Protocol of the Session on June 14, 2012

Für die Grünen spricht jetzt der Kollege Beck. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Senator Czaja! So unterschiedlich kann man Ihre Arbeit beurteilen. Sie haben uns im Februar im Fachausschuss über 25 Seiten Ihre Vorhabenplanung für die ersten 100 Tage mit Power und pointiert, kurz Powerpoint, präsentiert. Jetzt muss leider bilanziert werden: viele gute Worte und wenig davon angepackt. Die zugesagte Einführung eines zentralen Pflegebeschwerdemanagements lässt auf sich warten.

[Senator Mario Czaja: Schon passiert!]

Eine Koordinierungsstelle sollte als neue Aufgabe von der Patientenbeauftragten entwickelt und – ich zitiere – “durch zusätzliche personelle Ressourcen untersetzt” werden. Unsere entsprechenden konkreten Anträge zur Stärkung des Verbraucherschutzes haben Sie im Fach- und Hauptausschuss abgelehnt.

Schnell haben Sie die Rechtsverordnung zu den Kosten der Unterkunft erarbeiten lassen, viel zu schnell, wie sich bald zeigte, und realitätsfern. Die Wohnaufwendungenverordnung sollte mehr Rechtssicherheit für die Leistungsempfänger und -empfängerinnen und für die Sozialgerichte bringen. Die Aufsplittung von Miet- und Heizkosten und die Staffelung nach Gebäudeflächen bei der Erstattung der Heizkosten überfordern jedoch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern, was zu neuen fehlerhaften Bescheiden und daraus resultierend zu neuen Klagen vor dem Sozialgericht führen wird. Von den Arbeitslosengeld-II-Empfangenden werden weiterhin ca. 80 000 Bedarfsgemeinschaften Mietanteile von ihrem Existenzminimum bezahlen müssen. Zwangsumzüge werden durch die neue Verordnung nicht eingeschränkt. Herr Czaja! Wie wollen Sie künftig verhindern, dass

Familien aufgefordert werden, in Wohnungen umzuziehen, die es auf dem Wohnungsmarkt gar nicht gibt? Die Verordnung ist nur ein Deckblatt. Sie verschleiert die weitere Verschlechterung der sozialen Lage der Ärmsten in unserer Gesellschaft.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Sie kündigen auch die Erarbeitung eines Konzepts zur gesamtstädtischen Steuerung der Unterbringung von Flüchtlingen an. Steuern heißt für Sie nicht das Lotsen von ankommenden Hilfesuchenden in die Stadtgesellschaft, sondern erst einmal die Aufbewahrung von Flüchtlingen im Flughafenknast.

[Andreas Otto (GRÜNE): Unerhört!]

Sie möchten gern das ehrenamtliche Engagement stärker fördern. Finanziell wurde das aber nicht unterlegt. Die Zukunft der Zukunftsinitiative Stadtteil bleibt unklar. Die Stadtteilzentren werden entgegen der Vereinbarung im Koalitionsvertrag geschwächt statt gestärkt. Sich auf ESF-Mittel zu verlassen, ohne konkrete Summen zu benennen, ist ein Rückschritt und lässt Planungssicherheit für Träger vermissen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Die Tarifsteigerung, die Sie angekündigt haben, soll zu 50 Prozent angeboten werden, die anderen 50 Prozent sollen die Träger dann dazu beisteuern. Ich frage Sie: Wie sollen das kleine Träger leisten? Sie kommen kaum mit den sonstigen Entgelten zurecht.

[Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Ehrenamtliche Betreuungsvereine, die nachgewiesenermaßen fachlich sehr erfolgreich sind, und die wir nachhaltig finanziell besser ausstatten wollten, werden im Stich gelassen, und unsere Anträge dazu abgelehnt.

Herr Czaja! Sie schwärmen in Ihren Reden gern vom christlichen Familienbild. Bürgerschaftliche Selbsthilfe unterstützt man aber nicht mit Betreuungsgeld für daheimbleibende Mütter und rückwärtsgewandten Rollenbildern.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Die Koalition hat eine ressortübergreifende Strategie zur Bekämpfung der Kinderarmut angekündigt. Die von Ihnen dazu geplanten Maßnahmen zeigen die großen Widersprüche innerhalb der Regierung. Der Ausbau der Kinderbetreuung, die Vermeidung von Segregation durch angemessene Mietobergrenzen sowie Projekte im öffentlichen Beschäftigungssektor haben Sie versprochen, um – ich zitiere –:

Insbesondere Eltern und Alleinerziehenden Arbeit zu vermitteln.

Die CDU möchte aber genau das Gegenteil. Das passt hinten und vorne nicht zusammen.

Wirklich innovative Projekte werden von der Koalition nicht einmal angedacht. Der Einstieg in die sozialraumorientierte Planung wird nicht fortgesetzt, Notübernachtungsplätze für Frauen bleiben rar, Transparenzinitiativen zur qualitativ besseren und kostensparenden Kooperation mit freien Trägern überlassen Sie der Senatsverwaltung für Finanzen. Herr Czaja! Sie sind auf dem besten Weg, einer von vielen Ankündigungssenatoren zu werden, die den benachteiligten Berlinerinnen und Berlinern viel versprechen und dann nur Bruchstücke davon in aktives Handeln umzusetzen vermögen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Katrin Lompscher (LINKE)]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Krüger.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Vorredner! Ob es bei dem Ankündigungssenator bleibt, darüber wollen wir uns mal in einem halben oder einem Jahr unterhalten. Ich glaube, dann werden Sie ganz schnell Ihre Argumente zurückziehen müssen.

Die Regierungskoalition und damit auch die CDUFraktion – ich will das hier gern wiederholen, um deutlich zu machen, dass es gemeinsame Positionen in Fülle gibt – stehen für die Fortschreibung und Stärkung der Kiez- und Sozialraumarbeit in unserer Stadt. Der Senator hat es angesprochen: Das Integrierte Sozialprogramm, die Stadtteilzentrenförderung, insgesamt mehr als 17 Millionen Euro, sind Garant dafür, dass hier hervorragende Arbeit geleistet werden kann. Das schafft Planungssicherheit für die Projektträger. Aber ich sage zugleich auch: Es geht uns darum, eine Nachvollziehbarkeit über die effektive Mittelverwendung genauso anzufordern wie eine regelmäßige nachprüfbare Projektauswertung als Basis für künftige Entscheidungen.

Im Sozialhaushalt fördern wir an verschiedenen Stellen eine gelebte Inklusion, und zwar in der Umsetzung der Europäischen Konvention für Menschen mit Behinderung. Das ist ein wichtiger Ansatz, den wir aus vollem Herzen vertreten. Wir verweisen zugleich aber auch auf den Querschnittcharakter dieser Aufgabe, die weit über die soziale Komponente in unserem Haushalt hinausgeht.

Wir sichern – und das mit Augenmaß – ein zentrales Pflegebeschwerdemanagement beim Büro der Patientenbeauftragten – und das in personeller und materieller Art.

[Martin Beck (GRÜNE): Aus welchen Mitteln denn? – Zuruf von Thomas Birk (GRÜNE)]

Wenn jetzt schon wieder gemeckert wird, das sei alles noch nicht da, dann wollen wir doch erst einmal den

Haushalt verabschieden, dann wollen wir die nächsten Schritte einleiten, und dann werden vielleicht auch Sie sehen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

[Beifall bei der CDU – Martin Beck (GRÜNE): Ohne zusätzliche Ressourcen? Wie denn? – Zuruf von Thomas Birk (GRÜNE)]

Wir setzen in der Pflege auf präventive, wohnortnahe, niedrigschwellige Beratung der Betroffenen und ihrer Angehörigen – Stichwort: Pflegestützpunkt und deren Weiterentwicklung – und werden das mit Haushaltsmitteln, mit den Kassen, aber auch mit ehrenamtlicher Unterstützung machen. Eine qualitätsvolle, bedarfsgerechte Weiterentwicklung der ambulanten und stationären Pflege und insbesondere der Faktor der Ausbildung werden für uns wichtig sein. Im Mittelpunkt steht die Würde der älteren Menschen, die pflegebedürftig sind.

Noch ein weiterer Punkt: Wir sichern – es ist eben schon angesprochen worden – mit dem Haushalt zum ersten Mal personell und materiell die Arbeit der Landesseniorenvertretung ab. Das ist uns besonders wichtig, denn wenn man ein selbstbestimmtes Leben der Menschen im Alter haben will, muss man auch die entsprechende Grundlage dafür liefern – gemäß dem Seniorenmitwirkungsgesetz. Ich bin sicher, dass das auch für die Seniorenvertretungen in den Bezirken eine positive Auswirkung haben wird.

Zu den Kosten der Unterkunft erlaube ich mir heute, nichts zu sagen. Ich habe dazu bereits zweimal an dieser Stelle gesprochen. – Letzter Satz: Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Haushaltszahlen belegen aus meiner Sicht, dass gerade der Sozialbereich im Sinne der Berliner Bürgerinnen und Bürger bei der Regierungskoalition, bei Senator Czaja und seinem Staatssekretär Büge in allerbesten Händen ist. Insofern freue ich mich auf die Arbeit der nächsten Wochen und Monate. – Danke!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der Piraten – Herr Kowalewski!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lieber Herr Isenberg! Sie haben gerade von der Diamorphin-Ambulanz gesprochen. Wo ist die eigentlich?

[Thomas Isenberg (SPD): Im Haushalt! Budgetiert!]

Ja, das haben wir gesehen. Da stehen Ziffern im Haushalt. Trotzdem sagt mir die Charité, dass sie mit dem Geld nicht sehr weit kommen wird, was unter anderem

daran liegt, dass Ihr Koalitionspartner im Bund immer mehr die Richtlinien verschärft und es damit nahezu unmöglich macht, so etwas überhaupt einzurichten.

Nächster Punkt: Drug-Checking. Wo ist das eigentlich? Das steht auch im Koalitionsvertrag, im Haushalt kann ich es aber nicht finden. So, wo wir das Thema gerade hatten: die Absenkung der geringen Menge. Es ist vielleicht ein wenig bereichsübergreifend, aber langweilen sich Polizei und Staatsanwaltschaft wirklich so sehr, dass wir das jetzt auch noch machen müssen? Oder langweilen Sie, Herr Senator Czaja, sich mit Ihren Kollegen Henkel und Heilmann so sehr, dass Sie es schaffen, sechs Experten zu einer Anhörung auf die Beine zu stellen, die einhellig für eine Maßnahme sprechen, mit der man überhaupt niemanden irgendwie hilft?

[Andreas Gram (CDU): Außer den Drogenabhängigen!]

Ich weiß nicht, ob denen das hilft. Herr Ludewig war der Meinung, es sei kein wichtiges Thema. Ich halte es für ein wichtiges Thema, wenn ein Drittel der Berliner permanent bei der Führerscheinverlust- und der Knastlotterie mitspielen muss.

[Beifall von Fabio Reinhardt (PIRATEN)]

Machen wir es einmal ein wenig genereller: Wir haben den Innovationsstau bei den Krankenhäusern. Darüber haben wir schon gesprochen. Im Haushalt wird jetzt ein wenig neue Farbe aufgetragen; das ist schon einmal eine gute Sache. Die ärztliche Versorgung ist weiterhin überhaupt kein Problem, wenn man in Charlottenburg lebt. Im Osten bringt die KV währenddessen die Polikliniken zum Abdecker, um die schlechte Versorgung weiterhin zu verschlechtern.

[Beifall von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Dazu gibt es jetzt das Landesgremium zum Versorgungsstrukturgesetz. Das wird bestimmt total gut, weil alle Beteiligten eingebunden sind. Oder nicht? Nein, das sind sie nicht. Es sind diejenigen eingebunden, die ohnehin schon im Landesausschuss sitzen, also die Ärzte und die Kassen. Diese können sich dann geheim unterhalten und, wenn sie es wirklich wollen, Patientenvertreter, Pflegerverbände, Psychotherapeuten und Menschen, die an der Stelle mitreden sollen und müssen, einladen. Sie haben natürlich auch kein Stimmrecht.

Bei der Pflege zeigt die demografische Entwicklung, dass wir viel mehr Pflegekräfte brauchen werden. Trotzdem bilden wir Pflegekräfte über drei Jahre lang aus und vertreiben sie dann mit schlechten Arbeitsbedingungen und viel zu niedrigem Lohn aus der Branche wieder heraus, auf dass sie etwas anderes tun. Zuletzt haben auch mit diesem Haushalt Wohnungslose und psychisch kranke Frauen in Berlin weiterhin immer noch keine Möglichkeit, irgendwo einen Ansprechpartner zu gründen. Das ist schade. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Danke schön. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer nun dem Einzelplan 11 – Gesundheit und Soziales – unter Berücksichtigung der Empfehlung des Hauptausschusses gemäß Drucksache 17/400 und den Auflagenbeschlüssen des Hauptausschusses, Nummern 52 und 53, vorbehaltlich der am Ende der Sitzung abzustimmenden Änderungsanträge der Fraktionen zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenstimmen? – Das sind die Oppositionsfraktionen. Ersteres war die Mehrheit. Gibt es Enthaltungen? – Keine.

Dann bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit, weil ich noch eine Mitteilung machen möchte. Die Geschäftsführer haben einvernehmlich festgestellt, dass auf der Konsensliste ein Irrtum unterlaufen ist. Es geht um

lfd. Nr. 20: