Protocol of the Session on September 27, 2012

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Jetzt erteile ich dem Kollegen Harald Wolf das Wort zu einer weiteren und damit zweiten Kurzintervention. – Bitte schön!

Da der Kollege Stroedter in die Historie gegangen ist, will ich einen Beitrag zur historischen Wahrheit leisten. Erstens: Natürlich existiert die Ausgleichsverpflichtung

(Heidi Kosche)

nach § 23 Abs. 7 solange, solange die Verträge gültig sind. Veolia hat, wie dem Parlament mitgeteilt wurde, dem Land Berlin zu den gleichen Optionen wie RWE eine Calloption angeboten. Wenn die Koalition der Auffassung ist, dass es wirtschaftlich ist, die RWE-Anteile zurückzukaufen, dann gilt das Gleiche für die VeoliaAnteile. Ich frage mich: Weshalb nutzt man nicht diese Calloption, hat hundert Prozent, ist am nächsten Tag heraus aus der Ausgleichsverpflichtung und kann die Kalkulation der Berliner Wasserbetriebe auf eine neue Grundlage stellen? – Das ist die erste Anmerkung von meiner Seite.

[Beifall bei der LINKEN]

Zweitens: Es mag ja sein, Kollege Stroedter, dass Sie nichts davon mitbekommen haben, was in diesen zehn Jahren alles versucht wurde. Bei all dem, was in diesem Antrag steht – außer der Änderung des Betriebegesetzes, weil das wirklich Ausgleichspflichten ausgelöst hätte –, bei der Frage der Abschreibung habe ich mehrfach einen Vorstoß gemacht, der von sozialdemokratischen Finanzsenatoren und den Privaten blockiert worden ist, weil sie gesagt haben: Das reduziert den Cashflow.

Außerdem ist die Änderung der Bewertung der Sonderposten – wo es darum geht, ob Zuschüsse, die an die Berliner Wasserbetriebe gegeben werden, zugunsten der Tarifkunden aufgelöst werden – von den privaten Anteilseignern und von sozialdemokratischen Finanzsenatoren verhindert worden, weil es den Cashflow reduziert.

Drittens: Was das Kartellamt angeht, so habe ich zwar von Ihnen, Herr Stroedter, Unterstützung bekommen, aber von vielen Sozialdemokraten nicht. Es gab sogar Senatoren, die beim Vorstand der Berliner Wasserbetrieben angerufen und ihm mitgeteilt haben: Wenn ihr nicht klagt, dann kommt ihr in Regress. – Es wurde also direkt dagegengearbeitet. Auch das muss hier einmal gesagt werden, wenn hier solche Redebeiträge gehalten werden. Es muss einmal richtiggestellt werden: Es hat zu keiner Zeit wirklich Unterstützung von der Sozialdemokratie bei einer Änderung der Berliner Wasserbetriebe gegeben, auch bei dem nicht, was möglich gewesen wäre. Weder bei der Frage des Kartellamts noch bei den Fragen, die unterhalb dessen veränderbar gewesen wären, gab es Unterstützung. Insofern brauchen wir uns nicht zu schämen, wenn wir heute diese Anträge stellen. Es wäre schön, wenn es jetzt auch von sozialdemokratischer Seite Unterstützung dafür gäbe – im Gegensatz zu dem, was in der Vergangenheit der Fall war.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Danke schön, Herr Kollege Wolf! – Herr Kollege Stroedter, Sie haben noch einmal die Möglichkeit zu erwidern – und Sie nehmen diese Möglichkeit wahr. Bitte schön, Sie haben das Wort!

[Zurufe von der LINKEN]

Mensch, Kinder, habt ihr so eine Angst vor der Antwort von drei Minuten, dass ihr schon schreien müsst? Ich mache es ganz kurz.

Kein einziger dieser Vorschläge, lieber Harald Wolf, ist jemals in einer Koalitionsrunde von SPD und Linken eingebracht worden.

[Martina Michels (LINKE): Da waren Sie immer dabei!]

Ja, da war ich immer dabei! – Kein einziger Vorschlag ist da jemals eingebracht worden.

[Zurufe von der LINKEN]

Beruhigt euch doch mal ein bisschen! Ihr seid wirklich außer Rand und Band! Einfach mal zuhören!

[Uwe Doering (LINKE): Ich bin ganz cool!]

Waren Sie denn in den Koalitionsrunden dabei? – Also auch nicht.

Kein einziger dieser Vorschläge ist eingebracht worden. Heute ist es so, dass wir die Chance haben, einmal die Anteile zurückzukaufen und zum Zweiten den Berlinerinnen und Berlinern tatsächlich eine Preissenkung zu bieten. Das schlägt die Koalition vor, und da bitten wir um Ihre Unterstützung, statt dass Sie Vorschläge machen, die rechtliche Probleme bringen, unausgegoren sind und aus meiner Sicht in dieser Form gar nicht gehen.

Das ist der Vorwurf, den ich Ihnen mache. Die Vergangenheitsbewertung kann jeder für sich betreiben. Man muss dann so realistisch sein zu sehen, was in den letzten fünf Jahren passiert ist. Das ist aber von Ihrer Seite in keiner Weise geschehen. – Danke sehr!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank! – Wir fahren in der Rednerliste fort. Ich erteile der Kollegin Kosche von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. – Bitte schön!

[Zuruf: Sind Sie auch aufgeregt?]

Nein, ich bin nicht aufgeregt! Ich finde diese Beziehungsbewältigung ja interessant. Aber meine Empfehlung wäre: Es gibt gute Filme, die aktuell anlaufen. Ich glaube, die sind unterhaltsamer und spannender, als sich die Vergangenheitsbewältigung hier anzuhören, zum Beispiel einen mit Meryl Streep. Ich habe schon die Vorschau gesehen. Der ist wirklich toller und besser.

[Beifall bei den GRÜNEN]

(Dr. Klaus Lederer)

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte vorab eine Bemerkung an die Linke zu den drei Anträgen machen, die heute hier vorliegen: Diesen Gemischtwarenladen von drei Anträgen, von einer Novelle des Betriebegesetzes bis zur künftigen Ausrichtung der Berliner Wasserbetriebe, in fünf Minuten abzuarbeiten, ist der Sache nicht angemessen und lässt mich wirklich an Ihrer Ernsthaftigkeit zweifeln. Es rettet Sie nur – und das auch nur ein bisschen –, dass es sich hier um die Einbringung dieser Anträge handelt.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Zur Novelle des Berliner Betriebe-Gesetzes, Erste Lesung: Noch bei der letzten Novelle hat die Linke behauptet, dass die von ihr favorisierte Tarifformel kein Preistreiber bei steigenden Wasserpreisen sei. Ex-Senator Wolf war damals stolz auf die Einführung der sogenannten Obergrenze, die aber in Wirklichkeit eine Öffnungsklausel nach oben bei der Berechnung der Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals ist. Jetzt ist es amtlich: Die Trinkwasserpreise in Berlin sind missbräuchlich zu hoch. Eine der zentralen Stellschrauben für die explodierenden Wassertarife ist die damals im Berliner Betriebegesetz verankerte Berechnungsformel der Wassertarife, vor allem mit ihrer nach oben hin offenen Öffnungsklausel – eben genau das, was die Linke wollte und ins Gesetz geschrieben hat und was dem Ex-Senator so wichtig war.

Meine Kollegin Lisa Paus hat dagegen eine klare Regelung für die kalkulatorische Verzinsung vorgeschlagen und dagegengesetzt. Diese Regelung hätte sich der Zinsentwicklung insgesamt angepasst und die Wasserpreistreiberei verhindert. Leider wurde sie von Rot-Rot abgelehnt.

Die Novelle des Berliner Betriebe-Gesetzes, die jetzt vorgeschlagen wird, soll hinsichtlich der Verzinsung eine Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdkapital einführen. Diese Idee verfolgt mit der Orientierung an den derzeit niedrigen Kapitalmarktzinsen eine richtige Absicht, hält jedoch bei der Verzinsung des Eigenkapitals an der überhöhten Zinsregelung mit der Öffnungsklausel nach oben fest. Damit wird den Wasserkunden weiterhin eine viel zu unbestimmte und damit rechtswidrige Zinslast zugemutet.

Nebeneffekt dieser Regel ist, dass die Berliner Wasserbetriebe gezwungen werden, auf Eigen- wie auf Fremdkapital den gleichen Zinssatz anzuwenden. Das hat zur Folge, dass es einen erheblichen Zusatzprofit gibt, den die Berliner Wasserkunden bezahlen. Auch das hat das Bundeskartellamt analysiert, und es ist in der Analyse nachzulesen.

Ich sage es hier noch einmal ganz deutlich für meine Fraktion und die Fraktion der Piraten: Uns ist diese linke Schraube der Wasserpreispolitik immer ein Dorn im Auge gewesen, und wir sind der Meinung, dass sie ge

setzwidrig ist. Deswegen werden wir auch gemeinsam dazu vor Gericht gehen.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Zu dem zweiten Antrag, der vorgeschlagenen Änderung der Wassertarifverordnung bezüglich einer tarifmindernden Berücksichtigung der Sonderposten, der Baukostenzuschüsse und der Wiederbeschaffungszeitwerte-Rücklagen: Das sind im Prinzip richtige Forderungen, denen wir uns anschließen könnten. Aber auch hier muss die Frage gestellt werden: Warum sind diese Maßnahmen nicht früher angegangen und umgesetzt worden?

Zum dritten Antrag: Dass es an einem nachhaltigen wasserpolitischen Konzept für die Berliner Wasserbetriebe und die Region Berlin-Brandenburg gerade angesichts des Klimawandels fehlt, hat meine Kollegin Felicitas Kubala immer wieder vorgetragen. Sie hat es im Umweltausschuss und hier im Parlament gesagt. Die Linke wollte solch ein Konzept nicht, sondern war mit dem Wasserversorgungskonzept 2040 – Frau Lompscher, Sie erinnern sich – zufrieden und hat deswegen unsere Bemühungen, ein solches Konzept anzugehen, zu erstellen, abgelehnt. Trotzdem werden wir die Novelle und die beiden Anträge, die hier heute von den Linken vorgelegt wurde, wohlwollend begleiten und werden uns konstruktiv bei den Beratungen in den Ausschüssen dazu einlassen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Kosche! – Es gibt eine Kurzintervention des Kollegen Dr. Lederer. – Bitte sehr, Sie haben das Wort!

Liebe Frau Kosche! Das stimmt natürlich. Bestimmte Dinge hätten eigentlich viel früher passieren müssen, wenn wir nicht in der Situation gewesen wären, tatsächlich die Ausgleichspflicht nach § 23 Abs. 7 aufzurufen. Die anzuknacken ist uns tatsächlich erst möglich, seit wir über die Kartellamtsverfügung verfügen, die eindeutig sagt, dass die bundesrechtliche Senkung der Wasserpreise nötig ist und keine Ausgleichspflicht nach § 23 Abs. 7 besteht.

Insofern kann man über die Frage, ob die von uns vorgeschlagenen Regeln die richtigen sind, gern diskutieren. Dazu sind wir bereit. Ob man das mit einem Mischzinssatz oder einem gespaltenen Zinssatz macht, darüber kann man reden. Ich erwarte aber von allen Fraktionen im Haus, dass sie ihre Vorstellungen dafür auf den Tisch legen, was die geeignete Form sein kann. Dann kann man schauen, worauf man sich einigen kann.

(Dr. Michael Garmer)

Das Wasserwirtschaftskonzept 2040 ist etwas anderes als das, was wir hier wollen. Wir wollen – das ist auch deutlich –, wenn RWE und Veolia weg sind, darüber reden, und zwar mit Beschäftigten, Initiativen und Verbänden in der Stadt, was die Perspektive sein soll.

[Zuruf von Heidi Kosche (GRÜNE)]

Es war doch bisher völlig klar, Frau Kosche: In dem Augenblick, in dem ich Veolia und RWE im Haus und keine unternehmerische Führung habe, kann ich zwar über all das reden, aber nicht umsetzen. Deswegen reden wir doch über Rekommunalisierung und Zurückgewinnung des Einflusses auf die Berliner Wasserbetriebe. Warum es nicht früher geschehen ist, habe ich gesagt. Früher gab es keine Kartellamtsverfügung. Jetzt haben wir die Grundlage dafür, über all diese Fragen tatsächlich ernsthaft reden zu können, wenn der politische Wille dafür existiert. An der Stelle möchte ich mich noch einmal kurz dafür entschuldigen, dass wir vorhin eine Schärfe in meine Reaktion auf Herrn Stroedter eingebracht haben. Das tut mir leid. Eines ist an dieser Stelle nicht wirklich hilfreich: Das ist Selbstgerechtigkeit. Das ist wohl war. Entschuldigen Sie bitte. Trotzdem glaube ich, dass eines legitim ist: Von den zwei Koalitionsfraktionen, die sich hinstellen und sagen, sie würden in nächster Zeit den Wasserpreis senken, erwarten wir wenigstens die Antwort, wie das Ganze vonstatten gehen soll, wenn es denn als große Botschaft in die Welt geblasen wird. Mir ist es bislang nirgendwo erzählt worden und daher nicht klar.

[Jörg Stroedter (SPD): Ist alles erzählt worden!]

Nein, mir ist es nicht klar, und Sie haben es eben auch nicht noch einmal vorgestellt, sondern sich an uns und an Herrn Wolf abgearbeitet, aber nicht gesagt, was Sie eigentlich wollen.

Herr Dr. Lederer, Sie müssen auf Frau Kosche eingehen. – Danke schön! Die Entschuldigung ist angekommen. – Dann erteile ich jetzt für die CDU-Fraktion dem Kollegen Dr. Garmer das Wort. – Bitte sehr!