machungsregeln rechnen können. Es ist das Verdienst von Martin Gutzeit, auch die generell kinderfeindlichen Zeitumstände im Zusammenhang zu denken. Es ist allerdings keinesfalls zu leugnen, dass die DDR und das MfS dieses System bis zum bitteren Ende institutionalisiert haben. Bis 1989 war das bevorzugte – in Anführungsstrichen – Zöglingsbild dieses Jugendwerkhofsystems der Punk.
Ich komme nun zu einem historischen und aktuellen Aufruf, auch an den Stasi-Beauftragten Herrn Gutzeit, mit der Bitte, sich zu engagieren: Die Initiative Kirche von unten, ein Kind der offenen Arbeit der evangelischen Kirche in der DDR, 1987 mit einem Kirchentag von unten gegründet, ist in großer Gefahr. Diesmal sind es nicht Stasi und andere Staatsorgane, diesmal ist es schlicht und ergreifend das Gewinnstreben. Es war die KvU, wo die Auszählung und Entlarvung des Wahlbetrugs bei den letzten Kommunalwahlen der DDR stattfand. In der KvU wurde öffentlichkeitswirksam für die Opfer auf dem Tiananmen-Platz gefastet und getrommelt, als in Peking 1989 das Militär auf die Demonstranten losgegangen ist und viele Menschen ermordet hat. Es wurden dort Untergrundzeitungen wie der „Morning Star“ produziert. Ausstellungen und Konzerte waren selbstbestimmtes Leben für Jugendliche in einer fremdbestimmten Umwelt. Wir können nicht in Sonntagsreden die Protagonistinnen und Protagonisten der friedlichen Revolution hochleben lassen und dann zusehen, wie Spekulation mit Häusern ihnen aktuell die Räume nimmt.
In den vergangenen Jahren war es oft Marion Seelig, die an dieser Stelle gesprochen hat. Sie kann heute nicht hier sein, aber sie hat – wie wir alle – die Arbeit des Stasiunterlagenbeauftragten immer begleitet, und wir haben auch Gelegenheit, durch Ihre Publikationen, Herr Gutzeit, die sie uns ins Abgeordnetenhaus schicken, regelmäßig zu schauen, wie insbesondere im Bereich der Bildungs- und Aufklärungsarbeit Ihre Behörde Informationen sammelt und auch dokumentiert und mit Broschüren Aufklärungsarbeit leistet. Ich soll Sie, lieber Herr Gutzeit und liebe Kolleginnen und Kollegen, von Marion Seelig herzlich grüßen.
Ich denke, wir haben allen Grund, uns weiter mit diesem Themenfeld auseinanderzusetzen und auch den Stasiunterlagenbeauftragten in den nächsten Jahren bei seiner Aufgabe zu unterstützen. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Dr. Lederer! – Von dieser Stelle wünschen wir der Kollegin Seelig weiterhin gute Besserung. Uns ist jetzt für die Piratenfraktion der Kollege Reinhardt als Redner gemeldet. – Bitte, Sie haben das Wort.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Gutzeit! Auch von mir einen schönen Abend und danke, dass Sie hier sind. – Die Stasi-Akten sind ein wichtiger Beitrag zur deutschdeutschen Geschichte. Der Zugang zu den Stasi-Akten in der aktuellen Form ist wichtig zur Aufarbeitung dieser dunklen Phase der deutschen Geschichte und sicherlich ein wichtiger historischer Beitrag, bei dem irgendwann vielleicht auch die komplette Einsicht zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft möglich sein wird.
Warum ist der Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen wichtig? – Die Behörde nimmt wichtige Funktionen wahr. Sie unterstützt den Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, und sie koordiniert zwischen dem Bundesbeauftragten und den Verfolgtenverbänden, die für die Verfolgten des DDR-Regimes wichtige Aufgaben wahrnehmen. Zudem werden die Bürger und die öffentlichen Stellen des Landes Berlin beraten. Grundlage für diese Arbeit ist das Stasi-Unterlagengesetz von 1991.
Unverminderter Zulauf wird durch den 18. Bericht des Landesbeauftragten bescheinigt, eine Zunahme der Anfragen hinsichtlich der Möglichkeiten einer strafrechtlichen Rehabilitierung. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Förderung von Verfolgtenverbänden und Aufarbeitungsinitiativen. Eine Gesamtausschüttung von 819 000 Euro erfolgte im Jahr 2011 – der Löwenanteil an Projekte zur Aufarbeitung und zur politischen Bildung. Weitere wichtige Aufgaben sind die politische Bildung im schulischen und außerschulischen Bereich sowie die politischhistorische Aufarbeitung.
Womit wir uns in den nächsten Monaten hier auch beschäftigen werden, ist die Verlängerung des Landesgesetzes, über das eben schon kurz gesprochen wurde. Damit hat sich unsere Fraktion noch nicht intensiv beschäftigt, aber ich glaube, wir haben gute Aussichten, dass wir auch konstruktiv an der Ausarbeitung und Verlängerung des Landesgesetzes mitarbeiten werden. Wie wir im Gutachten des Senats schon gesehen haben, wird die Verlängerung des Gesetzes auch weiterhin für erforderlich gehalten.
Die Arbeit des Landesbeauftragten ist weiterhin sinnvoll, und daher ist die Verlängerung notwendig. Auch das Unrechtsbereinigungsgesetz und das Rehabilitierungsgesetz sind auf Bundesebene bis Dezember 2019 verlängert worden. Seit dieser Verlängerung verzeichnet der Landesbeauftragte ein erhöhtes Interesse. Viele beschäftigen sich erst spät mit den verschiedenen Rehabilitierungsmöglichkeiten, die sich ihnen bieten. Es ist anzunehmen, dass einige der Opfer traumatisiert sind und sich deswegen eine lange Zeit genommen haben, um diese Phase in ihrem Leben überhaupt zu verarbeiten und auch juristisch anzugehen. Zudem wird die Opferrente für viele erst ein
Thema, wenn sie in ihrem Leben weniger Geld haben, und das ist für viele erst der Fall, wenn sie eine eigene Rente bekommen, wo sie konkrete Einkommenseinbußen haben. Oder sie wird erst ein Thema, wenn sie zu einem späten Zeitpunkt, wenn sie die Rente erhalten wollen, erklären müssen, wie bestimmte Lücken im Lebenslauf zustande kamen. Auch das ist ein Grund, das Landesgesetz zu verlängern.
Aber auch hier weist der Landesbericht einige konkrete Verbesserungen auf. Es geht darum, diese Verbesserungen zu bewirken – beispielsweise, wie bereits angesprochen, einen besseren Ausgleich für die DDR-Heimkinder zu schaffen, zu denen momentan noch eine einheitliche Regelung fehlt. Zwar gibt es seit dem 1. Januar 2012 eine Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder, jedoch nicht speziell für diejenigen, die als DDR-Heimkinder geschädigt wurden.
Berücksichtigen sollte man weiterhin, wie auch im Bericht angesprochen, Menschen, die weniger als 180 Tage in Haft waren. Diese werden momentan noch nicht berücksichtigt. Auch eine verbesserte Akteneinsicht für Angehörige von Opfern ist anzumahnen.
Wir sprechen heute auch über die Einsetzung des Ehrenrates. Ein Ehrenrat soll nachvollziehbar machen, ob es in diesen Reihen ehemalige MfS-Mitarbeiter gibt. Die MfSMitarbeiter in wichtigen gesellschaftlichen Positionen zu erkennen, ist wichtig. Auch diesem Antrag werden wir uns natürlich anschließen. Wäre es eine neue Initiative, müsste man an dieser Stelle länger darüber sprechen, ob man vielleicht bestimmte Punkte noch überarbeiten könnte. Das betrifft auch den Namen „Ehrenrat“, wobei es hier um konkrete Verstöße gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit geht. Aber das müssen wir an dieser Stelle nicht in Länge tun. Der Ehrenrat hat sich bewährt. Große Skandale wie in Brandenburg sind Berlin erspart geblieben.
Insofern sollten wir dieses Gremium auch in dieser Legislaturperiode wieder einsetzen und die Aufarbeitung der Geschichte für Politik und Gesellschaft auch weiterhin als wichtig erachten.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Der 18. Tätigkeitsbericht ist damit vorgelegt und besprochen worden.
Herr Gutzeit! Im Namen des gesamten Hauses danke ich Ihnen und Ihren Mitarbeitern für die geleistete wichtige Arbeit und wünsche Ihnen für die Zukunft auch alles Gute.
Zum Antrag auf Drucksache 17/0347 wurde sofortige Abstimmung beantragt. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU, SPD, Piraten, Linkspartei und Grüne. Gibt es Neinstimmen? – Das sehe ich nicht. Enthaltungen? – Sehe ich auch nicht. Damit ist dem Antrag entsprochen worden.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen vom 19. April 2012 Drucksache 17/0272
Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit Frau Kollegin Kofbinger. – Bitte, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden jetzt in kurzem Abstand das zweite Mal über ein sehr wichtiges Thema, das zur Haushaltsaufstellung gehört. Es ist Gender-Budgeting. Ich werde Ihnen jetzt nicht die Rede vom letzten Mal noch mal vortragen. Da war ja ein großer Erklärungsteil dabei. Das brauchen wir heute nicht. Sie haben ja alle zugehört, das verinnerlicht und wissen nun, wie wichtig Gender-Budgeting in der Haushaltsaufstellung ist. Weil Sie das wissen, haben wir Ihnen auch einen sehr schönen Antrag vorgelegt – mit der Drucksachennummer 200. Das kann man sich sehr schön merken. Dort heißt es: Nach zehn Jahren Gender-Budgeting endlich konsequent bei der Haushaltsaufstellung anwenden! – Das ist unser Wunsch für den nächsten Doppelhaushalt.
Es liegt eine Beschlussempfehlung vor, und das heißt, dieser Antrag hat schon einmal die Ausschussberatung durchlaufen. Er ist dort leider abgelehnt worden, wie Sie wissen. Das können Sie ja in der Tagesordnung nachlesen. Trotzdem möchte ich Ihnen hier noch einmal unseren Antrag an das Herz legen, weil ich glaube, dass es eine äußerst große Übereinstimmung in der Intention gibt. Wir sagen in diesem Antrag: Wir möchten, dass in allen Ver
waltungen Instrumente und Verfahren zum Controlling bei der Aufstellung und bei der Bewirtschaftung des Haushalts eingeführt werden. Genau das Gleiche hat mir die jetzt leider abwesende Senatorin auch gesagt: Es ist ihr großer Wunsch, dass sie das in den nächsten fünf Jahren nicht nur in ihrem Haus, sondern für die gesamten Senatsverwaltungen erreichen will – schon bei der Haushaltsaufstellung zum nächsten Haushalt.
Ich habe noch etwas herausgefunden: Am Tag, bevor wir die erste Rede zu diesem Antrag gehalten haben – am 7. März –, gab es die rote Nr. 0487. In der steht im Prinzip genau das drin, was wir in unserem Antrag fordern. Das heißt, die rote Nummer zu diesem Antrag ist im Prinzip schon vorhanden, denn auch dort wird festgestellt – nach einem bisschen Lobhudelei –, dass das alles ganz wunderbar klappt im Lande Berlin. Es wird festgestellt:
Dabei liegt der Schwerpunkt bisher in vielen Bereichen auf der reinen Nutzerinnen- und Nutzeranalyse.
Und dann heißt es dankenswerterweise in dieser roten Nummer weiter – wie gesagt, ich lege Sie Ihnen noch einmal an das Herz – :
Nun sollen weitere Schritte zu einer gleichstellungsorientierten Mittelverteilung geleistet werden, z. B. durch Abbildung von Zielen.
Da kann ich nur sagen: Als hätte ich sie selber geschrieben, so gut ist das hier ausgedrückt! – Sie werden im Jahr 2013 – das steht auch hier drin – immerhin 240 000 Euro lockermachen, um einen Wettbewerb in den Bezirken auszuloben. Auch damit sind wir ganz besonders einverstanden.
Unser Antrag bezieht sich natürlich nicht auf diese rote Nummer. Die konnten wir zu dem Zeitpunkt, als wir den Antrag geschrieben haben, ja noch nicht kennen. Wir möchten gerne, dass Sie sich im jetzt laufenden Verfahren auch ehrlich machen und sagen: Für den nächsten Doppelhaushalt 2014/2015 werden wir vorsorgen. Und damit wir unser Ziel, das in der angeführten roten Nummer beschrieben ist, verwirklichen und untersetzen können, werden wir jetzt Gender Budgeting auch in der Landeshaushaltsordnung verankern. – Das ist der springende Punkt – so, wie wir das in unserem Antrag gefordert haben. Machen Sie sich ehrlich, wenn ich das so sagen darf, und schreiben Sie dieses Ziel Gender Budgeting auch in die Landeshaushaltsordnung!
Wer hat das schon gemacht? – Man schaut ja immer nach Best-Practice-Beispielen. Da ist es immer besonders peinlich, wenn man es nennen muss, aber in Österreich
wurde es bereits gemacht. Die haben keine Landeshaushaltsordnung, sondern eine Verfassung, und sie haben es in die Verfassung geschrieben. Ab 1. Januar 2013 ist das in Österreich ein Verfassungsgrundsatz. Das sollte uns in Berlin zu denken geben. Das, was die Ösis können, können wir auch. Dahinter müssen wir nicht zurückfallen. Warum auch? Deshalb bitte ich Sie um Annahme bzw. positive Bewertung für diesen Antrag, den wir Ihnen heute noch einmal vorgelegt haben.
Wir wissen, dass Sie sich nach zehn Jahren noch in einem Pilotprojekt befinden. Das ist sehr bedauerlich. Zehn Jahre sind für ein Pilotprojekt viel zu lange. Wir sagen: Diese Zeiten müssen jetzt endlich vorbei sein. Machen Sie aus diesem Pilotprojekt ein Politprojekt! Dann sind Sie auf der richtigen Seite, dann sind Sie auch mit uns Richtung Zukunft unterwegs. Wir werden Sie mit allem, was wir wissen, unterstützen. Wir haben viele Interessierte an unserer Seite. Kommen Sie mit! Es wird viel Spaß machen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank, Frau Kollegin! – Für die Fraktion der SPD hat die Kollegin Frau Dr. Czyborra das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gender-Budgeting – was für ein Wort! Klingt nach soziologischer Fachsprache, nach bürokratischem Ungetüm. Die meisten finden es schon als Wort abschreckend und als Instrument undurchsichtig. Noch mal genau hingeschaut: Es ist ein tolles und absolut notwendiges Instrument. Da sind Frau Kofbinger und ich wohl absolut einer Meinung. Es gibt noch sehr viele Bereiche – da sind wir, glaube ich, auch einer Meinung –, in denen dieses Instrument weiterzuentwickeln und vor allem auch anzuwenden ist. Bislang schauen wir relativ einfach auf die Ausgabenseite. Es gibt aber auch noch eine Einnahmeseite. Formal werden Männer und Frauen gleich besteuert, das wissen wir, aber Entgeltunterschiede und Entlohnungsstrukturen legen den Verdacht nahe, dass man hier auch noch mal genauer hingucken müsste, nicht nur, wohin geht das Geld, sondern auch, woher kommt es.
Auch noch nicht betrachtet wird die Frage nach dem Zeitfaktor, der Zeitwirksamkeit öffentlicher Ausgaben. In diesem Sinne haben wir heute wahrscheinlich eine sehr wichtige Gender-Budgeting-Entscheidung getroffen, indem wir die Hortlücke schließen und damit den Familien und da nach wie vor überwiegend den Frauen Zeit und Entlastung verschaffen, unbezahlte – überwiegend – Frauenarbeit in bezahlte Arbeit verwandeln und Hand
Die Gender-Perspektive soll in jede Phase haushaltspolitischer Entscheidung integriert und in die Aufstellung von Haushaltsplänen einbezogen werden. Damit einher geht eine Veränderung der Prioritätensetzungen, die sich an der Verwirklichung der Gleichstellung von Männern und Frauen ausrichtet.