Protocol of the Session on November 10, 2011

[Zuruf von der LINKEN – Martina Michels (LINKE): Sie haben vorher nicht zugehört!]

Jetzt hat der Kollege Buchholz das Wort – bitte.

Die Kollegin kann Gedanken lesen und kennt die Argumente alle schon. Dann würde ich mich an Ihrer Stelle aber ganz woanders hinsetzen, wenn Sie Gedanken lesen könnten.

Ich komme zu den Inhalten. Wenn man ein Gesetz als rot-rote Koalition hier einbringt, verabschiedet und davon sagt, es gehe darum, sich an dem Standard anderer Bundesländer zu orientieren, dann muss man sich vor Augen

halten, dass 15 von 16 Bundesländern vergleichbare gesetzliche Regelungen haben. Die meisten haben deutlich höhere Beiträge für die Anlieger. Es gibt in keinem anderen Bundesland so weitgehende Beteiligungsrechte für die Anlieger wie in Berlin,

[Dr. Manuel Heide (CDU): Das ist ja das Schlimme!]

und es gibt in keinem anderen Bundesland die Vorschrift, dass zum Schluss die BVV oder sogar das Abgeordnetenhaus zustimmen müssen. Das waren die Grundlagen für dieses Gesetz.

Kollege Czaja sagt immer gleich, bisher sei noch gar nicht so viel eingenommen worden. Das sollte niemanden verwundern. Wenn man eine sehr ausführliche Bürgerbeteiligung in einem Gesetz vorsieht, verlängern sich auch Verfahren. Wir haben das beim letzten Mal ausführlich diskutiert, wie auch CDU-Stadträte in einzelnen Bezirken zeigen, dass sie Gesetze kreativ auslegen können und zunächst mit sehr hohen Kostensätzen an die Sache herangehen. Das haben wir hier sehr ausführlich diskutiert. Das wissen wir also.

[Martina Michels (LINKE): Das war gar nicht die Frage!]

Wie sieht also die heutige Situation aus? – Die Linke, vor Kurzem noch in einer richtigen Koalition, jetzt in einer Übergangsphase, wiederholt jetzt den CDU-Antrag im Parlament, den die CDU vor Kurzem noch gestellt hat. Das kann man natürlich machen. Man hätte aber auch schon vorher – das haben wir auch getan – Gespräche über das Gesetz führen können.

[Uwe Doering (LINKE): Das haben wir gemacht!]

Wir haben es, Kollege Doering, gemeinsam geändert. Wir haben die Beleuchtung herausgenommen, weil wir gesehen haben, dass das Ungerechtigkeiten gibt, und haben auch eine abschnittsweise Abrechnung ermöglicht. Das waren die Schritte. Die weiteren Schritte werden auch ganz klar erfolgen.

[Martina Michels (LINKE): Eben!]

Ein Gesetz muss sich in der Praxis bewähren. Da müssen wir konstatieren, dass es vielleicht tatsächlich Nachsteuerungsbedarf gibt, was die Verfahren, die Vereinheitlichung und Vereinfachung von Zahlungsströmen, auch von vorherigen Berechnungen in diesem Gesetz angeht, auch wenn es darum geht, das ganze Verfahren sowohl für die Anliegerinnen und Anlieger als auch für die Verwaltung zu vereinfachen. Das ist doch selbstverständlich. Das ist doch, Kollege Doering, aber noch lange kein Grund, ein Gesetz einfach so abzuschaffen. Oder sehen Sie das in Ihrer Fraktion nun anders, nachdem Sie den Status Koalitionspartner verlieren? Mich wundert es etwas, wie man so schnell über die Sache hinweggehen kann, die man noch bis vor Kurzem vertreten hat. Es ist in Summe für Anliegerinnen und Anlieger nie angenehm, für einen Straßenausbau zu bezahlen. Das ist jedem von uns klar. Wir sind in Summe aber immer noch ein Haus

haltsnotlageland. Da muss man schon einmal die Frage stellen dürfen oder muss Gegenfinanzierungsvorschläge unterbreiten. Vielleicht hat die eine oder andere Fraktion Vorschläge, wie man auf jetzige und zukünftig Einnahmen verzichten will, woher das Geld dann sonst herkommen soll, wenn es einen Vorteilsgewinn für Anwohnerinnen und Anwohner gibt.

Lassen Sie uns gemeinsam im Ausschuss die Sachen anschauen, wo es Zahlungsverpflichtungen gibt und wie viel an Zahlungen zu leisten ist. Ist es bei einer überörtlichen Hauptverkehrsstraße gerechtfertigt, dass 75 Prozent vom Land, aber 25 Prozent die Anliegerinnen und Anlieger zahlen, die sagen, dass sie von dieser neuen Hauptverkehrsstraße nichts haben und sie überhaupt nicht wollen? Das kann und sollte man auch diskutieren. Das ist keine Frage. Aber das ist aus Sicht der SPD-Fraktion kein Grund, ein Gesetz abzuschaffen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege Buchholz! – Für die Fraktion der CDU hat Herr Czaja das Wort.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Jetzt bin ich aber mal neugierig!]

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Für uns bleibt es dabei: Es gibt keine Abzocke beim Straßenausbau, Herr Doering. Das stand bei mir auf den Plakaten, und so wird es auch bleiben!

[Beifall bei der CDU und der LINKEN]

Die Architekten dieses Gesetzes versuchen nun, den Bußgang hier in diesem Parlament zu beginnen. Nur gehört zur Buße auch die Reue. Sie hätten deutlich sagen müssen, dass Sie die Verantwortlichen dafür sind, dass es dieses Gesetz gibt. Das haben Sie heute nicht getan.

[Beifall bei der CDU – Uwe Doering (LINKE): Machen wir!]

Die CDU-Fraktion bleibt dabei, dass wir kein Straßenausbaubeitragsgesetz haben wollen. Wir haben dafür auch ernst zu nehmende Argumente. Diese beraten wir auch in der Koalition.

[Ah! von der LINKEN]

Wir werden auch nach den Koalitionsgesprächen sicherlich eine Einigung erzielen.

[Uwe Doering (LINKE): Wie sieht die denn aus? – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Das stand nicht auf dem Plakat!]

Für uns ist es wichtig, dass Anwohner in Straßen nicht bezahlen müssen, wenn sie keinen Vorteil haben. Im

Gegenteil: Der Ausbau führt häufig zu keinem Vorteil, sondern zu einem Nachteil. Das muss man auch miteinander besprechen.

[Zurufe von der LINKEN ]

Nun bleiben Sie doch einmal ganz ruhig, liebe Kollegen von der Linken. Sie dürfen hier doch so oft reden, wie Sie wollen.

Zweitens: Auch wir sind der Auffassung, dass öffentliche Straßen und Plätze deswegen öffentliche Straßen und Plätze heißen, weil sie von der Öffentlichkeit genutzt werden. Deswegen sollte sie auch die Öffentlichkeit bezahlen.

[Ramona Pop (GRÜNE): Wer soll das bezahlen?]

Der Grundsteuerhebesatz ist hoch. Der Hebesatz in Berlin ist so hoch, wie nirgendwo anders. Deswegen muss man Straßenausbauten auch aus Steuern und Abgaben finanzieren.

Das Dritte ist, das haben wir auch in den Koalitionsgesprächen vorgetragen, dass wir bislang mit dem Straßenausbaubeitragsgesetz höhere Ausgaben für das Land als Einnahmen haben. Das ist für uns ein weiterer Punkt. Die Linken beantragen jetzt die Abschaffung des Straßenausbaubeitragsgesetzes.

[Beifall bei der LINKEN]

Das ist ein Antrag, der von uns zweimal in dieses Haus eingebracht wurde. Sie hätten mehrfach die Möglichkeit gehabt, diesem hier zuzustimmen, haben es aber nicht getan. Damals, vor wenigen Monaten, als wir den Antrag eingebracht haben, gab es in diesem Parlament noch mehr als 70 Abgeordnete, die gegen das Straßenausbaubeitragsgesetz waren. Heute sind es knapp 60 Abgeordnete. Sie wissen also, dass es nicht einmal eine Mehrheit geben würde, wenn wir es jetzt täten. Ihre Argumentation ist verlogen. Es gab Momente, in denen wir hätten abstimmen können, da haben Sie es nicht getan. Es gab eine namentliche Abstimmung. Einige, die in Ihren Reihen sitzen, haben es nicht getan. Jetzt halten Sie einmal ein bisschen mit Ihrem vorlauten Oppositionsgehabe zurück.

[Zurufe von der LINKEN]

Sie wissen ganz genau, dass Sie daran schuld sind, dass es dieses Gesetz gibt.

[Beifall bei der CDU – Dr. Klaus Lederer (LINKE): Die namentliche Abstimmung bekommen Sie noch!]

Wenn Ihr Bußgang jetzt begonnen hat, darf ich Ihnen sagen, bringen Sie auch Anträge ein, dass es kein teures Klimaschutzgesetz geben soll! Bringen Sie Anträge ein, dass wir beim Thema Winterdienst bessere Bedingungen bekommen! Bringen Sie Anträge zur Umweltzone ein! Nein, diese vernünftigen Regelungen werden jetzt mit der SPD und mit der CDU und nicht mehr mit Rot-Rot getroffen werden. Wir müssen die Kastanien aus dem Feuer

holen, die Sie ins Feuer geworfen haben. Jetzt rufen Sie nicht nach der Feuerwehr, wenn Sie das Haus selbst angezündet haben.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Das Wort zur Kurzintervention hat der Kollege Doering. – Bitte schön!

Herr Czaja! Ihren Vorschlag für eine namentliche Abstimmung werden wir gern aufgreifen, wenn das Gesetz zur zweiten Lesung vorliegt. Dann haben Sie den Härtetest vor sich. Nur mal zur Erinnerung: Im März dieses Jahres hatten wir einen Wahlparteitag, in dem wir unser Landeswahlprogramm beschlossen haben. In diesem Landeswahlprogramm im März haben wir beschlossen, dass wir das Straßenausbaubeitragsgesetz wieder abschaffen wollen. Es ist also kein neues Ding, das wir als Opposition gerade erfunden haben. Das haben wir schon während der Regierungszeit getan, weil wir schon damals erkannt haben, dass das Gesetz den Stresstest nicht bestanden hat. Dann haben Sie auf der Grundlage unseres Parteitagsbeschlusses einen Antrag eingebracht und gehofft, dass Sie die Koalition, die damals noch regiert hat, auseinanderbringen können. Das haben Sie nicht geschafft.

Was ich Ihnen damals aber in der Debatte gesagt habe – ich kann mich fast noch wörtlich daran erinnern –, war, dass wir einfach einmal feststellen, dass Die Linke gegen das Straßenausbaubeitragsgesetz ist. Es ist uns in den Verhandlungen nicht gelungen, die SPD davon zu überzeugen. Dazu stehe ich. Wir stehen auch dazu, dass wir das Gesetz gemacht haben, stellen aber trotzdem fest, dass es nichts taugt. Ich habe aber auch gesagt, dass die CDU und die FDP dagegen sind. Ich sagte, wir sollten schauen, wer zukünftig die Koalitionsverhandlungen führen wird und wer sich in den Verhandlungen durchsetzt. Hätten wir die Koalitionsverhandlungen geführt, hätten wir es auf die Tagesordnung gesetzt. Jetzt sind Sie am Ball. Sie wollen regieren. Sie haben persönlich überall verkündet: Ich, Herr Czaja, ich persönlich schaffe das Straßenausbaubeitragsgesetz ab. Aus diesem Ding lasse ich Sie nicht mehr heraus.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Wenn Sie jetzt schon leicht andeuten, na ja, es müsse das eine oder andere verbessert werden oder genauer angeschaut werden, laufen Sie jetzt schon auf den Kompromiss hinaus, dass das Straßenausbaubeitragsgesetz weiter existieren wird. Das ist genau der Punkt.

[Beifall bei der LINKEN und bei den PIRATEN]

Danke auch, Herr Kollege! – Herr Kollege Czaja! Sie haben das Wort zur Erwiderung. Bitte schön!

Wenn Sie genau zugehört hätten, Herr Doering, dann hätten Sie unsere Position genau verstanden. Unsere Position heißt: Wir wollen kein Straßenausbaubeitragsgesetz. Daran hat sich nichts geändert. Wir haben diese Position vertreten, als wir in der Regierung waren, vor 1999. Da wollte die SPD das umsetzen, und das ist mit uns nicht passiert. Wir haben diese Position vertreten, als wir in der Opposition waren. Da haben Sie nur in der Regierung Ihre Meinung geändert, die Sie vorher hatten, und jetzt vertreten wir diese Auffassung auch. Nur der Unterschied ist, Herr Doering: Wir haben jetzt ein Straßenausbaubeitragsgesetz, das Sie als Architekt dieses Gesetzes hier im Haus eingebracht, erarbeitet und umgesetzt haben. Mit diesen Rahmenbedingungen muss man in einer Koalitionsverhandlung natürlich auch leben.