Herr Henkel! Sie müssen sich nicht wundern, wenn alle anderen Menschen außer denen mit CDU-Parteibuch denken, dass es das geworden ist, was Sie bei Körting immer heftig kritisiert haben: eine reine Parteibuchbesetzung.
In der Kriminalitätsbekämpfung wollte sich Herr Henkel als konsequenter Mann der Tat präsentieren. Zwei Beispiele – Herr Lux hat es auch schon angesprochen –: Die Rockerrazzia wird aus der Behörde verraten. Schlag ins Wasser! Das zweite Beispiel: V-Leute des LKA überreden Familienvater zu schwerer Straftat, die er sonst nie im Leben begangen hätte. Fette Rüge des Gerichts an die Adresse des LKA! Ihre berühmten 250 zusätzlichen Polizisten – waren mehrfach Thema hier in diesem Haus – sind nicht finanziert. Stattdessen aber die Einsparung von 16 Millionen Euro im Bereich Inneres! Ihre Wähler, Herr Henkel, bekommen statt der zusätzlichen Polizisten nur Personalabbau im Bereich Inneres, und zur Besoldungsanpassung bis 2017, die Sie im Wahlkampf versprochen haben, haben Sie noch nicht mal ein Konzept vorgelegt.
Zu dem Bruch von Wahlversprechen kommt in Ihrer Bilanz, Herr Henkel, noch der verheerende Umgang mit Bürgerrechten dazu. Neuerdings sind Sie ja ein Freund der Deeskalation. Der schikanöse Umgang mit den protestierenden Flüchtlingen am Brandenburger Tor und auch Ihr neuestes Vorhaben, das großflächige Abfilmen von Demonstrationen, sind das Gegenteil von Deeskalation. Werden Sie vielleicht noch lernen! Aber das alles ist bei Ihnen Geschäftigkeit ohne Sinn und Verstand und zeigt: Sie haben als Innensenator keine eigene Linie, keinen Plan. Sie dilettieren einfach so durchs Jahr und durch Ihr Amt.
Nun kommen wir zu den Punkten, die nicht nur schlecht sind, sondern bodenlos. Ihr Umgang, Herr Henkel, mit den Skandalen beim LKA und beim Verfassungsschutz ist eine Frechheit.
Im März 2012 erfahren Sie davon, dass ein V-Mann beim Berliner LKA Hinweise zu den damals gesuchten NSUTerroristen gegeben hat. Eigentlich kein Problem Ihrer Amtszeit, durch Ihr Verhalten aber haben Sie diesen Skandal von 2002 zu Ihrem Aufklärungsskandal gemacht. Ab März 2012 haben Sie es – durch mangelnde Sensibilität, sagen Sie –, ich sage, durch Ignoranz, Unfähigkeit und Verantwortungslosigkeit zu einem Problem Frank Henkel gemacht.
Sie haben die Angehörigen der Opfer und Ihre eigene Kanzlerin düpiert, die öffentlich die absolute Aufklärung des NSU-Skandals zugesichert hat, denn Sie haben die Angelegenheit nicht zur Chefsache gemacht. Sie haben die Dinge nicht selbst in die Hand genommen, um sie aufzuklären. Das wäre die Aufgabe eines Innensenators gewesen, der die Aufklärung des rechten Terrors und des Versagens der Sicherheitsbehörden ernst nimmt.
Und das Schlimmste ist: Sie haben ein halbes Jahr lang weder den Untersuchungsausschuss im Bundestag noch das Abgeordnetenhaus informiert. Stattdessen wurden die Akten zurückgehalten, und im September erklärten Sie hier in der Plenarsitzung, Sie hätten noch nie von diesem Vorgang gehört. Sie sagen, Sie hätten damals die Frage nicht richtig verstanden. Ich sage Ihnen wieder: Sie haben damals das Parlament belogen.
Jetzt könnte man natürlich glauben, Sie hätten aus diesem Vorgang gelernt und würden das Abgeordnetenhaus künftig anders behandeln. Aber weit gefehlt! Als Ihnen im Oktober die Schredderaktion beim Verfassungsschutz bekannt wird, vergehen wieder mehrere Wochen, ehe wir davon erfahren.
Da gilt es, den ungeheuerlichen Verdacht aufzuklären, dass das Berliner LKA zehn Jahre lang einen üblen Neonazi als V-Mann geführt hat und Hinweisen auf die rechte Terrorgruppe NSU nicht nachgegangen ist. Da gilt es aufzuklären, warum beim Verfassungsschutz wiederholt ausgerechnet Akten zu rechten Gruppen, die zum Unterstützerkreis des NSU gezählt werden, vernichtet worden sind. Man könnte meinen, die schonungslose Aufklärung dieser Vorgänge hätte oberste Priorität beim Innensenator. Doch dieser Verantwortung, Herr Henkel, stellen Sie sich einfach nicht!
Bei der Aufklärung der Vorgänge schieben Sie Ihren Sonderermittler vor und verstecken sich ansonsten hinter Frau Koppers, Frau Schmid und dem Geheimschutz. Von
unseren vielen Fragen, die wir gestellt haben, ist der überwiegende Teil nicht beantwortet worden, weder öffentlich noch geheim.
Es gibt vermutlich keinen Ex-Spitzel in der NeonaziSzene, der so umfassend enttarnt ist wie Thomas S. Der Geheimschutz kann ihn nicht mehr schützen. Da brauchen Sie ganz andere Maßnahmen. Der Geheimschutz schützt zurzeit nur das LKA 5, insbesondere den V-Mannführer von damals und den Vorgesetzten, der die Anweisung gegeben hat, nichts von Thomas S. weiterzuleiten. Mit dem Beharren auf dem Geheimschutz verhindern Sie eine öffentliche Debatte über die Missstände in den Behörden und die daraus notwendigen strukturellen Konsequenzen.
Statt diese öffentliche Debatte zu ermöglichen, wälzen Sie die politische Verantwortung auf andere ab. Beim LKA-Skandal musste Frau Koppers und beim Verfassungsschutz Frau Schmid als Bauernopfer den Kopf für Sie hinhalten. Das ist schäbig!
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD! Lieber Klaus Wowereit! Auch wenn Herr Henkel vermutlich nicht freiwillig zurücktreten wird und Ihnen die miserable Gesamtbilanz von Frank Henkel ganz offensichtlich gleichgültig ist, gehe ich trotzdem davon aus, dass Ihnen zumindest das Aufklärungsdesaster des Berliner Anteils am NSU-Skandal nicht gleichgültig ist, nicht sein darf. Sorgen Sie mit Ihrer Richtlinienkompetenz dafür, dass Herr Henkel dem Gerede vom unbedingten Aufklärungswillen Taten folgen lässt, oder besetzen Sie den Posten neu!
Vielen Dank, Herr Kollege Wolf! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Kollege Dr. Juhnke. – Bitte sehr, Herr Kollege!
Die in den letzten Wochen gewonnenen Einblicke in teilweise weit zurückliegende Versäumnisse beim Landeskriminalamt und beim Berliner Verfassungsschutz im Umgang mit Akten und Informationen erfordern unser Handeln. Ich glaube, es wird niemanden geben, der dies bestreiten würde.
Umso besser, dass alle Anstrengungen darauf verwendet werden, eventuelles Fehlverhalten aufzuarbeiten, um für die Zukunft daraus zu lernen!
Ich erinnere daran, dass Innensenator Henkel einen Sonderermittler eingesetzt hat, um durch einen erfahrenen und dennoch neutralen und nicht betriebsblinden Experten alle Umstände aufarbeiten und prüfen zu lassen.
Die Polizei hat ihrerseits im LKA eine eigene Prüfgruppe eingesetzt, die die Fragen innerhalb der Behörde klären wird. Die Aufgabe des Sonderermittlers ist übrigens klar, aber auch umfassend formuliert: Er soll prüfen, ob bei der Auswahl und Anwerbung der fraglichen Vertrauensperson des LKA, bei ihrer weiteren Führung und bei der Auswertung und Verarbeitung der durch sie erlangten Informationen alle rechtlichen und fachlichen Erfordernisse beachtet wurden. Das bezieht sich auch auf die Weitergabe relevanter Informationen an andere betroffene Dienststellen. Ebenso soll er sich mit der Frage befassen, ob nach Aufdeckung der NSU-Verbrechen in der Innenverwaltung Fehler gemacht wurden, inzwischen auch erweitert auf den Bereich des Amtes für Verfassungsschutz.
Zudem erhoffen wir uns alle von der Arbeit Erkenntnisse, wie das Führen von Vertrauenspersonen und der Umgang mit dabei gewonnenen Informationen verbessert werden kann. Sie sehen, dass es sich dabei um einen umfangreichen Prüfauftrag handelt.
Diese im selbstgesteckten Zeitrahmen von nur drei Monaten abzuarbeiten, ist schon eine sehr ambitionierte Aufgabe.
Die Klärung, wie es dazu kommen konnte, dass im Jahr 2002 wichtige Informationen nicht weitergegeben wurden, und wieso beim Verfassungsschutz Akten vertauscht werden konnten, bleibt wichtig. Dies ist eine Notwendigkeit schon vor dem Hintergrund der Verunsicherung in der Öffentlichkeit, aber auch vor dem Hintergrund des Vertrauensverlustes nicht nur bei den Hinterbliebenen der NSU-Opfer gegenüber den Sicherheitsinstitutionen unseres Staates. Entscheidend ist jedoch, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen und konstruktiv an einer Verbesserung mitzuwirken. Unser oberstes Ziel muss doch sein, derartige Pannen in der Zukunft auszuschließen.
Dabei hilft jedoch nur eine sachliche Bestandsaufnahme, das permanente Skandalgeschrei der Opposition hat bisher jedenfalls keine neuen Erkenntnisse hervorgebracht.
Die Opposition überschlägt sich im Formulieren von Fragen auch zu Dingen, die geklärt sind. Dabei will sie die gegebenen Antworten gar nicht zur Kenntnis nehmen. Das einzige Ziel Ihrer Fragen ist offenbar die Aufrechterhaltung der Behauptung, dass der Senat keine Information weitergeben wolle, um jeden Preis.
[Udo Wolf (LINKE): Es sind ja keine! – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Senatoren, das ist der Unterschied!]
Bei allen berechtigten Vorwürfen und offenen Fragen bleibt es unredlich, wenn man Einzelvorgänge, die teilweise Jahre auseinanderliegen, zu einem Bild zusammensetzt, das man dann – teilweise mit Häme – zu einem völligen Chaos hin umdeutet und ausschlachtet. Dieses wird der Arbeit der vielen Tausend mit unserer Sicherheit beauftragten Menschen in den Behörden nicht gerecht, diese Arbeit, die auf der anderen Seite auch nachweislich große Gefahren für die Bevölkerung abgewendet hat.