Protocol of the Session on September 27, 2012

Ein aktueller Vorgang, der ebenfalls zur Sprache gebracht werden muss, ist folgender: Seitdem die Akten in Berlin dem Parlament zugänglich sind, werden mehr und mehr Daten, die eigentlich vertraulich sind, öffentlich.

[Zuruf von den GRÜNEN: Das ist ja der Richtige!]

Es ist kein starkes Argument für das Einfordern von Transparenz bei Geheimvorgängen, wenn im Gegenzug keine Vertraulichkeit zugesichert werden kann.

[Beifall bei der CDU – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Wer hat denn mit dem „Tagesspiegel“ gesprochen? – Zurufe von den PIRATEN]

Das Parlament macht sich lächerlich – Sie sollten nicht alles glauben, was in der Zeitung steht! –,

[Lachen bei der LINKEN]

wenn es auf der einen Seite nach vertraulichen Informationen verlangt,

[Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN]

um angeblich Aufklärung zu betreiben – mein Mikrofon ist lauter als Ihr Geschreie! –, sich dann aber seinerseits an seinen Teil der Abmachung nicht hält.

Aber nicht nur der Senator wurde bei der Sache verleumdet, nicht nur das Ansehen des Parlaments wurde geschädigt, nein, nur um ihr parteipolitisches Süppchen zu kochen, ist es der Opposition auch egal, wenn sie einen Generalverdacht gegen alle Mitarbeiter der Polizei und der Verfassungsschutzbehörden ausspricht.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Aktenchaos, Verselbstständigung der Behörden, vollständige Inkompetenz – das sind noch eher die harmlosen Vorwürfe.

Natürlich ist es richtig: Fehler und Versäumnisse müssen aufgearbeitet werden. Aber richtig eklig wird es hingegen, wenn den Behörden in ganz Deutschland unterschwellig unterstellt wird, sie hätten gar kein Aufklärungsinteresse, sondern würden heimlich den NSU und seine Netzwerke decken. Welch absurder und perfider Vorwurf!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ausgerechnet diejenigen, die sich hier in Aufklärerpose als oberste Brandwächter aufspielen, sind die, die heimlich hintenrum mit dem Benzinkanister durch die Lande rennen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Oh! von den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Zurufe von den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Damit wird ein Vertrauens- und Flurschaden angerichtet, den wir vielleicht kaum noch reparieren können.

Darf ich ganz kurz darum bitten, dass wieder ein wenig Ruhe einkehrt, damit der Redner seine Rede fortsetzen kann? – Ich danke!

Außer der Linkspartei, die im Übrigen – aus meiner Sicht völlig berechtigt – selbst in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet wird, darf es hier eigentlich keinen geben, der daran ein Interesse haben kann. Aber offensichtlich erhoffen sich auch die Grünen politische Erfolge, wenn sie wieder in ihr mehr als 30 Jahre lang geübtes und wohleinstudiertes Muster des Polizeibashings zurückfallen.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE). Was ist denn mit Ihrer Festplatte?]

Was ist nun aber die Schlussfolgerung aus der bisherigen tagelangen Debatte, die mehr geschadet als genutzt hat? – Ich sage klar: Wir müssen die Diskussion wieder vom Kopf auf die Füße stellen und uns endlich wieder den richtigen Fragen zuwenden, nämlich: Was passierte tatsächlich 2002? Sind die Informationen damals weitergegeben worden, und hätten diese tatsächlich Einfluss auf die Ermittlungen gegen das Trio, das später als NSU bekannt werden sollte, nehmen können? Aber die sicherlich wichtigsten Fragen lauten heute: Was können wir für die Zukunft organisatorisch daraus lernen? Wie kann man die Führung der V-Personen verbessern? Wie müssen wir die Zusammenarbeit und Kommunikation der Behörden optimieren? Innensenator Frank Henkel setzt einen Sonderermittler ein, der mithilft, all diese Fragen zu beantworten.

[Zurufe von der LINKEN]

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat vor wenigen Tagen die bundesweite Neonazi-Datei in Betrieb genommen. Das sind konkrete Schritte in die richtige Richtung, und das dient der Aufklärung hundertmal mehr als wildes Alarmgeschrei.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Der Terror durch den NSU ist die schwerwiegendste Herausforderung für unseren Rechtsstaat seit dem Terror der RAF in den 70er- und 80er-Jahren. Alle, die mit Innenpolitik beschäftigt sind, haben hier eine besonders hohe Verantwortung, erst recht im Umgang mit der Wahrheit. Die Opposition hat bisher wider besseres Wis

sen und auch aus billigem Kalkül bei diesem Thema mit den Emotionen der Menschen gespielt und versucht, eine Kampagne auf dem Rücken derjenigen auszutragen, die bei Polizei, Innenverwaltung und Verfassungsschutz in einer besonderen Verantwortung stehen.

[Özcan Mutlu (GRÜNE): Sie haben gar nichts kapiert, was!]

Der Aufklärer jedoch sitzt hier vorne auf dem Platz des Innensenators, und auf den Oppositionsbänken sitzen nur die Aufreger. Deswegen sitzen sie dort in der Opposition auch völlig zu Recht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Herr Dr. Juhnke! Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, fordere ich Sie auf, beim nächsten Mal auf solche sprachlichen Bilder wie, hier würden einige mit dem Benzinkanister herumlaufen, doch bitte zu verzichten!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Jetzt hat für eine Kurzintervention Herr Abgeordneter Höfinghoff das Wort.

Herr Juhnke! Erstens: Waren Sie dabei, als in den entsprechenden Ermittlungsbehörden in Berlin Akten nicht geschreddert wurden? Sind Sie anwesend gewesen, da Sie das hier mit einer Inbrunst und einer Sicherheit verlauten lassen? Wenn ich mich noch ein bisschen an Staatstheorie zurückerinnere, dann ist eine der Hauptaufgaben der Legislative die Kontrolle der Exekutive. Sprich: Dieses Haus kontrolliert, was die Senatsbank und die dem Senat unterstellten Behörden tun und nicht tun.

[Beifall bei den PIRATEN]

Als kleine Ergänzung, um das doch noch mal aufzugreifen: Vielleicht weiß Herr Juhnke ja irgendetwas, von dem wir nicht wissen. Ich möchte ihn deshalb inständig zu Zivilcourage auffordern: Wenn Sie Erkenntnisse haben, dass ein Mitglied dieses Hauses irgendwo – total blöderweise – in der Stadt mit einem Benzinkanister herumlaufen sollte, dann bringen Sie das bitte zur Anzeige, oder hören Sie auf mit solchen dämlichen Anschuldigungen!

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Die Qualifizierung als „dämlich“ hätte jetzt vielleicht auch nicht sein müssen.

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Das passte aber ausnahmsweise! – Weitere Zurufe]

Herr Dr. Juhnke! Ich gehe davon aus, dass Sie antworten möchten.

Sie müssen mir schon zuhören! Ich habe gesagt: Für die Handlungen des Innensenators ist es klar, dass bezüglich der Frage, um die es ging, keine Akten geschreddert wurden, keine Akten vertuscht oder verheimlicht wurden. Für den Zeitraum davor bzw. die in Rede stehenden Vorgänge kann heute noch niemand abschließend beurteilen, was sich daraus noch ergeben wird. Aus diesem Grund hat Innensenator Henkel gehandelt und einen Sonderermittler eingesetzt.

Deshalb: Warten wir doch erst einmal diese Ergebnisse ab, um dann darüber zu reden! Aber Sie müssen mir dann schon zuhören und nicht die Dinge schon antizipieren bzw. das hineininterpretieren, was Sie gern heraushören möchten.

[Zurufe]

Ansonsten zu dem Rest, den Sie gesagt haben: Da glaube ich, haben Sie einen Clown gefrühstückt. Das finde ich sehr lustig, aber es hilft uns hier auch nicht weiter.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Dr. Juhnke! – Das Wort zu einer weiteren Kurzintervention hat die Abgeordnete Frau Pop. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte es kurz machen: Ich möchte Herrn Juhnke fragen, was er genau damit gemeint hat, als er sagte, dass diejenigen, die hier für Aufklärung sorgen wollen und die Aufklärung einfordern, nachts heimlich mit dem Benzinkanister durch die Stadt ziehen würden. Wen genau von den Kollegen hier im Saal haben Sie damit gemeint, und wie ist diese Aussage zu verstehen, sehr geehrter Herr Juhnke?

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Herr Dr. Juhnke! Sie haben das Wort zur Antwort.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Sagen Sie doch einfach, wen Sie meinen! – Christopher Lauer (PIRATEN): Namen! – Zuruf von den GRÜNEN: Entschuldigen Sie sich einfach!]

Sehr geehrte Frau Kollegin Pop! Sie werden verstanden haben, dass es sich dabei um ein Bild und nicht um jemanden handelt, der tatsächlich mit einem Benzinkanister durch die Gegend rennt.