Dieser sollte nicht in den Ausschuss für Gesundheit und Soziales überwiesen, sondern vertagt werden. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Zur Orientierung gebe ich die verbleibenden Redezeiten pro Fraktion bekannt: Die SPD verfügt noch über 55 Minuten, die CDU über 46 Minuten, die Linke über 44 Minuten, die Grünen über 47 Minuten, die Piraten über 43 Minuten und der Senat über 36 Minuten.
Es beginnt der Kollege Kohlmeier. – Wo ist er? Dann biete ich an, dass Herr Behrendt anfängt. – Bitte schön! Das ist doch die Gelegenheit. Herr Kollege, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Senator Heilmann! Schön, dass Sie den Weg aus Wiesbaden zu uns gefunden haben. Ihr Fraktionsvorsitzender hat heute Vormittag – muss man sagen – schon eine kleine Leistungsbilanz der Arbeit der CDU-Senatoren vorgenommen. Das fiel insgesamt, was
Sie angeht, relativ dünn aus. Da war die Rede vom Jugendarrest und von Personalfragen, für die Sie sich im Bundesrat einsetzen wollen. Hier weiß ich überhaupt nicht, was er meint. Interessant war aber, was er nicht erwähnt hat, nämlich die hochinteressante Frage, was eigentlich aus dem Fünf-Punkte-Plan, oder – wie Sie es genannt haben – dem Maßnahmenpaket gegen Schrottimmobilien geworden ist. So titelte beispielsweise die „BZ“ im Januar, Sie hätten einen Vier-Punkte-Plan – da waren es nur noch vier – gegen Schrottimmobilien ausgearbeitet und würden sich jetzt an die Umsetzung machen. Wenn man sich den anschaut, muss man allerdings feststellen, dass nicht viel daraus geworden ist.
Punkt 1, Kaufvertrag: Der soll an die Kaufinteressenten versandt werden. Dieses ist gestorben. Punkt 2 ist der Besichtigungszwang. Die Käufer sollen sich vor dem Kauf die Immobilie ansehen. Daraus ist nichts geworden. Punkt 3 ist die Begutachtung. Dritte sollen die Immobilien begutachten und zum Wert etwas sagen. Daraus ist auch nichts geworden. Geblieben ist von den blumigen Ankündigungen ein Reförmchen der rot-grünen Verbraucherschutzinitiative im Beurkundungsgesetz betreffend die 14-Tagesfrist.
Sie sind mit großen Koffern nach Wiesbaden gefahren. Die Presseerklärung von heute Mittag eilte Ihnen voraus. Auch dort ist es Ihnen leider nicht gelungen, einen Beschluss der Justizministerkonferenz zu diesem Punkt herbeizuführen. Das Ergebnis der dortigen Beratung lautet, dass es im Herbst eine weitere Prüfung durch die Staatssekretäre geben soll. Es gibt also kein konkretes Ergebnis. Es muss frustrierend sein, wenn man mit hochfliegenden Plänen startet und dann noch nicht einmal ein kleines Reförmchen dabei herauskommt.
Zu den weiteren Schwerpunkten im Justizhaushalt: So richtig sind keine erkennbar. Wir haben uns um eine Schwerpunktsetzung bemüht. Wir wollten die freien Träger in noch größerem Umfang im Knast einsetzen. Wir sind der Meinung, dass es eben nicht ausreicht, dieses nur fortzusetzen, wenn sich ein Modellprojekt wie das Übergangsmanagement, also die Vorbereitung von Langstraflern für die Freiheit bewährt hat; vielmehr sollte es ausgeweitet werden. Wenn wir alle wissen, dass die Ersatzfreiheitsstrafe für BVG-Schwarzfahrer Quatsch ist, sind eben Projekte wie Schwitzen statt Sitzen auszuweiten und nicht einfach nur fortzusetzen. Von solchen Schwerpunktsetzungen fehlt im Justizhaushalt jede Spur.
Auch zu den stark sinkenden Gefangenenzahlen verhält sich der Haushaltsplan nicht. Wir haben – daran muss ich erinnern – 1 200 Gefangene weniger als noch 2007. Das ist eine Reduzierung der Gefangenen um immerhin ein Viertel. Man fragt sich, wo eigentlich die Einsparrendite ist. Stattdessen – das wissen wir alle, das haben Sie kon
Was das Personal im Justizbereich angeht, wird jetzt versucht, durch Überredung der Berliner Mitarbeiter Freiwillige zu finden, die nach Großbeeren gehen. Dazu muss man auch sagen, dass ein Personalentwicklungskonzept im Justizbereich doch ein wenig anders aussieht.
Wir kommen zur Großbaustelle Sicherungsverwahrung. Es ist mehr als fraglich – daran werden wir Sie messen –, ob Sie die Frist, die das Bundesverfassungsgericht gesetzt hat, hier bis zum Mai 2013 für verfassungsgemäße Zustände zu sorgen, einhalten können. Zum Personal muss auch hier daran erinnert werden, Senator Heilmann, dass Sie in der „Abendschau“ großzügig weitere 40 Mitarbeiter speziell für die Sicherungsverwahrung angekündigt haben. Wir hatten das hier bereits thematisiert. Im Haushaltsplan finden sich diese 40 Mitarbeiter überhaupt nicht.
Eine Altbausanierung in Tegel und Moabit wird weiterhin nicht vorgesehen. Wir werden auch weiterhin in Berlin den Vollzug des 21. Jahrhunderts in Gebäuden aus der Kaiserzeit vornehmen. Das Kostenrisiko für die menschenrechtswidrige Unterbringung im Haus I in Tegel – dort klagen sehr viele Gefangene – ist im Justizhaushalt überhaupt nicht abgedeckt. Die Haushaltsberatungen sind immer auch eine Stunde der Wahrheit. Es gilt, Ankündigungen in konkrete Politik umzusetzen. Davon lässt der Justizhaushalt nichts erkennen. Herr Senator Heilmann, leider sind Sie bisher nicht über den Status eines Ankündigungssenators hinausgekommen. Das SchönDaherreden ist noch keine Politik. – Danke schön!
Lieber Herr Esser! Verehrter Herr Senator Heilmann! Ich beglückwünsche Sie. Ich habe noch nie erlebt, dass der Vertreter der größten Oppositionsfraktion so gar nichts zum Haushalt zu sagen hat. Der Schwerpunkt der Rede war das Thema Schrottimmobilien. Das ist ein wichtiges Thema, das ist aber überhaupt nicht haushaltsrelevant, hat mit unserem Haushalt auch nichts zu tun. Das heißt, ich nehme also zur Kenntnis, die Grünen finden nichts, was sie wirklich an diesem Haushalt, den wir gemeinsam erarbeitet und vorgelegt haben, zu kritisieren haben.
Die Haushaltsberatungen und die bisherige heutige Aussprache haben gezeigt, diese große Koalition tut Berlin gut. Nicht Ideologie, sondern Sachlichkeit ist die Richtschnur unseres Handelns. Und so verhält es sich auch im Bereich der Berliner Justiz und vor allem des Strafvollzugs. Die Berliner Justiz wird durch die große Koalition in die Lage versetzt, ihrem rechtsstaatlichen Auftrag gerecht zu werden, der Verfassung und den Menschen zu dienen und einen Standortfaktor für unsere Stadt darzustellen.
Im Übrigen, lieber Herr Behrendt, mein Fraktionsvorsitzender war der einzige Fraktionsvorsitzende, der Justiz überhaupt in seiner Rede bei der Generalaussprache behandelt hat. Das können Sie ja gerne nachlesen.
Obwohl die engen politischen Gestaltungsspielräume auch vor der Justiz nicht haltmachen, bleibt der Einstellungskorridor für den richterlichen, den staats- und den amtsanwaltschaftlichen Dienst sowie für Rechtspfleger und Gerichtsvollzieher bestehen. Trotz des Erfordernisses von Personaleinsparungen wird der Großteil der sich in Ausbildung befindlichen Nachwuchskräfte übernommen. Auf diesen Erfolg sind wir stolz. Wir danken den jungen Menschen, die sich entschieden haben, ihr Berufsleben im Justizdienst zu verbringen.
In der Geltungsdauer dieses Haushaltsplans wird die JVA Heidering ihren Betrieb aufnehmen. Auch dafür haben wir die Voraussetzungen geschaffen. Es ist ein gutes Beispiel, die Bigotterie der Grünen vor Augen zu führen. Herr Behrendt schafft es tatsächlich, in einem Satz die Inbetriebnahme der modernsten Haftanstalt Deutschlands zu kritisieren
und im zweiten Satz zu kritisieren, dass Strafvollzug in Gebäuden aus der Kaiserzeit vollzogen wird. Wie das zusammenpassen soll, ist eine intellektuelle Meisterleistung, die nur den Grünen gelingt.
Die vom Bundesverfassungsgericht formulierten Vorgaben an die Sicherungsverwahrung werden wir umsetzen. Der Haushalt ermöglicht die personellen und baulichen Maßnahmen, die nötig sind, um die Sicherungsverwahrung verfassungsgemäß durchzuführen, aber auch ihrem Begriff gerecht werdend, unsere Bevölkerung vor schweren Straftätern zu schützen.
In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass wir die Mittel, die nötig sind, um die elektronische Fußfessel
einsetzen zu können, eingestellt haben. Sie ist ein weiterer Baustein für eine moderne kostengünstige und effektive Justiz.
Rechtstaat bedeutet auch, dass sicherzustellen ist, dass jedermann effektiv und schnell seine Rechte gerichtlich durchsetzen kann. Daher haben wir beispielsweise die Sozialgerichte verstärkt, um vor allem die Hartz-IV-Verfahren in für die Betroffenen vertretbaren Zeitabläufen bearbeiten zu können. Auch ein zusätzlicher Senat bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ist geschaffen worden.
Wir haben die Bedenken der Bevölkerung in Lichtenrade ernst genommen. Die Umsiedlung der Drogenfachabteilung dorthin wurde gestoppt. Die Anzahl der Plätze in der Jugendarrestanstalt wurde auf 60 Plätze beinahe verdoppelt. Die peinlichen und erzieherisch verheerenden Abweisungen von verurteilten Jugendlichen infolge von Platzmangel werden damit ein Ende haben.
Die Berliner Justiz wird oft unterschätzt, noch öfter getadelt, vielleicht manchmal sogar zu Recht. Sie ist aber der Dienstleister in dieser Stadt. Sie schafft, überwacht und sichert die Voraussetzungen des friedlichen Zusammenlebens von Millionen und den gerechten Ausgleich von oft widerstreitenden Interessen. Dafür sind wir dankbar. Die große Koalition wird auch heute hier der Justiz die Instrumente an die Hand geben, um dieser großen Aufgabe auch in Zukunft gerecht zu werden. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege Rissmann! – Für die Fraktion Die Linke hat die Kollegin Möller das Wort. – Bitte sehr, Frau Kollegin Möller!
Herr Präsident! Verehrte noch Anwesende! Auch im Justizetat ist die Personalsituation das zentrale Problem. Das ist nicht einzelplanspezifisch, aber insbesondere im mittleren Justizdienst und im Vollzug ist der Abbau mittlerweile schon gefährlich fortgeschritten. Statt einer überzeugenden Personalentwicklungsplanung herrschen pauschale Minderausgaben und Abbauvorgaben. Der Justizvollzug gerät zum Personalverschiebebahnhof. Die Inbetriebnahme der JVA Heidering soll lediglich mit dem vorhandenen Personal abgesichert werden. Wie wir inzwischen wissen, sieht der Senat im Vollzug 205 Stellen zum Abbau vor. Eine ausreichende Begründung und ein schlüssiges Konzept für die Einbeziehung Privater bei der Inbetriebnahme der JVA Heidering gibt es nicht. Trotzdem wird schon mal geplant. Wir vermuten, dass eine denkbare produktive Ergänzung der qualifizierten Kernbelegschaft umschlägt in ein hilfloses Stopfen von Fluk
tuationslöchern. Das wird die schlichte Flucht aus purer Not in die Privatisierung. Wenn die Decke überall zu kurz ist, lässt sich ein rechtsstaatlicher Justizvollzug nicht mehr absichern.
Das Vollzugsziel der Resozialisierung, Menschen in Haft auf ein Leben in Freiheit und ohne Straftaten vorzubereiten, kann so nicht mehr erfüllt werden. Mit Ihrem Etat ist Berlin auf dem Weg zum Wegschlussvollzug. Bei unserer Zustimmung zum Bau von Heidering hatte die Berliner SPD zugesichert, den Betrieb mit zusätzlichem Personal abzusichern. Das ist nun vergessen. Die Konsequenz ist: Andere Bundesländer übernehmen unsere qualifiziert Ausgebildeten gern. Hier haben sie nämlich keine Chance. Das ist nicht nur Geldverschwendung, es ist justizpolitisch verantwortungslos.
Die CDU, die jahrelang den Personalvertretungen in der Justiz nach dem Munde geredet hat, ist jetzt Vorreiterin härtester weiterer Einschnitte. Weitere 542 Stellen beim sonstigen Justizpersonal – wie wollen Sie das eigentlich bewerkstelligen? Dazu gibt es keinen Plan. Das ist hilfloser Wahnsinn. Mittel zur Einstellung von mindestens 15 Fachkräften bei den sozialen Diensten zur Betreuung von Sicherungsverwahrten sind zusätzlich erforderlich. Unseren Antrag mit diesem Ziel hat die Koalition abgelehnt. Das war noch nicht einmal eine maßlose Forderung.