Der Antrag als solcher geht also in die richtige Richtung. Aber ich würde ihn gern noch weiter ergänzen: Bei geduldeten Kontoüberziehungen sollen die Banken verpflichtet werden, ihre Kunden auf günstigere Möglichkeiten der Kreditaufnahme hinzuweisen. In Frankreich wird beispielsweise so verfahren.
Dort wird nach einer dreimonatigen Überziehung automatisch an die Kunden ein Brief mit einem Angebot eines Kreditvertrags versendet.
Außerdem sehe ich als Problem auch das aggressive Anbieten des Dispokredits, selbst wenn gar nicht danach gefragt wird. Hier findet eine bewusste Verführung statt, die wieder besonders diejenigen trifft, die ohnehin wenig Geld zur Verfügung haben und auch keinen anderen Kredit bekommen. Man könnte auch so weit gehen und in dem Antrag zusätzlich fordern, diese Form der ungefragten Dispogewährung und -werbung zu untersagen.
Außerdem würde ich als Ergänzung gern noch eine Etablierung eines jährlichen Berichts der Bundesregierung anfügen, der die aktuelle Situation der Verbraucher in Bezug auf die eingeräumte und die geduldete Überziehung systematisch aufarbeitet und darstellt. Eine gemeinsame europäische Strategie wäre auch anzustreben.
Langer Rede kurzer Sinn: Ich habe jetzt viele Sachen vorgestellt. Lassen Sie uns einfach im Ausschuss darüber diskutieren und eine gemeinsame Lösung finden! Danke!
Vielen Dank, Frau Köhne! – Das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Abgeordnete Dr. Altug.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Das verbraucherpolitische Manko, das diesen Antrag der Linken erforderlich macht, ist schnell zusammengefasst: Ein Drittel der Bevölkerung nimmt Dispositions- und Überziehungskredite in Anspruch. Jeder Zehnte überzieht sein Girokonto mehrmals im Jahr. Alleinerziehende und Paare mit Kindern müssen häufiger auf ihren Dispokredit zurückgreifen als Singlehaushalte und Arbeitslose häufiger als Beschäftigte.
Einige Zahlen belegen, wie ungerecht dieses Geschäft ist. Im Juni 2012 betrugen die Schulden aus Überziehungskrediten 42 Milliarden Euro. Der Durchschnitt der Dispozinse in Deutschland lag im September 2012 bei 11,7 Prozent, in Einzelfällen bei über 15 Prozent. In Österreich lag der Dispositionssatz im Mai 2012 bei 5,5 Prozent, in den Niederlanden bei 6,6 Prozent. Unangemessen ist der von deutschen Banken verlangte Zinssatz aber auch, wenn man ihn mit dem Zinssatz von 0,75 Prozent vergleicht; zu diesem Zinssatz können die Banken Geld von der EZB leihen. Ich frage Sie: Ist das angemessen? – Ich sage nein.
Es stellt sich die Frage, wie diese Differenz von mehr als 10 Prozent von den deutschen Banken begründet wird. Das häufig genannte höhere Ausfallsrisiko dieser Kredite kann es nicht sein, es wird von den Banken selbst mit nur 0,2 Prozent angegeben. Tatsächlich werden die Erträge aus dem Dispogeschäft offenbar zur Gewinnsteigerung und zur Subventionierung anderer Leistungen verwendet. Dieser Gewinn beträgt im ersten Halbjahr 2012 mehr als 2 Milliarden Euro. Es kann aber nicht sein, dass Familien mit Kindern, Alleinerziehende und Arbeitslose über ihren Dispokredit die günstige Kontoführung finanzieren.
Ein weiteres Problem, über das wir reden sollten, ist die fehlende Transparenz der Dispozinssätze. Diese führt zu mangelndem Wettbewerb und Marktversagen. Nicht einmal die Hälfte der Banken veröffentlicht sie im Internet. Teilweise wird der Zinssatz von den Instituten regelrecht verschleiert. Da können wir nicht von Regelungen der freien Marktwirtschaft reden. Nur transparente Konditionen können jedoch dafür sorgen, dass sich das Zinsniveau bei Dispokrediten marktgerecht reguliert. Das zeigen die Beispiele wie Baufinanzierung und Ratenkredite. Die Banken sollten deshalb gesetzlich verpflichtet werden, die Dispozinssätze auch im Internet zu veröffentlichen. Wir vertrauen weder auf die berühmte unsichtbare Hand des Marktes noch auf das Versprechen der Kreditwirtschaft, mehr Transparenz zu prüfen. Daran haben wir
Zweifel. Stattdessen unterstützen wir die Forderung des Antrags, Dispo- und Überziehungskreditzinsen gesetzlich zu begrenzen. Das könnte z. B. nach der Senkung des Zinssatzes auf ein vertretbares Niveau durch eine Koppelung an einen Referenzzins erfolgen. Dass sich der Staat hier einmischen darf und muss, zeigt die in § 288 BGB geregelte Deckelung der Verzugszinsen.
Meine Bundestagsfraktion hat daher bereits 2010 einen Antrag eingebracht, in dem sie die Bundesregierung aufgefordert hat, eine gesetzliche Regelung vorzulegen. Auch wenn eine Entscheidung zugunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher Anfang des Monats im Bundesrat von der Union blockiert wurde, begrüßen wir es, dass das Thema nun erneut auf die Tagesordnung gesetzt wird. Wir sind gespannt, ob die Sozialdemokraten ihren Koalitionspartner von der Notwendigkeit einer Regulierung überzeugen werden können. Diese Regulierung wird von der SPD auf der Bundesebene, aber auch in Brandenburg zu Recht gefordert.
Vielen Dank, Herr Dr. Altug. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Rissmann das Wort. – Bitte sehr!
Verehrte Damen! Meine Herren! Ich nehme an, ich habe jetzt den Auftrag, ein bisschen Stimmung hier reinzubringen, weil sich ja alle einig sind.
[Christopher Lauer (PIRATEN): Tä, tä! – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Versuchen Sie es gar nicht erst!]
Das wäre ein bisschen langweilig, zumal wir heute schon so erheiternde Debatten hatten. Ganz so wird es nicht kommen, weil die Unterschiede vielleicht gar nicht so groß sind.
Die Linke hat hier ein Problem aufgegriffen, das eigentlich schon behandelt wird, wo es hingehört, nämlich im Deutschen Bundestag. Die Kollegin Köhne hat darauf hingewiesen, dass dort darüber eine Debatte geführt wird. Dort ist auch der richtige Ort dafür. Sie wissen auch, dass die Bundesministerin Aigner da schon tätig geworden ist
Ich denke auch, dass wir bei der Problembeschreibung schnell übereinstimmen. Natürlich ist uns allen bewusst, dass Dispositions- und Überziehungskredite zum Teil eine Zinsbelastung verursachen können, die gerade angesichts des momentan allgemein sinkenden Zinsniveaus kaum nachvollziehbar ist und gerade denjenigen, der solche Kredite in Anspruch nimmt, wohl oft vor Folgeprobleme stellt, die nicht gewollt sein können. Deshalb können wir natürlich auch in Berlin über dieses auf der Hand liegende Problem reden und gemeinsam nach Lösungen suchen, die dann letztendlich in einer Art deklaratorischem Antrag enden, der Bundestag solle tätig werden, oder man will über den Bundesrat etwas erreichen. Wenn Sie meinen, dass dieses Minibundestag-Spielen hier im Abgeordnetenhaus etwas bringt, kann man das tun. Was aus meiner Sicht dabei kaum gehen kann, ist staatliche Preis- und Zinsfestsetzungspolitik unter Ausschaltung des mündigen Bürgers, wie es sich erwartungsgemäß einfach und im Ergebnis, lieber Kollege Dr. Lederer, auch historisch unter Beweis gestellt, nutzlos ihre Fraktion hier vorgestellt hat.
Geschätzter Kollege Rissmann! Ich habe eine Frage an Sie bezüglich Ihrer Bemerkung zum kleinen Bundesrat, den wir hier spielen würden. – Wie können Sie sich erklären, dass ein Bundesland wie Sachsen-Anhalt, das bekanntlich von der Union geführt wird, die Initiative ergreift, eine solche Bundesratsinitiative einzubringen, wenn Frau Aigner und die Bundesregierung schon alles Erforderliche tun?
Lieber Kollege Dr. Lederer! Ich denke, Sie wissen genauso gut wie ich, dass sich diese Ereignisse zeitlich überschnitten haben.
Es ist nun nicht so, dass Sachsen-Anhalt tätig geworden ist, weil es der Auffassung war, dass der Bund, dass die zuständige Bundesministerin nicht oder falsch handeln würde, sondern – so wie ich es bereits gesagt habe – auch den Landesparlamenten fallen natürlich Probleme auf. Wenn man meint, damit die Bundesregierung über den Bundesrat anhalten zu können, bitte, kann man das tun.
Ich denke, wir werden in der Beratung, die wir hier führen, zu führen haben, abgrenzen müssen, bis wohin gewollter Verbraucherschutz gehen kann und wo unzulässige staatliche Eingriffe anfangen.
Herr Rissmann! Sie sprechen von mündigen Verbraucherinnen und Verbrauchern. – Ich frage Sie, wie Sie die Diskrepanz aus der Welt schaffen werden, dass nur ein Drittel der Kreditinstitute bereit ist, Informationen über ihre Zinssätze zu geben. Wie sollen die Verbraucherinnen und Verbraucher darüber entscheiden? Das möchte ich gerne von Ihnen wissen. – Danke!
Mündiger Bürger, Herr Kollege Dr. Altug, bedeutet, dass man selbstverständlich in die Lage versetzt sein muss, auf Grundlage von Informationen selbständig entscheiden zu können, was richtig und falsch ist. Das geschieht, indem der Bankkunde einen Vertrag unterzeichnet, in dem die notwendigen Informationen stehen müssen, sonst wäre ein Vertrag gar nicht zustande gekommen. Das kann Ihnen der Kollege Lux, der neben Ihnen sitzt, bestimmt erläutern. Das ist das Wesen von Vertragsschlüssen, sonst ginge das gar nicht.
Es geht Ihnen ja darum, auch erreichen zu wollen, die Leute besser aufzuklären, oder dabei zu helfen, dass Informationen besser und verständlicher werden. Geben Sie mir noch die Chance! Ich habe immer noch nicht den ersten Teil meiner Ausführungen hier abgearbeitet, weil Sie so viele Zwischenfragen stellen. Vielleicht beantwortet sich das auch von allein, wenn Sie mir kurz zuhören.
Wenn Sie wie wir einen mündigen, vernünftigen und selbstständigen Bürger sehen, dann stimmen wir darin
überein, dass es Aufgabe des Staats ist, ihn vor Ausuferungen des Marktes zu schützen, aber eben auch nur vor Ausuferungen. Den Rest übernimmt der Markt selbst. Ich hoffe, dass Sie da ein ähnliches Menschenbild wie wir haben, dann werden Sie auch sehen, dass es bereits Vorschriften gibt, die diese Ausuferungen des Marktes aufhalten und aufheben, beispielsweise bei Wucher, § 138 Abs. 2 BGB. Auf der Hand liegen sollte meines Erachtens auch, dass staatliche Eingriffe in die Zinsgestaltung wahrscheinlich nur zu einer Verlagerung des Problems führen würden. Kontoführungsgebühren, andere vergleichbare Kosten werden wahrscheinlich dann für die Gesamtheit der Verbraucher, die ja notwendigerweise Bankkunden sein müssen, steigen.
Es wird, denke ich, in der Ausschussberatung, die wir ja spannenderweise im Rechtsausschuss zu führen haben werden, darum gehen, diese von mir eben aufgezeigten Grenzen auszuloten und einen pragmatischen Weg zu finden, den Menschen in unserer Stadt zu helfen, ohne welt- und erfahrungsfremd nach Eingriffen des Staates zu schreien.
[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Das geht so was von an der sozialen Wirklichkeit vorbei, das ist ungeheuerlich!]
Vielen Dank, Herr Rissmann! – Für die Piratenfraktion hat der Abgeordnete Kowalewski das Wort – bitte sehr!