Protocol of the Session on May 24, 2012

Mit diesem Gesetz wird diese Situation geändert. Die Lücke wird vollständig geschlossen – deutliche Verbesserung im Vergleich zu den uns bisher bekannten Referentenentwürfen, auch zum Gesetz. Mit Beginn des Schuljahrs 2012/13 wird nunmehr die Ganztagsbetreuung für Kinder der Jahrgangsstufe 5 und ein Jahr später für Kinder der Jahrgangsstufe 6 auch ohne besondere Bedarfsprüfung ermöglicht, nämlich mit der einfachen. Demnach können Kinder der Jahrgänge 5 und 6 im Rahmen einer der der Jahrgänge 1 bis 4 analogen Bedarfsprüfung ein Ganztagsangebot wahrnehmen. Es erfolgt eine Angleichung an das System für die 1. und 4. Klassen. Dies hat zur Folge, dass jetzt ca. 40 000 Familien in Berlin einen Antrag stellen können. Wir gehen davon aus, dass 7 000 Kinder dieses Angebot annehmen werden. Differenziertere Früh- und Spätmodule werden eingeführt. Eine Betreuung ist also von 6 bis 18 Uhr möglich. Damit werden die Voraussetzungen für die ergänzende Förderung und Betreuung für Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 5 und 6 an die für die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 1 bis 4 geltenden Voraussetzungen angeglichen. Somit wird die bisher bestehende Betreuungslücke in der Ganztagsbetreuung für Kinder der Jahrgänge 5 und 6 vollständig geschlossen und allen Kindern ein durchgängiges Angebot in der ergänzenden Förderung und Betreuung in den Jahrgängen 1 bis 10 gemacht. Das ist Chancengerechtigkeit. Das ist Gerechtigkeit und Chancengleichheit und individuelle Förderung an unseren Schulen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Aber das ist nicht alles. Eine Ferienbetreuung wird in der Mittelstufe an Schulen mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt GE und in den Jahrgangsstufen 5 und 6 für Kinder angeboten, die einen besonderen Betreuungsbedarf haben. Zum anderen schafft das Gesetz Verbesserungen für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen an Schulen über die Unterrichtszeit hinaus. Das Gesetz gewährleistet, dass für Schülerinnen und Schüler auch über die Jahrgangsstufe 6 bzw. die Mittelstufe hinaus möglich ist.

Des Weiteren werden für Schülerinnen und Schüler der Eingangs- bis Mittelstufe an Schulen mit sonderpädagogischen Förderschwerpunkten „Geistige Entwicklung“ und „Autistische Behinderung“, an Auftragsschulen differenziertere Betreuungsmodule und tägliche Betreuungszeiten vergleichbar mit dem Ganztagsangebot eingeführt. Der Ausbau der Hortbetreuung in Berliner Grundschulen ist ein weiterer Schritt zur besseren Ganztagsbetreuung und schafft Vereinbarkeit von Beruf und Familie für die Berliner Familien und zeigt, dass Elternschaft und Berufstätigkeit sich nicht ausschließen. Berlin ist hier bundesweit Vorreiter. Das ist auch ein wichtiger wirtschaftlicher Standortvorteil für unsere Stadt.

Ich persönlich bin mit der Gesetzesvorlage zufrieden

[Zuruf von der LINKEN: Ja, das glaube ich!]

und denke, wir dürfen heute alle zufrieden sein,

[Zuruf von der LINKEN: Nein!]

weil für unsere Fraktion Bildung eine Priorität ist und bleibt. Aber noch mal zum Anfang: Nur mit etwas Geduld und Beharrlichkeit und vor allem Ruhe und vielen Gesprächen – denken Sie nicht, dass wir keine Gespräche führen, Herr Mutlu, das wissen Sie auch –

[Uwe Doering (LINKE): Echt? Machen Sie Gespräche? Das glaube ich nicht! – Zuruf von Özcan Mutlu (GRÜNE)]

ist der Ausbau unseres Bildungsangebots realisierbar. Ich freue mich aber auf eine weiterhin erfolgreiche Zusammenarbeit mit allen Fraktionen und Betroffenen und Beteiligten auf dem Weg zu einer besseren und gerechteren Schule für alle. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

Vielen Dank, Herr Özışık! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Kittler das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorab ein Wort zu Herrn Özışık: Ich bin mit diesem Gesetzentwurf nicht zufrieden, und ich denke, wir sollten es alle nicht sein.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Das Vorhaben des Landes Berlin, die sogenannte Betreuungslücke für Schülerinnen und Schüler der 5. und 6. Jahrgangsstufe an den Berliner Schulen zu schließen, möchte ich noch einmal ausdrücklich begrüßen. Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsparteien, haben aber leider die Zeit seit unserer Debatte zu diesem Thema vor einem Monat an selbiger Stelle wieder nur halbherzig genutzt, um sich alle Fehler, die diese Vorlage zur Gesetzesänderung enthält, einzugestehen und sie zu beheben.

So erschließt sich z. B. nicht – vielleicht kann ja ein Senatsmitglied Licht ins Dunkel bringen –, warum, obwohl es gegenüber dem beim Rat der Bürgermeister vorliegenden Entwurf im uns vorliegenden Entwurf zwar kostenverursachende Veränderungen bezüglich der Betreuungszeiten sowohl im Schuljahr als auch in den Ferien gibt, sich das nicht in der Darstellung der Gesamtkosten ab Seite 20 im vorliegenden Entwurf widerspiegelt. Ich habe hier keine Veränderung finden können. Insofern, Frau Bentele, kein solider Text mit konkreten Zahlen!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Immerhin enthält der vorliegende Gesetzestext im Vergleich zum Referentenentwurf, über den wir im März diskutierten, aber zwei Verbesserungen. Das ist erstens die Betreuung in den Ferien für Kinder der Klassen 5 und 6, hier schon nett beschrieben, die einen besonderen Bedarf nach den gleichen Kriterien wie früher nachweisen können. Eine gleichlautende Regelung soll es für die Mittelstufe in Schulen mit dem Schwerpunkt „Geistige Behinderung“ geben. Insofern, Herr Özışık, wird die Lücke eben nicht vollständig geschlossen. Allerdings – und das müsste man hier auch noch ganz deutlich sagen – können diese Kinder nur eine Ferienbetreuung maximal von 7.30 bis 16 Uhr im Gegensatz zu früher von 6 bis 18 Uhr erhalten. Diese Nachbesserung ist also immer noch eine Verschlechterung gegenüber der jetzt gültigen Regelung.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Herr Özışık! Ich bin sehr gespannt, ob Sie dazu was sagen können. – Es ist außerdem rechtlich mehr als fragwürdig, wieso bei den anderen Hortkindern ein in der Schulzeit bestehender Bedarf plötzlich in den Ferien nicht mehr bestehen soll. Dies hat die Koalition offensichtlich aber nun doch eingesehen. Wie ich gehört habe, haben Sie gestern im Hauptausschuss 1,4 Millionen Euro mehr für die Hortbetreuung im Doppelhaushalt eingestellt, der aber noch nicht beschlossen ist. Warten wir es mal ab! Leider liegt uns aber heute noch kein entsprechender Änderungsantrag der Koalition vor.

[Zuruf von der CDU: Wie denn?]

Wie denn? Indem Sie vielleicht mal ein bisschen langfristiger arbeiten.

[Beifall bei der LINKEN – Özcan Mutlu (GRÜNE): Oder überhaupt arbeiten!]

Die zweite Nachbesserung ist: Für Schülerinnen und Schüler mit den Förderschwerpunkten „Geistige Entwicklung“ und „Autistische Behinderung“ in den Klassen 1 bis 6 wird zusätzlich ein neues Modul von 15 bis 16 Uhr eingeführt. Auch dies steht der bisherigen weitgehenden Praxis in Bezug auf Früh-, Spät- und Ferienbetreuung aber eher entgegen. Auch hier sieht Die Linke also Verschlechterungen.

[Beifall bei der LINKEN]

Und falls irgendwer noch eine Bestätigung dafür braucht, dass der Senat und die Koalition wirklich mit der Aussage „Eine Verbesserung für viele muss eben auch eine Verschlechterung für wenige in Kauf nehmen“ Ernst machen wollen – schön, dass Sie mir auch nicht zuhören, Herr Özışık –, der sollte mal auf Seite 52 des Gesetzentwurfs nachlesen. Die angeblich so tolle Verbesserung hat ein Einsparpotenzial von ca. 348 000 Euro. Das heißt im Klartext, dass auf Kosten von Kindern mit autistischen Behinderungen, auf Kosten von Kindern, die schwer geistig behindert sind, Geld gespart wird.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Das kann doch nun wirklich nicht wahr sein. Den Kommentar, der mir dazu einfällt, kann ich hier gar nicht öffentlich sagen. Das ist eine Umkehrung der Bedeutung von „Einer trage des anderen Last“. Das passt dann auch dazu, dass die vorliegende Gesetzesvorlage die am Entwurf bereits vielfach geäußerte Kritik an Verschlechterungen in der Betreuungssituation für lebensältere Schülerinnen und Schüler mit den Förderschwerpunkten „Geistige Entwicklung“ und „Autistische Behinderung“ eben nicht aufgreift. Ich habe hier noch nicht einen Vorschlag von der Koalition gehört, wie die Eltern dieser Kinder und Jugendlichen ihre Zukunft planen sollen. Das passt außerdem dazu, dass der Antrag der Linken auf eine Anhörung von Betroffenen und Betroffenenvertretungen in einer Sondersitzung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie am 31. Mai 2012 durch die SPD und die CDU ohne Debatte abgelehnt wurde.

[Uwe Doering (LINKE): Unerhört!]

Sie müssten bitte zum Schluss kommen.

Wollten Sie nicht aushalten, dass Kolleginnen und Kollegen aus den Sonderschulen mit Eltern und ihren Kindern ihre Meinung zum Gesetzentwurf sagen? – Ich rufe die Koalition auf: Seien Sie nicht beratungsresistent! Stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu! Lassen Sie uns gemeinsam ein Gesetz –

Sie müssten bitte zum Schluss kommen.

und eine Priorität im Haushalt beschließen, eine Priorität für Hortkinder, eine Priorität für lebensältere Schülerinnen und Schüler, die schwere Behinderungen haben! – Danke schön!

Vielen Dank, Frau Kittler! – Für die Piratenfraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Delius das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen beliebigen Geschlechts!

[Klatschen von Joschka Langenbrinck (SPD)]

Ich bedanke mich! – Déjà-vu! Ich stehe jetzt hier und rede über dasselbe Thema, über das ich schon mal vor einem Monat geredet habe, mit gleichen Problemstellungen. Herr Özışık! – Ja, jetzt habe ich Ihre Aufmerksamkeit, sehr schön! – Ich stimme dem Gesetzentwurf so

auch nicht zu. Wir haben dazu einen Änderungsantrag. Wir haben schon kurz darüber geredet. Es gibt auch noch weitere Probleme, die zu benennen sind.

Es ist sicherlich richtig, dass man schon froh sein muss, dass wir überhaupt inzwischen über eine Drucksache reden können. Beim letzten Mal war es ein geleakter Entwurf, der von Koalitionsseite und Senatsseite als unwahr, unfertig, nicht mehr aktuell bezeichnet wurde. Im zuständigen Ausschuss haben wir eine Tischvorlage bekommen, in der genau derselbe Satz, den wir in der Aussprache zur Aktuellen Stunde bereits bemängelt haben, stand. Diese wurde zurückgezogen. Inzwischen haben wir nun endlich einen Vorgang und können über etwas reden. Erst einmal ein Dankeschön an die Koalition oder den Senat – es ist ja ein Referentenentwurf – für die Arbeit!

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Geduld und Beharrlichkeit haben Sie angesprochen. Für ein Problem, das spätestens seit 2005 offensichtlich existiert, um das sich die SPD offensichtlich nicht gekümmert hat und über das wir jetzt schon über einen Monat immer wieder reden und vor allen Dingen das wir außerhalb des Parlaments klären wollen, brauchen wir tatsächlich Geduld und Beharrlichkeit. Denn wir merken nicht, dass bei Ihnen ankommt, was wir an Kritik äußern. Wir merken nicht, dass bei Ihnen ankommt, was wir hinsichtlich der Beteiligungsmöglichkeiten bei diesem Gesetz an Kritik haben.

Es geht uns vor allen Dingen um die Ferienbetreuung. Der Gesetzentwurf, der jetzt endlich vorliegt, ist schon deutlich besser als der, den wir geleakt bekommen haben. Dafür dürfen wir wahrscheinlich vor allem dem kleinen Koalitionspartner danken. Herr Schlede hat das in der Aktuellen Stunde angekündigt. Er hat gesagt: Das geht so nicht mit uns! – Wir wissen nicht, was hinter verschlossenen Türen passiert ist, aber jetzt haben wir zumindest die Ferienbetreuung in den Klassen 5 und 6 drinstehen, dies bei besonderer Bedarfsprüfung, was uns wiederum nicht ausreicht. Im Zuge dessen: Danke schön an die Linken für den Änderungsantrag, wo auch das noch mal geklärt werden wird. Ich freue mich auch auf den Änderungsantrag der Grünen, der dann irgendwann mal kommt.

[Özcan Mutlu (GRÜNE): Der kommt dann, wann er kommen muss, nämlich im Ausschuss und nicht in der ersten Lesung!]

Bei der Art und Weise, wie dieser Referentenentwurf hier diskutiert wird, brauchst du dich, lieber Özcan, nicht darüber wundern, dass wir ungewöhnlicherweise schon einmal einen Änderungsantrag eingebracht haben, über den wir dann auch hier diskutieren können.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN und den LINKEN]

Wir kennen das Problem: Die SPD kümmert sich nicht um ein lang bekanntes Problem und ist dann der große

Retter. Wie gesagt, ich bedanke mich bei den Verbänden, bei den Beiräten, bei den Ausschüssen, die außerhalb des Parlaments daran gearbeitet haben, dass dann wenigstens die wenigen Kritikpunkte, die aufgegriffen wurden, Beachtung fanden.

Wir haben einen Änderungsantrag eingebracht. Worum geht es dabei konkret? – Natürlich haben Sie jemanden vergessen. Sie haben tatsächlich vergessen, die älteren Kinder mit sonderpädagogischem Förderungsbedarf in der geistigen Entwicklung und die Schwer- und Schwerstbehinderten in der Oberstufe, in der Abschlussstufe der Schulen, mit in den Gesetzentwurf zu schreiben. Sie können sich jetzt darauf zurückziehen und sagen: Das kann man ja mit Ausnahmeregelungen regeln –, aber wenn Sie hier schon ein Gesetz einbringen, lieber Senat, und wenn die Koalition das Ganze unterstützt, dann regeln Sie das doch wenigstens mit. Dafür haben wir den Änderungsantrag eingebracht.

Die Linke hat einen weitergehenden Änderungsantrag, den wir auch so unterstützen können. Insofern kommen wir auf Sie zu. Als Opposition sind wir natürlich auch darauf bedacht, dass wenigstens minimale Änderungen zum Besseren auch in die Koalition und den Senat einfließen – ich habe noch 60 Sekunden Redezeit –, deshalb haben wir es Ihnen einfach gemacht.

Ihnen sollte klar sein, dass gerade Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf keine Ferienbetreuung auf privater Basis gebrauchen oder ohne Ferienbetreuung sein können. Ihnen müsste klar sein, dass es zynisch ist zu sagen, dass Eltern für die Betreuung ihrer Kinder selbst aufkommen können, wenn es sich um solche Schülerinnen und Schüler handelt. Und Ihnen sollte auch klar sein, dass es zynisch ist zu behaupten, es ist überhaupt kein Bedarf an Ferienbetreuung vorhanden, egal für wen, den es handelt sich um Teenies, die gar nicht in der Schule sein möchten, wenn es sich um schwerst- und schwerbehinderte Kinder und Jugendliche handelt, die einfach nicht allein gelassen werden dürfen, egal zu welcher Zeit. Da reicht es auch nicht, eine Betreuung bis 16 Uhr zu regeln. Da muss es mindestens auch eine Regelung bis 18 Uhr im Gesetz geben. Das werden Ihnen die Eltern danken. Das werden Ihnen die Verbände danken.