Protocol of the Session on September 13, 2012

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag Drucksache 17/3000 empfiehlt der Arbeitsausschuss mehrheitlich gegen die Grünen die Annahme. Wer dem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der Piraten, der CDU, der SPD und der Linken. Gegenstimmen? – Die Grünen. Enthaltungen kann es dann keine geben und sehe ich auch nicht. – Doch, es gibt eine Enthaltung bei den Piraten. Damit ist der Antrag angenommen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.5:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Tagesordnungspunkt 10

Konsequenzen aus dem Flughafen-Debakel (I): Ombudsstelle einrichten und Finanzhilfen für existenzbedrohte Unternehmen bereitstellen!

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Forschung und Technologie vom 11. Juni 2012 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 29. August 2012 Drucksache 17/0483

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0344

hierzu:

Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0344-1

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der Grünen mit Frau Ludwig. – Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben am heutigen Tag schon einiges über

die Erfolgsgeschichte BER hören können. Geschichte liegt bekanntlich in der Vergangenheit. War es das schon? War das auch schon die Erfolgsgeschichte für die zahlreichen Unternehmer, die sich bei Ihrem Jobwunder engagiert haben? Mir hat noch kein Unternehmer gesagt, dass seine Investition am BER eine erfolgreiche Geschichte war. Das Gegenteil ist der Fall. Mir sitzen zunehmend von Berlin und seiner Wirtschaftskompetenz frustrierte Unternehmer gegenüber. Alle erzählen mir die gleiche Geschichte, die wahrlich mit Erfolg wenig zu tun hat. Vollmundige Versprechen und die gezielte Umwerbung gerade kleiner und mittlerer Unternehmen haben dazu geführt, dass zahlreiche Unternehmen eine kreditfinanzierte Investition in teils hoher sechsstelliger Höhe getätigt haben. Die Banken dieser Unternehmen glauben nicht mehr an das Märchen von Herrn Wowereit und seiner Erfolgsgeschichte. Die wollen jetzt knallhart Zinsen, Tilgung und vor allem eine Sicherheit für die Zukunft.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Von weiteren Investitionen vielleicht an anderen zukunftsträchtigen Standorten können diese Unternehmer jetzt nur träumen. „Ach so, Sie sind BER-Unternehmer“, dieser Makel haftet schon jetzt an den einst so engagierten Händlern, Gastronomen und Dienstleistern. Das war eben ein Originalzitat.

Wie haben Sie es doch vollmundig versprochen, Herr Wowereit – den ich nicht sehe, der auch nicht im Saal ist. Doch, er unterhält sich dort hinten –, beispielsweise am 10. Mai hier im Plenum, dass wir unbürokratische Lösungen und Entschädigungen für diese Firmen finden, die sich auf die Planung verlassen haben. Es waren Ihre Worte, Herr Wowereit, wir brauchen unbürokratische Lösungen für Entschädigungen für diese Firmen, bitte keine Klagewellen zu provozieren, sondern vielmehr unbürokratisch auf die Firmen zuzugehen. Ich zitiere noch einmal aus einer Pressemitteilung, dieses Mal der CDUFraktion vom 22. Mai:

Für Gewerbetreibende, die aufgrund der verspäteten Eröffnung unverschuldet in wirtschaftliche Not geraten sind, soll der Senat einen Hilfsfonds einrichten, der unbürokratisch Möglichkeiten zur Schadenminimierung bzw. Hilfeleistung realisiert. Bestehende Haushaltstitel für Entschädigungen oder Ersatzleistungen können auch zu diesem Zweck genutzt werden.

Dieser Text könnte original aus unserem Antrag stammen. Er stammt vermutlich auch aus einer Vorform. Ich weiß nicht, woher Sie das haben. Umsetzen tun Sie den Text aber nicht.

Diesen Antrag von uns, der konkret fordert, eine Ombudsstelle einzurichten und konkret einen Fonds für unbürokratische Hilfen aufzulegen, haben Sie im Haupt- und im Wirtschaftsausschuss jeweils abgelehnt. Ich frage

mich, reflektieren Sie eigentlich ab und zu Ihre politischen Aussagen und Ihr tatsächliches Handeln, liebe Kollegen aus der CDU-Fraktion?

[Sabine Bangert (GRÜNE): Nein!]

Heute schreiben wir den 13. September 2012. Vier Monate sind seit den vielen Versprechungen vergangen. Noch immer warten die Unternehmer auf die schnelle, unbürokratische Hilfe, wie jeder von Ihnen in den letzten Tagen erneut in den Zeitungen lesen konnte. Dafür wurde in der Zwischenzeit die Erfolgsgeschichte des Flughafens um ein weiteres halbes Jahr verschoben, auf Ende Oktober 2013.

Heute haben Sie einen Nachtragshaushalt über 444 Millionen Euro beschlossen. Aber ein Posten für Zahlungen an Unternehmer wird dabei nicht erwähnt. Warum nicht, frage ich mich, wo Sie doch selbst von diesem Fonds geredet haben, wo Sie doch selbst vollmundige Versprechungen gegeben haben. Wann, nur wann übernehmen Sie endlich Verantwortung, Herr Wowereit, als Aufsichtsrat gleichermaßen wie als Regierender Bürgermeister, und stellen sich den Unternehmerinnen und Unternehmern, die Ihr Projekt mittragen wollten? Nichts als Beschwichtigungen konnten die Unternehmer bisher erfahren.

Die Wirtschaftssenatorin versprach eine 48-StundenHilfe. Diese bestand darin, den Unternehmen zuerst die Telefonnummer von Berlin Partner zu geben – da gab es dann nette Gespräche – und die Telefonnummer der IBB. Dort angekommen werden die Unternehmer nach ihrem Lebenslauf gefragt und müssen 30-seitige Fragebögen ausfüllen. Und das Ganze nur, um zu erfahren, dass keiner aus dem Senat, niemand, nicht die Wirtschaftssenatorin, nicht der Regierende Bürgermeister, kein Staatssekretär, bisher die IBB angewiesen hat, unbürokratische Hilfen auszureichen. Dabei sagt selbst die IBB, dass dieses ein Leichtes gewesen wäre.

Was für ein Ringelreihen spielen Sie mit den Geschäftsleuten? Ist Ihnen der Ernst der Lage eigentlich bewusst? So geht man nicht mit engagierten Unternehmerinnen und Unternehmern um!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Der Shoppingbereich des neuen Flughafens sollte ein besonderes Aushängeschild für die Stadt sein. Nicht große Ketten sollten das Bild beherrschen, sondern gerade kleine und mittlere Unternehmen wurden angesprochen, sich hier zu engagieren. Sie wurden gezielt akquiriert. Sie haben ihre Verpflichtungen längst eingelöst. Der Flughafen will seine nach heutigem Stand in anderthalb Jahren einlösen.

Unser heute vorgelegter Änderungsantrag macht deutlich, dass es längst nicht mehr nur um Härtefälle geht; es geht

auch um die Unternehmen, die das zwar irgendwie auffangen können, aber durch die Flughafeninvestition in ihrem Handeln eingeschränkt sind. Sie benötigen jetzt dringend überbrückende Finanzierungen, und zwar, wie von uns gefordert, schnell und unbürokratisch, auf Augenhöhe und nicht wie ein Bittsteller behandelt, der aus selbst verschuldeten Gründen in Not geraten ist. Die Unternehmer wollen keine Geschenke, sondern eine faire Behandlung.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Wenn Sie heute unseren Antrag unterstützen und umsetzen, können Sie zeigen, dass Sie sich für die kleinen und mittelständischen Unternehmen in dieser Stadt einsetzen, wie Sie es sonst so oft versprechen. Machen Sie das! Wenn Sie das nicht tun, ist das nicht nur katastrophal für die betroffene Unternehmen; darunter wird auch das Image unserer Stadt als Wirtschaftsstandort leiden – noch mehr als ohnehin schon. Dafür tragen auch Sie, meine Damen und Herren, die Mitverantwortung, wenn Sie auch heute den Antrag zur Einrichtung einer Ombudsstelle und eines Fonds ablehnen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kollege Jahnke das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege! Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen legt uns einen Antrag vor, der auf den ersten Blick einleuchtend erscheint, einer fachlichen Betrachtung allerdings keinesfalls standhält. So etwas nennt man Populismus.

[Andreas Otto (GRÜNE): Unerhört!]

Im Gegensatz zu Ihnen, meine verehrten Grünen, geht es der Koalition nicht darum, die Menschen in der Region mit billigen Tricks gegen den Regierenden Bürgermeister aufzuwiegeln, sondern uns geht es darum, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer am Flughafen in einer schwierigen Lage die Unterstützung erhalten, die sie benötigen.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

Ja, es ist wahr: Einige Unternehmen, insbesondere kleinere Einzelunternehmen, die sich darauf eingestellt hatten, im Juni am Flughafen BER ihre Arbeit aufnehmen zu können, befinden sich jetzt in einer schwierigen Lage. Das trifft nicht nur auf Gastronomie und Einzelhändler zu, sondern auf den gesamten Non-Aviation-Bereich, wie es so schön heißt. Diese Unternehmen haben Personal eingestellt, Warenvorräte gekauft, Betriebsgerät beschafft

und hierfür Kredite aufgenommen. Die Verschiebung der Eröffnung trifft sie teilweise hart.

Vor diesem Hintergrund ist zuallererst positiv anzumerken, dass die meisten Unternehmen große Anstrengungen unternommen haben, diese Härten nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auszutragen. In der Mehrzahl der Fälle konnten die Beschäftigten gehalten und anderweitig eingesetzt werden, was naturgemäß bei größeren Filialisten leichter möglich ist als bei kleineren Unternehmen.

Aber zurück zu Ihrem Antrag! Hier vermisse ich den zentralen Satz: Erster Ansprechpartner für die Unternehmen ist die Flughafengesellschaft.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Unstrittig ist, dass die Betroffenen allesamt nicht einen Vertrag mit dem Land Berlin oder mit Klaus Wowereit haben, sondern mit der Flughafengesellschaft.

[Zuruf von Nicole Ludwig (GRÜNE)]

Daher ist es die logische Konsequenz, dass sich die Unternehmen auch zuerst an diejenige wenden, die ihre Vertragspartnerin ist. Die Flughafengesellschaft zeigt sich auch kooperativ und kulant.

[Zuruf von Nicole Ludwig (GRÜNE)]

Haben Sie von den Grünen sich einmal mit Unternehmen zusammengesetzt, die in Tegel oder Schönefeld – alt – bereits ein Gewerbe betreiben?

[Nicole Ludwig (GRÜNE): Ja, im Gegensatz zu Ihnen!]

Sie werden ihnen erzählen, dass sie mit der Situation natürlich nicht glücklich sind, das ist – vielleicht außer einigen in Ihrer Fraktion – eigentlich niemand.

[Zurufe von den GRÜNEN: Unverschämtheit! Alles zynisch, was Sie erzählen!]