Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde meine Redezeit nutzen, um Ihnen kurz die wesentlichen Auszüge aus dem Energiekonzept 2020 des Senats vorzutragen.
Berlin benötigt erstens einen klaren Arbeitsplan zur Umsetzung der Maßnahmen aus dem Energiekonzept 2020 und zweitens einen Beschluss des Arbeitsplans durch den Senat. Das ist der Kernsatz dieses Energiekonzepts 2020. Dieser Arbeitsplan sollte im September letzten Jahres vorgelegt werden. Wir wissen es: Es gibt natürlich keinen Arbeitsplan des Senats für die Energiepolitik. – Warum erzähle ich das? – Weil Herr Wowereit gestern beim Energiegipfel, wo es auch um den Netzausbau ging, gesagt hat: Die Bundesregierung braucht endlich einen Masterplan Energiewende! – Wo ist dieser Masterplan hier in Berlin?
Die Stromversorgung in Berlin basiert heute zu 98 Prozent auf fossilen Energien. Der hier produzierte Strom besteht zu 98 Prozent aus fossilen Energieträgern, die anderen zwei Prozent beruhen, glaube ich, auf Müll. Es gibt kein großes Klimaschutzvorhaben dieser Koalition. Im Koalitionsvertrag ist dazu nichts zu finden. Die Ziele, die Sie in diesem Energiekonzept für den Ausbau von Solarenergie und Windkraft formulieren, sind lächerlich. Ich möchte Ihnen das mit diesem Beispiel deutlich machen: Wind und Sonne sollen demnach im Jahr 2020 einen Anteil von 1,5 Prozent an der Stromversorgung in Berlin haben, obwohl wir heute schon im Bundesdurchschnitt 4 Prozent Solarstrom haben. – Das zeigt, wie ehrgeizlos dieser Senat ist. Er ist leider auch auf dem letzten Platz im Bundesvergleich zu den erneuerbaren Energien.
Die Frage der Netze und der energiepolitischen Kriterien hängt auch damit zusammen, ob wir überhaupt energiepolitische Ziele und Kriterien haben. Wir haben seit 2010 kein gültiges Landesenergieprogramm. Wir haben keinen Maßnahmenplan. Ich frage mich also, auf welcher Basis Sie energiepolitische Ziele für die Konzession definieren wollen.
Herr Karsten! Bemerkenswert ist auch, dass bei Ihnen die Worte „Ökologie“ und „Klimaschutz“ zum ersten Mal in
Ihrem fünftletzten Satz gefallen sind, wo Sie gesagt haben, dass neben den wirtschaftlichen, finanzpolitischen und sozialen auch ökologische Ziele eine Rolle spielen sollen. Na, danke schön! Vielleicht so, wie im Vergabegesetz!
Wir glauben, dass es wichtig ist, ein klares Konzept und einen klaren Maßnahmenplan zu haben, um auch zu sehen, was die Prioritäten für die Klimaschutzpolitik in Berlin sind. Wenn man die verschiedenen Sachen abwägt, muss man sagen: Die erste Priorität wäre die Gründung eines Stadtwerks, das intensiv in erneuerbare Energien und Energieeffizienz investiert. So verändern wir den Energiemix, und das muss unsere erste Priorität sein.
Wir haben dazu unser Konzept vorgelegt, das vorsieht, öffentliche Gebäude als Ressourcen für die Energiewende zu nutzen, sie zu Kernen dezentraler Wärmenetze zu machen, die Sonne auf den Dächern und die Geothermie unter den Kellern zu nutzen. Wir haben ein Konzept vorgelegt, das dieses Klimastadtwerk mit 500 Millionen Euro Kapital ausstattet – und das im Rahmen der hiesigen Haushaltsplanung.
Sie von der SPD haben im Wahlkampf die Gründung eines Stadtwerks versprochen. Frank Henkel – das ist weitgehend unbekannt – hat in dem Papier „Politik für die Stadt der Zukunft“ geschrieben:
Wir wollen, dass die Kommunen auch beim Umstieg auf die erneuerbaren Energien eine zentrale Rolle spielen. Dazu gehört die zunehmende Versorgung der Menschen mit erneuerbaren Energien durch die Stadtwerke.
Oho! Bei einer so progressiven Koalition frage ich mich dann doch: Warum haben Sie in Ihrem Koalitionsvertrag gerade mal einen Prüfauftrag für ein Stadtwerk und nicht mehr hinbekommen?
Natürlich sehen wir eine Priorität darin, die nötige Sanierung der Gebäude sozialpolitisch zu flankieren. Wir haben dazu ein Bürgschaftsmodell vorgeschlagen, wo das Land Berlin quasi ohne eigenes Kapital einfach durch die Weitergabe seines Zinsvorteils solche Maßnahmen unterstützt, ohne dass der Haushalt dadurch Schaden nimmt. Wir glauben, dass man für die verschiedenen Möglichkeiten, diese drei, die neben den Netzen an dem Kommunalzins orientiert sind, eine Prioritätenfolge festlegen muss.
Herr Karsten! Es ist nicht richtig davon auszugehen, welche Besitzform gewünscht wird, und dann zu überlegen, was damit geschehen soll. Man muss erst wissen, was energiepolitisch erreicht werden soll. Dann erst wird die richtige Form ausgesucht.
Herr Nußbaum! An dieser Stelle bin ich ein wenig enttäuscht, denn Sie haben im Wesentlichen die interes
santesten Fragen von Herrn Wolf wiederholt. Sie haben auch gesagt, es wäre Ihnen wichtig herauszufinden, welche Refinanzierungsmöglichkeiten es gibt. Was kann über Konzessionsverträge oder über Konsortialverträge geregelt werden? Wozu braucht man eine Beteiligung? Genau diese Informationen müssen wir relativ schnell besorgen. Die Information, dass die Konzessionsverträge auslaufen, ist nicht neu. Wir haben schon vor fünf Jahren hingewiesen, dass es eine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit gegeben hätte, die das Land leider nicht wahrgenommen hat.
Wir merken bei diesem Senat leider keinen Drang, irgendeine Energiewende in dieser Stadt irgendwann einzuleiten. Wir sehen keinen Maßnahmeplan. Wir sehen keinen Aktionsplan und keine großen Projekte. Eines ist klar: Die Rekommunalisierung eines Stromnetzes ist kein Ersatz für Energiepolitik. Dessen sollten Sie sich bewusst sein.
Viele Menschen in Berlin wollen die Energiewende selbst in die Hand nehmen – Herr Wolf hat es angesprochen. Es gibt das Volksbegehren neue Energie für Berlin, es gibt die Bürgerenergie Berlin, die das Netz quasi selbst in genossenschaftliche Hände übernehmen will. Das Volksbegehren möchte die Gründung eines Stadtwerks und die Rekommunalisierung des Netzes. Seien Sie sich dessen bewusst. Auch diesen geht es nicht allein um die Form. Es geht ihnen darum, Ziele umzusetzen, energiepolitische Ziele und auch demokratische Kontrollziele. Wenn Sie hier mit einem Ergebnis herauskommen, wie es zu befürchten ist, dass wir wieder ein landeseigenes Unternehmen haben, das keine zusätzliche demokratische Kontrolle zulässt, sondern mit Herrn Wowereit als Aufsichtsratschef, der so toll kontrolliert, wie er es bei der Flughafengesellschaft getan hat, werden wir diese Rendite nicht erwirtschaften. Die Rendite kommt nur dann zustande, wenn die Stromnetzgesellschaft so geführt wird, dass sie tatsächlich die maximale Effizienz hat. Sie haben leider in anderen Unternehmen noch nicht bewiesen, dass Sie als Sozialdemokraten in Berlin diese Fähigkeit haben.
Wir als Grüne haben uns sehr klar positioniert. Wir möchten die Forderung des Volksbegehrens bezüglich der Gründung eines Stadtwerks unterstützen. Wir unterstützen die Forderung, das Netz von Vattenfall zu trennen. Beides – der Grundversorger ist nicht gleichzeitig der Betreiber des Netzes – ist auf jeden Fall sinnvoll. In Zukunft kann so Konkurrenzdruck entstehen. Wenn tatsächlich einmal neue Energien in Berlin genutzt und angeschlossen werden, hat der Grundversorger das geringste Interesse, das schnell und unbürokratisch zu tun. Mit den wenigen Erneuerbaren ist das im Moment kein Problem. Deshalb ist eine solche Trennung also auf jeden Fall sinnvoll.
Wir halten auch die Rekommunalisierung für eine Möglichkeit, wobei wir als Partei ganz klar gesagt haben, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, die womöglich sogar besser als eine 100-prozentige Rekommunalisierung sind. Für uns ist entscheidend, dass die Ziele umgesetzt werden. Diese Ziele sind erstens, das Maximum für den Klimaschutz herauszuholen, zweitens, die Versorgungssicherheit für Berlin sicherzustellen, und drittens die Berücksichtigung der Belange der Beschäftigten.
Herr Nußbaum! Zu einer extrem wichtigen Sache haben Sie sich leider gar nicht geäußert. Das ist die Frage der Fernwärme. Die Fernwärme ist nicht reguliert. Deshalb ist diese das Spannendste aller Netze. Bisher war sie im Konzessionsvertrag nach unserer Rechtsauffassung für Strom mitgeregelt. Dort steht etwas von Netzen für Strom und Wärme. Sie haben jenseits aller Kartellamtsvorgaben ganz extreme Rechte, Vorgaben zu machen, einzugreifen und öffentlich-rechtliche Verträge zur Nutzung dieses Netzes abzuschließen. Wir bitten Sie dringend, dem Abgeordnetenhaus vorzulegen, welche Möglichkeiten Sie sehen und in welche Richtung die Reise Ihrer Meinung nach gehen soll.
Herr Buchholz! Sie haben auch keine eigenen Vorschläge dazu. – Nein! Sie können sich jetzt lustig machen, wissen aber ganz genau, dass diese Materie der Konzessionsverträge so kompliziert ist, dass es auch der Senat nicht selbst macht, sondern Juristen an die Arbeit lässt und diese auch mit ordentlichen Summen finanziert. Deshalb ist es auch schon seine Aufgabe, hier die verschiedenen Vorschläge zu unterbreiten.
Ich möchte noch zwei Sachen positiv hervorheben: Herr Nußbaum! Uns freut sehr Ihre Offenheit, die Sie gegenüber der Bürgergenossenschaft gezeigt haben, die Bürgerenergie Berlin. Was uns auch freut, ist Ihre Zusage, die Kriterien für die Konzessionsvergabe im Abgeordnetenhaus zu diskutieren. Wir setzen voll darauf, dass Sie uns die notwendigen Unterlagen und Gutachten auch zur Verfügung stellen, sodass wir hier auch eine sinnvolle Diskussion führen können. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Schäfer! – Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Dr. Garmer das Wort. – Bitte sehr!
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Entschließungsantrag der Linksfraktion
ist in fast allen seinen Aussagen und Forderungen für uns sachlich nicht nachvollziehbar. Ich will stellvertretend zwei Sätze herausgreifen:
Da muss jemand einen Goldesel im Keller haben. Wir müssen für Anteile an den Netzen mindestens einen dreistelligen Millionenbetrag auf den Tisch legen. Das soll ohne Belastung des Haushalts oder eines Schattenhaushaltes funktionieren? Das verstehe, wer will. Denn auch ein zinsgünstiger Kredit ist ein Kredit, mithin eine Belastung. Wenn sich das Land Berlin in die Netze einkauft, gehen wir unternehmerisches Risiko ein. Wer unternehmerisches Risiko eingeht, kann gewinnen, muss aber nicht. Ob sich das Land Berlin in der Vergangenheit als umsichtiger und vor allem als erfolgreicher Unternehmer gezeigt hat, mag jeder für sich selbst beantworten.
Das ist wirklich reines Wunschdenken. Wir sind uns, lieber Herr Kollege Lederer, über eines sicherlich einig, darüber, dass Strom- und Gasnetze als natürliche Monopole Bestandteil der kritischen Infrastruktur unseres Landes sind und daher nicht einfach dem Marktgeschehen überlassen werden dürfen. Das ist Konsens zwischen uns. Aber genau aus diesem Grund legt auch das Energiewirtschaftsgesetz, ein Bundesgesetz fest, dass der Betrieb dieser Netze vollständig von der staatlichen Behörde, der Bundesnetzagentur in Bonn, reguliert wird. Diese Regulierung umfasst nicht nur eine bloße Überwachung, ab und zu mit ein paar Inspektoren vorbeizukommen, sondern es gibt detaillierte Vorgabe für Betrieb, für Investitionen, für Preise, für Instandhaltung und anderes. Es mag uns nun als Berliner nicht gefallen, aber die Netzpolitik wird im Wesentlichen in Bonn gemacht.
Die Netze sind also, wenn man so will, faktisch bereits verstaatlicht. Die verbleibenden wenigen Einflussmöglichkeiten, die wir an der Stelle noch haben, können wir auch durch Aufsichtsratsmandate und entsprechende Kriterien in Ausschreibungen sicherstellen unter Berücksichtigung, lieber Kollege Wolf, der Konzessionsabgabenverordnung. Das ist klar. Unter Berücksichtigung der rechtlichen Grenzen, die uns dort gegeben sind, wird sicher nicht alles, was wir uns vorstellen können, möglich sein, aber wir werden natürlich den Spielraum ausschöpfen, der uns gegeben ist.
Fazit: Für einen Rückkauf oder einen Teilrückkauf des Strom- und Gasnetzes durch das Land Berlin sieht die CDU-Fraktion derzeit keinen zwingenden Grund. Für uns sind die entscheidenden Ziele die Versorgungssicherheit, wirtschaftlich und ökologisch optimale Leistungserbringung und Unterstützung der Energiewende, so, wie es in
§ 1 des Energiewirtschaftsgesetzes formuliert ist, aufgrund der staatlichen Regulierung auch ohne eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung erreichbar. Aus diesen Gründen sehen wir eine Beteiligung des Landes Berlin derzeit als nicht notwendig an. Die Beratungen in der Koalition, das wissen Sie, stehen noch aus. Wir sind offen. Wir lassen uns, wenn Argumente vorgetragen werden, gern überzeugen. Bisher sehen wir aber in der Diskussion, die jetzt schon seit Monaten geführt wird, diese Argumente nicht. Ich freue mich auf die entsprechende Diskussion. Wir werden sicherlich zu einer guten Lösung kommen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Dr. Garmer! – Für die Piratenfraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Mayer das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Geschätzter Gast! In der Großen Anfrage geht es heute im Kern um die Frage, wer die Netze am Ende erhalten wird. Das interessanteste Netz ist, wie schon gesagt wurde, in diesem Zusammenhang das Berliner Stromnetz.
Einige von Ihnen waren sicherlich dabei, als seinerzeit Ende der 90er-Jahre die große Koalition der Verkaufswilligen – Herr Diepgen, Herr Landowsky und Frau Fugmann-Heesing – die Bewag, die GASAG und die Wasserbetriebe teilweise in private Hände gegeben hat. Mit den Folgen beschäftigen wir uns immer noch.
Ich erinnere mich, vor etwa 20 Jahren habe ich mit dem seligen Reinhard Furrer zusammengesessen und mich über die Privatisierungsorgien beklagt. Er sagte: Ach was, es läuft alles in Wellen. So in 20 Jahren kommt jemand auf eine großartige neue Idee, nämlich das Staatsunternehmen. – Das ist genau das Thema, über das wir jetzt reden, ob wir jetzt rekommunalisieren, weil sich die Hoffnungen, die mit der Privatisierung verbunden waren, in allen Bereichen nicht ganz so eingestellt haben, wie man es sich vorgestellt hat. Wasser, Strom und Gas sind nicht wirklich billiger geworden, man kann darüber streiten, woran das liegt. Was aber sicherlich an Erwartungen erfüllt wurde, ist, dass in den privatisierten Betrieben sehr viele Menschen entlassen wurden. Im Schnitt werden die Leistungen heute von einem Viertel der Mitarbeiter erbracht.
Ich will jetzt nicht alles verteufeln, was privatisiert wurde. Genauso wie es damals falsch war, alles privatisieren zu wollen, sollte man etwas genauer hinsehen, wenn man rekommunalisiert oder rückverstaatlicht. Es gibt zwar kein Gesetz, warum Unternehmen in staatlicher Hand schlechter oder weniger effizient funktionieren sollten. Es gibt auch gute Beispiele, wo Staatsunternehmen sogar produktiver als private sind, aber wir sehen, dass ganz offensichtlich häufig politischer Wille, Gestaltungskraft,
Flexibilität und Sachverstand fehlen, um schwierige Situationen zu meistern. Wie ich mitbekommen habe, war beispielsweise die GASAG nach der Wende in einer sehr schwierigen Situation. Da hat die Privatisierung sicher viele Probleme gelöst, die den Senat und die Verwaltung wohl überfordert hätten.
Man muss auch anerkennen, dass sich die Politik gern der Privatisierung bedient, um Verantwortung für unpopuläre Sparmaßnahmen, Entlassungen oder Preiserhöhungen abzuschieben, die manchmal leider notwendig sind. Dabei wird wiederum oft übersehen, dass der Staat im Gegensatz zum privaten Eigentümer auch volkswirtschaftlich handeln muss und nicht allein betriebswirtschaftlich denken kann. Es gibt Fälle, in denen der volkswirtschaftliche Schaden einer Entscheidung den betriebswirtschaftlichen Nutzen übersteigt. Aber das ist oft nicht leicht zu ermitteln.