Tut mir leid, wenn ich Sie jetzt enttäusche, Kollege Lux. – Ich plädiere dafür, dass wir die Sache ausführlich und sachgemäß im Innenausschuss diskutieren
Der Winter ist auch dieses Jahr in Berlin nicht so plötzlich eingezogen, dass wir uns nicht noch die Zeit bis zum nächsten Innenausschuss nehmen können. Eine Bemerkung sei mir noch zu meinem Vorredner erlaubt:
Wenn wir hier mit der Argumentation arbeiten wollen, Bundesgesetzgebung passt uns nicht und wir machen in Berlin einfach das Gegenteil davon, dann sage ich Ihnen, dass das nicht funktioniert. Ich teile ausdrücklich vieles an der Kritik der Asylgesetzgebung, die wir in Deutschland haben. Diese ist dann aber bitte auf Bundesebene zu ändern.
In Berlin einfach zu sagen, wir halten uns nicht daran, weil wir kritische Anmerkungen haben, und machen
etwas völlig anderes, ist eine Position, die jedenfalls mit meiner Fraktion nicht zu machen ist. Ich bitte Sie um Zustimmung zur Überweisung in den Innenausschuss. Dann können wir sachgemäß über Ihren Antrag diskutieren.
Einen kleinen Moment noch, Herr Kollege Kleineidam! Herr Kollege Reinhardt hatte noch ein Frage. Lassen Sie diese zu? Sie haben noch Redezeit.
Herr Kollege Kleineidam! Sie sagten, dass wir nicht jederzeit irgendwelche Ausnahmeregelungen treffen können, wenn uns die Bundesgesetzgebung nicht passt. Stimmen Sie mit mir überein, dass das Aufenthaltsgesetz der Bundesrepublik Deutschland ein Bundesgesetz ist? Stimmen Sie mit mir überein, dass § 60a die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung explizit aus humanitären Gründen vorsieht? Wenn die Gründe vorliegen, ist das explizit von der Bundesgesetzgebung so vorgesehen. Dann können wir das auch nutzen.
Danke sehr! – Sie haben natürlich recht mit dem Hinweis auf die Regelung im Aufenthaltsgesetz, was humanitäre Fragen angeht. Humanitäre Fragen jedoch so auszulegen, dass Sie sagen, im Gegensatz zur geltenden Asylgesetzgebung werden sie ausgelegt, funktioniert eben nicht.
Es geht nicht um humanitäre Fragen, sondern um eine Umdrehung der Bundesgesetzgebung. So ist das Aufenthaltsgesetz nicht zu verstehen.
Vielen Dank, Herr Kollege Kleineidam! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Kollegin Bayram das Wort. – Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht kann ich doch insoweit aufklären, Herr Kollege Kleineidam, dass es vielleicht etwas missverständlich war, die
generelle Unzulänglichkeit bei der Bearbeitung der Anträge der Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien, insbesondere der Minderheiten der Sinti und Roma darzustellen. Es stellt eine Schwierigkeit dar. Dort ist generell eine andere Lösung erforderlich.
Das ist aber nicht der Antrag, den wir heute behandeln, sondern in unserem Antrag fordern wir einen Winterabschiebestopp, um zu verhindern, dass die Menschen in Elend und Not abgeschoben werden. Es ist ein Gebot der Humanität zum Schutz von Leben und Gesundheit der Menschen, die, wenn sie im Winter in diese Gebiete abgeschoben werden, dort gar keine Möglichkeit haben, Schutz vor Witterung zu finden
oder eine Gelegenheit aufzubauen, um an Leben und Gesundheit nicht gefährdet zu sein. Wir dürfen uns nicht leisten, Menschen in Elend und Not abzuschieben.
Insbesondere sollten wir uns das auch nicht erlauben, wenn diese Menschen von Bundesinnenminister Friedrich als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnet werden. Ein Unwort, wie ich finde!
Ein Aspekt ist bei dem Thema auch ganz wichtig: dass insbesondere unser Land gegenüber den Minderheiten aus Ex-Jugoslawien, insbesondere gegenüber Sinti und Roma, eine historische Verantwortung hat und uns insoweit zwingt, mit den Menschen anders umzugehen.
Herr Kleineidam! Sie haben gefragt, warum wir jetzt erst mit dem Antrag kommen. Mich wundert, dass gerade Sie diese Frage stellen; denn Sie müssten doch wissen, wie die Praxis unter Rot-Rot war, dass es eine Art Agreement gab. Sie müssten doch wissen, dass der Innensenator eine Pressemitteilung über Abschiebung von serbischen Menschen herausgegeben hat. Ein Unding! So etwas hat es hier noch nicht gegeben!
Sie können doch nicht erwarten, dass wir tatenlos zusehen, wie dieser Innensenator der CDU, mit dem Sie sich gemein machen, sogar stolz darauf ist und eine Pressemitteilung herausgibt, dass er Menschen im Winter abschiebt!
Sobald uns das bekannt wurde, haben wir eine Demonstration vor der Senatsverwaltung für Inneres veranstaltet und diesen Antrag in diese erste Sitzung eingebracht. Auch das sollten Sie berücksichtigen, wenn Sie darüber
nachdenken, was Sie eigentlich sagen, wenn Sie uns – nett, kollegial – dazu auffordern, über das Ganze nicht sofort abzustimmen! Herr Kleineidam! Was haben Sie denn in Ihrer kurzen Rede zu bieten gehabt, um das Vertrauen, das dieser Innensenator zerstört hat, wieder aufzubauen?
Sagen Sie uns, dass bis zur Befassung im Innenausschuss kein Mensch abgeschoben wird! Wenn der Herr Innensenator hier sagt: Ich schiebe bis zum nächsten Innenausschuss, in dem wir das Thema behandeln, nicht ab –, dann brauchen wir keine Sofortabstimmung. Da, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Fraktionen, die diesen Antrag mit eingebracht haben, sind wir einer Meinung. Hat dieser Mann den Mumm, hier solch eine Aussage zu machen? – Das weiß ich nicht. Das würde ich gerne gleich sehen.
Abschließend möchte ich den Kolleginnen und Kollegen, die nach mir reden werden, insbesondere von der CDU, gerne sagen: Wenn sie mich fragen: Frau Bayram, was sollen wir denn alternativ machen? Wollen Sie denn, dass diese Menschen alle hierbleiben? –, dann sage ich Ihnen: Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, das möchte ich,
weil wir diese Menschen brauchen. Es sind die Stärksten und die Besten, die es bis zu uns nach Deutschland schaffen.
Und denen sollten wir einen guten Empfang bereiten und sie nicht auf eine so inhumane Art und Weise behandeln. – Ja, meine Herren von der CDU, da fällt Ihnen außer Lachen nichts ein! Denken Sie doch einfach mal darüber nach!
Danke schön, Frau Kollegin Bayram! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Kollege Dregger das Wort.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Zu Ihrem Antrag möchte ich fünf Anmerkungen machen. Erstens: Sie fordern einen ausnahmslosen – ich betone: einen ausnahmslosen – Abschiebestopp für Angehörige bestimmter ethnischer Minderheiten der Balkanstaaten, wie z. B. der Roma.
Vom 1. November bis zum 31. März eines jeden Jahres soll es keine Abschiebung geben. Das heißt, Sie wollen den Einzelfall gar nicht prüfen. Es interessiert Sie überhaupt nicht, ob bei den Betroffenen die Voraussetzungen für einen Abschiebestopp vorliegen. Das ist inakzeptabel.