Protocol of the Session on January 31, 2013

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wir wollen zum einen die Ansiedlung und den Bestand von Café-Kasinos in Berlin beschränken. Warum müssen wir das tun? – Wir haben seit rund anderthalb Jahren das mit Abstand strengste Spielhallengesetz Deutschlands. Das hat erfreulicherweise dazu geführt, dass die Flut, die Explosion neuer Spielhallen in der Stadt drastisch eingeschränkt werden konnte. In vielen Bezirken konnten seitdem keine neuen Spielhallen mehr eröffnet werden. Das ist ein echter Erfolg, wie wir ihn selten bei Gesetzen haben, die wir hier im Parlament verabschieden. Das muss auch einmal gesagt werden.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Dieses Gesetz wirkt. Wir haben die Vergnügungssteuer für die Automaten von 11 auf 20 Prozent fast verdoppelt. Trotzdem sehen wir jetzt eine Ausweichbewegung hin zu sogenannten Café-Kasinos. Von der äußeren Anmutung sehen sie aus wie eine Spielhalle. Tatsächlich ist es rechtlich gesehen nur eine Gaststätte, die die maximal mögliche Zahl von drei Spielautomaten, Geldgewinnspielgeräten an der Wand hängen hat.

Und siehe da: Was zeigte sich bei den Schwerpunktrazzien 2011 und 2012? – Es wird eine Vielzahl von Verordnungen übertreten. Ich muss Ihnen die Zahlen vorlesen, weil sie so erschreckend sind: Im September 2012 wurden 104 Spielstätten kontrolliert. Insgesamt gab es – das ist kein Tippfehler – 390 Ordnungswidrigkeiten. 155 Mal wurde gegen das Spielhallengesetz verstoßen, 43 Mal gegen die Spielverordnung des Bundes, 65 Mal gegen die Gewerbeordnung des Bundes, 11 Mal gegen das Jugendschutzgesetz, 55 Mal gegen das Nichtraucherschutzgesetz, 8 Mal gegen das Gaststättengesetz, 27 Mal gegen die Preisangabenverordnung und 26 Mal gegen sonstige Ordnungswidrigkeiten. Das war leider noch nicht alles. Jetzt kommen noch die echten Straftaten: 21 waren es insgesamt, davon 13 Mal illegales Glücksspiel, 8 Mal sonstige Straftaten. Das zeigt, dass diese Spielstätten – man muss es so sagen – oftmals auch ein Herd für kriminelles Vorgehen, illegales Glücksspiel und sonstige Machenschaften sind.

Ich kann nur ganz klar sagen: Wir als Koalition – ich glaube, ich kann sogar für das ganze Parlament sprechen – wollen und werden in Berlin nicht hinnehmen, dass es solche Auswüchse in Spielstätten gibt. Wir wollen die Berlinerinnen und Berliner davor schützen.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Wolfgang Brauer (LINKE): Dann macht es doch, ihr Clowns!]

Hören Sie doch erst einmal zu, Herr Kollege Brauer! Ihr Kollege wird ja auch gleich noch sprechen. – Darum fordern wir den Senat auf – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lux?

Bitte schön!

Bitte, Herr Lux!

Herr Kollege Buchholz! Natürlich wollen wir auch, dass im Glücksspielwesen keine Straftaten und Ordnungswidrigkeiten in Berlin begangen werden und diese mit einem gewissen Verfolgungsdruck geahndet werden. Wie bewerten Sie es, dass der dafür zuständige Innensenator der Debatte momentan nicht folgt? Würden Sie ihn auffordern, die Kontrolldichte zu erhöhen?

Wie Sie sehen, sind zwei Senatsmitglieder anwesend.

[Zuruf von Canan Bayram (GRÜNE)]

Herr Czaja hat, was den Bereich Spielsucht angeht, tatsächlich auch einiges mit dem Thema zu tun. Wo der Kollege Henkel ist, fragen Sie ihn am besten selbst. Es wäre schön, wenn er da wäre. Da bin ich bei Ihnen. – Herr Müller ist auch noch im Raum. Das sollte man zur Kenntnis nehmen.

Die Frage ist aber eindeutig beantwortet worden. Was die Spielhallenkriminalität angeht, haben wir erschreckende Zahlen. Die hat übrigens die Innenverwaltung geliefert. Die Kleine Anfrage ist druckfrisch. Aber zerreden Sie doch bitte keinen Konsens, den wir an der Stelle haben. Wir müssen die Café-Kasinos zurückdrängen, und zwar aus einen ganz einfachen Grund: Es reicht nicht, eine Gaststätte aufzumachen, die von außen aussieht wie eine Spielhalle. Dort werden weiterhin Leute in die Spielsucht getrieben. Oftmals wird auch gar nicht darauf geachtet, ob dort junge Leute an die Automaten gehen.

Darum in Richtung der Kolleginnen und Kollegen von den Grünen: Ich hoffe, der zweite Antrag findet Ihre Zustimmung, in dem gefordert wird, die Spielhallen noch intensiver zu kontrollieren und illegales Glücksspiel zu bekämpfen. Wir haben die Daten nach Bezirken aufgeschlüsselt und können uns auch speziell die Bezirke mit grünen Bürgermeistern anschauen. Es ist interessant: Einige Bezirke gehen flächendeckend mit Kontrollen gegen Spielhallen und illegale Glücksspielstätten vor.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Von wem kommt sie?

Von Frau Matuschek!

Bitte schön!

Bitte, Frau Matuschek!

Vielen Dank! – Kollege Buchholz! Sie sind in dem Metier ja sehr bewandert. Wir sind natürlich alle intolerant gegenüber illegalem Spielgeschehen. Aber das Beispiel Großbritannien zeigt, dass es massive Abwanderungsprozesse in Richtung von privatem Spielgeschehen gibt. Wie wollen Sie die Spielsucht, die das eigentliche Motiv ist, bekämpfen, die sich in Privatwohnungen aufbaut?

Kollegin Matuschek! Sie sprechen ein völlig berechtigtes Thema an. Aber ich glaube, dass wir als Berliner Landesparlament die Sucht, die am Computer ausgelebt wird – von der Computer- hin zur Poker- und zur Glücksspielsucht –, mit unseren Instrumentarien nicht angehen können. Wir können aber Jugendliche und Kinder frühzeitig dafür sensibilisieren, was es heißt, spielsüchtig zu sein. Dort verspielen Menschen ihre Existenz, Haus und Hof und Familie. Sie verschulden sich. Es ist eine Spirale nach unten. Darum müssen wir – das haben wir schon in der letzten Legislaturperiode begonnen – die Prävention weiter verstärken. Dafür kämpfen wir. Das müssen wir auch in den Haushaltsberatungen umsetzen. Zum Beispiel muss ein Teil der Einnahmen aus der Vergnügungsteuer möglichst zweckgerichtet für diese Problematik ausgegeben werden. Das sind die Einnahmen, die man genau dafür verwenden muss.

[Beifall bei der SPD]

Ich muss, da meine Redezeit leider dem Ende entgegengeht, ganz kurz noch den zweiten Antrag ausführen: Wir brauchen diese zusätzlichen Kontrollen. Wir brauchen vor allem auch – und darauf zielt der zweite Antrag – ein koordiniertes und, wenn es irgend geht, einheitliches Vorgehen der Bezirksämter. Denn wir müssen eins feststellen: Es wird – vorsichtig ausgedrückt – sehr unterschiedlich durch verschiedene Bezirksämter und Ordnungsämter vorgegangen.

Sie müssen bitte zum Schluss kommen!

Gerne, Frau Präsidentin! – Andere tun es nicht.

Sie sehen, mit diesen beiden Anträgen zeigen wir auch in dieser Legislaturperiode genauso wie in der letzten: Spielhallen, Spielsucht, Wettbüros, Café-Kasinos schaden vielen, vielen Kiezen; schaden und zerstören Menschenleben. Wir wollen das nicht hinnehmen. Wir werden dagegen kämpfen! – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Buchholz! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Abgeordnete Dr. Behrendt das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werter Kollege Buchholz! Bei uns Grünen hat der Schutz der suchtgefährdeten Spieler und ihrer Familien schon immer Vorrang gehabt vor den wirtschaftlichen Interessen der Glücksspielanbieter, und deswegen haben wir auch in der letzten Legislaturperiode all jene Bemühungen, die die Spielhallenflut einzudämmen versuchten, unterstützt und mitgetragen. Wir werden auch weiterhin jede sinnvolle Idee, die hier diskutiert wird und in diese Richtung geht, mittragen.

Aber: Als Regierungspartei reicht es eben nicht aus, hier immer wieder wortreich Missstände zu beklagen. Vor ziemlich genau zwei Jahren hat die damalige Koalition schon einmal ein Antragspaket zum Thema vorgelegt. Das hatte damals den Titel „Gesamtkonzept zur Eindämmung von Spielhallen und Spielsucht“. Es ist dem heutigen sehr ähnlich, und auch dieses enthielt leider vor allem viele warme Worte und wenig Konkretes.

Richtig ist es zwar, immer wieder darauf hinzuweisen, dass Ordnungsrecht nur dann seine ordnende Funktion erfüllen kann, wenn es auch umgesetzt wird. Aber es ist ja schon ein bisschen ulkig, wenn Sie als Regierungspartei Ihren eigenen Senat daran erinnern, dass er doch bitte, bitte von uns beschlossene Gesetze umsetzen soll.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Viel mehr steht in Ihrem Antrag nicht drin. Da steht drin – übersetzt: Lieber Senat! Sorge doch dafür, dass unser Spielhallengesetz umgesetzt wird! – Das ist ein eigenartiges Verständnis von parlamentarischer Arbeit, und das führt uns nicht weiter. Ich erwarte vom Senat, dass er vom Parlament mehrheitlich beschlossene Gesetze tatsächlich umsetzt. Sie haben völlig recht, und darüber wird zu reden sein: Im Bereich Spielhallen gibt es ein großes Vollzugsdefizit. Aber wir kommen nicht weiter, wenn wir alle zwei Jahre den Senat nur bitten, doch von uns beschlossene Gesetze zu beachten. Da bedarf es ein bisschen mehr Druck auf den Senat, und da bedarf es insbesondere ein bisschen Aktivität der zuständigen Senatoren. Zuständig für diesen Bereich sind zwei Senatoren, die nicht hier sitzen, nämlich der Innensenator Henkel und die Wirtschaftssenatorin Yzer.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Bürgermeister Frank Henkel: Hier!]

Ich sage: nicht hier! Wenn Sie momentan Ihre Parlamentarierrechte wahrnehmen und den Senat kontrollieren, können Sie nicht gleichzeitig Senator sein.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Nun zu dem Problem der Kasinos, das Sie richtigerweise angesprochen haben: Es ist kein ganz neues Thema. Es war hier im Hause 2010 schon Gegenstand der damaligen Debatte. Dass es hier ein großes Problem gibt, dass die Leute das Gaststättenrecht und die Möglichkeit missbrauchen, in Gaststätten drei Spielgeräte aufzustellen, indem Sie eine Räumlichkeit in mehrere Einzelräume aufteilen, überall diese Automaten aufhängen und sagen, wir haben hier eine Gaststätte, ist rechtswidrig. Das Berliner Verwaltungsgericht hat entschieden, nach welchen Kriterien das abzugrenzen ist. Aber wir haben auch hier, wie beim Spielhallengesetz, ein erhebliches Vollzugsdefizit, und darüber werden wir reden müssen. Da brauchen Sie kein Konzept vom Senat anfordern, sondern müssen einfach vom Senat und den Bezirken einfordern, dass sie das geltende Recht tatsächlich umsetzen. Man muss es noch einmal deutlich sagen: Dieser Missbrauch des Gaststättenrechts ist rechtswidrig, und Café-Kasinos gehören schlichtweg geschlossen!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wir sollten auch über die Ursache dieses Vollzugsdefizits einmal ins Gespräch kommen. Denn es gibt hier – die Zuständigkeit für die Kontrolle liegt bei den Ordnungsämtern der Bezirksämter – ein ernst zu nehmendes Personalproblem.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Ein Stadtrat, der im Übrigen nicht meiner Partei angehört – nicht dass Sie denken, wir hätten uns da abgesprochen – und den ich im Sommer gefragt habe, warum diese CaféKasinos so wenig kontrolliert würden, hat mir geschrieben: Eine generelle, flächendeckende Kontrolle der Objekte ist aus personellen Gründen nicht durchführbar.

Wir müssen hier also über die Personalausstattung der Bezirke reden, und da muss sich die Koalition und insbesondere die SPD an die Nase fassen: Wenn Sie über Jahre bei den Bezirken das Personal abbauen und ihnen immer wieder neue Aufgaben zuweisen, dann werden Sie sich mit dem Problem auseinandersetzen müssen, dass es einfach nicht gewährleistet werden kann. Wir haben das Problem bei der Lebensmittelaufsicht, wir haben das Problem beim Nichtraucherschutz, und wir haben das Problem auch beim Spielhallengesetz und diesen Glücksspielkasinos. Wer jahrelang systematisch die Bezirke personell ausbluten lässt und Neueinstellungen in allen Bereichen verhindert, der braucht sich nicht zu wundern, dass die Gesetze so unzureichend umgesetzt werden.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Deswegen werden wir auch darüber reden.

Ein letzter Punkt: Der Ausgangspunkt dieses Missbrauchs bei den Café-Kasinos ist ja die liberalisierte Regelung auf Bundesebene, dass man überall drei Glücksspielgeräte aufhängen darf. Wir sind offen, darüber zu reden, das wieder zu reduzieren. Früher waren es zwei. Wir wären auch offen dafür, das auf eins zu reduzieren. Das ist ein Aspekt, den Sie leider in Ihrem Antrag nicht angesprochen haben.

Sie müssen bitte zum Schluss kommen!

Mein allerletzter Satz: Es wäre eine konkrete Hilfestellung für alle, wenn man sagt: nur noch eins oder gar kein Spielgerät mehr in den Imbissen und Gaststätten. Dann haben Sie auch kein Problem mehr mit den Kasinos.