Protocol of the Session on November 8, 2012

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, immer noch nicht! – Ein vertragsloser Zustand à la Grüne und FDP würde heute noch lange nicht eine Teilausschreibung und vor allem keine neue Fahrzeugausschreibung möglich machen.

Die kleinen drei von den Grünen vorgelegten Fragen machen nur deutlich: Die Grünen wollen wieder einmal ihren Mitgliedern und den durchaus interessierten Wählern, den Menschen unserer Stadt, zu dem Thema etwas vorlegen, nach dem Motto: Seht her, wir, die Grünen, haben die Berliner S-Bahn und vielleicht auch die Mitarbeiter der Berliner S-Bahn noch nicht ganz vergessen! – Aber so, wie Sie das machen, ist es eben keine Sternstunde des Parlaments und vor allen Dingen keine Sternstunde der Opposition.

Die SPD-CDU-Koalition ist da weiter. Wir haben einen klaren Fahrplan vorgelegt. Dieses ist eben auch noch einmal von Senator Michael Müller vorgestellt worden – solide ausfinanziert und mit konsequenten Arbeitsschritten, in denen die Ausschreibung von neuen S-Bahnen ein wesentlicher Bestandteil ist. Die Zukunft der Berliner S-Bahn, das heißt der Betrieb, die Verlässlichkeit für die

Fahrgäste und die Zukunft für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für uns als Koalition das herausragende verkehrspolitische Ziel der wachsenden Metropole Berlin. Alle, die beim S-Bahnfahrplan von SPD und CDU mitfahren wollen, sind herzlich eingeladen. Ich merke schon: Die Grünen verstehen es nicht, wollen es nicht. Man hört es am Gemurmel. Sie haben auch kein Interesse daran.

Der Fahrplan für die Fahrzeugausschreibung, die Bewerber und künftige Zuschlagserteilung, die Produktion, die Zulassung, die Auslieferung – alles das steht. Das ist eben mehr als nur die drei Fragen der Grünen. Die Koalition von SPD und CDU ist bei der S-Bahn im richtigen Fahrplan und auf dem richtigen Weg, und wir werden diesen Weg erfolgreich weitergehen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Friederici! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Claus-Brunner. – Bitte sehr!

[Uwe Doering (LINKE): So, Faxe, sag mal, was los ist! – Wolfgang Brauer (LINKE): Herr Claus-Brunner! Haben Sie auch eine Eisenbahn?]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Senatorinnen beliebigen Geschlechts! Sehr geehrte Kolleginnen beliebigen Geschlechts! Erst einmal zur Einführung: Ich verbitte mir ausdrücklich die Bewertung der Fachkompetenz meines Kollegen seitens des SPD-Kollegen. Der sollte sich als Sozialwissenschaftler in diesem Themenkomplex nicht so ganz weit aus dem Fenster lehnen. Der Herr Friederici ist immerhin BWLer, der ist da schon eher kompetent und passt in das Themengebiet rein.

[Oliver Friederici (CDU): Politikwissenschaftler, nicht BWLer]

Ich bin Mechatroniker. Ich kann durchaus beurteilen, was ich in der fachlichen Richtung und technischer Art dazu sagen kann und was nicht.

Wenn der Senat eine ehrliche Antwort auf diese Große Anfrage gegeben hätte, dann hätte er es in zwei einfachen deutschen Sätzen wie folgt beantworten müssen. Erstens: Nein, es wird 2017/2018 keine genügende Anzahl an betriebsbereiten S-Bahnzügen geben. Zweitens: Der Senat wird auch keine Verantwortung übernehmen.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Berlin steht S-bahntechnisch am Abgrund. Die CDU und SPD sind schon einen Schritt weiter.

[Heiterkeit von Christopher Lauer (PIRATEN) – Zurufe]

Das geht auch schon besser. Das habe ich schon gehört. – Ich kann auch frei halten. Diese Stichpunkte sind nur die Zahlen, um die es geht, aber die große Koalition hat es ja nicht so mit den Zahlen. Ich unterbreite einmal so eine Art Lösungsvorschlag, wie man in der ganzen Geschichte vorgehen sollte.

Wenn ich die Fahrzeuge aus Landeseigentum beschaffe, dann mache ich bloß einen Teilschritt. Also ist das ein großer Fehler. Wenn ich schon so anfange, dann möchte ich, dass man grundsätzlich anfängt, und dann gründe ich einen landeseigenen Betrieb als Anstalt öffentlichen Rechts oder wie auch immer in diese Richtung. Und diese Betriebsgesellschaft – Berliner S-Bahn können wir sie mal nennen – soll langfristig das Netz der S-Bahn Berlin übernehmen und betreiben und kurzfristig natürlich die nötigen Triebfahrzeuge beschaffen. Zusätzlich sollte ich den Vorstand dieses Betriebes entsprechend den normalen Richtlinien besetzen und weiterhin Mitglieder von Fahrgastverbänden usw. hinzufügen, damit man auch mal aus der Sicht der Fahrgäste entsprechende Entscheidungen treffen kann und wird.

Zweitens: Dieser Betrieb müsste natürlich dauerhaft finanziell im Landeshaushalt Berlin verankert werden. Was hier auch immer unterschlagen wird: Wir müssen sofort mit der Ausschreibung und der Lieferung von 700 S-Bahnzügen beginnen. Diese 700 S-Bahnzüge sind spätestens ab 2019 nötig, weil dann auch für die neueste Baureihe, die 481/82, die Eisenbahn-Bundesamt-Betriebszulassung erlischt. Es ist bis heute nicht erkennbar, dass das Eisenbahn-Bundesamt in diesem Zusammenhang noch einmal eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Das heißt, wir haben faktisch 2019 von den heute fahrenden S-Bahnzügen keinen einzigen mehr im Bestand, der betriebsfähig ist und Betriebserlaubnis besitzt. Wir haben das Jahr 2012. Bis 2019 haben wir noch sieben Jahre. Da kann man, wenn man sich anstrengt und schnell macht, das hinkriegen.

Hier wird aber von Herrn Müller sozusagen im Vorgriff auf zukünftige Arbeitgeber und Postensicherung wieder eine Ausschreibung gemacht, eine Teilprivatisierung. Hier ist – oh Wunder, oh staune – die Verkehrssparte bzw. Logistiksparte der Firma Veolia im Boot. Die sollte uns irgendwie bekannt vorkommen. Wird denn in dem Vertrag, von dem hier immer geredet wird, ein ähnliches Konzept vorgelegt, wie das bei den Berliner Wasserbetrieben der Fall ist – mit Gewinngarantie auf Kosten der Steuerzahler? Oder wie soll ich das verstehen?

Noch größeren Bullshit kann man nun wirklich nicht machen: Teilausschreibung eines sich bisher in einer Hand und in einer Struktur befindlichen Netzes. Ich zerschlage es. Wie blöd kann man eigentlich sein? Ich frage mich das echt. Darauf haben Sie jetzt keine Antwort.

Sonst immer frisch antworten – zack, zack, zack. Aber wenn man mit den Fakten kommt, dann: uups, Staubbahn, wupp!

[Heiterkeit bei den PIRATEN – Vereinzeltes Lachen bei den übrigen Fraktionen]

Ich höre immer noch nichts.

[Lachen und Zurufe]

Seit 2008, seit dem Kaulsdorfer Unglück, ist ja bekannt, dass mit dieser letzten Baureihe – davon sind 500 Züge beschafft worden – technisch etwas nicht stimmt. 2008 ist schon eine Weile her. Was wurde bis jetzt gemacht? – Nicht sehr viel, irgendwelche komischen Geheimverträge und sonstige Geheimabsprachen, aber davon habe ich noch nichts gesehen. Davon wird immer geredet.

Es wird auch unterlassen zu sagen, dass die S-Bahn Berlin GmbH als hundertprozentige Tochter der DB AG unter anderem 340 Millionen Euro Regionalisierungsmittel pro Jahr erhält. Was machen die eigentlich damit? – Nur ein Bruchteil davon fließt in den eigentlichen Betrieb hinein und wird dazu verwendet, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Grundsätzlich kann man aber hier eine unterlassene Investition vermuten und dementsprechend eine Regressforderung formulieren. Ich sage mal so: Wir kommen dabei auf 1 Milliarde Euro locker raus.

Das Nächste ist die Transparenz, die Sie immer postulieren. Dieser Vertrag ist mit sehr vielen geschwärzten Stellen an die Öffentlichkeit gelangt. Ich habe sehr viele Schwierigkeiten gehabt, die Originalfassung davon zu erlangen und zu lesen. Ich bin erstaunt darüber, mit welcher Selbstverständlichkeit zum Beispiel bei der Berechnung von Trassenpreisen und anderen Leistungen – also die Leistungen, die die Tochter S-Bahn Berlin GmbH an die anderen Töchter der DB AG zu zahlen hat – der Preis deutlich – das sage ich hier ganz bewusst – über dem regulären Marktpreis, der in diesen Bereichen üblich ist, liegt – mit Trassenpreisen bis zu dem Sechsfachen dessen, was normalerweise üblich ist. Hier werden also indirekt Regionalisierungsmittel aus der S-Bahn Berlin GmbH herausgezogen, um sie in die DB-AG-Mutter reinzuplatzieren, um damit einen Gewinn zu erzielen. Um das zu verhindern, sollte man der Forderung des S-Bahn-Tisches Folge leisten und hier einen kompletten, hundertprozentigen landeseigenen Betrieb aufbauen.

Den zweiten Teil, die paar Minuten, die ich noch Redezeit habe, möchte ich in einem anderen Teil der Rede weiterführen.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Heidi Kosche (GRÜNE)]

Vielen Dank, Herr Claus-Brunner! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Herr Heinemann. – Bitte sehr!

Der Witz scheint Sie echt getroffen zu haben. – Das war mir gerade zu viel Schwarzmalerei. Deshalb noch einmal ein Blick auf die Fahrzeuge: Sowohl Herr Senator Müller als auch ich, Herr Claus-Brunner, haben vorhin gesagt, dass der Senat schon vor fast einem Jahr die Anforderungen an die Fahrzeuge veröffentlicht hat. Glauben Sie doch nicht, dass die Hersteller von Bahnfahrzeugen jetzt bis 2014 warten, um sich dieses Buch anzugucken! Sie können davon ausgehen, dass daran schon kräftig gearbeitet wird.

Allerdings – das wissen wir auch alle – werden nicht alle neuen S-Bahnen 2018 zur Verfügung stehen. Ich halte es aber für unverantwortlich, was hier für eine Schwarzmalerei an den Tag gelegt wird. Die Grünen plappern sogar die Horrorzahl der S-Bahn über 110 Millionen Euro Umrüstungskosten in ihrer Pressemitteilung nach. Das kann nicht im Interesse des Landes sein. Gucken Sie sich einmal die Bahnlandschaft an! Natürlich müssen sich wegen der Altfahrzeuge der Senat, die Betreiber und auch das Eisenbahnbundesamt an einen Tisch setzen. Aber wissen Sie, dass in Deutschland ganz viele unterschiedliche Fahrzeuge, die viel älter sind als die Berliner, immer noch in Betrieb sind und ganz normale Genehmigungen haben? Teilweise gibt es im Güterverkehr oder bei Privatbahnen sogar Lokomotiven, die in den 20er- und 30er-Jahren gebaut wurden. Das haben die Unternehmen auch wirtschaftlich hinbekommen. Deswegen sollten Sie hier nicht solche Szenarien aufmachen. Auch hier wird es eine Lösung geben. Die Fahrzeuge sind längst nicht so alt. Wenn sie umgerüstet werden müssen, muss das mit allen Partnern besprochen werden. Aber die Horrorszenarien, die Sie hier ausmalen, sind absolut nicht angebracht.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Heinemann! – Herr Claus-Brunner möchte antworten. – Bitte sehr!

Hinsichtlich des Vertrauens gegenüber dem Senat: Ich traue dem nur so weit, wie ich ihn werfen kann.

[Heiterkeit bei den PIRATEN]

Hinsichtlich der Fahrzeuge, die aufgrund irgendwelchen Alters lange in Betrieb sein können: Da haben Sie eine wunderbare Vorlage geliefert. Alte Fahrzeuge gibt es tatsächlich im Betrieb, nämlich bei Eisenbahnunter

nehmen, die entsprechend in der Werkstattkapazität aufgestellt sind, entsprechende und vorausschauende Wartungen vornehmen. Das ist in Berlin nicht der Fall. Da können Sie erzählen, was Sie wollen. Die Tatsachen sprechen dagegen.

[Sven Heinemann (SPD): Die Bahn hat doch die Werkstattkapazität längst erhöht!]

Ja, klar! Und ich glaube an den Weihnachtsmann! Das können Sie Ihren Kollegen erzählen. Die S-Bahn Berlin sieht anders aus. Lassen Sie mal Schnee fallen oder Frost kommen, dann haben wir wieder eine Katastrophe. Dann steht der halbe Betrieb still. – Wir liegen heute unter der Mindestzahl. 500 Triebfahrzeuge sollten in Betrieb sein. Wir haben aber gerade mal 450. Eigentlich braucht das Netz 700 Triebfahrzeuge, sogenannte Viertelzüge.

In diesem Zusammenhang finde ich es eine bodenlose Frechheit, immer wieder zu behaupten: Es ist alles prima, alles läuft. – Wenn Sie das so toll und prima gemacht hätten, warum haben Sie dann nicht 2008, spätestens 2009 damit angefangen? Wenn es so gewesen wäre, wie Sie es uns immer erzählen, hätte das Konzept jetzt nicht mehr diskutiert werden müssen, läge längst vor und würde umgesetzt. Die Tatsachen sprechen ganz klar dagegen.

Zur Werkstattkapazität gibt es ein sogenanntes Sofortprogramm, das der S-Bahn-Tisch erarbeitet hat. Es beinhaltet, dass man ungefähr 250 Leute direkt in Werkstätten einstellt oder kurzfristig mit Zeitarbeitern aufstockt und dass man die entsprechenden Fahrmotoren schneller aufarbeitet. Das ist alles nicht passiert. Es ist schon vor zwei Jahren von S-Bahn-Tisch mit entsprechenden Unterschriften vorgelegt worden. Dagegen wird dann wieder vom Senat geklagt, dass es nicht rechtens sei, was vom S-Bahn-Tisch mit den Unterschriften gemacht worden ist. So wird damit umgegangen. Es wird abgewiegelt, behindert, es werden Phrasen gedroschen, aber Fakten und Tatsachen sieht man nicht. Ich fahre täglich mit der S-Bahn und sehe täglich, wie schlecht das funktioniert.

Der S-Bahn GmbH muss ich ein deutliches Lob aussprechen. Die Mitarbeiter tun Menschenmögliches und sind mit über 200 Prozent an Leistungskraft dabei, den noch möglichen Betrieb zu leisten. Ihr als große Koalition macht ihnen das Leben noch schwer und schlagt das Netz in Stücke, zerhaut es und nehmt ihnen die letzten funktionierenden Strukturen auch noch weg. Das ist richtig super geplant.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Claus-Brunner! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht. Die Große Anfrage ist damit begründet, beantwortet und besprochen.

Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, möchte ich Sie alle noch einmal bitten, das allgemeine Hintergrundgemurmel einzustellen. Wir haben dieses Problem regelmäßig ungefähr um diese Uhrzeit. Ich glaube, langsam dürfte klar sein, dass das nicht angemessen ist. – Danke!

Die Tagesordnungspunkte 10 bis 13 stehen auf der Konsensliste.

Ich komme zur

lfd. Nr. 14:

a) Einhaltung der Mieterrechte, Instandhaltungsverpflichtungen und weitere Pflichten der GSW nach der Privatisierung