könnten, dann bräuchten wir keine gesetzlichen Regelungen, weil die Bürokratie das alleine schon regeln könnte.
Dann bräuchten wir übrigens auch kein Parlament, das irgendwelche Dienstanweisungen für die Behörden ausgibt. Ihren Anwurf, es würde in unserem Antrag nicht festgelegt, ob eine rotierende oder eine festgelegte Nummer eingeführt werden solle: Das ist auch nicht Gegenstand unseres Antrags. Tatsächlich halten wir Ihren Innensenator für fähig, eine Dienstanweisung herauszugeben, die regelt, ob eine gesetzlich vorgeschriebene Identifikationsnummer rotierend oder fest vergeben wird. Das sollte doch eigentlich in Ihrem Sinne sein.
[Beifall bei den PIRATEN – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Der hat doch zumindest zwei Staatssekretäre, die das können!]
Wollen wir mal hoffen! – Fakt ist, das Vertrauen in die Berliner Polizei mag an vielen Stellen gerechtfertigt sein oder nicht. In dem Fall, dass sie sich wegen einer nicht näher definierten Akzeptanz der Kennzeichnungspflicht daran halten würden … Ich habe vorhin schon auf unseren Vortrag im November im Innenausschuss abgestellt: Oftmals ist es eben nicht so. Das heißt, die Kennzeichnungspflicht wurde bereits mehrfach unterlaufen, und sie wird es wahrscheinlich auch weiterhin, wenn nur so eine blöde Dienstanweisung die Grundlage der Kennzeichnungspflicht ist. Wir wollen das ändern. Und wir müssen es ändern. In Brandenburg hat es auch funktioniert, dort hat es niemandem geschadet. Und ansonsten auch noch die Argumente von Herrn Lauer: In einer streng hierarchisch organisierten Behörde auf Akzeptanz zu setzen, wo wir doch eigentlich hier für die Grundlagen für das Handeln dieser Staatsorgane verantwortlich sind, wird der Sache tatsächlich nicht gerecht. Herr Zimmermann, das wissen Sie!
Vielen Dank, Herr Höfinghoff! – Möchten Sie antworten, Herr Dr. Juhnke? – Sie verzichten auf die Möglichkeit, zu
antworten. Gut. – Dann hat jetzt das Wort für die Linksfraktion der Abgeordnete Herr Taş.– Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein paar Jahre Überzeugungsarbeit hat es gebraucht, aber im Jahr 2011 war es so weit: Die individuelle Kennzeichnung von Polizeibeamtinnen und -beamten durch ein Namens- oder ein Nummernschild wurde Realität. Wenig später zogen auch die geschlossenen Einheiten mit ihren taktischen Kennzeichnungen nach. Die Linke hat in ihrer Regierungszeit viel Kraft aufgewandt, um dieses richtige Ziel für eine bürgernahe und demokratisch kontrollierte Polizei zu verwirklichen. Dass wir in Berlin als erstes Bundesland überhaupt die Kennzeichnungspflicht eingeführt haben, daran hat auch unsere Abgeordnete Marion Seelig, der wir heute gedenken, einen großen Anteil.
Sie hat über lange Zeit hinweg geduldig und beharrlich die Sozialdemokratie bearbeitet, und sie war erfolgreich.
Ich weiß nicht, Herr Dr. Juhnke, wen Sie damit gemeint haben, aber wen auch immer, ich glaube, das war ein unangemessener Kommentar!
Sie hat über lange Zeit hinweg geduldig und beharrlich die Sozialdemokratie bearbeitet, und Sie war erfolgreich. Insofern freue ich mich, dass wir heute über dieses Thema sprechen, das ihr so wichtig war.
Nun wird die Kennzeichnungspflicht auch von der rotschwarzen Koalition nicht infrage gestellt. Dass Frank Henkel hierbei sein Wahlversprechen gebrochen hat, finde ich in diesem Fall gut. Wir erinnern uns alle noch gut an die Horrorszenarien, die die CDU gegen die Kennzeichnungspflicht ins Feld geführt hat. Die Praxis zeigt aber: Sie haben keine Argumente mehr! Wo sind denn die vielen Angriffe auf das Privatleben von Polizeibeamten, die Sie vorausgesagt haben, Herr Henkel? Wo sind die Namen, Fotos und Adressen von Polizisten, die auf linksextremistischen Internetseiten kursieren, Herr Juhnke?
Die Erfolgsgeschichte der von Rot-Rot eingeführten individuellen Kennzeichnungspflicht geht weiter. Berlin war Vorreiter und ist nun ein Vorbild für andere Bundesländer. In Brandenburg ist vor Kurzem eine gesetzliche Regelung in Kraft getreten. In Bremen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gibt es Vereinbarungen in den Koalitionsverträgen. Es hat ein bundesweites Umdenken eingesetzt, und das ist gut. Es muss für alle eine Selbstverständlichkeit werden, dass die Polizei den Bürgerinnen und Bürgern offen gegenüber tritt. Wir werden deshalb weiter Überzeugungsarbeit leisten, bis es bundesweiter Standard ist, dass Polizeikräfte individuelle Kennzeichen tragen.
Bislang besteht auch hier in Berlin noch ein gravierendes Problem bei großen Einsatzlagen. Wenn Polizeikräfte anderer Länder oder der Bundespolizei hier Amtshilfe leisten, sind sie nicht verpflichtet, eine Kennzeichnung zu tragen. Einige Länder und der Bund haben immer damit gedroht, gar keine Polizisten nach Berlin zu schicken, sollten wir diese zur Kennzeichnung verpflichten. Berlin ist aber manchmal auf die Hilfe der anderen angewiesen. Doch auch hier besteht Hoffnung. Wenn in den kommenden Jahren mehr und mehr Bundesländer und vor allem der Bund bereit sind, ihre Polizeikräfte zu kennzeichnen, könnte man im Berliner ASOG eine Verpflichtung zur Kennzeichnung auswärtiger Polizeikräfte festschreiben, wenn diese ihren Dienst in Berlin tun. Das ist im heute vorliegenden Antrag noch nicht der Fall, aber auch so ist das Anliegen selbstverständlich unterstützenswert.
Ein Gesetz hat mehr Verbindlichkeit als eine Dienstanweisung des Polizeipräsidenten und eine höhere demokratische Legitimation. Es können auch weitere Verbesserungen und Klarstellungen aufgenommen werden, wie etwa die Kennzeichnung für die Antikonfliktteams.
Die Regelungslücke, die besteht, wenn die Einsatzjacken bei Hitze ausgezogen werden, muss geschlossen werden. Doch egal, ob mit oder ohne Gesetz: Die Koalition würde, wenn sie ihren Koalitionsvertrag ernst nimmt und die Kennzeichnungspflicht weiter konsequent umsetzt, dafür sorgen, dass diese Probleme behoben werden. Das ist das Mindeste, was wir von Ihnen erwarten, meine Damen und Herren von der Koalition! Leider haben Sie hierbei bislang wenig Engagement an den Tag gelegt.