Protocol of the Session on May 24, 2012

Die Gender-Perspektive soll in jede Phase haushaltspolitischer Entscheidung integriert und in die Aufstellung von Haushaltsplänen einbezogen werden. Damit einher geht eine Veränderung der Prioritätensetzungen, die sich an der Verwirklichung der Gleichstellung von Männern und Frauen ausrichtet.

Das sollten wir uns in unserem Handeln permanent vor Augen führen. Es geht hier um Prioritätensetzungen. Es ist geboten, genau hinzuschauen, wofür und für welchen Nutznießer am Ende das Steuergeld, das wir von Männern und Frauen einnehmen, ausgegeben wird und wie die gesellschaftlichen Folgen sind.

Natürlich muss ich wissen, ob – nur ein Beispiel – im Sport viel mehr Angebote existieren, die gern von Jungs genutzt werden, als solche, die Mädchen ansprechen,

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

welche Vorlieben und Geschlechtsstereotype auch immer dahinterstehen. Das ist zu erkunden, und das wurde auch getan. Zunächst müssen wir immer die Zahlen erfassen, und anschließend können wir die geeigneten Maßnahmen ergreifen.

Wir wissen alle, dass da, wo es etwas zu verteilen gibt, häufig die stärksten Mitspieler versuchen, den größten Teil des Kuchens zu bekommen. Ich glaube, gerade in diesen Tagen haben wir täglich wieder sehr viele Beispiele, die wir am eigenen Leib erfahren. Aber nicht, wer am lautesten schreit und den stärksten Auftritt hat, hat deshalb schon recht. Daher ist das Instrument des GenderBudgeting so wichtig und kann auch auf andere Fragestellungen als nur die Fragestellung nach dem Geschlecht übertragen werden. Ich will wissen, bei wem das Geld ankommt, wenn wir es als Land Berlin ausgeben.

Ich hoffe, ich teile dieses Interesse mit jedem und jeder einzelnen in diesem Haus. Insofern ist es unsere tägliche Aufgabe, die Fragen zu stellen und die Verwaltung aufzufordern, weitere Produkte und Haushaltstitel zu analysieren. Dieser Prozess ist in den letzten Jahren in Berlin vorbildlich vorangetrieben worden. Wir werden als Berliner gefragt, wie man Gender-Budgeting implementiert. Das ist kein Grund, jetzt nachzulassen, aber an wen wendet sich dieser Antrag anders als an uns selbst? Wir müssen den Senatsverwaltungen die Aufgaben stellen, und zwar ganz konkret. Wir brauchen keinen Antrag, wir brauchen die tägliche Praxis und den Umgang mit den Daten, und die können wir nur gemeinsam entwickeln, zum Beispiel durch die Teilnahme an der Arbeitsgruppe Gender-Budget, die, wie ich gehört habe, nicht von allen

Fraktionen hier im Haus so regelmäßig vorangetrieben wurde, wie man sich das vielleicht wünschen würde.

Demnächst machen wir den von Frau Kofbinger schon angesprochenen Wettbewerb in den Bezirken, indem die Bezirke Vorschläge für weitere zu untersuchende Produkte und Gender-Budgeting-Vorhaben machen sollen. Ich hoffe, das setzt in allen BVV-Fraktionen und -Verwaltungen ein Feuerwerk der Ideen frei.

In diesem Sinne, Frau Kofbinger, freue ich mich auf die intensive Arbeit mit Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen direkt im Datendschungel. Diesen Antrag brauchen wir dazu aber nicht, und ich bitte, der Empfehlung des Ausschusses zu folgen und ihn abzulehnen. – Danke!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke schön, Frau Kollegin Dr. Czyborra! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Kollegin Sommer das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! GenderBudgeting – was für ein Wort, hat Frau Czyborra gesagt. Übersetzt – ich bin ja Übersetzerin – bedeutet es: eine geschlechterbezogene Betrachtung des Haushaltes und Implementierung einer Geschlechtsperspektive auf allen Ebenen der Haushaltsordnung. Das bedeutet GenderBudgeting. Die Zielsetzung ist: Durch Gender-Budgeting werden Einnahmen und Ausgaben restrukturiert, um die Geschlechtergerechtigkeit zu fördern.

Vor zehn Jahren haben wir mit Gender-Mainstreaming und Gender-Budgeting Neuland betreten, die Umsetzung folgte stufenweise. Wenn wir jetzt Bilanz ziehen und der Frage nachgehen, welchen Stand wir erreicht haben, kann ich nur sagen: Berlin war hier bislang bundesweit Vorreiter. Gender-Budgeting wurde in die normale Haushaltsordnung integriert. Das ist der Sachstand, den wir als rotrote Regierung erreicht haben.

Wenn wir jetzt der Frage nachgehen, wie es weitergeht, dann muss ich leider sagen, dass bei der Haushaltsaufstellung für 2012/2013 das Instrument Gender-Budgeting als solches noch nicht überall seine Anwendung findet. Einmal mehr erleben wir auch hier einen Rückschritt bei der Durchsetzung der Geschlechtergerechtigkeit. Deshalb hat die Grünen-Fraktion mit dem Antrag mit dem Titel „Nach zehn Jahren Gender-Budgeting endlich konsequent bei der Haushaltsaufstellung anwenden“ den Senat aufgefordert, zur Umsetzung von Gender-Budgeting in der Landeshaushaltsordnung endlich konkrete Taten folgen zu lassen. Wir als Linke unterstützen diesen Antrag und sind der Meinung, dass es nach zehn Jahren endlich Zeit

ist, das Instrument Gender-Budgeting verbindlich anzuwenden.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

So sollen endlich Verteilungsgerechtigkeit und insbesondere Transparenz beim Einsatz öffentlicher Mittel erreicht werden. So viel dazu.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Sommer! – Für die Fraktion der CDU die Kollegin Vogel! – Bitte sehr, Frau Kollegin Vogel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben bereits im Ausschuss umfassend über den Antrag zum Thema Gender-Budgeting gesprochen. Wir sind im Ausschuss mehrheitlich zu dem Schluss gelangt, diesen Antrag abzulehnen. Die Verwaltung hat in den letzten Jahren in lobenswerter Weise begonnen, in der finanziellen Darstellung das Gender-Budgeting zu berücksichtigen. So ist zum Beispiel die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen als vorbildlich hier zu erwähnen. Ein Blick in den Haushaltsplan 2012/2013 zeigt, dass auch die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales das Gender-Budgeting bereits anwendet.

Es ist andererseits jedoch richtig, dass bisher nicht jede Senatsverwaltung die Zielvorgaben dazu erreichen konnte. Insgesamt ist aber zur Kenntnis zu nehmen, dass Berlin führend in der Umsetzung dasteht und bereits reichlich Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln konnte. Auch wenn klar ist, dass an der Anwendung von GenderBudgeting bei der Haushaltsaufstellung weiter gearbeitet werden muss, so erscheint der vorliegende Antrag in seiner Forderung doch als überzogen. Die Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und SPD sagt klar aus, dass die Wirksamkeit dieses Instruments evaluiert werden muss. Eine kritiklose Umsetzung hingegen ist weniger zielführend. Wir empfehlen die Ablehnung dieses Antrags.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SDP]

Vielen Dank, Frau Kollegin Vogel! – Eine Kurzintervention von Frau Kollegin Kofbinger – bitte sehr!

Ich möchte noch ganz kurz eine Erwiderung auf Frau Vogel abgeben; sie lag mir schon bei Frau Czyborra auf der Zunge. Es geht nicht darum, dass Berlin in irgendei

nem Datensammelprozess führend ist, den andere Städte noch nicht gemacht haben. Das wird von niemandem bestritten. Ich habe gerade aus der roten Nummer 0487 zitiert, in der aufgeführt ist, dass man das jetzt, nachdem die Nutzer und Nutzerinnendaten nach zehn Jahren erhoben wurden, einmal mit politischen Zielen verbinden müsste. Das einzige, was wir als Grüne sagen, ist, dass es zu lange gedauert hat. Eine solche Phase dauert im Durchschnitt drei oder vier Jahre. Dass andere Städte damit noch nicht begonnen haben, ist unbestritten.

Wir können uns nicht darauf ausruhen, dass wir zehn Jahre lang Daten gesammelt haben und damit führend sind. Darum geht es im Kern. Ich gebe Ihnen ein konkretes Beispiel, das im Gender-Budgeting in einer konkreten Anwendung, wenn wir sie denn hätten, nicht passiert wäre. Frau Czyborra! Frau Vogel! Sie wissen, was ich meine: Es ist die Notunterkunft für Frauen. Die wird jetzt plattgemacht. Warum? Es geht dabei um 100 000 Euro. Das sind keine riesigen Beträge, die wir nun wirklich nicht mehr ausgeben können. Zur Erinnerung: Wir sollten heute eigentlich am Flughafen sein. Das kostet uns pro Monat 15 Millionen Euro. Das möchte ich kurz noch einmal erwähnen.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Das Geld wäre jetzt schon fünfzehn Mal da gewesen. Darum geht es gar nicht. Es geht darum, dass es nicht erkannt wird. Wir wissen alles, wir haben Fakten gesammelt. Gerade bei GesSoz – Sie haben es gesagt – wird auch gesammelt. Trotzdem wird diese wichtige Notunterkunft für obdachlose Frauen mit acht Plätzen – das muss man sich einmal vorstellen –, ein winziges kleines Ding, jetzt abgeschafft. Sie kann im Januar schließen, weil es keine weiteren Gelder gibt.

Ich habe gerade den Kollegen Martin Beck aus dem Hauptausschuss gefragt. Er bestätigte, dass der Antrag in zweiter Lesung abgelehnt wurde. Das Geld ist nicht da. Das ist doch der Skandal. Darüber reden wir doch. Wir reden doch nicht abstrakt über Gender-Budgeting und dass Herr Feiler als Staatssekretär genau weiß – –

Frau Kollegin Kofbinger! Sie müssen ein bisschen auf den Vorredner eingehen.

Frau Vogel! Deshalb meinen wir, dass unser Antrag sehr wichtig ist und bitten Sie noch einmal um Zustimmung.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Danke schön! – Ich werde ein wenig darauf achten, dass keine Korreferate gehalten werden. – Jetzt, Herr Kollege Kowalewski, sind Sie an der Reihe! – Bitte schön!

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Schöne Hose!]

Danke! – Herr Präsident! Liebe noch Verbliebenen!

[Unruhe]

Meine Damen und Herren! Ich bitte um ein wenig mehr Aufmerksamkeit!

Das würde mich freuen. Ich finde es schade, dass der Regierende Bürgermeister jetzt nicht da ist. Er hatte letztens im Fernsehen gesagt, dass er mir bei der ersten Lesung nicht zugehört hat. Ich hätte es ihm gern auch noch einmal erklärt. Ich versuche es aber trotzdem noch einmal und beginne von Anfang an und zitiere aus einem Dokument. Diejenigen, die es schon kennen, können weghören. Es gibt nämlich nicht nur in Österreich eine Verfassung, sondern auch in Berlin. In der steht in Artikel 10 Abs. 3:

Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Das Land ist verpflichtet, die Gleichstellung und die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens herzustellen und zu sichern. Zum Ausgleich bestehender Ungleichheiten sind Maßnahmen zur Förderung zulässig.

[Zuruf: Was sagt denn Herr Brunner dazu mit seinem „Tittenbonus“? – Unruhe]

Das müssen Sie Herrn Claus-Brunner fragen. Ich habe nicht so viel Zeit. Ich lasse auch einmal die Zahlenwerke, die ich bei der ersten Lesung vorgetragen habe, weg.

Lieber Herr Kowalewski! Einen kleinen Moment! – Meine Damen und Herren! Es ist eine Unruhe im Saal. Es liegt sicher ein wenig an der fortgeschrittenen Zeit. Ich bitte Sie aber, sich zu konzentrieren und dem Redner zuzuhören. Er hat einen Anspruch darauf.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sie können auch gern noch einmal auf Seite 699 des Protokolls nachlesen. Ich gebe noch einmal eine Kurzzusammenfassung wieder: Ja, das Landesgleichstellungsgesetz hat die Situation in man

chen Bereichen verbessert. Leider ist die Situation in noch keinem einzigen Bereich wirklich gut. Wir haben seit zehn Jahren das Gender-Budgeting. Seit zehn Jahren haben wir im Haushaltsplan auf vielen Seiten toter Bäume das dokumentierte Versagen. Wenn man nun hört, dass es eine Arbeitsgruppe Gender-Budgeting gibt – es ist schön, dass ich es jetzt erfahren habe, Frau Czyborra, das freut mich sehr, ich hatte bislang leider noch gar nicht von dieser Gruppe gehört, obwohl ich seit einem halben Jahr hier bin; das gilt auch für meinen Fraktionsvorsitzenden –, scheint es, dass diese nicht auf der ersten Ebene der Prioritätenliste steht. Wir kümmern uns aber darum. Wenn es diese Gruppe gibt, werden wir auf jeden Fall dazustoßen.

Ich hätte gern, dass der aktuelle Anteil von 13,7 Prozent Frauen an den C-4-Professuren in ein paar Jahren als lustige Anekdote in studentischen Kreisen unterwegs ist. Stattdessen erleben wir aber gerade einen akuten konservativen Rückfall an vielen Stellen. Frau Czyborra! Sie haben es gerade gesagt, Sie wollen die Hortlücke schließen. Andererseits wird jetzt gerade das Betreuungsgeld eingeführt, das eigentlich überhaupt niemand haben will, das aber vor allem Frauen Anreize liefern wird, mit diskontinuierlichen Lebensläufen noch schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt zu haben. Dann kommen von der Seite auch weniger Steuern herein. Das ist völlig richtig, Frau Vogel.

Wir haben auf Bundesebene eine Frauen- und Familienministerin, die ein Buch schreibt, in dem sie Frauen einreden will, dass sie selbst schuld an struktureller, institutioneller Ungleichheit sind. Als Vertreter von 1,739 Millionen Berlinerinnen sage ich, dass wir da nicht mitmachen.

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN]

Der Antrag der Grünen fordert tatsächlich nichts weiter – –

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hämmerling?

Ja, bitte!