Protocol of the Session on June 14, 2012

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Zum Schluss noch mal zu ungedeckten Schecks und vorsätzlicher Täuschung einer erwartungsvollen Öffentlichkeit: Die Koalition beschwört Großprojekte, die nur ansatzweise finanziert worden sind – das ist hier schon deutlich ausgeführt worden. Für die Zukunft kommen auf Berlin damit immense Summen und Risiken zu. Die Linksfraktion hat konkrete Alternativen vorgeschlagen, die sämtlich abgelehnt worden sind: Die A 100 können wir uns ohnehin sparen. Auf die IGA in Tempelhof wollen wir verzichten.

[Beifall von Antje Kapek (GRÜNE)]

Hier wollen wir uns auf die Nutzbarmachung des Bestandsgebäudes und die Pflege der Freiflächen konzentrieren und darauf, dass endlich ein angemessener Gedenk- und Erinnerungsort an das KZ Columbia, die Rüstungsproduktion und die Zwangsarbeiterlager auf dem Tempelhofer Feld entsteht.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Auf die Sanierung des ICC können und müssen wir vorerst ebenfalls verzichten. Ein Ersatz für das ICC ist ohnehin im Bau. Also wird Berlin auch unabhängig von der ICC-Sanierung als Kongressstadt funktionieren und kann

später über mögliche Nachnutzungen entscheiden. Bei der ZLB schlagen wir vor, Standortalternativen zu prüfen, die AGB-Erweiterung, das Flughafengebäude ernsthaft mit einem Neubau zu vergleichen. Dass das Raumprogramm überprüft werden muss, sagte ich bereits am Anfang.

Die Linke steht für eine soziale Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik. Sie steht für ein Recht auf Stadt und für echte Partizipation. Das heißt konkret für Berlin: auf Luftschlösser verzichten und Schwerpunkte so setzen, dass Wohnen in Berlin bezahlbar bleibt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Danke schön, Frau Kollegin Lompscher! – Für die Fraktion der Piraten hat der Kollege Höfinghoff das Wort. – Bitte sehr, Herr Kollege, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 12 enthält unter anderem die Leuchtturmprojekte der großen Koalition, zum Beispiel die große Wowereit-Gedenkbibliothek am ehemaligen Flughafen Tempelhof. Da soll irgendwann ein riesiger Neubau hochgezogen werden. Dem Haushaltsentwurf ist zu entnehmen, dass Sie dieses und nächstes Jahr 3 Millionen Euro ausgeben, um dieses Projekt vorzubereiten – ein Projekt, von dem Sie nach eigenen Angaben heute noch gar nicht wissen, was es irgendwann einmal kosten wird. Die Senatsverwaltung selbst sagt, dass diese berühmte Summe von 270 Millionen Euro eine Schätzung ist, die auf Vergleichsdaten beruht, die hier nicht wirklich anwendbar sind.

Sie wollen Geld auf dem Tempelhofer Feld versenken, ohne jemals fundiert begründet zu haben, wozu man dieses Mammutprojekt eigentlich braucht. Es existieren genügend alternative Standorte in Berlin, die sich auch für die Unterbringung einer Landesbibliothek eignen könnten. Auch die bestehenden Bibliotheken, die günstig im Umfeld der Hochschulen stehen, könnten durch kleinere Maßnahmen zu einem Teil der Kosten des Landesbibliotheksneubaus renoviert und an aktuelle Bedürfnisse angepasst werden.

Der Senat hat zu lange behauptet, alle alternativen Standorte seien mindestens genauso teuer, wenn nicht sogar viel, viel teurer als der in Tempelhof. In den vergangenen Wochen hat sich herausgestellt, dass entsprechend valide Prüfungen zu diesen anderen Standorten bislang gar nicht stattgefunden haben. Zudem – das ist im Bericht der Senatsverwaltung nachzulesen – hat der Senat noch gar keinen Plan, was mit den bestehenden Bibliotheksgebäu

den nach dem Bau der Landeszentralbibliothek geschehen soll. Was Sie machen, ist ein finanzpolitischer Blindflug – aber das sind wir von Ihren Großprojekten ja gewohnt.

[Beifall bei den PIRATEN]

Planlosigkeit herrscht auch bei der vom Senat gewollten – oder eher vor sich hergeschobenen – Sanierung des ICC. Da legen Sie uns für dieses Jahr einen Posten von 1 Million Euro und für nächstes Jahr einen von 4 Millionen Euro vor.

[Zuruf von Wolfgang Brauer (LINKE)]

Diese Summen decken nicht einmal die allernotwendigsten Kosten der Schadstoffsanierung ab. Wahrscheinlich wollen Sie von dem Geld auch gar nicht sanieren, sondern bloß den fünfzehnten Gutachter durch das Haus jagen. Insgesamt – so steht es in Ihrem Haushaltsentwurf – soll die Sanierung 180 Millionen Euro kosten. Aber genau wie bei der Landeszentralbibliothek sind diese Daten aus irgendwelchen Gutachten zusammengesucht, die Sie bis heute weder dem gesamten Haus geschweige denn der Öffentlichkeit vorgelegt haben. Die Piratenfraktion hat schon vor einiger Zeit einen entsprechenden Antrag gestellt. Die Koalition verweigert sich, wie so oft, der Transparenz und schießt lieber mit immer neuen Kostenstellen ins Kraut. Dass Sie zur ICCSanierung in der Öffentlichkeit ständig andere Zahlen nennen, zeigt aber nur eines, meine Damen und Herren von SPD und CDU: Sie nehmen Ihren eigenen Haushaltsentwurf gar nicht ernst! Sie führen die Berliner und Berlinerinnen hinters Licht und schämen sich nicht mal dabei!

[Zurufe von der SPD]

Ich frage mich ohnehin, warum dieser Senat bei allen möglichen Büros Gutachten in Auftrag gibt, um solche Projekte zu untersuchen, und dann andauernd andere Zahlen liefert. Lassen Sie das doch mal die eigenen Leute machen, z. B. die BIM! Wofür haben wir sie denn?

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN – Zuruf von Stefan Gelbhaar (GRÜNE)]

Danke! – Der Stadtentwicklungssenator verspricht seit seinem Antritt, er wolle etwas für die Mieter dieser Stadt tun. Es wäre nicht Berlin, wenn nicht auch da Hoffnung auf ein weiteres Großprojekt gesetzt würde. Für die Internationale Bauausstellung im Jahr 2020 sollen angeblich ganz tolle Konzepte für die Zukunft der Stadt erarbeitet werden. Was da genau stattfinden soll, ist Ihnen selbst allerdings nicht klar. Klar ist nur: Sie wollen dieses und nächstes Jahr allein fast 1 Million Euro ausgeben, um für diese Veranstaltung Reklame zu machen. Mein Kollege Magalski hat das mit einer Kleinen Anfrage herausgefunden. Was Sie veranstalten wollen, können Sie nicht sagen, aber 1 Million Euro darf diese Konzeptlosigkeit kosten.

[Beifall bei den PIRATEN Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Konzeptlosigkeit ist die eigentliche Grundlage für Ihre Berlin-verstehen-Politik! Ob BER, ob die Nachnutzung des Flughafens Tegel, ob die Gestaltung des Tempelhofer Feldes, ob die Großraumsiedlung oder die akuten und für die Mieter wirklich elementaren Probleme im sozialen Wohnungsbau – Sie haben nichts zu bieten außer flotten Sprüchen und Berlin-Reklame!

[Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Und ausgerechnet Ihre großartigen Leuchtturmprojekte, mit denen Herr Wowereit immer so gern hausieren geht, basieren laut Ihren eigenen Aussagen auf nichts als Schätzungen, Absichtserklärungen, Gutachteraussagen. Kurz: Ihre Metropolenpolitik ist nichts als provinzielle Makulatur!

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Jetzt hat Herr Senator Müller das Wort. – Bitte sehr, Herr Senator!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt ein Haushaltsentwurf vor, der in der Stadtentwicklung und in der Umweltpolitik Berlin auf wichtigen Feldern weiter voranbringen wird, der aber auch die notwendigen Mittel bereitstellt, dass Berlin in den alltäglichen Fragen gut dasteht. Ich will das an einigen Beispielen deutlich machen. Ich beginne mit der Mobilität.

Wir alle sind Verkehrsexperten. Deswegen ist es nicht erstaunlich, dass wir uns hauptsächlich um das Verkehrsmittel kümmern, das wir selbst häufig nutzen. Aber eine verantwortungsbewusste und vorausschauende Verkehrspolitik muss die Frage beantworten: Welche Mobilität brauchen wir in Berlin?

Es ist ganz klar, es gibt eine gute Entwicklung in Berlin. Der motorisierte Individualverkehr geht seit Jahren zurück, die Menschen bewegen sich zu Fuß,

[Zuruf von Stefan Gelbhaar (GRÜNE)]

per Rad, Bus und Bahn durch die Stadt. Das wollen wir auch weiterhin unterstützen. Aber das Auto wird weiter eine wichtige Rolle in unserer Stadt spielen, im Übrigen auch, das darf man nicht vergessen, der Wirtschaftsverkehr, der Last- und Lieferverkehr oder die Baufahrzeuge. Ich sage das so ausdrücklich, weil – auch wenn nicht jeder sofort Hurra schreit und sagt, das sei chic und schön – auch Infrastrukturmaßnahmen, egal, ob die A 100 oder die TVO, wichtig sind, weil wir die Infrastruktur für den Autoverkehr auch in unserer Stadt brauchen, für den Wirtschaftsverkehr, weil wir wollen, dass die Verkehre aus den Wohngebieten herauskommen

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

und dass diese Verkehre über leistungsfähige Straßen abgewickelt werden können. Auch deswegen engagieren wir uns für die TVO und für die A 100.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zurufe von den GRÜNEN]

Der Anteil des Radverkehrs wächst aber auch ständig. Wir haben deswegen in den letzten Jahren rund 150 km Radwege gebaut. Auch für neue Radwege – wir wollen diese Entwicklung aktiv unterstützen – ist es in einer gemeinsamen Anstrengung gelungen, 2 Millionen Euro zu erhalten. Dazu kommen 3,5 Millionen Euro für die Instandsetzung der vorhandenen und noch mal 1 Million Euro für ein Fahrradleihsystem. Mit anderen Töpfen – von der Bundes- und der EU-Ebene – zusammen werden wir also 9 bis 10 Millionen Euro in den Radverkehr investieren können.

Auch unsere Fußgänger vergessen wir nicht, die Mittel für die Fußgänger, es sind die schwächsten Verkehrsteilnehmer. Ich betone, dass es gerade wegen der demografischen Entwicklung gut ist, dass wir speziell dafür 2,3 Millionen Euro im Haushalt zur Verfügung haben, sodass wir auch den Fußverkehr in unserer Stadt sicherer und attraktiver machen können.

[Beifall bei der SPD]

Zur Mobilität gehören Bahn und Busse dazu. Das muss funktionieren. Wir haben einen hervorragenden ÖPNV – trotz aller Probleme mit der S-Bahn. – Zur S-Bahn nur einen Satz: Im Haushalt 2012/2013 sind alle Voraussetzungen enthalten, um schnell zu einer Beschaffung von neuen Fahrzeugen und zur Sicherung des S-Bahnbetriebs auch nach 2017 zu kommen.

[Zuruf von Harald Wolf (LINKE)]

Es ist mir wichtig, dass wir in diesem Bereich schnell eine Entscheidung haben. Die Vorsorge dafür ist getroffen. Aber jenseits der S-Bahn brauchen wir auch eine entsprechende Ausstattung unseres Nahverkehrs. Insofern ist es ein großer und wichtiger Erfolg, dass wieder 750 Millionen Euro und 780 Millionen Euro in den Jahren 2012 und 2013 für den öffentlichen Personennahverkehr zur Verfügung stehen werden. Die Berlinerinnen und Berliner sind auf diesen Bereich der Mobilität angewiesen. Das abzusichern, ist eine gute und richtige Entwicklung.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ich will etwas zu den großen Zukunftsorten – Tegel, Tempelhof, Heidestraße – sagen, die hier bei diversen Rednern der Fraktionen schon eine Rolle gespielt haben. Ich glaube, in Tegel haben wir eine ganz wichtige und hervorragende Entwicklung vor uns, eine riesige Fläche, die unsere Stadt teilweise durch Grün bereichern wird, die aber auch für die Zukunftstechnologien zur Verfügung stehen wird. Es gibt in dieser Hinsicht eine her

(Bürgermeister Michael Müller)

vorragende Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung für Wirtschaft und auch der BImA, unserem Partner von der Bundesebene. Es ist gut – dafür möchte ich mich auch bedanken –, dass es bei den Beratungen der Parlamentarier gelungen ist, unsere Ansätze noch einmal zu verstärken, sodass wir in den nächsten Jahren zur schrittweisen Entwicklung dieses Zukunftsstandorts in Tegel 10 Millionen Euro zur Verfügung haben werden.

Für Tempelhof gilt Ähnliches – eine riesige wertvolle innerstädtische Fläche, die wir zur Verfügung haben. Es wäre aus meiner Sicht falsch – Frau Kapek, darauf bezog sich die Formulierung „Denkpause“, die Sie erwähnt haben! –, mit dieser wertvollen Fläche so umzugehen, dass man sie verschleudert oder dass die Nutzung beliebig wird. Deswegen war es mir wichtig, einige Dinge zu stoppen und durchzuatmen. Aber trotzdem muss man so eine wichtige große Fläche weiterentwickeln. Dass wir im Moment ein Volksbegehren haben, dass Unterschriften dafür gesammelt werden, dass da gar nichts passieren soll, kein Baum und kein Strauch soll dort gepflanzt werden, kein Haus soll gebaut werden – so kann man auch nicht verantwortlich mit so einer Fläche umgehen. Sie muss und soll sich schrittweise weiterentwickeln. Die große Freifläche werden wir erhalten, als Erlebnis und Bereicherung für die Berlinerinnen und Berliner, aber es ist auch richtig, bei so einer Fläche über Wohnungsbau nachzudenken und auch über die Landeszentralbibliothek. Es ist nun mal eine wichtige Impulsinvestition, die wir vorhaben.

[Zuruf von Antje Kapek (GRÜNE)]

Im Hinblick auf Adlershof freuen wir uns alle über diese positive Entwicklung. Warum ist sie denn zustande gekommen? – Weil das Land Berlin sich engagiert hat, indem Naturwissenschaften dort angesiedelt wurden, indem das Land Berlin auch investiert hat. Wenn wir wollen, dass auch Tegel und Tempelhof sich weiterentwickeln, dann gehört dazu, dass wir als Land sagen: Wir machen an der Stelle etwas. – Deswegen ist der Bau der Bibliothek an dieser Stelle eine richtige Investition.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf von Antje Kapek (GRÜNE)]

Ich will bei der historischen Mitte nur sagen, dass neben diesen drei Orten – Tegel, Tempelhof, Heidestraße; die Heidestraße wird insbesondere für Wohnungen zur Verfügung stehen; wir denken da an eine Größenordnung von 2 000 Wohnungen – auch die Entwicklung der historischen Mitte zu den großen Aufgaben in den nächsten Jahren gehört. Hinter dem Roten Rathaus, Molkenmarkt und auch vor dem Roten Rathaus – das sind Orte für eine mögliche Bebauung. Aber selbst wenn man nicht in eine Bebauung geht, kann und muss man diese wichtigen Freiflächen in der Stadt gestalten. Die Debatte darüber, wie sich unsere historische Mitte entwickeln soll, will ich gern aktiv begleiten.