Protocol of the Session on June 14, 2012

Ich sage Ihnen: Es geht nicht um mehr Staat oder weniger Staat, sondern es geht um einen klugen Staat. Er muss auch unternehmerisch denken. Genau darum wird es auch bei anderen Fragen der Daseinsvorsorge gehen. Wir wollen keinen Kaufrausch mit unkalkulierbaren Risiken, aber wir werden klug rechnen und handeln, wenn es der Stadt dient.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Ebenfalls zur Debatte stehen die Stromnetze. Im Koalitionsvertrag haben wir klargemacht: Wir wollen mehr Einfluss auf die Investitions- und Unternehmenspolitik der Netzbetreiber.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Wir wollen auf Standortentscheidungen in der Unternehmenspolitik Einfluss haben. Deshalb hat der Senat sichergestellt, dass sich auch das Land Berlin mit BerlinEnergie in der Neuvergabe der Stromnetze mit bewirbt. Auch hier gilt: Nicht Ideologie, sondern Gemeinwohl wird unsere Entscheidungen leiten. Am Ende ist eine Rekommunalisierung eine ernsthafte Option für die Koalition. Wettbewerb auf dem Strommarkt ja, aber die Netze sind die Voraussetzung für Wettbewerb. Deshalb ist es richtig, wenn die öffentliche Hand hier Einfluss nimmt.

[Beifall bei der SPD]

Die große Koalition stellt mit diesem Doppelhaushalt die richtigen Weichen. Wir haben die Bezirke fair behandelt, investieren in Zukunftsprojekte, sichern die öffentliche Daseinsvorsorge und setzen einen klaren Schwerpunkt bei der Bildung. Unsere Stadt hat große Chancen. Wir können wirtschaftlich besser werden, können den Weg aus den Schulden gehen und bleiben dabei die spannendste Stadt Europas.

[Zuruf der GRÜNEN: Und die Mieten?]

Diese Koalition, die große Koalition, und der Senat arbeiten hart daran, dass dieser Erfolg für die nächsten Jahre anhält. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der Grünen hat jetzt Frau Kollegin Pop das Wort.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Also zu Mieten haben Sie nichts zu sagen?]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Saleh! Zwischenzeitlich wähnte ich mich auf dem SPDParteitag, aber schön, dass wir diesem historischen Mo

ment beiwohnen durften, dass Heinz Buschkowsky Ehrenvorsitzender der SPD-Linken geworden ist. – Ich freue mich sehr für Sie!

[Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Es ist schon erstaunlich, dass der Regierende Bürgermeister heute nicht als Erster seinen Haushalt präsentiert, dass er hier nicht vorneweg seine wichtigen Weichenstellungen und die politischen Schwerpunkte darlegt,

[Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Das ist ein Scherz! – Weitere Zurufe]

denn eigentlich steht heute der erste Doppelhaushalt dieser neuen Regierung zur Beratung und Abstimmung. Zu dieser Haltung passt es auch, dass der Finanzsenator, der diesen Haushalt zu verantworten hat, sich erst zu später Stunde dem Parlament stellt. Man fragt sich schon, welch verkehrte Welt hier gespielt wird.

[Beifall bei den GRÜNEN]

In keinem anderen Parlament, weder im Bundestag noch in anderen Landtagen, verhält es sich so, dass die Regierung, also der Regierende Bürgermeister in diesem Fall, sich am Ende der Haushaltsdebatte als Kritiker der Opposition in die Bresche wirft.

[Reg. Bürgermeister Klaus Wowereit: Soll ich gleich anfangen? – Heiterkeit und Beifall bei der SPD]

Wir können das gern zusammen machen. – Nur bei uns ist es so, dass der Regierende Bürgermeister am Ende der Haushaltsdebatte alle anderen kritisiert, die vor ihm geredet haben.

[Reg. Bürgermeister Klaus Wowereit: Das habt ihr doch so gewollt!]

Nein, das hat die Koalition so gewollt!

[Weitere Zurufe]

Ja, das ist Berliner Sitte, und das haben Sie hier durchgesetzt!

[Zuruf: Da war der Lux wohl im Rausch im Ältestenrat! – Torsten Schneider (SPD): Sie sind hier wohl neu oder was?]

Ach, Herr Schneider! – Sie wollen damit offensichtlich nur verdecken, dass das der Haushalt einer Regierung im Finden ist.

[Daniel Buchholz (SPD): Welcher Praktikant hat denn Ihre Rede geschrieben?]

Herr Buchholz! Was machen Sie eigentlich mit Ihren Praktikanten? – Das will ich gar nicht wissen.

[Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Dieser Haushalt und die lieblose Beratung hier lassen tatsächlich die Weichenstellungen, die am Anfang einer

Legislaturperiode gestellt werden und auch in der Regierungserklärung gefehlt haben, die zentralen Projekte vermissen. Anfangs war bei Ihnen nur ein bisschen der Wurm drin, und anstatt sich zu berappeln, geraten Sie noch stärker auf die Rutschbahn. Angefangen hat das mit Personalquerelen und dem Abgang des Justizsenators Braun wegen der Schrottimmobilien. Der Stadtentwicklungssenator ist soeben vom Parteivorsitz abgewählt worden. Auch das ist wohl ein einmaliger Vorgang, dass ein amtierendes Regierungsmitglied von seiner eigenen Partei dermaßen in die Wüste geschickt wird.

[Zurufe von der SPD]

Welchen Rückhalt haben Sie eigentlich noch für Ihre Politik, Herr Müller?

[Zuruf von Bürgermeister Michael Müller]

Ach, Herr Müller! – Der Finanzsenator geriert sich eher wie auf dem Fischmarkt in Wladiwostok und trickst beim Haushalt, nur um seine 0,3-Prozent-Ausgabenlinie irgendwie hinzubiegen.

[Senator Dr. Ulrich Nußbaum (SenFin) : Da gibt es keinen Fischmarkt!]

Doch, und zwar einen der größten! – Erst nach der Klageandrohung durch die Opposition ist ihm die eigene Koalition in den Arm gefallen – Kollege Saleh hat es gerade gesagt –, und er hat das Herumtricksen beendet. In der Folge ist die nußbaumsche 0,3-Prozent-Ausgabenlinie geplatzt wie ein zu heftig aufgeblasener Luftballon.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Der Innensenator kämpft mit undichten Stellen bei der Polizei oder gar im eigenen Haus. Ich will mir gar nicht ausmalen, zu welchem Getöse der Oppositionspolitiker Henkel angesetzt hätte, wenn diese Panne anderen passiert wäre.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Und zu guter Letzt: Die Wirtschaftssenatorin schafft es, sich unsichtbar zu machen, wenn Fragen wie die Senkung der Wasserpreise oder die notleidenden Berliner Unternehmer aufgrund des Flughafendebakels auf sie zukommen. So konsequent ist wohl noch niemand jeder Möglichkeit aus dem Weg gegangen, Politik zu machen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Nicht zuletzt: Dem Regierenden Bürgermeister, der den „wichtigsten Termin des Jahres“ – O-Ton Klaus Wowereit – verpatzt, indem er seine Flughafeneröffnung in den Sand setzt und sich dann aber nicht mehr dazu äußert, schwimmen in der eigenen Partei die Felle weg, und das Wort des Regierenden gilt kaum noch etwas im parteiinternen Machtkampf um die eigene Nachfolge. Denn eins hat die SPD am Wochenende tatsächlich gezeigt: Das Machtkartell Wowereit-Müller hat ausgedient. „Der Anfang vom Ende“ schrieb der „Tagesspiegel“.

[Zurufe von der SPD]

Das wird Sie in den letzten Wochen zweifellos beschäftigt haben. Doch die meisten Menschen in der Stadt bewegen ganz andere Dinge. Seit Wochen, Herr Wowereit, sind Sie entweder nicht willens oder schlicht nicht in der Lage, dem Parlament und der Öffentlichkeit mitzuteilen, wie schlimm der Bauverzug in Schönefeld eigentlich ist, und ob Mutmaßungen zutreffen, dass auch der 17. März 2013 als Eröffnungstermin nicht zu halten sein wird, weil auf der Baustelle so vieles im Argen liegt, dass Sie längst den Überblick verloren habe. Wie ist der Stand der Dinge in Schönefeld? Ist der 17. März 2013 ein verlässlicher Termin? Das wollen wir von Ihnen heute hören, Herr Wowereit.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Wie kann es eigentlich sein, dass Sie zwar bis heute den meisten Fragen, den Flughafen betreffend, nicht auskunftsfähig sind, aber binnen neun Tagen wussten, dass der 17. März 2013 ein passender Termin sein würde?

Zumal die Flughafengesellschaft diesen Termin aufs Neue gefährdet, indem sie eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses in Sachen Schallschutz beantragt hat. Die Flughafengesellschaft will den Lärmschutz am Tag deutlich einschränken, vermutlich um Lärmschutzmaßnahmen in dreistelliger Millionenhöhe zu sparen. Wir fordern Sie heute als Gesellschafter auf, dieses unsinnigen Weg nicht weiterzugehen. Hören Sie auf, den Planfeststellungsbeschluss erneut infrage zu stellen! Machen Sie diese Frage nicht wieder auf! Ansonsten kommen wieder neue Klagen, die den Eröffnungstermin im März dramatisch gefährden. Gönnen Sie den Menschen den verdienten Schallschutz! Gefährden Sie nicht weiter den Eröffnungstermin! Das wäre der richtige Weg.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Zuruf von der SPD: Sie gefährden den Termin!]