Der Kollege Höfinghoff von den Piraten hat ja offensichtlich – so ist es mir jedenfalls übermittelt worden – bei der Begründung der Aktuellen Stunde schon den Stil vorgeprägt, und der Kollege Reinhardt konnte offensichtlich der Versuchung nicht widerstehen nachzulegen.
Herr Kollege Reinhardt! Bei allem Streit in der Sache, bei aller Auseinandersetzung in der Sache, auch und gerade zu einem so wichtigen Thema, will ich sagen, dass ich den Vorwurf an meine Partei, wie Sie ihn formuliert haben, die CDU betreibe rassistische Mobilisierung, nachdrücklich und energisch zurückweise.
Meine Damen und Herren von der Opposition! Ich habe heute viel gehört. Es wurde ganz offensichtlich vieles miteinander vermengt. Es wurde von der Optionspflicht gesprochen, von Abschiebungen wurde gesprochen, vom Asylverfahren wurde gesprochen, von der Residenzpflicht wurde gesprochen, vom Racial-Profiling wurde gesprochen, und das, Herr Kollege Taş, eben mit einer Leidenschaftlichkeit, bei der ich noch mal sage: Wo waren Sie eigentlich im Innenausschuss, als wir dieses Thema beraten haben? Racial-Profiling gibt es in unserer Stadt nicht und wird in unserer Stadt aus guten Gründen nicht angewandt.
Das, was ich gehört habe, ist schon etwas, wo ich mich frage, was diese Diskussionspunkte im Grunde mit diesem Thema zu tun haben, was heute angemeldet wurde. Insbesondere Teile der Opposition haben wieder einmal deutlich gemacht, worum es in Wirklichkeit geht.
Man hat den Eindruck, Sie wollen gar nicht darüber reden, was man besser machen kann, sondern Sie formulieren, wie Sie das immer wieder und gerne tun, Vorhaltungen. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, tun das mit einer Selbstgerechtigkeit, die ihresgleichen sucht. Sie tun das heute nicht zum ersten Mal, aber zu welchen Mitteln Sie dabei greifen, kann man auch und gerade in einer solchen Debatte nicht stehen lassen. Gestern wurde von den Grünen eine Pressemitteilung veröffentlicht, aus der ich kurz zitieren möchte. Dort heißt es:
Menschen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte sind keine Gefahr für die Gesellschaft, Neonazismus und Rassismus schon. Deshalb demonstrieren wir für einen Mentalitäts- und Richtungswechsel: Für eine echte Willkommenskultur muss die Ausländerbehörde in eine Einwanderungsbehörde umgestaltet werden.
Meine Damen und Herrn von den Grünen! Der Applaus macht es noch einmal deutlich: Selbst für Ihre Verhältnisse – Sie sind ja mit Unterstellungen immer schnell bei der Hand – ist das ein ganz perfider Dreiklang. Ich habe an diesem Zitat nichts weggelassen oder verkürzt. Das muss ich auch nicht, weil diese drei Sätze sicher ganz bewusst so von Ihnen konstruiert wurden. Sie stellen einen Zusammenhang zwischen der Gefahr durch die Neonazis und der Ausländerbehörde her. Sie diffamieren und stellen eine staatliche Einrichtung in einen rechtsextremen Kontext. Ich sage auch hier: Das ist für mich unerträglich. Auch das weise ich entschieden zurück.
Warum Sie so handeln, darüber kann man nur spekulieren. Ich jedenfalls verwahre mich gegen Ihre unterschwelligen Vorwürfe, die Berliner Behörden wären von einem strukturellen Rassismus durchsetzt.
Ganz bestimmt nicht! Ich habe jetzt 50 Minuten zugehört. Ich glaube, es gebietet der Anstand, dass ich jetzt meine Sicht der Dinge darstellen kann. Das ist nicht nur eine Frage des Anstands, sondern auch eine der Systematik der Aktuellen Stunde.
Dies gilt zum Beispiel für die Behauptung, die Polizei würde nicht sensibel genug in alle Richtungen ermitteln, wie Sie es nach der Brandstiftung in einer Moschee vor einer Woche suggeriert haben. Sie haben ganz konkret
den Vorwurf erhoben, dem Senat fehle ein Konzept, wie Anschläge auf Migranten und deren Einrichtungen aufgeklärt und verfolgt werden sollen.
Lieber Herr Lux! Allein dieser Vorwurf zeigt doch, wie fundamental sich Ihre Geisteshaltung von meiner unterscheidet.
Wenn ein Mensch mit Migrationshintergrund angegriffen wird, dann wird ein Bürger unserer Stadt angegriffen. Das ist jedenfalls meine Sicht. Die Polizei wird alles tun, um diese Tat aufzuklären.
Sie spielen hingegen permanent die Arbeit der Sicherheitsbehörden – der Berliner Polizei und der Berliner Justiz – gegen die Sorgen und Ängste von Migranten aus. Sie laufen dabei deutlich Gefahr, immer neue Gräben aufzureißen.
[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Das kennen wir noch von Herrn Landowsky! – Benedikt Lux (GRÜNE): Sie sind der Graben!]
Das Gleiche versuchen Sie mit der NSU-Terrorserie, indem Sie systematisch suggerieren, der Staat würde vertuschen und wäre an einer Aufklärung nicht interessiert – auch und gerade hier in Berlin.
Die Frage ist, ob Sie sie gelesen haben. Ich weiß sehr wohl, was ich in den Raum stelle. Diese Zwischenrufe machen auch deutlich – – ich wäre ganz vorsichtig bei dem, was Sie da betreiben, weil sie dabei mit dem Feuer spielen. Es waren rot-grün regierte Behörden, die nach dem verheerenden Nagelbombenattentat von Köln zu einer fatalen Fehleinschätzung gekommen sind, und Sie wissen auch, wer bis 2005 in NRW und im Bund regiert hat.
Die Blindheit gegenüber dem NSU-Terrorsumpf war eben auch ein Versagen der gesamten Politik, und zwar parteiübergreifend. Deshalb finde ich Ihre permanente moralische Selbstüberhöhung an dieser Stelle völlig unangemessen.
Es handelt sich um die ultimative Perversion von Rassismus. Aber wir wussten schon vorher, dass wir nicht darauf vertrauen können, dass eine bestimmte Eskalationsstufe nicht erreicht wird. Es gibt viele Orte in Deutschland, die davon zeugen: ein Plattenbau in Rostock, eine Glastür in Guben, ein Gerichtssaal in Dresden. Dennoch hat der NSU-Terror unser Land noch einmal verändert. Semiya Simsek, die Tochter des ersten NSU-Opfers, sagt heute trotz allen Leids, das ihrer Familie widerfahren ist: Deutschland ist meine Heimat. – Aber diese Heimat hat für viele Menschen mit Migrationshintergrund einen dunklen Schatten bekommen. Umso größer ist die Verpflichtung, dieses Kapitel aufzuarbeiten und solche entsetzlichen Taten in Zukunft zu verhindern. Ich sage es hier noch einmal: In Sachen Aufklärung mit Blick auf Berlin lasse ich mich von niemandem überbieten – auch nicht von dieser Opposition.
Es gibt auch eine andere Seite, wenn wir heute am Internationalen Tag gegen Rassismus über dieses Thema sprechen. Deutschland ist ein Land, das vieles tut, um für Menschen aus aller Welt attraktiv zu sein. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, zeichnen das Bild eines düsteren, abgeschotteten Staates. Ich setze dem das Bild eines freundlichen, weltoffenen Landes entgegen – das Land, in dem ich lebe.
Diese Weltoffenheit gilt in besonderem Maß für Berlin. Der Senat ist diesem Anspruch verpflichtet, das weltoffene, tolerante Klima unserer Stadt zu verteidigen. Das tun wir jeden Tag aufs Neue. Es ist unsere Aufgabe, überall dort, wo Intoleranz herrscht, wo Menschen diskriminiert und angegriffen werden, weil sie anders oder besser sind, weil sie als anders empfunden werden, nicht wegzuschauen. In einer vielfältigen Stadt wie Berlin ist auch der Hass vielfältig.
Er richtet sich nicht nur gegen die Hautfarbe. Wir erleben leider viele homophobe Übergriffe. Vor Kurzem ist ein Mann in Schöneberg als Judentranse beschimpft und überfallen worden. Es gibt feindselige Äußerungen gegen Mädchen, die Kopftücher tragen, aber an machen Schulen auch gegen solche, die es nicht tun. Es gibt Konflikte, die nichts mit Berlin zu tun haben, die aus anderen Regionen der Welt hierher importiert und hier imitiert werden. Diese Konflikte finden ihren traurigen Höhepunkt in Übergriffen, wie sie im vergangene Jahr auf Rabbiner Alter verübt wurden. Ich habe im Rahmen meines Wertedialogs vor anderthalb Wochen mit ihm auf einem Podium diskutiert. Rabbiner Alter hätte allen Grund, verbittert zu sein. Es ist nicht so sehr der körperliche Schmerz, der
ihn verletzt hat, sondern eher der seelische, die Frage der Erniedrigung. Dennoch setzt er auf Versöhnung, will mit jungen Menschen sprechen – und dies über Religionsgrenzen hinweg. Genau diese Haltung brauchen wir, wenn wir erfolgreich gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sein wollen.