Protocol of the Session on March 7, 2013

wir vorhin gehört haben. Das hat aber zur Folge, dass deutlich weniger Essen auf den Straßen der Siedlung landet und die Wertschätzung gegenüber dem wertvollen Gut Nahrung gestärkt wird.

Doch auch an anderen Stellen in Berlin wurden bereits Projekte zum Themenbereich Wertschätzung von Lebensmitteln in die Wege geleitet. Nur beispielhaft seien hierbei als Akteure genannt: der Gutshof Britz, das gemeinnützige Unternehmen Bio-Brotbox, die AOK, der Verein Slowfood, die Verbraucherzentrale oder die Vernetzungsstelle Schulverpflegung bei der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft.

Viele Projekte wie auch das DRK-Familienzentrum des DRK-Kreisverbandes Berlin Nordost nehmen die Kinder und Jugendlichen mit zu den Lebensmittelproduzenten auf dem Land sowie zum Einkaufen und lassen sie schließlich ihr Mittagessen in Lehrküchen selbst zubereiten. Denn klar ist: Mit richtiger Planung, guter Lagerhaltung und pfiffigen Rezeptideen lassen sich auch noch die Reste an Lebensmitteln zu schmackhaften Gerichten verarbeiten.

Der Einkauf von Lebensmitteln sollte stets getreu der Formel „selektiv statt emotional“ erfolgen. In diesem Sinne lassen Sie uns darauf achten, dass künftig weniger Lebensmittel in der Tonne und mehr auf dem Teller landen, und die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Handel und gegebenenfalls Hersteller dahingehend aufklären. – Danke sehr!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Frau Kollegin Köhne! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort die Kollegin Möller. – Bitte sehr!

Vielen Dank! – Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Herr Präsident! Es ist schon ein ziemlich starkes Stück von der CDU-Fraktion, dem Parlament als Priorität diesen Antrag hier vorzulegen. Denn, Herr Dr. LehmannBrauns, alles was Sie hier aufgezählt haben, wo der Senat nun tätig werden wird und wozu er aufgefordert wird, steht hier überhaupt nicht drin. Sie werfen hier stattdessen ein komplexes, wichtiges Thema auf und haben keine einzige Idee dazu entwickelt.

[Beifall bei der LINKEN]

Natürlich ist es gut, wenn Lebensmittel nicht im Müll landen. Natürlich ist es gut, Verbraucherinnen und Verbraucher aufzuklären. Aber das sind Allgemeinplätze. Nur gut für Sie, dass die Bundesministerien schon Initiative ergriffen haben – auch nur auf Druck der EU, aber immerhin –, aber dann gleich mit dem hehren Ziel, die

gesamte Lebensmittelverschwendung in Deutschland bis 2020 zu halbieren – das sind nur noch sieben Jahre bis dahin – wohlwissend, dass dies völlig irrational ist. Zudem gibt es überhaupt keine validen Zahlen, keine Idee, wie gerechnet werden soll, mit oder ohne die nicht vom Handel abgerufenen, auf dem Feld vergammelten landwirtschaftlichen Produkte, in welcher Region der Welt auch immer. Was also halbiert werden soll, bleibt unklar.

Genauso uninspiriert und hilflos geht es hier auf Landesebene weiter. Die bereits vorhandenen Bundesmaterialien sollen also auch in Berlin verteilt werden: Super-Idee, Mannomann! Natürlich werden zuerst und hauptsächlich die Endverbraucherinnen und -verbraucher als Schuldige ausgemacht, weil sie die Lebensmittel nicht richtig wertschätzen und deshalb zu größerer Achtsamkeit mittels Aufklärung angehalten werden müssen. Kein Wort zu Erzeugern, Transporteuren und Händlern.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Irgendwelche Maßnahmen sollen irgendwie ergriffen werden, vielleicht irgendwelche Projekte, es soll dann berichtet werden, selbige sollen sich aber anscheinend andere ausdenken. Wozu hatten wir bitte die Anhörung im Ausschuss? Es gab noch nicht einmal die Aussprache dazu – und jetzt dieser Antrag. Die Grünen haben ja zumindest einen Berliner Runden Tisch vorgeschlagen. Wenn ich auch finde, dass Runde Tische nicht immer reflexhaft als Maßnahme herhalten sollten, scheint mir dies hier in diesem Moment erst einmal der richtige Ansatz zu sein. Aber bitte, wenn wir regional und saisonal denken wollen, am besten diesen Runden Tisch auch gemeinsam mit Brandenburg machen. Das ist der landwirtschaftliche Produzent in unserer unmittelbaren Umgebung mit Vernetzung ins weitere Umfeld, der bisher nur um die 12 Prozent der in der Region BerlinBrandenburg verzehrten Lebensmittel produziert oder besser nur produzieren kann. Woran liegt das? Wie könnte das anders werden? Außerdem gäbe es hier gute Möglichkeiten für Kooperationen, um jungen Menschen sinnlich und anschaulich Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion nahe zu bringen. Frau Köhne hatte bereits positive Beispiel hierzu genannt. Das könnte auf so einer Ebene der Kooperation, denke ich, gut ausgebaut werden, denn hier gibt es in der Tat ein dramatischen Nachholbedarf. Ernährung als Schulfach wurde schon angesprochen. So gesehen gehören an einen solchen Runden Tisch natürlich neben Verbraucherschützern, Vertretern aus Industrie, Handel, Transportwesen, Gastronomie, Landwirtschaft beider Länder und NGOs auch Bildungsfachleute.

Es geht nicht, dass immer, wenn es bei Lebensmitteln um die Frage Müll oder doch noch Verwertung geht, die Tafeln und Suppenküchen und andere Organisationen inzwischen als nachhaltige Lösung ganz automatisch einkalkuliert werden. Es ist gut und richtig, dass sich hier temporäre Lösungen gefunden haben, und die Arbeit der Tafeln und vieler anderer Organisationen schätzen wir

hoch, aber bitte: Suppenküchen und Tafeln sind Notlösungen und nicht die Institutionen der Zukunft in dieser Frage!

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Schlimm genug, dass in unseren Jobcentern Listen mit Adressen von Suppenküchen und Tafel ausgereicht werden, weil man schon davon ausgeht, dass sie die mangelhafte Finanzierung von Menschen im Transferleistungsbezug regelhaft ausgleichen. So geht das natürlich nicht.

Wie kann man also ernsthaft der Lebensmittelverschwendung ursächlich beikommen? – Das geht sicher erst einmal nur schrittweise und kleinteilig, indem zum Beispiel zunächst diverse rechtliche Grauzonen aufgeklärt werden. Da müsste man sich mit der Bundesebene arrangieren, müsste sich da einmischen. Das Mindesthaltbarkeitsdatum wurde schon mehrfach erwähnt, es ist ein irreführender Begriff und unterliegt keinerlei wissenschaftlichen Standards. Es wäre sicher gut, diese rechtliche Klärung im ersten Schritt anzugehen. Denn da gibt es noch ein anderes Problem: Ob und wie in Haftung geraten kann, wer Lebensmittel mit überschrittenem Datum verteilt, ist noch so unklar wie vieles andere auch. Das betrifft ja gerade die viel gepriesenen Tafeln. Aber angesichts der großen Anzahl an qualifizierten Juristinnen und Juristen in der Koalition bin ich mir sicher, dass hier alsbald praktikable Lösungen auf dem Tisch liegen. Bisher stimmt einfach nur, was im CDU-Wahlprogramm auf Seite 67 steht. Verbraucherschutz findet in diesem Senat nur in Sonntagsreden statt. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Möller! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Kollege Kowalewski. – Bitte sehr!

Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schön, ein Thema, bei dem wir uns alle einig sind! Darauf hat Stefan Kreutzberger bei der Anhörung im Verbraucherausschuss ja auch schon hingewiesen. Wir haben jetzt ein paar Beispiele dafür gehört, wie wir bei Verbrauchern, bei Gastronomie und Einzelhandel mehr Wertschätzung für Lebensmittel erzeugen können. Das ist richtig und wichtig, und ich werde es auch nicht wiederholen, auch wenn wir uns hier in einem Spannungsfeld befinden. Menschen, die sich Essen bei der Tafel holen müssen, weil das Existenzminimum eben zum Existieren doch nicht ausreicht, dürfen nicht zu unbezahlten Müllschluckern für Kriminelle, die in betrügerischer Absicht Lebensmittel falsch deklarieren, deklassiert werden, wäh

rend in manchen Supermärkten Bleiche in den Müllcontainer gekippt wird, damit niemand containern kommt.

Wenn wir das Problem der Verschwendung sinnvoll angehen wollen, müssen wir aber schon viel früher ansetzen, und ich fürchte, hier ein sehr unschönes Beispiel anbringen zu müssen. Am 26. September 2012 lief auf dem Südwestrundfunk die sehr gut recherchierte Dokumentation „Schweine für den Müllcontainer – Warum es zu viel Fleisch gibt“, der bislang von der Industrie auch noch nicht fundiert widersprochen wurde. Danach landet ein Drittel der in Deutschland gemästeten Schweine schon im Müll bevor sie den Handelskanal erreichen. Und warum? – Weil das gefördert wird – von meinen Steuern, von Ihren Steuern, von den Steuern aller Bürger der Europäischen Union. O-Ton aus diesem Betrag: Die Schweinebarone kassieren aus einer schier unermesslichen Subventionsschatulle. Das ist das Gegenteil von Wertschätzung. Da wird einfach nur produziert, was die Fördertöpfe – jährlich mindestens 1,8 Milliarden Euro aus Deutschland und mindesten 4,4 Milliarden Euro von der EU – hergeben. Und was Deutschland nicht selber fressen oder exportieren kann, landet halt im Sondermüll.

Hier muss ich auch, wie Kollegin Monteiro, Tucholsky aufrufen und ein paar Zahlen zitieren. 6 400 Kilogramm Schweinefleisch isst der Deutsche durchschnittlich in seinem Leben. Dazu kommen die 800 Kilogramm, die im Handelskanal oder im Haushalt in der Tonne landen und die 3 600 Kilogramm, die gar nicht erst dorthin kommen. Das sind also fast 120 erwachsene Schweine, die für jeden von uns draufgehen. 15 davon – auch das ist eine interessante Statistik – erleben ihre Schlachtung bei vollem Bewusstsein, weil die Betäubung nicht funktioniert hat. Weil so viele Schweine schon vor der Schlachtung an den jämmerlichen Haltungsbedingungen verenden, sind das fast 200 Ferkel, die für jeden Deutschen in die Mastanlage gehen. 100 davon bekommen, weil sie männlich sind, ohne Betäubung ihre Hoden abgeschnitten. Fast alle leben auf für Schweine absolut nicht artgerechten Spaltenböden, auf denen sie kaum schmerzfrei stehen können, und an Bewegung ist in den winzigen Boxen ohnehin nicht zu denken.

Wie kann diese Mord- und Qualindustrie Wertschätzung von Lebensmitteln glaubwürdig vermitteln?

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Aber es wird noch schlimmer. Allein für dieses Schweinefleisch, das ein Deutscher in seinem Leben isst, werden 70 000 Kilogramm wertvolle Lebensmittel – die meisten davon aus Übersee angeliefert, teilweise aus Anbau auf brandgerodeten Ex-Urwald – benötigt. 100 Millionen Liter Trinkwasser werden dafür verbraucht, 1,2 Kilogramm – nicht Milligramm, nicht Gramm – Antibiotika eingesetzt und 230 000 Kilogramm Kohlendioxid in die Atmosphäre freigesetzt. Um diesen Klimaschaden zu erzeugen, müssten Sie 1,6 Millionen Kilometer mit dem

Geländewagen durch die Gegend fahren. Und das war nur das Schweinefleisch! Nebenbei isst jeder Deutsche vier Rinder, vier Schafe, 12 Gänse, 37 Enten, 46 Puten und 945 Hühner in seinem Leben mit jeweils ähnlich verheerenden Folgen für die Welternährung, den Wasserhaushalt, die Gesundheit und das Klima – und das, obwohl 2 Millionen Vegetarier in Deutschland schon versuchen, diese Durchschnittswerte nach unten zu ziehen.

Herr Kollege! Darf ich Sie einen Moment unterbrechen?

Ja, dürfen Sie!

Meine Herrschaften! Ich bitte doch, die Gespräche und auch die Gruppenbildung einzustellen. Entweder Sie gehen raus oder Sie setzen sich hin, bitte!

Es ist nur noch ein Absatz und dann ist dieses Thema vorbei.

Trotzdem muss hier Ruhe herrschen im Saal.

Danke schön, Herr Präsident! – Gemeinsam mit der Bundesregierung dafür zu werben, ein paar Lebensmittel weniger wegzuwerfen, ist ein erster, winziger Schritt, den wir gerne unterstützen. Wenn wir diesen Planeten und die Menschen auf ihm allerdings noch ein wenig länger behalten wollen, müssen wir uns ein paar grundsätzlichere Gedanken um unsere Ernährung machen. Dafür sollte der Senat die Verbraucher und Verbraucherinnen ebenfalls sensibilisieren: dass mit ihrem Geld eine Industrie gemästet wird, bei der Ressourcenverschwendung, Ausbeutung und Umweltzerstörung keine vermeidbaren Probleme, sondern die Geschäftsgrundlage sind.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Kowalewski! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung an den – kurz gesprochen – Rechtsausschuss empfohlen. Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich komme zu

(Vizepräsident Andreas Gram)

lfd. Nr. 5:

Gesetz zum Staatsvertrag über die Übertragung von Aufgaben nach §§ 802 k Abs. 1 Satz 2, 882 h Abs. 1 Satz 2 und 3 der Zivilprozessordnung und § 6 Abs. 1 der Schuldnerverzeichnisführungsverordnung und § 7 Abs. 1 Satz 1 der Vermögensverzeichnisverordnung zur Errichtung und zum Betrieb eines gemeinsamen Vollstreckungsportals der Länder

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung vom 13. Februar 2013 Drucksache 17/0837

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/0744

Zweite Lesung

Hier eröffne ich die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Paragrafen sowie des anliegenden Staatsvertrags miteinander zu verbinden, und höre hierzu keinen Widerspruch.

Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Paragrafen 1 und 2 und den anliegenden Staatsvertrag Drucksache 17/0744. Eine Beratung ist nicht vorgesehen.

Zur Gesetzesvorlage Drucksache 17/0744 empfiehlt der Rechtausschuss einstimmig bei Enthaltung Grüne und Piraten und bei Nichtteilnahme Linke die Annahme. Wer der Vorlage zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU und SPD. Wer ist dagegen? – Ein Abgeordneter der Piraten. Wer enthält sich? – Das sind Linke, Grüne und Piraten. Damit ist das Gesetz so beschlossen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 6:

Zwölftes Gesetz zur Änderung des Berliner Kammergesetzes

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/0825