1. Welche Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes für die Jahre 2011 und 2012 wurden durch Berlin nicht verausgabt, wie hoch waren die Mittel für das jeweilige Jahr für Berlin insgesamt?
2. In welche Projekte und wohin sind die nicht verausgabten Mittel, die von Berlin für 2011 und 2012 nicht an den Bund zurückgezahlt werden mussten und für die ärmsten Kinder der Stadt vorgesehen waren und deren Bildungs- und Teilhabechancen verbessern sollten, wie vom Bundesverfassungsgericht vorgesehen, tatsächlich geflossen?
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Abgeordnete! Die Antwort zu den Fragen 1 und 2 lautet wie folgt: Seit dem 1. Januar 2011 haben Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien einen verbesserten Anspruch auf Bildung und gesellschaftliche Teilhabe. Zum Bildungspaket gehören insbesondere Mittagessen für Kinder, die Kitas, Schulen oder Horte besuchen, Lernförderung für Schülerinnen und Schüler, bei denen die Erreichung der wesentlichen Lernziele gefährdet ist, aber auch Teilhabe an Kultur, Sport und Freizeit für alle Kin
der und Jugendlichen, Tagesausflüge, auch mehrfache Tagesausflüge, die sonst von den Schulen oder Kitas organisiert werden. Es gehören aber auch Leistungen für den persönlichen Schulbedarf wie Stifte, Hefte, Wasserfarben oder auch der Schulranzen dazu. Es gehört Schülerbeförderung dazu, die die nächstgelegene Schule ihres ausgewählten Bildungsgangs besuchen. Voraussetzung ist aber in jedem Fall, dass die Kosten tatsächlich erforderlich sind und nicht bereits von anderer Seite übernommen werden.
Die Umsetzung im ersten Halbjahr 2011 stellte alle Kommunen und damit auch Berlin vor große Herausforderungen, denn es galt, an Stellen, an denen Berlin schon lange Leistungen für Kinder erbracht hat, wie z. B. Mittagessen an Schulen, das Ganze in die bestehenden Strukturen zu integrieren und neue Absprachen mit den handelnden Akteuren in Jobcentern und Bezirksämtern zu treffen. Ein vom Bund stark bürokratisiertes Verfahren – so hatte es der Bund angelegt – sollte in Berlin bürgerfreundlich umgesetzt werden.
Das ist uns auch in gemeinsamen Anstrengungen gelungen, und wir haben sehr viel Öffentlichkeitsarbeit betrieben – Internet, Flyer –, aber auch gerade vor Ort die Eltern informiert und unterstützt, eben diese Ansprüche auch für ihre Kinder geltend zu machen. So ist es durch die gemeinsamen Anstrengungen gelungen, die Inanspruchnahme der Leistungen von insgesamt zunächst 18,5 Millionen Euro im Jahr 2011 auf rund 28,1 Millionen Euro im Jahr 2012 zu steigern, also um gut 10 Millionen Euro.
Deswegen ist auch wichtig zu sagen: Wer einen Anspruch geltend gemacht hat, der hat die Leistungen auch ausgezahlt bekommen. Ich darf erinnern, dass im gleichen Zeitraum parallel auch die Ausgaben Berlins im Kitabereich von 915 Millionen Euro im Jahr 2010 um mehr als 100 Millionen Euro auf 1,03 Milliarden Euro gestiegen sind. Auch dieses Geld kommt den Kindern zugute.
Wir haben somit in Berlin im Bereich der Bildungs- und Teilhabe auch unabhängig von den unmittelbaren BuTAusgaben unsere Schwerpunkte gesetzt. Wir sehen hier genau die gesamtstrukturelle Aufgabe, durch Bildungsinvestitionen im umfassenden Sinn Kindern – welcher sozialen Herkunft auch immer – Chancen und Teilhabe zu eröffnen und zu ermöglichen. Damit wird auch klar, wo der rein rechnerische Saldo geblieben ist. Das sind ca. 50 Millionen Euro im Jahr. Die sind in diesem Bildungs- und Teilhabebereich ausgegeben worden.
Dazu muss man natürlich auch vom Verfahren her wissen, dass der Bund den Kommunen das Geld nicht direkt erstatten darf. Deswegen ist ein relativ komplexes, ein schwieriges Verfahren gewählt worden, wie der Bund über die Länder den Kommunen das Geld zuweisen kann.
Damit dieses Verfahren in Gang kommt, ist zunächst in den Jahren 2011 und 2012 eine pauschale Kostenerstattung über die Länder vereinbart worden, und zwar ist diese Kostenerstattung mit einem Prozentsatz von 5,4 Prozent an die Ausgaben für die Kosten der Unterkunft – die KdU-Kosten – angehängt worden, nicht an die Bildungs- und Teilhabekosten. Das war eine pauschale, eine grobe Schätzung und eine Mittlung aus dem Bedarf aller Kommunen in der Bundesrepublik Deutschland. Ich kann Ihnen sagen, wir haben von Berlin aus dafür gekämpft, diese Pauschale möglichst groß anzusetzen, damit sie im Bildungs- und Teilhabebereich unseren Kindern und Jugendlichen durch Leistungsverbesserungen zugute kommt.
Ab 2013 – das wissen Sie – werden die Ausgaben Berlins, aber auch der anderen Kommunen für das Bildungs- und Teilhabepaket nicht mehr pauschal vergütet, sondern „spitz“ abgerechnet, das heißt, nach Leistungsnachweis. Das wird uns jetzt an den Punkten, wo Berlin schon immer eine verbesserte Leistungsstruktur, ein verbessertes Leistungsangebot hatte und woran es festhalten will, Schwierigkeiten bereiten. Ich erinnere an die gerade beschlossenen Initiative zur Verbesserung der Qualität des Mittagessens an Schulen. Es geht jetzt darum, nicht nach hinten zu gucken, sondern nach vorne und zu schauen, wie wir den hohen Standard in Berlin weiterfinanzieren können. Das wird uns im Haushalt 2014/2015 gemeinsam noch einiges an Kraft kosten.
Damit stelle ich mir nicht so sehr die sozialpolitische Frage, ob etwas nicht in den Bildungs- und Teilhabebereich – wie Sie dies glauben machen wollen – geflossen ist, sondern es geht darum, wie wir in Zukunft das wichtige Thema Kinder und Jugendliche, die aus einkommensschwachen Familien kommen und die wir nicht zurücklassen wollen, gemeinsam weiter auf diesem hohen Niveau ausfinanzieren. – Vielen Dank!
Die Frage war: Wo ist das Geld geblieben, die fast 100 Millionen Euro, die eigentlich für die ärmsten Kinder der Stadt vorgesehen waren? Sie haben nur gesagt: irgendwie in dem Kitaausbau. – Da hat ja das Land nur 20 Millionen Euro ausgegeben. Mich würde interessieren: Wo ist das Geld, das für die ärmsten Kinder dieser Stadt gedacht war – es war vom Bund nicht für alle vorgesehen –, konkret geblieben? Da waren die Fragen, glaube ich, auch relativ eindeutig, und die haben Sie nicht beantwortet.
Ich hatte Ihnen gesagt, dass die Differenz ca. 50 Millionen Euro sind. Das war der erste Teil Ihrer Frage. Der zweite Teil Ihrer Frage war: Wo ist das Geld hingegangen? – Ich kann Ihnen das noch einmal etwas detaillierter erläutern.
Es geht nicht nur um den Kitaausbau, den wir in der Tat zusätzlich mit 20 Millionen Euro finanzieren, sondern die Kitaausgabenentwicklung ist beispielsweise seit 2006 wie folgt: Im Jahr 2006 haben wir 733 Millionen Euro für Kitas ausgegeben, im Jahr 2012 sind es 1,105 Milliarden Euro gewesen. Das heißt, wir haben einen Ausgabenanstieg im Kitabereich, den Sie adressiert haben, über sechs Jahre in Höhe von 372 Millionen Euro. Das ist ein Gesamtaufwuchs von 50,8 Prozent. Das bedeutet 7,1 Prozent pro Jahr. Ich kann Ihnen das auch noch detaillieren.
Dieser Ausgabenanstieg ist im Wesentlichen auf folgende Sachverhalte zurückzuführen: nämlich Standardverbesserungen, insbesondere Verbesserungen in Personalausstattungen, Einführung der Beitragsfreiheit – wir haben die Beitragsfreiheit in den Kitas eingeführt, und das hat natürlich zu einer Erhöhung der Versorgungsquote geführt und auch, was wir ja wollen, zu einer Erhöhung der Betreuungszeiten. Wir haben höhere Fallzahlen, das auch durch den erfreulichen Umstand, auf den der Kollege Czaja zuletzt hingewiesen hat, dass sich die Geburtenentwicklung in Berlin positiv entwickelt. Wir haben Anpassungen an Tarifsteigerungen. Wir haben die Zunahme der Zuschlagsfinanzierung, also die Finanzierung für Integration für nichtdeutsche Herkunftssprachen und soziale Benachteiligung. All das sind Beträge – ich sagte es Ihnen: 372 Millionen Euro –, die in einem Vergleichszeitraum in den Kitabereich hineingeflossen sind.
Das Thema BuT habe ich Ihnen auch versucht zu verdeutlichen. Es ist eine Pauschalabrechnung in Höhe von 5,4 Prozent bezogen auf die KdU gewesen. Es ist eben keine „Spitzabrechnung“. Das wird jetzt im Jahr 2013 erfolgen. Ich denke, es wird, wie gesagt, für uns gemeinsam eine große Herausforderung sein, das hohe Niveau, das wir in Berlin in dem Bereich Bildung und Teilhabe – Krippen, Ausbildung, Studienplätze, etc. – haben, zu erhalten, und dies bei sehr schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Herr Senator Nußbaum! Stimmen Sie mit mir überein, dass eine echte Teilhabe und Verbesserung der Situation für alle Kinder in Bedarfsgemeinschaften nur über eine Erhöhung des Regelsatzes für Kinder bzw. perspektivisch über den Ausbau zu einer Kindergrundsicherung erreicht werden kann?
Das ist eine Frage, die über das Thema BuT hinausgeht. Ich bin jetzt nicht in der Lage, Ihnen diese fachpolitische Frage zu beantworten, ob das der richtige Weg zu dem Ziel ist. Ich kann Ihnen aber zustimmen, dass wir das gemeinsame Ziel haben, Kinder aus benachteiligten Strukturen – ob das Inländer oder Ausländer sind – in unser System hineinzubekommen. Deswegen bin ich auch froh und fördere es, dass wir mit der Krippe anfangend, dann über Kitas und Schulen und Integration dies stützen. Das ist meine Zielsetzung, und ob der von Ihnen vorgeschlagenen Weg der richtige ist, kann ich an dieser Stelle nicht beurteilen.
Vielen Dank! – Da es vielleicht vorhin nicht richtig verstanden worden ist, erkläre ich es noch einmal: Die Nachfrage hat den Sinn, Bezug auf etwas zu nehmen, das ein Senatsmitglied schon gesagt hat. Die Anrede „Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!“ gibt noch nicht viel her, um eine Nachfrage zu starten.
Herr Kollege Mutlu! Das gilt dann auch für Sie. Wundern Sie sich nicht, wenn dann Kollegen vorgezogen werden! – Als Nächstes folgt die Mündliche Anfrage Nr. 9 und Frau Katrin Lompscher von der Fraktion Die Linke:
1. Wie wird sich das Land Berlin im Bundesrat zum Antrag des Freistaates Bayern vom 27. Februar 2013 verhalten, umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem das Wohngeld angemessen, mindestens jedoch um 10 Prozent erhöht wird?
2. Wie wird sich das Land Berlin auf Bundesebene dafür einsetzen, die Wohngeldstufe für die Stadt Berlin – derzeit Stufe IV – zu überprüfen und ggf. für die größte Stadt Deutschlands eine differenzierte Einstufung nach Teilräumen einzufordern?
Herr Präsident! Frau Abgeordnete Lompscher! Zu Ihrer ersten Frage: Grundsätzlich begrüßt der Senat und begrüße ich als der Senator, der für diesen Bereich zuständig ist, jede Forderung nach einer Leistungsverbesserung für die Berliner Bürgerinnen und Bürger.
Das Wohngeld wurde seit dem Jahr 2009 nicht mehr an die Entwicklung der Wohnkosten angepasst und schafft so kaum eine wirksame Entlastung, wenn anrechenbare Mietobergrenzen überschritten werden. Berlin hat sich im Bundesrat 2010 darüber hinaus vehement gegen die unsoziale damalige Streichung der Heizkostenkomponente eingesetzt. Für diese Forderung gab es jedoch keine Mehrheit im Bundesrat, auch nicht bei Bayern.
Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Ausgaben für das Wohngeld je zur Hälfte vom Bund und den Ländern, also auch Berlin, getragen werden. Um die finanziellen Auswirkungen der Forderung des Freistaates Bayern nach einer Wohngelderhöhung auf die Landeshaushalte ausreichend abschätzen zu können, aber auch um weitere Aspekte sozialpolitischer Art berücksichtigen zu können, wird der Antrag des Freistaates Bayern diese Woche in den Ausschüssen des Bundesrates beraten. Erst wenn das Ergebnis der Sitzungswoche des Bundesrates vorliegt, kann der Senat sein Abstimmungsverhalten zum bayerischen Antrag verbindlich festlegen. Dies wird voraussichtlich in der Senatssitzung am 19. März, vor dem nächsten Bundesratsplenum, erfolgen.
Zu Ihrer zweiten Frage: Es ist richtig, dass Berlin derzeit der Mietenstufe IV zugehört. Von der Einordnung in eine Mietenstufe ist abhängig, welche Miethöchstbeträge bei der Berechung des Wohngeldes zu berücksichtigen sind. Trotz der Tatsache, dass die Mieten in Berlin seit der letzten Überprüfung der Mietenstufen im Jahr 2009 gestiegen sind, kann aber nicht sicher vorausgesagt werden, dass Berlin bei einer erneuten Überprüfung der Mietenstufen in eine höhere fallen würde. Die Einordnung in eine Mietenstufe erfolgt in einem Verfahren, welches sich am bundesweiten Mietenniveau und der durchschnittlichen Abweichung der Quadratmetermieten vom Wohnraum der Wohngeldempfängerhaushalte orientiert. Das Mietenniveau wird hierfür vom Statistischen Bundesamt ermittelt.
Die Mietpreise sind in den letzten Jahren aber auch in vielen anderen deutschen Städten rasant gestiegen. Insoweit erscheint mir die Forderung nach einer Überprüfung der Mietenstufen nicht als das geeignete Mittel, die dringend notwendigen Leistungsverbesserungen für die Wohngeldempfängerinnen und Wohngeldempfänger zu erreichen. Stattdessen will ich mich für eine generelle Erhöhung des Wohngeldes einsetzen, sei es in Form der Wiedereinführung der Heizkostenkomponente oder in Form einer allgemeinen Erhöhung durch Anpassung an die allgemeine Mieten- und Einkommensentwicklung.
Vielen Dank für die Antwort! Das finden wir gut. Trotzdem stellt sich natürlich die Frage, warum Sie die Überprüfung der Mietenstufen nicht für erfolgversprechend halten. Gerade heute ist der IBB-Wohnungsmarktbericht mit dem Hinweis veröffentlicht worden, dass die Angebotsmieten um insgesamt 14 Prozent – in der Stadt sehr differenziert – gestiegen sind. Deshalb noch einmal die Frage: Wie wollen Sie die Überlegung, das für Teilräume in Berlin zu überprüfen, aufgreifen?
Herr Präsident! Frau Abgeordnete Lompscher! Ob das für Teilräume überhaupt möglich ist, kann ich zurzeit gar nicht beantworten.
Ich habe eben das Verfahren dargestellt. Ich will nicht ausschließen, dass die Überprüfung der Mietenstufen ein gangbarer Weg ist, aber es ist ein bundesweites Verfahren mit vielen Beteiligten. Dabei müssen viele Einflüsse berücksichtigt werden, wie die Mietenentwicklung in anderen Städten und die Einkommensentwicklung. Die Arbeit des Statistischen Bundesamtes kann ich nicht vorwegnehmen. Insofern bin ich zum heutigen Tag zu der Schlussfolgerung gekommen, dass der andere Weg über den Bundesrat – gegebenenfalls über die Heizkostenkomponente – der erfolgversprechendere ist. Ich will nicht ausschließen, dass zu gegebener Zeit auch die anderen Varianten gut und richtig sind.
Herr Senator! Wir haben leider lernen müssen, dass Ihre Rhetorik und das Abstimmungsverhalten im Bundesrat immer sehr weit auseinanderklaffen. Ich nenne das Stichwort Mietrechtsreform. Da haben Sie die Anrufung des Vermittlungsausschusses verhindert. Wie wird das dieses Mal sein? Sie haben sich eben dazu bekannt, dass Sie für eine generelle Erhöhung des Wohngeldes einstehen. Werden Sie Ihr ganzes Gewicht dafür im Senat aufwenden? Wird Berlin am Schluss dafür sein?
Herr Präsident! Herr Abgeordneter Otto! Meine Rhetorik und mein Abstimmungsverhalten klaffen überhaupt nicht auseinander.