Protocol of the Session on November 10, 2011

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Da kommt das Thema Vorsorge des Dienstherren gleich wieder ran, weil ich glaube, der kann da gar nicht vorsorgen, zumindest nicht, wenn diese Software auf den Systemen ihrer Lehrer installiert ist. Ich persönlich hätte es als Schüler gut gefunden, wenn ich nicht nur in der Lage gewesen wäre, meine Lehrer im Netzwerk in die Irre zu führen, sondern auch leicht Zugriff auf die Arbeiten und Zeugnisse gehabt hätte. Da hätten wir uns eine Menge Wetten sparen können!

Das heißt, wir haben da einen Trojaner, und zwar tatsächlich einen Trojaner und nicht ein Trojanisches Pferd, denn diese Software ist das Pferd, das den Trojaner dann darstellen wird, und der Schüler wird dann dieses Pferd nutzen, um den Rechner der Lehrer zu nutzen. Das heißt, Sie werden das einfach nicht stattfinden lassen. Sie können das einfach nicht stattfinden lassen, denn das politische Desaster, auf das Sie sich da zubewegen, wird Ihnen so derartig die Köpfe und Hälse brechen, dass Sie sich darauf gar nicht einlassen können!

Aber wir können das natürlich alles einmal ausprobieren: Wir verteilen Überwachungssoftware an Tausende von Schülern und gucken, was diese Schüler Kreatives damit machen. Be my guest! – Wir werden eine Menge Spaß dabei haben. – Danke!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der SPD hat für die verbliebene Redezeit von drei Minuten und 30 Sekunden der Abgeordnete Kohlmeier das Wort. – Bitte!

[Sven Kohlmeier (SPD) trägt einen Laptop zum Rednerpult – Dr. Gabriele Hiller (LINKE): Das darf er nicht mitnehmen! – Unruhe]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwei Klarstellungen möchte ich mir erlauben. Zum einen gegenüber der Fraktion der Piraten: Sie haben eben gesagt, Sie hätten das Wort Schultrojaner nie verwendet. Nach den mir vorliegenden Ausführungen zur Fraktionssitzung vom 8. November 2011 heißt es, dass für den Schultrojaner fünf Minuten Begründung und zehn Minuten Redezeit im Ältestenrat festgestellt sind. Und zu Ihrem Antrag – Fraktionssitzung vom 1. November 2011 – schreiben Sie: Antrag: Große Anfrage Schultrojaner. Die Piratenfraktion stellt eine Große Anfrage bezüglich der sogenannten Schultrojaner zur nächsten Plenarsitzung.

Das Wort Schultrojaner ist nicht irgendwoher erfunden. Das Wort Schultrojaner ist von Ihnen selbst in den Raum gestellt worden.

[Zurufe von den PIRATEN]

Ich bin jetzt auch fertig mit Ihnen, liebe Kollegen von den Piraten.

Zu den Grünen: Dass die Grünen immer die Gutmenschen in diesem Hause sind, das haben wir schon mitbekommen.

[Gelächter bei den GRÜNEN]

Sie bleiben sich konsequent treu. Es soll offensichtlich auch in der neuen Legislaturperiode so sein. Es ist aber tatsächlich ein bisschen unredlich, unserem Schulsenator vorzuwerfen, welchen Vertrag er abgeschlossen hat. Nach meinem Kenntnisstand gibt es in drei Bundesländern grüne Bildungsminister – im Land BadenWürttemberg, im Land Nordrhein-Westfalen und im Saarland. Mir ist bisher nicht bekannt, dass der ehemalige Landesvorsitzende Gelbhaar den drei grünen Bildungsministern vorgeworfen hat, welchen schlechten Vertrag sie abgeschlossen haben.

Ich musste mir tatsächlich erlauben, meinen Rechner mit nach vorne zu nehmen, um mal zu zitieren, und zwar aus Nordrhein-Westfalen. Die grüne Ministerin in NordrheinWestfalen schreibt – ich lese das jetzt vor –:

Mittlerweile konnten sich die Länder der Bundesrepublik Deutschland mit den Rechteinhabern über eine neue Vereinbarung verständigen, die den Schulen und Lehrkräften Rechtssicherheit bietet. Die neue Vereinbarung gestattet es den Lehrkräften, nach wie vor Fotokopien in Klassensatzstärke für den Unterrichtsgebrauch herzustellen, und zwar auch aus Schulbüchern und sonstigen Unterrichtsmaterialien.

Es heißt dort weiter auf der Internetseite des Schulministeriums, wie hervorragend man diese Vereinbarung begrüßt.

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen! Ein bisschen abrüsten, mal in andere Bundesländer schauen und ein bisschen an die eigene Nase fassen!

Herr Kohlmeier! Gestatten Sie eine Kurzintervention?

Ich bin jetzt fertig! – Selbstverständlich gern!

Bitte Herr Abgeordneter Gelbhaar!

Zwei Anmerkungen dazu: Seit wann ist dieser Vertrag bekannt? Vielleicht sagen Sie dazu ein paar Worte, denn dann können Sie mir auch erklären, wie ich als ehemaliger Landesvorsitzender das in meiner Amtszeit hätte tun sollen.

Zweitens: Sie haben vollkommen recht – wir werden selbstverständlich auch parteiintern diese Fragen stellen. Aber nichtsdestotrotz: Wir befinden uns hier in Berlin und deswegen habe ich als Abgeordneter dieses Hauses in Berlin diese Frage gestellt. Ich glaube, man muss dort, wo man arbeitet, die richtigen Fragen stellen, und dann ist das auch richtig so.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Möchten Sie antworten, Herr Kohlmeier? – Bitte!

Kollege Gelbhaar! Sie sind doch gut vernetzt. Ich gehe also davon aus, dass Ihnen rechtzeitig bekannt ist, dass es diesen Vertrag gibt, und dass Sie eine gute und ausführliche regelmäßige Absprache mit den anderen Bundesländern, mit den anderen Landesverbänden Ihrer Partei führen.

[Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Zeigen Sie mir die Drucksache!]

Das Dilemma, das Sie aufgeführt haben, ist genau das Dilemma, das der Senat ebenfalls hat. Sie ziehen sich darauf zurück, Sie stellen sich hier vorne hin und kritisieren, dass dieser Vertrag abgeschlossen wurde, in Kenntnis – Klammer auf –, dass drei grüne Bildungsminister genau das Gleiche getan haben. Gleichzeitig ziehen Sie sich zurück und sagen: Ich habe nichts gewusst. Woher soll ich denn wissen, dass das damals gewesen ist?

Woher soll denn der Senator heute Auskunft gegenüber einer Software geben können, die irgendwann in der Zukunft vielleicht einmal produziert wird, deren Einsatz völlig unbekannt ist,

[Unruhe bei den GRÜNEN]

außer dass in dem Vertrag in § 6 Abs. 4 steht, dass es diese Software irgendwann einmal geben wird?

[Martin Delius (PIRATEN): Wozu dann der Vertrag?]

Das Dilemma müssen Sie dann hier einmal aufklären. Auch wenn Sie neu im Parlament sind, kann man das von Ihnen erwarten, Kollege!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Martin Delius (PIRATEN):Kaufen Sie immer die Katze im Sack?]

Danke schön! – Nun hat für die Fraktion der Grünen für die verbliebene Redezeit von vier Minuten und 24 Sekunden der Abgeordnete Mutlu das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gegenstand unserer heutigen Diskussion zeigt in aller Deutlichkeit und ist ein weiterer Beweis dafür, dass die KMK in ihrer Struktur und in ihrer Funktionsweise längst auf den Prüfstand gehört.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN – Beifall bei den PIRATEN – Martin Delius (PIRATEN): Jawohl!]

Diese KMK-Vereinbarung zeigt auch, dass die Damen und Herren der KMK-Bürokratie fern jeder Realität sind, indem sie einen Vertrag unterzeichnen, in dem eine Software genannt wird, von der bisher niemand konkrete Kenntnis hat. An dieser Stelle wundert es mich auch, dass der Datenschutzbeauftragte – bei allem Respekt, Herr Dix – einer Software eine Unbedenklichkeitsbescheinigung geben kann, deren konkrete Auswirkungen auf das Schulleben, auf die IT-Struktur der Schulen er nicht kennt.

Dem Dachverband der Schulbuchverlage ist es in der Tat – wie wir hier mehrheitlich gehört haben – gelungen, den Kultusministern der Länder einen Vertrag aufzuschwatzen, der Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler gleichermaßen unter Generalverdacht stellt, wie die Justizministerin Frau Leutheusser-Schnarrenberger richtigerweise feststellt. Ich sage an dieser Stelle: Geht es noch? Warum dieses Misstrauen?

Die Unterzeichner der Vereinbarung bezeichnen den Schultrojaner vornehm als – das sage ich bewusst – Plagiatssoftware und sagen, das sei keine Überwachungssoftware. Was tut denn diese Software? – Genau das, was unter Schultrojaner zu verstehen ist, sie späht die Computer der Schulen aus, ob irgendwo Urheberrechtsverletzungen stattgefunden haben. In der Tat ist es sehr schwierig, wie das die Kollegen von den Piraten auch betont haben, zu differenzieren. Wie diese Software genau vorgehen soll, stellt uns alle vor Fragen, die bisher niemand beantworten konnte. Die Konsequenz der Vereinbarung ist zweifelsohne – auch wenn es nicht zugegeben wird – eine Schnüffelsoftware mit höchstem Segen der KMK. Das ist ein Skandal!

[Beifall bei den GRÜNEN, bei der LINKEN und bei den PIRATEN]

Dass einige private Schulbuchverlage zur Wahrung ihrer eigenen wirtschaftlichen Interessen die Schul-EDV infiltrieren dürfen und die Computer der Lehrerinnen und Lehrer – wenn auch eingeschränkt – ausspähen dürfen, wollen und dürfen wir als Parlamentarier nicht akzeptieren.

Gemäß der Vereinbarung sollen die Schulbuchverlage ab dem nächsten Jahr eine eigene Schulschnüffelsoftware bundesweit auf die Schulcomputer installieren dürfen und nach rechtswidrigen Kopien aus den Schulbüchern oder ähnlichen Medien suchen können. Entdeckt einer dieser Schultrojaner eine sogenannte Raubkopie, sollten fernüberwachte Lehrkräfte disziplinarisch von ihren Dienstherren belangt werden. Das ist eine Klausel im Vertrag, die keiner von den Bildungsministern hätte unterzeichnen dürfen.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

An dieser Stelle darf die Frage erlaubt sein: Wer kontrolliert denn die Kontrolleure? Oder: Wie wird denn von der Schuladministration sichergestellt, dass die Plagiatssoftware nicht missbraucht wird? Mit welchen technischen und personellen Vorkehrungen, mit welchen Mitteln soll ein Bundesland, das pleite ist, dem vorbeugen? Welche Behörde ist konkret zuständig? Und auch das wissen wir nicht: Wie wird der Datenschutz gewährleistet?

[Sven Kohlmeier (SPD): Der Datenschutzbeauftragte!]

Ich frage mich auch – weil in diesem Vertrag kein Sonderkündigungsrecht für die Länder vorgesehen ist –, was passiert, wenn tatsächlich bei der Überprüfung der Software die Missstände entdeckt werden. Was passiert denn da? – Ich sehe keine Klausel, dass die Länder dann von diesem Vertrag zurücktreten können.

Interessant ist auch die Frage nach den Kosten. Bereits im Jahr 2011 hat die KMK vereinbart, Gebühren in Höhe von 7,3 Millionen Euro zu bezahlen. Die Länder sollen das bezahlen. Die Gebühren steigen sukzessive und werden im Jahr 2014 9 Millionen Euro bei gleichzeitigem Rückgang der Schülerzahlen betragen. Da frage ich mich auch, was da passiert ist!

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Ja, ich komme zum Schluss! – Bei der gesamten Debatte wird gänzlich außer Acht gelassen, welche Konsequenzen und Auswirkungen dieser Schultrojaner auf die Schulentwicklung und die Pädagogik vor Ort haben wird. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass sehr viele Lehrerinnen und Lehrer an dieser Stelle auf veraltete Materialien zurückgreifen werden, dass sie keinen Computer einsetzen