Protocol of the Session on January 17, 2013

Wobei ich gar nicht sagen will, man könne am Ende der Überlegungen nicht zu dem Ergebnis kommen, man brauche das für einen engen Anwendungsbereich.

[Sven Kohlmeier (SPD) meldet sich.]

Aber ich glaube, wir sind in der Pflicht, das zu begründen. Schließlich geht es hier um schwerwiegende Grundrechtseingriffe. – Wollte der Kollege Kohlmeier eine Frage stellen? Er gibt Handzeichen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Morlang?

Morlang? – Ja, bitte!

Bitte!

Entschuldigung! Haben Sie das mit der SkypeÜberwachung im arabischen Frühling gar nicht mitgekriegt?

Ich spreche von der Skype-Nutzung hier in der Bundesrepublik, wenn ich z. B. meine Tante in Stuttgart anrufen wollte – was ich tatsächlich aber nicht über Skype mache. Was die Frage der Außenüberwachung anderer Länder angeht, verlassen wir den Rahmen der Zuständigkeit des Abgeordnetenhauses und auch des Bundesgesetzgebers. Es ist wieder eine andere Frage, was es in anderen Ländern an Überwachungstechnologie gibt.

Zurück zum Antrag der hiesigen Koalition: Sie wollen in die Computer hinein. Sie wollen dort, bevor es verschlüsselt wird, mithören, mitlesen und was dort alles möglich ist. Sie bleiben aber die Begründung schuldig, warum wir das zur Bekämpfung welcher Kriminalität auch immer brauchen. Eine ähnliche Debatte führen wir auch zum Thema Vorratsdatenspeicherung. Da wird ähnlich argumentiert und gesagt, man brauche das unbedingt. Das lehnen wir Grünen vehement ab. Das ist eine ähnliche Debatte, wie sie zur Fluggastdatenspeicherung geführt wird. Da wird auch geltend gemacht, das müsse alles auf viele Jahre erweitert werden, welcher Fluggast welches Essen isst und Ähnliches. Das ist angeblich wichtig zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus, ohne konkreten Nachweis. Auch bei der Verkehrsdatenerfassung – Stichwort: Scanning von Kennzeichen – wird so argumentiert. Ich glaube, wir sollten uns das ganz genau angucken. Wir wollen hier nicht den Trend zu mehr Ausspionieren, mehr Überwachung und mehr Repression fortsetzen.

Ihr Antrag hat auch gute Seiten. Ich finde es ausgesprochen erfreulich, dass Sie anerkennen, dass man für die Quellen-TKÜ eine extra Gesetzesgrundlage braucht. Das haben der Innensenator und auch Herr Juhnke in der Debatte im letzten Jahr noch vehement abgestritten. Sie wollten sich auf § 100a StPO stützen. Das scheint nicht mehr die Meinung der Koalition zu sein. Das ist ausgesprochen erfreulich. Das geht in die richtige Richtung.

Es ist auch richtig, dass Sie thematisieren, wer eigentlich diese Software, die man dafür braucht, herstellt. Wir würden uns wünschen, dass man private Unternehmen ganz außen vor lässt, damit überhaupt kein Verdacht entsteht. Sie wollen das immerhin einem strengen Kontrollregime unterwerfen, damit über die Einführung der Software von Dritten nichts in die Computer eingebracht wird, das niemand mehr überblicken kann.

Sie müssen bitte zum Schluss kommen!

Mein letzter Satz: Das geht in die richtige Richtung. Wir freuen uns, wenn wir in den Ausschüssen die Debatte um die Notwendigkeit der Überwachung der Computer der

Bürgerinnen und Bürger versachlichen und Sie uns vielleicht erklären, wofür das notwendig ist. Wir sind noch nicht überzeugt. – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Herr Kohlmeier. – Bitte sehr!

Zum Ende haben Sie noch etwas rausgerissen, Kollege Behrendt, indem Sie den Antrag dem Grunde nach dann doch gelobt haben. – Ich möchte Ihr Augenmerk noch einmal auf den Antrag selbst lenken, und zwar auf die Ziffer 1. Wenn das Land Berlin bzw. wir hier im Abgeordnetenhaus Bundesratsinitiativen fordern, dann war es bisher nie der Fall, dass wir einen konkreten Vorschlag gemacht haben, wie der Senat in die Bundesratsverhandlungen gehen soll, sondern man hat den Senat immer aufgefordert, im Bundesrat tätig zu werden. Sie haben angesprochen, der Senat könne möglicherweise nicht wissen, was er beantragen oder im Bundestag einbringen solle. Auch dem haben wir natürlich vorgebeugt, indem wir unter Nr. 1 geschrieben haben:

Der Senat wird aufgefordert, sich über eine Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, dass eine an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts

jetzt kommt das für Sie Spannende –

sowie der Regelung in § 20l Abs. 2 des Gesetzes über das Bundeskriminalamt – BKA-Gesetz – orientierte Regelung zu vereinbaren.

Das ist genau das, was Sie anfänglich gesagt und möglicherweise in der Eile des Gefechts übersehen haben.

Im Kern freue ich mich auf die Beratung. Sie haben sich am Ende Ihrer Rede doch nicht mehr ganz so sehr der Verantwortung entzogen, denn die haben auch Sie, wenn Sie regierungsfähig sein wollen. Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss mit Ihnen. – Herzlichen Dank!

Herr Dr. Behrendt! Möchten Sie antworten?

[Dirk Behrendt (GRÜNE): Nein!]

Dann hat jetzt das Wort für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Herr Rissmann. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Kohlmeier! Ich denke, wir können uns gegenseitig gratulieren.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Da gucken wir gerne zu!]

Wir haben es selbst Herrn Behrendt unmöglich gemacht, ernsthafte Kritik an diesem Vorhaben zu äußern. Es ist ihm nur geblieben, ein paar formale Kritikpunkte anzusprechen: Es fehle ein Paragraf, es sei zu allgemein gehalten und überhaupt gäbe es zu viele Repressionen. – Das spricht wohl dafür, dass wir hier ein ziemlich unangreifbares Vorhaben formuliert haben.

Herr Behrendt verlässt auch ein bisschen den Weg der Wahrheit, wenn er davon spricht, dass wir mitlesen und eingreifen wollen, dass wir die Quellen-TKÜ erst ermöglichen wollen. Das ist Quatsch, und das wissen Sie auch, denn sie ist möglich. Es gibt eine Rechtsgrundlage nach herrschender Auffassung. Auch das Bundesverfassungsgericht hat keine Probleme damit, dass das im Rahmen des derzeitigen Anwendungsbereichs geschieht. Wir gehen darüber hinaus und sagen: Wir wollen aus grundsätzlichen Erwägungen, weil es eine grundrechtsintensive Maßnahme – mit einer nennenswerten Eingriffsintensität – ist, eine genauere, klar umrissene Rechtsgrundlage haben, die streng genommen nicht erforderlich wäre. Darum halte ich jetzt noch mal die gleiche Rede, die der Kollege Kohlmeier gehalten hat, nur mit anderen Worten – in der Hoffnung, dass Sie es dann verstehen werden!

Die Koalition stellt Ihnen heute einen Antrag vor, der sich grundsätzlich gesprochen wieder einmal mit dem Spannungsverhältnis der wirksamen Strafverfolgung auf der einen und einem effektiven Grundrechtsschutz auf der anderen Seite beschäftigt. Konkret hat sich die Koalition mit der Frage beschäftigt, wie diese Abwägung bei der Quellentelekommunikationsüberwachung ausfällt und wie sie praktisch von weitergehenden Maßnahmen wie zum Beispiel der Onlinedurchsuchung abgegrenzt werden kann und muss. Die Vorbereitung, die Verabredung und auch die Durchführung von Straftaten, von verfassungsfeindlichen und terroristischen Handlungen ist heute kaum ohne moderne Telekommunikationsmethoden denkbar. Deshalb kann es doch nur selbstverständlich sein, dass auch der Staat in die Lage versetzt werden muss, beim Vorliegen konkreter Voraussetzungen auch diese Kommunikationswege zu überwachen, um Straftaten wirksam begegnen und Terrorakte verhindern zu können.

Die technische Entwicklung bringt mit sich, dass Telekommunikation, auch verschlüsselt, mithilfe von Computern erfolgt, weshalb zur Überwachung dieser Kommunikation ein Zugriff auch auf den Computer erforderlich wird. Die Koalition bekennt sich auch bei dieser Fragestellung zu einer wirksamen Strafverfolgung, was hierauf bezogen bedeutet, dass die als Quellen-TKÜ abgekürzte Maßnahme auch zukünftig möglich bleiben muss, Herr Kollege Behrendt. Allerdings gebietet die Verpflichtung zu einem effektiven Grundrechtsschutz und zur Verhält

nismäßigkeit jeden staatlichen Handels auch hier, Voraussetzungen und Grenzen möglichst klar gesetzlich zu regeln. Deshalb fordern wir eine klare eigene Rechtsgrundlage für die Maßnahme der Quellen-TKÜ.

Ferner fordern wir, da die Maßnahme einen schweren Grundrechtseingriff darstellt und sich deshalb auch nur in diesem klaren Anwendungsbereich bewegen darf, eine praktische Absicherung durch eine unabhängige Zertifizierung der einzusetzenden Software. Schließlich erfordern verdeckte Maßnahmen auch Kontrolle, um Miss- und Fehlgebrauch zu verhindern. Deshalb sind bei Maßnahmen, die im Zuständigkeitsbereich des Verfassungsschutzes erfolgen, die parlamentarischen Gremien zu befassen, die bereits jetzt berufen sind, über vergleichbare Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung informiert zu werden.

Ich denke, der Koalition ist hier ein guter Interessenausgleich gelungen, und ich bin gespannt, wie Sie sich in der weiteren Debatte im Rechtsausschuss verhalten werden, Kollege Behrendt. – Danke!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Rissmann! – Für die Fraktion Die Linke hat nun das Wort der Abgeordnete Herr Doering. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag, der uns hier vorliegt, setzt die Koalition hohe Maßstäbe an die Quellen-TKÜ. Es sollen erstens die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Urteil zur Onlinedurchsuchung eingehalten werden und zweitens per Bundesratsinitiative eine neue Rechtsgrundlage in Anlehnung an den § 20l BKA-Gesetz geschaffen werden. Das bedeutet verkürzt, dass die Überwachung durch eine entsprechende Software ausschließlich den Kommunikationsvorgang betreffen darf und eine Datenerhebung im Kernbereich privater Lebensgestaltung ausgeschlossen werden muss.

Zunächst möchte ich jedoch aber feststellen – darauf lege ich Wert –, dass dieser Antrag ein Ergebnis hartnäckiger Oppositionspolitik ist.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Hätten die Oppositionsfraktionen die Quellen-TKÜ nicht immer wieder aufgerufen, Anfragen dazu eingereicht und Anträge gestellt, hätte die Koalition dieses heikle Thema wohl nie angefasst.

Allerdings fragt man sich auch, ob der Koalition letztendlich überhaupt klar ist, was sie da beschließen will, denn

alle, die sich mit diesem Thema auskennen, sagen: Eine Software, die die Eigenschaften, wie sie in dem Antrag beschrieben sind, besitzt, gibt es bislang nicht, und es ist fraglich, ob es diese überhaupt geben kann.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

In Berlin, so behauptet es jedenfalls der Senat auf eine Anfrage der Abgeordneten Lederer und Seelig, Drucksache 17/10003, wird noch kein Staatstrojaner eingesetzt. Software, die vom Bund eingesetzt wurde, verstieß jedenfalls gegen die rechtlichen Vorgaben. So sagt zum Beispiel der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar in einem Prüfbericht über die Maßnahmen zur QuellenTKÜ des Bundes:

Die bei Maßnahmen der Quellen-TKÜ durch BKA und Behörden des Zollfahndungsdienstes eingesetzte Software ermöglicht es nicht, die den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffenden Inhalte ausgeleiteter Gespräche gezielt zu löschen. Damit wurde der vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung entwickelte Schutz zum Kernbereich privater Lebensgestaltung bei heimlicher Telekommunikationsüberwachung, nämlich eine unverzügliche Löschung und Nichtverwertung kernbereichsrelevanter Gesprächsinhalte, missachtet.

Der Generalbundesanwalt verzichtet zurzeit gänzlich auf den Einsatz von Quellen-TKÜ. Ich zitiere hier die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der SPD.

Die in fachgerichtlichen Entscheidungen als Eingriffsgrundlage für eine Quellen-TKÜ angesehene Vorschrift des § 100a StPO vermöge nach der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Maßnahme nur zu rechtfertigen, wenn sichergestellt werden kann, dass ein weitergehender Eingriff in die Vertraulichkeit und die Integrität des geschützten Systems unterbleibt.

Und jetzt:

Eine solche Begrenzung des Eingriffs kann jedoch nach Ansicht des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof derzeit technisch nicht hinreichend sicher gewährleistet werden.

Wenn die Koalition also in Punkt 2 des Antrages will, dass in Berlin eine Software zur Quellen-TKÜ eingesetzt werden kann, wenn sie vom Datenschutzbeauftragten freigegeben wird, dann ist das zwar eine begrüßenswerte Stärkung des Datenschutzbeauftragten; faktisch würde das aber auch bedeuteten, dass sie nicht eingesetzt wird, da der Datenschutzbeauftragte sicher kein grünes Licht für eine nicht verfassungskonforme Software geben wird.

Wir sehen außerdem die Gefahr, dass bei der Schaffung einer Rechtsgrundlage auf Bundesebene die Schranken, die das Bundesverfassungsgericht auferlegt hat, aufgeweicht werden. Wenn man der Ansicht ist, dass es eine