Jetzt haben die Piraten auch ausgeredet. – Das Erste noch mal: Ich denke, Sie sind da auch der Meinung, dass die S-Bahn hier in der Pflicht ist, auf die Kunden zuzugehen, aufgrund der Probleme, die es nach wie vor gibt. Ich habe jetzt bewusst nicht eine Zahl genannt. Sie wissen ja selbst, was die S-Bahn in den vergangenen Jahren an Entschädigungen gegeben hat. Aber die Situation ist nicht mehr so schlimm. Deswegen habe ich diese Forderung erst mal an die S-Bahn gerichtet, dass es mehr als Schokolade sein muss, aber die Höhe wollte ich jetzt nicht gleich vorgeben, dass es eine Entschädigung wie in der Hochzeit sein muss. Aber da sollten wir uns im Interesse der Kundinnen und Kunden alle einig sein, dass hier mehr von der S-Bahn kommen muss, als in den Morgenstunden irgendwelche Adventskalender oder Weihnachtsmänner zu verteilen.
Zu der Frage mit der BVG: Ja, das war eine kritische Anmerkung von mir, weil ich mir das anders gewünscht hätte. Sie müssen aber auch sehen, dass die SPD und wir nicht, wie es immer von Ihnen kritisiert wird, immer durchregieren. Ja, die BVG hat auch durchaus eine unternehmerische Freiheit. Frau Nikutta hat mehrfach gesagt, sie will es nicht tun.
Ich habe überhaupt nicht gesagt, dass sie schuld ist. – Wir haben jetzt auch eine Ausschreibung ohne die BVG, sage ich mal, auf den Weg gebracht. Bloß aus Wett
bewerbsgründen hätte ich mir das schon gewünscht, denn das hätte den Wettbewerb auch noch mal gegenüber den anderen, die sich beworben haben, erhöht, wenn die BVG da mit im Boot gewesen wäre, so wie es das Land Berlin z. B. auch bei den Energienetzen mit einer eigenen Gesellschaft gemacht hat. Aber nichtsdestotrotz sind bei der Ausschreibung genug Bewerber zusammengekommen. Deswegen mache ich mir da auch gar keine Sorgen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fand, auf eine Frage hat Senator Müller eine klare Antwort gegeben, nämlich auf die Frage nach der politischen Verantwortung. Wenn ich das richtig sehe, hat er ausführlich begründet, weshalb er diese Entscheidung für richtig hält. Er hat ja auch die Vorlage in den Senat eingebracht. Der Senat hat es beschlossen. Er hat im Senat dafür gestimmt. Und vielleicht, Herr Kollege Müller, können Sie es noch mal durch Kopfnicken für das Protokoll bestätigen: Sie stehen hinter dieser Entscheidung, und insofern tragen Sie auch die politische Verantwortung. – Er nickt. Also ist das geklärt.
Dann fand ich das doch schon eine Rede aus dem Paralleluniversum, was Herr Heinemann hier formuliert hat.
Das war wirklich erstaunlich. Da wird auf die Frage, weshalb die SPD nicht das, was in ihrem Wahlprogramm steht, umgesetzt hat, erstens mit dem Verweis darauf geantwortet, dass ja nicht alles, was man sich wünscht, mit EU-Recht vereinbar ist. Nun hat sich das EU-Recht seit der Verabschiedung des Wahlprogramms und seit dem Wahlkampf in dieser Frage nicht geändert.
Und auch das Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2011, das die Direktvergabe rechtlich untersagt und die Ausschreibung verlangt, war zum Zeitpunkt der Verabschiedung des SPD-Wahlprogramms und zum Zeitpunkt des Wahlkampfs bekannt. Also ist dieses Argument eine schlichte Ausrede für die Nichteinhaltung des SPDWahlprogramms.
Wir gucken uns die Wahlprogramme der SPD immer sehr genau an, weil sie ein reicher Fundus für Anträge sind, die man stellen kann, weil die SPD sie nicht umsetzt und man nachhelfen muss.
Zweiter Punkt: Es hätte natürlich die Möglichkeit gegeben, das SPD-Wahlprogramm umzusetzen – den Vorschlag haben wir auch gemacht, das stand auch in unserem Wahlprogramm –, nämlich zu sagen: Wir machen eine Direktvergabe, eine Inhousevergabe an ein kommunales Unternehmen. – Das ist mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs und mit dem europäischen Recht vereinbar.
Der Senat hat sich dagegen entschieden, nachdem der SPD-Parteitag kurz vorher noch mal, als Herr Stöß gewählt wurde, erklärt hat: Wir sind gegen eine Teilausschreibung. – Und der Vorgang ist ganz einfach, Sozialdemokraten! Alle wissen es in der Stadt, ihr könnt es auch zugeben: Klaus Wowereit hat in dieser Situation gesagt: Jetzt zeigen wir mal, wo die Richtlinienkompetenz ist, nämlich beim Senat und beim Regierenden Bürgermeister und nicht bei dem Parteitag der SPD. Und deshalb ist auch der Zeitplan nicht eingehalten worden, wie ihr ihn euch versprochen habt, sondern es ist vor der Sommerpause entschieden worden, und das Parlament konnte darüber nicht mehr diskutieren. Das ist die Geschichte. Das ist so. Das wisst ihr. Da braucht ihr nicht drum herum zu reden. Ihr seid an dieser Stelle vom Senat düpiert worden, ihr habt verloren an dieser Stelle. Ihr habt euer Wahlprogramm nicht umgesetzt. An dieser Stelle habt ihr versagt. Das muss man einfach einmal festhalten und nicht drum herumreden.
Jetzt hat Michael Müller in der Beantwortung der Großen Anfrage auf ein wesentliches Argument hingewiesen für die Verbindung der Ausschreibung mit der Fahrzeugbestellung, nämlich dass der Betreiber die Fahrzeuge besorgen, dass er sie kaufen und bestellen soll. Das wesentliche Argument war – so habe ich es jedenfalls verstanden, und nicht so, wie der Kollege Gelbhaar es interpretiert hat, dass nur jemand, der sich mit dieser Spezifik auskennt, das überhaupt bestellen kann –, dass es sinnvoll ist, Betrieb, Wartung und Instandhaltung der Fahrzeuge in einer Hand zu haben. Das ist in der Tat ein Argument, das man nicht einfach von der Hand weisen kann. Das ließe sich allerdings lösen, wenn man nicht nur einen kommunalen Fuhrpark hat, sondern auch einen kommunalen Betreiber. Dann hätte man Betrieb und Fuhrpark
Das heißt, es reduziert sich letztendlich alles auf den Punkt, dass es eine politische Entscheidung gab: Wir wollen nicht das, was im SPD-Wahlprogramm steht – eine kommunale Lösung. Der Hinweis, dass die BVG eigenständig ist, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass, wenn der Eigentümer will, dass sich die BVG bewirbt – ich habe den Kollegen von der SPD-Fraktion so verstanden, dass er es eigentlich für richtig befunden hätte –, und Frau Dr. Nikutta und der BVG-Vorstand sagen, sie wollen es nicht, man sich mit den Argumenten auseinandersetzen muss. Entweder findet man sie richtig oder falsch. Wenn man sie falsch findet, setzt der Eigentümer es durch, dass sich die BVG bewirbt – auch gegen die Bedenken des Vorstandes –, oder man findet es richtig, dann vertritt der Eigentümer das aber auch. Das würde ich gern einmal von der SPD-Fraktion hören: Findet sie das richtig, dass sich die BVG nicht bewirbt, oder hätte sie vorgeschlagen, ein eigenes kommunales Unternehmen zu gründen, das sich unabhängig von der BVG bewirbt, aber zum Beispiel mit dem Rückgriff auf in der BVG vorhandenen Kompetenzen? Darauf keine Antwort, sondern Ausflüchte, Verantwortung wegschieben auf Frau Dr. Nikutta, die nicht will, aber eigentlich wünscht sich die SPD-Fraktion etwas anderes. Liebe Leute! Das ist absurd. Das ist keine Haltung, das ist keine Position. So kann man nicht regieren.
Jetzt das eigentliche Problem, das mit der Koppelung der Fahrzeugbeschaffung mit der Ausschreibung verbunden ist: Es ist eigentlich bekannt, Herr Müller hat es auch gesagt, wir können frühestens Mitte 2014 in die Bestellung gehen. Das heißt, die Vorserie ist vielleicht 2017 fertig. Es müssen für den Interimsbetrieb alte Fahrzeuge umgerüstet werden – und zwar technisch relativ aufwendig. Es muss ein neues Zugsicherungssystem etabliert, es muss ein neues Kommunikationssystem eingebaut werden. Das ist erstens schweineteuer, zweitens ist gar nicht sicher, ob das Eisenbahnbundesamt diese Züge zulässt. Das heißt, man läuft in ein hohes Risiko, dass nicht ausreichend Züge vorhanden sind. Dann kommt hinzu: Für die Umrüstung dieser Züge muss man sie aus dem laufenden Betrieb herausnehmen. Das bedeutet, es fallen wieder Züge weg, und damit wird der S-Bahnverkehr wieder gefährdet. Das ist das Problem. Durch die Ausschreibung und die Koppelung der Ausschreibung an die Fahrzeugbeschaffung sind zwei Jahre verlorengegangen, die man für die Fahrzeugbeschaffung hätte nutzen können. Einmal ganz davon abgesehen, dass der alte Senat mindestens ein Jahr verzögert hat, weil es nicht zu einer politischen Entscheidung gekommen ist, aber diese zwei Jahre, die jetzt durch diese Ausschreibung mindestens verlorengehen, wären nicht nötig gewesen. Ich habe es schon ein paar Mal gesagt, ich sage es heute noch einmal: Wir werden es dann 2016, 2017, 2018 sehen, wenn die Züge aus dem Betrieb genommen werden, um sie in
standzusetzen, und möglicherweise ab 2018 nicht zur Verfügung stehen, weil sie nicht zugelassen sind.
Danke, Herr Kollege Wolf! – Für die Fraktion der CDU erteile ich jetzt dem Kollegen Friederici das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Große Anfragen können im deutschen Parlamentarismus Sternstunden der politischen Information und Diskussion sein.
Wichtige Politikfragestellungen und Lösungen werden in der Regel erfragt und von der Regierung beantwortet, so, wie auch hier vom Berliner Senat durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt. die Lösung der S-Bahnkrise zum Ende des laufenden Jahrzehnts wieder einmal einer Oppositionspartei erklärt werden musste. Inhalt war, warum es keinen landeseigenen Fuhrpark geben kann und wie die Strategie der Fahrzeugneubeschaffung sein wird.
Die vorliegende Große Anfrage befasst sich zwar mit einem wichtigen Thema, nur verwundert es doch wieder einmal sehr, dass ein wesentliches verkehrspolitisches Thema anhand von nur drei Fragen der Oppositionsfraktion Bündnis 90/Die Grünen erörtert werden soll. Mehr Fragen und vor allem null Lösungen haben die Grünen selbst wohl nicht zu bieten. Das ist ein bisschen zu wenig.
Es macht deutlich, dass es den Grünen wieder einmal nicht um die Sache, sondern nur darum geht, ein Thema besprechen zu wollen. Das ist zwar ihr gutes Recht, offenbart aber doch eine gewisse grüne Unkenntnis. Dass Sie keine Verbesserungsvorschläge zur Lösung der sich verringernden S-Bahnkrise haben, lässt die Schlussfolgerung zu: Wir scheinen auf dem richtigen Weg zu sein.
Wie in fast zehn Plenarsitzungen seit den Wahlen im September 2011 findet auch heute wieder das Thema S-Bahn breiten Raum in der Sitzung. So wie in fast zehn Plenarsitzungen seit den Wahlen erklärt der Senat durch die Senatsveraltung für Stadtentwicklung und Umwelt in Person von Senator Michael Müller – und macht es damit zu einem inhaltlich fundierten Thema, das ist nämlich hier das Wesentliche –, wie wir uns als SPD und CDU die Zukunft der Berliner S-Bahn vorstellen. Dadurch, dass es die Deutsche Bahn kurz nach dem Beginn der
aktuellen SPD-CDU-Senatsregierung abgelehnt hat, die Berliner S-Bahn aus dem Konzern zu entlassen, ist die Koalition gemäß der Koalitionsvereinbarung längst beim nächsten Schritt angelangt, der sich aus der Absage der Deutschen Bahn folgerichtig ergeben muss. In rechtlich klarer Folge kommt es zur Teilausschreibung zu Beginn des Fahrzeugbeschaffungsprogramms im Rahmen einer Ausschreibung, von der wir uns alle erhoffen – ich hoffe, auch die Grünen –, dass es 2017 zu den ersten neuen S-Bahnzügen für Berlin und Brandenburg kommen wird.
Auch zum zeitlichen Rahmen und den Zielvorstellungen haben die Grünen keine Vorstellungen und Wünsche, denn andernfalls wäre das Bestandteil ihrer sogenannten Großen Anfrage. Das Ziel neue Fahrzeuge, ein stabiles Netz, solide Verkehrsverbindungen, solide Verkehrsleistungen und auch, das sei hier wiederholt, die Wahrnehmung weitreichender Arbeitsplatzsicherheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Berliner S-Bahn, sind für die Koalition von herausragender Bedeutung und wesentliche Bestandteile der Ausschreibung.
Dass die Grünen seit den Wahlen eine Kehrtwende vollzogen haben, verwundert schon, denn in mindestens zwei der vergangenen drei Winterkrisen hatten die Grünen gefordert, den kompletten S-Bahnvertrag unverzüglich zu kündigen. Diese verantwortungslose Grundeinstellung hätte den Berliner Nahverkehr restlos in das Chaos gestürzt. Diesen katastrophalen Irrweg der Grünen hat die Berliner CDU nicht vergessen, und wir werden die Grünen immer wieder daran erinnern.
[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Das war Gähnen, Herr Präsident! – Weitere Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN]
Wo stünden wir heute, wenn die Grünen sich gemeinsam mit der FDP, der anderen Berliner Partei der Besserverdienenden, damals durchgesetzt hätten? – Zunächst einmal hätten wir einen vertragslosen Zustand gehabt, vermutlich bis heute, und der Senat hätte keine disziplinarischen Mittel mehr gegen die Berliner S-Bahn gehabt. Vermutlich wäre der S-Bahnbetrieb heute nur noch auf ein paar wenigen Strecken möglich, nämlich auf den Strecken, die Gewinn für den Betreiber erwirtschaften würden, mit der Folge, dass die Zukunft des dauerhaften Betriebs, des Personals und der Fahrzeuge der Berliner S-Bahn absolut nicht gesichert gewesen wäre. Und wir hätten längst noch keinen neuen nachverhandelten Vertrag von Senat und S-Bahn im Interesse der Berlinerinnen und Berliner, wenn sich Grüne und FDP damals durchge
setzt hätten. Wir hätten, wenn es nach Grünen und FDP gegangen wäre, heute Schadenersatzforderungen der S-Bahn zu betrachten und zu stemmen, die die Berliner Steuerzahler heute und in den nächsten Jahren zu bezahlen hätten. Wir hätten heute einen deutlich schlechteren Verkehr. Das wäre doch für die Menschen in Berlin und Brandenburg das Schlimmste gewesen, wenn es nach dem Willen der Grünen und der FDP damals gegangen wäre. Alles das muss immer wieder in Erinnerung gerufen werden.
Die Zwischenrufe von den Grünen und der Linkspartei, die damals ab 2009 auch mit die Ausschreibung vorbereitet hat, nämlich in der Regierung befindlich, machen deutlich, dass man Sie hieran auch immer wieder erinnern muss.
Im Gegensatz dazu: Alles das, was die Koalition aus SPD und CDU als Fahrplan für die neue Berliner S-Bahn vorgelegt hat, wäre nicht umsetzbar gewesen, wenn sich Grüne und FDP in der letzten Wahlperiode durchgesetzt hätten.