Protocol of the Session on November 8, 2012

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Die Qualität der Unterkünfte ist mir sehr wohl bekannt.

[Canan Bayram (GRÜNE): Dann sind Sie herzlos!]

Ich habe eine Reihe von ihnen besichtigt. Ich darf Ihnen sagen, dass die Unterbringung in Lichtenberg in der Rhinstraße geradezu vorbildlichen Charakter hat, in jedem Detail, auch bezüglich der Verpflegung der Untergebrachten. Dort wird auf religiöse und kulturelle Hintergründe Rücksicht genommen.

[Canan Bayram (GRÜNE): Was verstehen Sie unter Luxus?]

Das ist auch richtig so. Ich halte es nicht für richtig, dass Sie das schlechtreden.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Im Übrigen wird es Ihnen nicht gelingen, mich hier als Mensch des kalten Herzens darzustellen.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Das schaffen Sie ganz allein!]

Wenn Sie das meinen. Ich glaube, Sie haben keine Autorität, das zu befinden, wenn ich Ihre Kommentierungen auf Twitter sehe.

[Beifall bei der CDU]

Der Senat wird dafür sorgen, dass die Menschen selbstverständlich menschenwürdig untergebracht werden.

[Elke Breitenbach (LINKE): Dann soll er mal auf den Punkt kommen!]

Dazu brauchen wir nicht Ihre Nachhilfebelehrung. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Dregger! – Für die Piratenfraktion hat jetzt der Abgeordnete Herr Reinhardt das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Dregger! Es klang bei Ihnen jetzt ein wenig so, als wäre die Bereitschaft des Senats, in der Stadt Berlin Flüchtlinge aufzunehmen, eine gütige Milde. Ich möchte Sie noch einmal daran erinnern, dass die Verpflichtung zum Asyl einen Verfassungsrang in Deutschland hat. Es wird nicht nach Wohlwollen des Senats oder der Stadt entschieden; vielmehr besteht eine Verpflichtung.

Ich möchte noch einmal kurz auf den klassischen Mythos eingehen, den Sie gerade versucht haben zu pflegen, wonach es den Leuten angeblich so gut geht. Tatsächlich war Deutschland viele Jahrzehnte lang ein Einwanderungsland. Das war bis zum Jahr 2008 der Fall – ich habe es gerade noch einmal nachgeschaut. Dann gab es eine Trendumkehr. Seitdem ist Deutschland ein Auswanderungsland. Wenn Sie versuchen, anhand von Zahlen von Menschen, die nach Deutschland kommen, zu belegen, dass Deutschland für diese Menschen eine gute Situation bietet, kann ich Ihnen entgegenhalten, dass ich zumindest anhand von Zahlen das Gegenteil beweisen kann – wenn Sie hier schon mit Zahlen aufwarten.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Bayram?

Bitte, Frau Bayram!

Vielen Dank! Herr Kollege! Stimmen Sie mit mir darin überein, dass die Kollegen der CDU mit Ihrer Abschottungs- und Abschreckungspolitik eine Gefahr für unser Land und auch für die Zukunft unseres Landes aufbauen?

[Lachen bei der CDU]

Frau Kollegin Bayram! Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie die Frage lieber an Herrn Dregger selbst gestellt hätten, der keine Fragen zugelassen hat? Ich finde, die

Abschottungspolitik, die momentan in Deutschland, ja in ganz Europa betrieben wird, mit Grenzkontrollen, mit riesigen Zäumen, mit brutalen Grenzorganisationen – Frontex –, absolut widerwärtig. Das schadet dem Ansehen Deutschlands und Europas in der ganzen Welt.

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN – Beifall von Hakan Taş (LINKE)]

Aber, Herr Dregger, ich gehe davon aus, dass Ihre Auftritte hier wahrscheinlich ohnehin nur dazu dienen, so kontrovers zu sein, dass Ihr Sozialsenator, der eigentlich in der Sache zuständig ist, wieder ein Stück besser aussieht.

[Beifall von Christopher Lauer (PIRATEN) – Heiterkeit von Thomas Birk (GRÜNE) und Christopher Lauer (PIRATEN)]

Ich möchte noch auf die Sache eingehen. Ich finde es gut, dass wir heute wieder über die Lage der asylsuchenden Flüchtlinge in Berlin sprechen. Auf die dringlichen Anträge der Grünen möchte ich gar nicht im Detail eingehen. Ich halte es für schwierig, drei so umfangreiche Anträge innerhalb von fünf Minuten – bzw. den verbleibenden 3 Minuten und 20 Sekunden – abzuhandeln. Insofern konzentriere ich mich auf die Unterbringung der Flüchtlinge. Ich möchte noch dazusagen, dass wir uns der Forderung nach Abschaffung der Abschiebehaft und des Arbeitsverbots grundsätzlich anschließen.

Nun zur Fragestellung! Die Anzahl der Flüchtlinge in Berlin ist gestiegen. Auch in den Prognosen sind die Zahlen in der letzten Zeit gestiegen. Die Anzahl der Unterbringungsplätze hingegen ist gesunken. Der Senat hat hier über viele Jahren Kapazitäten abgebaut. Das kann man dem aktuellen Senat vielleicht gerade nicht vorhalten, trotzdem hat der Sozialsenator Czaja hierbei insgesamt keine besonders rühmliche Rolle gespielt. Herr Czaja hat die Pläne seiner Vorgänger, Flüchtlingen Wohnraum der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zur Verfügung zu stellen, nicht weiter verfolgt. Und auch seine Erklärung vorhin in der Fragestunde war diesbezüglich nicht besonders erhellend.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Der Sozialsenat hat bis zum Herbst keine sichtbaren Bemühungen gezeigt, zusätzliche Sammelunterkünfte zu akquirieren. Nun muss Notunterkunftsraum zur Verfügung gestellt werden. Dazu hatten wir in der letzten Plenarsitzung den Senat gefragt, wie er die Unterbringungsmöglichkeiten in diesen Notunterkünften bewertet. Die Antwort von Herrn Czaja in der Aktuellen Stunde war – ich zitiere –:

Trotz des provisorischen Charakters erfüllen auch diese Notunterkünfte weitestgehend die Voraussetzungen für vertragsgebundene Gemeinschaftsunterkünfte, und die Mindestanforderungen werden eingehalten.

Es wäre schön, wenn es so wäre. Nur werden mittlerweile immer mehr Berichte von menschenunwürdigen Verhältnissen in diesen Notunterkünften bekannt. Die Linksfraktion hat schon aus Grünau berichtet. Andere Beispiele sind auch bekannt: Unterkünfte, die in ehemaligen Knästen eingerichtet werden, Duschcontainer auf dem Hof, vergitterte Fenster, keine Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer – um nur einige Beispiele zu nennen. Da fragt man sich, von welchen Mindestanforderungen wir eigentlich sprechen.

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Zuruf von den PIRATEN]

Zugleich erweckt Integrationssenatorin Kolat bisweilen den Eindruck, Berlin sei Vorreiter in der Behandlung von Flüchtlingen. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal an die Bruchbude der Erstaufnahmestelle in der Motardstraße erinnern, von der selbst Ihr Parteikollege, der Spandauer Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank von der SPD, meint, dass sie in einem – ich zitiere – „bedauernswürdigen Zustand“ sei.

Nun hat gerade im Hungerstreik der Flüchtlinge am Brandenburger Tor Senator Czaja eine Art besonders spannende amtliche Bewusstseinsspaltung vorgenommen. Zum einen inszenierte er sich als mildtätiger Gesundheitssenator, der sich anscheinend um den Gesundheitszustand der hungerstreikenden Flüchtlinge sorgt, während sein Parteikollege Henkel die Berliner Polizei anwies, den Flüchtlingen bei strengem Frost brutal die Schlafunterlagen unter dem Körper wegzuziehen. Aber sein Alter Ego, der Sozialsenator Czaja, der in der Sache eigentlich zuständig ist, tauchte komplett ab, überließ es seiner Kollegin Frau Kolat – an dieser Stelle noch mal vielen Dank an Sie! –, den Dialog mit den Flüchtlingen und mit der CDU auf Bundesebene zu initiieren. – Herr Senator! Man fragt sich, ob Sie sich bei Ihrem Kollegen Henkel den Schnupfen abgeholt haben, sodass Sie in der Woche komplett abgetaucht sind und Ihrer Kollegin das Feld überlassen haben.

[Zuruf von Andreas Gram (CDU)]

Sie müssten, bitte, zum Schluss kommen!

Ja, komme ich! – Herr Senator! Ich würde Sie noch bitten, als Mitglied der CDU sowohl auf Ihre Kollegen auf Landesebene als auch auf die Scharfmacher auf Bundesebene einzuwirken und diese zu mäßigen, damit man sich diesem sehr wichtigen Thema bald wieder angemessen nähern kann. Wir werden in den nächsten Sitzungen konkrete Vorschläge vorlegen, wie man den Flüchtlingen hier in Berlin eine bessere Wohnsituation ermöglichen kann, vor allem nicht diese menschenunwürdigen Sam

melunterkünfte, sondern mehr eigenen Wohnraum. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Elke Breitenbach (LINKE) und Hakan Taş (LINKE)]

Vielen Dank, Herr Reinhardt! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen zu den Überweisungen. Zum Antrag Drucksache 17/0587 Neu – Stichworte: Unerbringung von Flüchtlingen – wird die Überweisung an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und an den Hauptausschuss empfohlen. Gibt es dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.

Zum Antrag Drucksache 17/0610 – Stichwort: Abschiebehaft abschaffen – wird die Überweisung an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung empfohlen. Gibt es dagegen Widerspruch? – Auch das höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Zum Antrag Drucksache 17/0611 – Stichwort: Arbeitsverbote abschaffen – wird die Überweisung an den Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen empfohlen. Gibt es dagegen Widerspruch? – Auch das gibt es nicht. Dann verfahren wir auch hier so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.3:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 20

Geisterfahrt „Personalabbau in den Bezirken“ beenden!

Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0589

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Bluhm. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Knapp 7 000 Beschäftigte in den Bezirken scheiden allein bis 2018 aus. Das ist ein Drittel. 50 Prozent aller Führungskräfte gehen planmäßig in den Ruhestand. Qualifiziertes Personal wird knapp. Der Fachkräftemangel, über den wir immer mal reden, betrifft auch den öffentlichen Dienst und hier auch immer mehr Bereiche. Sozialarbeiterinnen, Bau- und Vermessungsingenieure, von Amtsärzten oder begutachtenden Ärzten ganz zu schweigen, sind jetzt schon schwer am Markt zu finden. Und – auch das will ich in die Debatte einbringen – die Leistungs- und Serviceanforderungen an den öffentlichen Dienst steigen.