Protocol of the Session on September 13, 2012

Um Ihre Gedächtnislücken zu schließen, will ich auch über all die Menschen reden, die nach der Gründung der Bundesrepublik und nach der Verabschiedung des Grundgesetzes in unser Land gekommen sind und es mit aufgebaut haben – darunter auch meine Eltern. Diese Menschen wollen nicht in einer Einbürgerungsfeier, die von einer solchen CDU-Haltung dominiert ist, gefeiert werden.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Als ich gelesen habe, dass die CDU die Priorität Einbürgerungsfeier auf die Tagesordnung gesetzt hat, habe ich mich wirklich gefragt: Was mag dahinter gestanden haben? Dann erschloss sich mir relativ schnell: Stimmt, da stand etwas in der Koalitionsvereinbarung, in einem Punkt wollte auch die CDU migrationspolitisch positiv dastehen. Das ist das Einbürgerungsthema, das haben Sie

bei unserer Debatte zum kommunalen Wahlrecht hier ausgeführt. Ich habe nach Ihrer Rede heute und diesem Antrag den Eindruck, dass Sie das Thema abgearbeitet haben.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Es wäre doch wirklich bei näherem Nachdenken auch möglich, mit einer Haltung, so wie Sie sie hier vorgetragen haben – deutschdominiert, ausgrenzend – sich anzuschauen, was bei der Einbürgerung wirklich die Themen sind. Schauen Sie sich die Zahlen in der Antwort auf meine Kleine Anfrage an! Da wird deutlich, wie groß die Diskrepanz zwischen den auf Einbürgerung gestellten Anträgen und denen ist, denen tatsächlich stattgegeben wird. Da liegen die eigentlichen Probleme. Weshalb werden weniger Menschen eingebürgert, als es beantragt wird? Warum haben wir denn diskriminierende Gesetze, die die Einbürgerung nur unter hohen Hürden zulassen? Dafür tragen Sie im Bund die Verantwortung. Dort sollten Sie erst einmal ansetzen, bevor Sie hier ans Feiern denken.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Ich frage Sie: Was haben Sie dafür getan, was haben Sie den Menschen auf dem Weg zur Einbürgerung an Unterstützung gegeben, dass Sie denken, sie wollten unbedingt mit Ihnen feiern? Dann frage ich die SPD-Fraktion, weshalb sie solch einen Antrag mit unterschrieben hat und dafür sorgen will, wo doch in drei Bezirken, in denen die SPD mittlerweile regiert, gerade keine Einbürgerungsfeiern stattfinden. Es wäre sinnvoll, in die Antwort auf die Kleine Anfrage zu schauen, in der der Senat sagt, er sei der Ansicht, das, was in den Bezirken erfolgreich gemacht wird, funktioniere ganz gut. Weshalb wollen Sie hier darüber hinaus eine Einbürgerungsfeier? Das hat sich mir nicht aus dem Text erschlossen. Und nach Ihrer Rede, sehr verehrter Herr Kollege Dregger, wäre es mir wirklich lieber, die Migrantinnen und Migranten, die sich hier einbürgern lassen, müssten sich nicht auch noch eine Einbürgerungsrede von Ihnen anhören. – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Becker das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Bayram! Warum sollten wir keine Einwanderungsfeier wollen?

[Hakan Taş (LINKE): Wegen Herrn Dregger!]

Es geht hier um einen Prüfauftrag. Aktuelle Zahlen für Berlin lassen hoffen. Nach rückläufigen Einbürgerungen seit 2008 stieg dieser Wert im letzten Jahr wieder deutlich an. In Zahlen: Rund 7 500 Einbürgerungen im Jahr 2011 stehen rund 5 500 im Jahr 2010 gegenüber. Das ist erfreulich und integrationspolitisch gewollt.

Berlins Integrations- und Migrationspolitik ist seit Jahren vorbildlich und strahlt in die gesamte Bundesrepublik aus, mit dem Partizipations- und Integrationsgesetz, der Kampagne „Berlin braucht dich“ oder dem Prozess der interkulturellen Öffnung der Verwaltung. Auch mit der Aufwertung der Stelle der Berliner Integrationsbeauftragten

[Fabio Reinhardt (PIRATEN): Ha, ha! – Hakan Taş (LINKE): Aufwertung? Wo denn bitte?]

wird die besondere Bedeutung des Politikfeldes sichtbar.

Einbürgerungsraten sind ein wichtiger Indikator für die gesellschaftliche Integration. Wir als SPD-Fraktion sind uns sicher: Wenn wir mehr Bürgerinnen und Bürgern die vollen Staatsbürgerrechte, sowie das volle aktive und passive Wahlrecht einräumen, dann werden sie besser teilhaben, stärker integriert sein und sich mehr dazugehörig fühlen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein! – Der eingangs genannte Berliner Wert liegt über dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Er ist ein erfreulicher Trend und zeigt, dass Menschen bereit sind, sich einbürgern zu lassen, vor allem dann, wenn man aktiv wirbt. Das haben wir immer getan, im Gegensatz zu Ihnen, liebe Grüne, die immer nur von einer besseren Welt reden, ja reden, aber tatkräftig nirgends etwas hinbekommen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Viele Studien belegen den positiven Zusammenhang von Arbeitsmarkterfolg und Staatsbürgerschaft.

[Zuruf von Wolfgang Brauer (LINKE)]

Eingebürgerte sind besser ins Erwerbsleben integriert. Nachteile und Diskriminierungen sind deutlich geringer, die Mobilität ist höher. Insgesamt sind sie vergleichsweise bessergestellt, weil sie höhere Bildungsabschlüsse erreichen und mehr Erfolg am Arbeitsmarkt haben als nicht eingebürgerte Migrantinnen und Migranten, so eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung aus dem Jahr 2008. Das ist eine wichtige Information, wenn wir uns die hohe Erwerbslosenzahl unter den Migrantinnen und Migranten anschauen und sie mit den

bürokratischen Barrieren für den Erwerb bzw. die Beibehaltung von Staatsbürgerschaft und Bürgerrechten in Verbindung bringen. An dieser Stelle verbleiben Widersprüche, obwohl Einbürgerung doch allseits gewollt ist.

Die Koalition, insbesondere die SPD-Fraktion, hat sich in den Haushaltsberatungen im Frühjahr nachdrücklich dafür eingesetzt, die Einbürgerungskampagne weiter auszubauen. Wir wollen Einbürgerung und werben aktiv dafür.

Das Land Berlin kann den Rahmen der Bundesgesetze derzeit nicht allein ändern. Integrationspolitisch wünschen wir als SPD, dass die Optionspflicht für Jugendliche mit Erreichen der Volljährigkeit wegfällt, und dass eine erleichterte Mehrstaatigkeit hingenommen werden kann. Zur ganzen Wahrheit gehört dann nämlich, dass nicht politische oder ideologische Gründe die Ursache für Einbürgerungshemmnisse sind, sondern schlicht die Unmöglichkeit der Mehrstaatigkeit. Deshalb werben wir trotz der Ablehnung der Bundesratsinitiative der SPDgeführten Länder im November 2011 weiter für die Reformierung des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Einbürgerung muss weiter erleichtert und administrative Barrieren müssen beseitigt werden. Diese Barrieren können nur durch proaktives Wollen und Handeln der Bundesregierung abgebaut werden. Da ist sich sogar die schwarzgelbe Koalition auf Bundesebene einig, wenn ich den Koalitionsvertrag an der Stelle richtig interpretiere.

Zum vorliegenden Antrag: Es ist der gemeinsame Wille der rot-schwarzen Koalition, einmal jährlich neben den bezirklichen Feiern eine Einbürgerungsfeier im Abgeordnetenhaus von Berlin durchzuführen, die als ein sichtbares Zeichen von Zugehörigkeit, Teilhabe und Vielfalt in der Einwanderungsstadt Berlin verstanden werden soll. Mit der feierlichen Anerkennung von Einbürgerung leisten wir einen kleineren, aber gut sichtbaren Beitrag und heißen neue deutsche Staatsangehörige herzlich willkommen. Wir laden mit diesem Zeichen der Willkommenskultur Menschen ein, sich für die deutsche Staatsbürgerschaft zu entscheiden. Abschließend betone ich, dass Einbürgerung mehr ist als Symbolik und Verwaltungsakt. Ich beende meine Rede mit einem Zitat des großen Europäers Helmut Schmidt:

Einbürgerung gehört nicht zum weiten Kreis der Integration, sondern ist ihr fundamentaler Ausdruck.

So sprach er auf unserem Bundesparteitag im letzten Jahr.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition! Bitte unterstützen Sie den Prüfauftrag der Koalition und lassen Sie uns gemeinsam darüber abstimmen! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Kollege Taş das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dregger! Aufgrund der Rede, die Sie hier heute gehalten haben, werden sich alle Menschen erneut überlegen, ob sie sich einbürgern lassen wollen oder nicht, vom Feiern ganz abgesehen.

Wir dürfen nicht vergessen, wie das Leben der Menschen vor, während und nach der Einbürgerung verläuft. Vor und nach der Einbürgerung erleben sie die allen Realitäten zum Trotz geführte Diskussion über angebliche Integrationsverweigerung, einseitige, ethnisch begründete Vorwürfe, Diskriminierung, Rassismus und rassistische Gewalt. Das ist die Realität auch in Berlin, Herr Dregger!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Ajibola Olalowo (GRÜNE)]

Wir haben bereits deutlich gemacht, dass wir diesem Vorschlag grundsätzlich positiv gegenüberstehen, und haben auch im Hauptausschuss den hierfür vorgesehenen Finanzmitteln zugestimmt. Es ist durchaus ein besonderes Zeichen der Anerkennung, wenn neben den bezirklichen – ich möchte noch einmal betonen –, neben den bezirklichen Einbürgerungsfeierlichkeiten eine Feier auf Landesebene im Berliner Parlament durchgeführt wird.

Ich komme bereits jetzt zum Schluss, da bereits alles zu diesem Antrag gesagt wurde. Eine zentrale Einbürgerungsfeier im Berliner Abgeordnetenhaus ist sinnvoll, aber der Berliner Senat und die Berliner Bezirke sollten im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Kompetenzen dafür sorgen, dass das Einbürgerungsverfahren nicht zum Spießrutenlauf wird, sondern bereits während des Verfahrens eine Willkommenskultur etabliert wird.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Für die Piraten spricht jetzt der Kollege Reinhardt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dregger! Sie wissen, dass wir im Ausschuss diesem Antrag zugestimmt haben. Allerdings haben Sie uns noch einmal richtig deutlich zum Grübeln gebracht.

[Beifall von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Möglichweise haben Sie recht, es ist ein Prüfauftrag. Ich weiß, dass dieser Prüfauftrag an den Präsidenten und

nicht an Sie gerichtet ist. Wenn das so wäre, müsste ich noch einmal nachdenken. Bei Herrn Wieland ist er jedoch in guten Händen. Sie würden die Einbürgerungsfeier vermutlich so gestalten, dass etwas von Varus und den Cheruskern erzählt würde. Das sei noch einmal dahingestellt.

Die Einbürgerung in das Zentrum der Integrationspolitik der rot-schwarzen Koalition zu rücken, halte ich an dieser Stelle für interessant. Mich interessiert, warum Sie nicht schon Initiativen gestartet haben, um Einbürgerung in Berlin voranzutreiben, wenn Sie außer Einbürgerung nicht viel anzubieten haben. Von Ihrer Fraktion kam ja integrationspolitisch noch nicht viel. Man könnte darüber sprechen, ob da etwas getan werden kann, und nicht nur, wie Sie selbst sagten, Symbolpolitik betrieben wird.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

186 Nationen sind eine Menge in Berlin. Die Werte sind aber nicht von der Nationalität abhängig. Wir müssen den Menschen nicht eine bestimmte Nationalität aufdrücken, damit sie sich in Berlin heimisch fühlen, sich in Berlin einbringen und damit sie in Berlin vielleicht auch einmal wählen können, was beispielsweise die rot-schwarze Koalition in dieser Legislaturperiode verhindert hat. Damit sie sich wohlfühlen und partizipieren können und sich den Berliner Werten zugehörig fühlen, ist dies nicht notwendig.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Herr Dregger, Ihr Antrag lässt einige Fragen offen. Wie schon angeführt, gibt es in den meisten Bezirken Berlins, die dafür zuständig sind, Einbürgerungsfeiern. In mehreren Bezirken gibt es aber noch keine Einbürgerungsfeiern. Dort stellt sich schon die bereits aufgeworfene Frage, ob man vielleicht zunächst dazu übergeht, die Einbürgerungsfeiern in den Bezirken zu vervollständigen. Die Kleine Anfrage Ihres Kollegen Joachim Krüger von März dieses Jahres beschäftigte sich speziell mit den bezirklichen und zentralen Einbürgerungsfeiern und hatte noch einmal die Zahlen abgefragt. Danach wurde beispielsweise für den Bezirk Spandau vom Senat geantwortet, dass von den bis dahin eingebürgerten Personen alle, zu 100 Prozent – 2011 waren es 443 Personen – an den Einbürgerungsfeiern teilgenommen haben. Das ist doch eine schöne Zahl. Ich frage mich nur, wie Sie 7 500 Menschen in dieses Haus hineinbekommen wollen. Da haben Sie sich organisatorisch schon einiges vorgenommen. Ich bin gespannt, wie Sie das hier organisieren und wie Sie Herrn Wieland darin unterstützen, das Buffet ein wenig zu erweitern.

Ansonsten fand ich in der gleichen Antwort auf die Kleine Anfrage auch interessant, dass der Senat selbst sagt, dass die Einführung einer zentralen Einbürgerungsfeier nicht befürwortet wird. Allerdings befürwortet der Senat

Initiativen, die darauf ausgerichtet sind, eine zentrale Feier im Sinne eines Willkommensgrußes zu veranstalten. Wenn es eine Willkommensfeier gibt, soll es so sein. Die genaue Art und Weise der Veranstaltung ist noch unklar und wird vermutlich auch durch den Prüfauftrag geklärt. Insofern können wir uns dem auch anschließen. Als Prüfauftrag können wir den Antrag unterstützen. Herr Dregger! Der historische Abriss, den ich als Historiker immer noch sehr interessant finde, wirkt an dieser Stelle doch sehr deplatziert.