Protocol of the Session on March 21, 2013

Dialog und Vertrauen sind dabei die wichtigsten Waffen, gerade auch für meine Sicherheitsbehörden. Dass die fremdenfeindlichen Provokationen von Pro Deutschland im vergangenen Jahr nicht gefruchtet haben, hängt auch mit dem offenen Verhältnis zwischen der Polizei auf der einen Seite und den Netzwerkpartnern – insbesondere unter den Migrantenverbänden – auf der anderen Seite zusammen.

Eines ist klar: Wenn wir von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sprechen, dann muss das Hauptaugenmerk darauf liegen, rechtsextremes Gedankegut schon im Ansatz zu bekämpfen, sowohl präventiv als auch repressiv. Dazu zählt, dass wir uns dafür einsetzen, dass die Köpfe unserer Kinder nicht mit rechten Schulhof-CDs vergiftet werden, aber auch, dass wir es nicht tatenlos hinnehmen, wenn Menschen durch rechtsextreme Gruppen eingeschüchtert werden, wie es vor allem im Südosten Berlins oft passiert. Deshalb werden wir auch weiterhin hohen Druck auf die Szene ausüben, gerade auf die freien Kräfte mit ihren engen personellen und strukturellen Verflechtungen mit der NPD.

In diesem Zusammenhang – auch aus aktuellem Anlass, nicht nur wegen dieser Aktuellen Stunde – sage ich noch einmal: Berlin steht ohne Wenn und Aber zu einem NPDVerbotsverfahren.

[Zuruf von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Es bleibt für mich unerträglich, dass diese Partei unter dem Deckmantel des Parteienprivilegs mit staatlichen Geldern ihre rassistische Propaganda verbreitet.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Ich halte in diesem Zusammenhang die Argumentation der FDP, man bräuchte keinen weiteren Verbotsantrag, weil es bereits einen Antrag des Bundesrats gibt, für kurzsichtig, formalistisch und gefährlich. Gefährlich, weil es die geschlossene Phalanx der Demokraten durchbricht, die wir – ich sagte das schon öfter – an dieser Stelle dringend bräuchten.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wolf?

Es hat sich doch nichts an meiner Haltung geändert, und wenn die Zwischenfrage die Qualität des Zwischenrufs hat, dann schon drei Mal nicht.

(Bürgermeister Frank Henkel)

[Zurufe von der LINKEN]

Ich will noch einmal sagen: Wenn der Bundesvorsitzende der FDP, Herr Rösler, sagt, Dummheit könne man nicht verbieten, dann halte ich das zum einen für fatal und zum anderen auch für erschreckend naiv.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Denn diese angebliche Dummheit hört sich so an – und ich zitiere den NPD-Politiker Pastörs, der auf einer Veranstaltung im März letzten Jahres Folgendes gesagt hat – ich zitiere ihn ungern, aber das macht noch einmal deutlich, wie naiv und falsch die Haltung der FDP und des FDP-Vorsitzenden ist –:

... Europa ist das Land der weißen Rasse und soll es auch bleiben, dann haben wir ein Recht darauf, das notfalls mit militärischer Gewalt sicherzustellen. Das ist meine Überzeugung.

Das, was hier gesagt wurde, ist keine Dummheit. Das ist menschenverachtender Rassenwahn, und dem kann man sehr wohl mit Verboten entgegnen.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Es geht also nicht darum, Dummheit zu verbieten, sondern eine aggressive und aus meiner Sicht verfassungsfeindliche Partei.

[Zuruf von Hakan Taş (LINKE)]

Berlin ist eine weltoffene Stadt, und das soll sie bleiben. Wir wollen keine Gräben zwischen den Behörden und den Bürgern, wie Sie sie beschwören, sondern wir arbeiten gemeinsam mit allen, gleich welcher Herkunft, gegen die Feinde unserer Verfassung, gegen die Befürworter von Intoleranz und Gewalt, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Das ist die Politik dieses Senats, und darauf können sich die Menschen in unserer Stadt verlassen, darauf können sie vertrauen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Innensenator! – Wir haben eine zweite Rederunde. Die Fraktion der SPD hat noch ein wenig Zeit, und die darf jetzt Kollege Zimmermann für seinen Redebeitrag nutzen. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Kollege. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielen Dank für zwei Minuten und 15 Sekunden! Frau Radziwill hat in acht Minuten im Grunde die wesentlichen Dinge genannt, die wir zur präventiven Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus und anderen schlimmen Erscheinungsformen anwenden müssen. Mir bleibt es, in weniger als zwei Minuten die repressive Seite kurz anzusprechen, denn die Prävention ist sehr wichtig. Ob das Verhältnis

von 8 : 2 so stimmt, weiß ich nicht, aber der entscheidende Punkt ist, dass wir bei der Haltung, die die Leute gegenüber anderen haben, eine Haltung des Respekts herbeiführen und nicht eine Haltung, dass wir Minderheiten schützen müssen oder Ähnliches. Es geht um alle, die in der Mitte der Gesellschaft sind und die respektiert werden müssen.

Dass wir aber auch, wenn es schlimme Entwicklungen wie NSU, Terrornetzwerk und anderes gibt, konsequent handeln müssen, ist selbstverständlich. Ich möchte auf die Aufforderung unserer Kollegin Herrmann, die sagte: Kümmern Sie sich um die gewaltbereiten Nazis! – antworten, dass wir uns seit Jahren um dieses Thema kümmern. Ich möchte nur in aller Kürze anführen, dass wir z. B. die Möglichkeiten der Observation von Nazigruppen im Polizeigesetz verbessert haben – vor langer Zeit schon –, um der Polizei Mittel in die Hand zu geben, vorbeugend verbrechensbekämpfend tätig zu werden. Wir haben Razzien und Hausdurchsuchungen in zahlreichen Fällen gehabt, wo wir Verdächtige aufgedeckt und auch Waffen und Ähnliches sichergestellt haben. Wir haben Vereinsverbote über die Jahre durchgesetzt. Ich erinnere an das Verbot der „Kameradschaft Thor“, der BASO oder von „Frontbann 24“ und Ähnliches. Wir sind auch mit diesen Mitteln konsequent gegen diese menschenverachtenden Umtriebe vorgegangen.

Und wir haben auch V-Leute. Ich freue mich, dass der Senator hier so ein klares Bekenntnis zum NPD-Verbot abgegeben hat, und wir werden natürlich versuchen, das gemeinsam durchzusetzen. Es geht aber auch darum, dass wir in der gesamten gewaltbereiten Szene das an Erkenntnissen abschöpfen, was uns hilft, um schlimme Taten zu verhindern. Deswegen müssen wir leider auch in bestimmtem Umfang V-Leute einsetzen.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Sie haben doch die Akten gelesen!]

Das ist nun mal eine Notwendigkeit, um gegebenenfalls Gewalttaten verhindern zu können.

Sie müssen bitte zum Ende kommen, Kollege!

Aber wir müssen auch – und dabei sind wir, und ich weiß, dass der Senator mit uns gemeinsam daran arbeitet – die Bedingungen, unter denen das geschieht, die Kontrolle und die Informationsweitergabe auf eine vernünftige Basis stellen und die Defizite, die unzweifelhaft vorhanden sind, gemeinsam ausräumen. Wir sind dabei auf einem guten Weg. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Ich danke auch, Kollege Zimmermann! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Hier beginnen wir überraschenderweise mit

lfd. Nr. 4.1:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 24

Gleicher Zugang zum Recht für alle Bürgerinnen und Bürger – Einschränkung der Prozesskosten- und Beratungshilfe stoppen!

Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0877

Auch hier steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Dr. Lederer beginnt für seine Fraktion. Ich erteile Ihnen das Wort. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich. So will es unser Grundgesetz, und so legitimiert sich unsere Rechtsstaatlichkeit. Geht es nach der Bundesregierung, soll damit freilich bald Schluss sein. Menschen, die wenig haben, sollen in Zukunft keine Prozesskosten- und Beratungshilfe mehr vom Staat erhalten. Von Waffengleichheit vor Gericht kann dann keine Rede mehr sein. Die Linksfraktion will daher mit ihrem Antrag erreichen, dass sich das Abgeordnetenhaus und der Senat von Berlin gegen den von der schwarz-gelben Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Prozesskosten- und Beratungshilferechts aussprechen.

[Beifall bei der LINKEN]

CDU und FDP schneiden mit diesem Gesetzesvorhaben Geringverdienerinnen und Geringverdienern, Leih- und Zeitarbeiterinnen und -arbeitern sowie Erwerbslosen eine wichtige Basis für den individuellen Rechtsschutz ab. So kritisieren der Deutsche Anwaltverein und die Rechtsanwaltskammer den Entwurf, da er die Möglichkeiten der Rechtsverteidigung für einkommensarme Menschen faktisch abschafft.

Im Jahr 2011 waren zwei Drittel aller Prozesskostenfälle Familienrechtsverfahren, von denen knapp die Hälfte Scheidungsverfahren sind. Bei diesen Verfahren war es

bisher zwingend, dass eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt beigeordnet wurde. Dies soll jetzt jedoch abgeschafft werden. Betroffen sind davon vor allem Frauen, die wegen der Kinderbetreuung nicht oder nur eingeschränkt erwerbstätig waren oder sind und die deswegen auf die Prozesskosten- und Beratungshilfe zwingend angewiesen sind.

Der Gesetzentwurf hat damit auch eine geschlechterdiskriminierende Dimension. Insbesondere für Frauen werden Schranken aufgebaut, die es ihnen erschweren, sich aus eigenem Entschluss in einer Ehe zu trennen. Die Scheidung wird zum Luxusgut. Paare wollen vielleicht zum Zeitpunkt ihres Jaworts für immer vereint sein, aber sie sollten es doch nicht deshalb bleiben, weil sie sich die Scheidungsanwälte nicht leisten können.

Aus der Sicht der Linksfraktion ist es sehr zweifelhaft, ob der Gesetzentwurf mit unserem Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzip vereinbar ist, und wir stehen mit diesen Zweifeln nicht allein. Ich zitiere:

Das neue Bewilligungsverfahren bei der Prozesskostenhilfe bedeutet einen Systemwechsel, der in der Praxis den Zugang von Bedürftigen zum Rechtsschutz in verfassungswidriger Weise verhindern wird.