Protocol of the Session on May 10, 2012

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ereignisreiche Tage in Berlin, die bundesweit für Aufregung sorgen! Der Regierende Bürgermeister erlebt eine Bruchlandung nach der anderen – das Riesendebakel Flughafen BER wird später noch Thema sein. Meine Fraktion ist der Meinung, dass wir auch über ein anderes missglücktes Bauvorhaben – den Zentralstandort der Hochschule für Schauspielkunst – sprechen müssen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Spätestens seit vergangenem Freitag werden wir Zeuge eines schlechten Laientheaters mit vorwiegend sozialdemokratischer Besetzung. In den Hauptrollen: Klaus „Wortbruch“ Wowereit als reine Unschuld und Torsten Schneider, der Pankower Platzhirsch, dem mittlerweile sein eigener Kreisverband nicht mehr folgt.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Die Kritiken sind seit der Spätvorstellung im Hauptausschuss vor einer Woche verheerend, und dafür gibt es gute Gründe. Seit 15 Jahren wird über den Standort der Schule debattiert, nach Hin und Her und bereits vergeigten Planungen haben sich Senat und Parlament im Jahr 2009 für den Standort Chausseestraße ausgesprochen. Dies wurde mit den Stimmen der SPD beschlossen. Jetzt, drei Jahre später, beschließt die SPD, auch bekannt als die Partei ohne Gedächtnis: Der Standort wird komplett gestrichen. Und die CDU? – Spielt mit, zu mehr Talent reicht es bei Ihnen nicht!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Was hier geschieht, ist eine Zumutung! Es ist eine Zumutung für die renommierte Schauspielschule, und es ist ein eklatanter Wortbruch. Sie zeigen, dass Sie absolut nicht zuverlässig sind! Wichtige Projekte können dem internen Machtkampf der SPD anscheinend jederzeit zum Opfer fallen, und es kümmert Sie kein Stück, dass Sie damit die Glaubwürdigkeit der Politik generell mit Füßen treten. Sie schädigen Berlin!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Herr Wowereit! Wie viel ist Ihnen Ihr Wort wert? Sie machen es sich zu leicht, alles auf Ihre eigene Fraktion zu schieben. Bei anderen Anliegen haben Sie sich doch auch durchgesetzt, oder? Teilen Sie uns und der Stadt mit: Wie stehen Sie wirklich zur Schauspielschule? – Oder sind wir wieder da angekommen: Kulturpolitik ist in Berlin Chefsache, und es gilt wieder: Willst du etwas begraben, dann musst du Chefsache sagen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Im Hauptausschuss wurde von SPD und CDU argumentiert, dass mit den Kostensteigerungen die Baumaßnahme

nicht mehr tragbar sei. Das sieht übrigens Ihr eigener Senat anders; der hat die 6 Prozent Mehrkosten in den Haushaltsentwurf eingestellt. Was alle anderen Einwände, die Sie gemacht haben – unter anderem zum Wert des Grundstücks, der war bereits 2009 bekannt –, angeht, so ist es unredlich, diese jetzt auszugraben. In der Sitzung am Freitag streichen SPD und CDU wegen dieser 6 Prozent die Hochschule für Schauspielkunst, und an anderer Stelle winken sie – ohne mit der Wimper zu zucken und ohne Debatte – Kostensteigerungen einfach durch. – Beispiele: Deutsches Theater, Probebühne, 26 Prozent, Werkstatt Schaubühne 28 Prozent, Feuerwache Gatow 64 Prozent, Feuerwache Nöldner Straße 107 Prozent usw. Bei keiner anderen Baumaßnahme gilt Ihr Kriterium der Einhaltung der Gesamtkosten.

Mehrkosten sind nicht erfreulich, aber was haben Sie eigentlich wirklich gegen die Schauspielschule „Ernst Busch“? Es sind bereits 4 Millionen Euro für die Planung ausgegeben worden. Was macht die SPD? – Sie streicht alles komplett, weil 1,9 Millionen Euro zu teuer sind, und stellt 2 Millionen Euro für die Planung der Sanierung der Standorte ein. Das ist Sparen nach SPD-Schneider-Art.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Und es geht unlogisch weiter. Sie wissen gar nicht genau, wie viel die Sanierung der vorhandenen Standorte kostet. In den 1990er-Jahren sind die Sanierungspläne wegen Unwirtschaftlichkeit aufgegeben worden. Sie können nicht bei laufendem Betrieb sanieren, sodass Ausweichorte benötigt werden. Am Ende werden Sie deutlich mehr Geld ausgeben müssen als das, was der zentrale Standort kostet.

[Zuruf von Wolfgang Brauer (LINKE)]

Die Studienbedingungen an der renommiertesten Schauspielschule Deutschlands sind mittlerweile nicht mehr tragbar. Die Kehrtwende, die Sie jetzt machen, bedeutet mindestens zwei Jahre weitere Planung, mit ungewissem Ausgang. Das bedeutet noch länger miese Bedingungen für die Studierenden. Es ist nicht nur schlechtes Theater, was Sie hier abziehen, sondern ein Trauerspiel, das die SPD ihre internen Revierkämpfe auf dem Rücken der Hochschule und ihrer Studierenden austrägt.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Zuruf von der SPD: Schwachsinn!]

Es ist beeindruckend, wie intensiv und kreativ sich die Betroffenen für den Zentralstandort einsetzen und in Berlin und über Berlin hinaus Solidarität erfahren. Etwas Zeit ist noch – die Verabschiedung des Haushalts hier findet am 14. Juni 2012 statt. Wenn die SPD bis dahin ihren internen Spielplan umstellt und die Unionsfraktion aus ihrer Statistenrolle herausfindet, dann besteht noch Hoffnung für den Standort Chausseestraße. – Kehren Sie um! Bau mit, bau auf!

[Starker Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat Herr Dr. Albers das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde, die wir heute zur Schauspielschule „Ernst Busch“ beantragt haben, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, sei einzig und allein Ihnen gewidmet. Ich glaube, wir brauchen die Aktualität nicht groß zu begründen, sie schlägt Ihnen ins Auge. Wo auch immer Sie sich kulturpolitisch in diesen Tagen in dieser Stadt bewegen und wann immer Sie die Feuilletons selbst der überregionalen Zeitungen aufschlagen, dann heißt es dort: Neues aus Schilda – Häme, Kopfschütteln, Unverständnis und Wut. Dazu hagelt es geharnischte Proteste, vielfältig und allgegenwärtig – von Studierenden und Unterrichtenden, denen wir in dieser Aktuellen Stunde zeigen sollten: Politik geht auch anders.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wir haben diese Aktuelle Stunde zur Schauspielschule „Ernst Busch“ – wenn man so will – auch beantragt, um diesen Senat und vor allem den Regierenden Bürgermeister als Kulturverantwortlichen, die Wissenschaftssenatorin und den Senator für Stadtentwicklung vor dem kulturpolitischen Amoklauf der eigenen Fraktion in Schutz zu nehmen, sozusagen als nachgereichte Serviceleistung aus gemeinsamen Zeiten,

[Heiterkeit bei der LINKEN und den GRÜNEN]

denn – hier hört der Spaß auf – die Entscheidung für den zentralen Standort an der Chausseestraße war eine gemeinsame Entscheidung von Rot-Rot und hatte selbstverständlich Bestand – auch über die gemeinsame Regierungszeit hinaus. Das war eine bewusste Entscheidung, die wir damals im Konsens nach langer und schwieriger Diskussion und auch in Kenntnis der finanziellen Rahmenbedingungen nicht nur für die Zusammenlegung der Standorte, sondern auch für ihre Konzentration genau an diesem Ort gemeinsam getroffen haben.

Wie vertrauensvoll kommt eine Politik daher, die einmal gegebene Zusagen ohne erkennbare Not bricht, und wie verlässlich wirken Politiker, die gemeinsam und im Konsens einer Koalition getroffene Entscheidungen ohne eine plausible Erklärung nach dem Ende einer solchen Koalition sofort aussetzen? Wie absurd ist das?

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Und das alles wegen eines Aufwuchses der Baukosten von 1,8 Millionen Euro. Beim Leuchtturm Charité drü

cken wir ganz andere Summen in den Skat. Gestern entnahm ich dem Pressespiegel, dass der Kostenaufwuchs für die A 100 jetzt schon bei 55 Millionen Euro, das heißt, bei 13 Prozent liegt. – Bei der Schauspielschule waren es gerade sechs Prozent. – Mit Ihrem neuen Koalitionspartner können Sie offensichtlich eine solche Art Kulturbeutepolitik machen. Der dackelt Ihnen aus Dankbarkeit, dass er trotz seines zweitschlechtesten Wahlergebnisses seit 1950 nun doch noch irgendwie am Katzentisch der Regierung gelandet ist, ohne eigenes Profil hinterher.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ihre desavouierten Senatoren bewahren derweil – zumindest bisher – öffentlich die Contenance. Der Regierende Bürgermeister betont überall, er stehe zu dem Neubau, aber es sei schließlich das Parlament, das letztlich in Haushaltsfragen die Entscheidung in der Hand habe.

[Michael Schäfer (Grüne): Er ist nur Aufsichtsratschef!]

Ja, aber damit sind Sie als Kultursenator – im wahrsten Sinne des Wortes – noch nicht aus dem Schneider, Herr Wowereit, Sie bleiben in der Verantwortung.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Der zentrale Standort für die Schauspielschule war Chefsache – Sie erinnern sich! –, und nun soll er parteipolitischer Ranküne zum Opfer fallen. Herr Schneider wird zwar in der „taz“ vom 8. Mai zitiert, er sehe den Beschluss, den Neubau zu kippen, in keiner Weise gegen den Senat gerichtet. Im Gegenteil! „Wir ziehen mit Wowereit an einem Strang!“ – Aber offensichtlich nicht am gleichen Ende, Herr Schneider.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Doch!]

Ich weiß auch nicht, ob Sie hier wirklich am Strang ziehen oder nicht vielmehr versuchen, anderen innerparteilich einen Strick zu drehen – aber dann bitte nicht auf Kosten der renommiertesten Hochschule für Schauspielkunst – nicht nur in diesem Land.

Wir wollen Ihnen mit dieser Aktuellen Stunde auch eine Brücke bauen, Herr Schneider. Nur Esel muss man manchmal über Brücken treiben, ansonsten sind Brücken dazu da, dass man sie überschreitet, und das geht dann auch ganz ohne Gesichtsverlust. Nehmen Sie doch einfach die Beschlüsse Ihrer SPD-Kreisdelegiertenversammlung in Reinickendorf und aus Ihrem eigenen Bezirk Pankow zum Anlass, und gehen Sie mit dieser basisdemokratischen Begründung über die Brücke, die wir Ihnen für eine verlässliche Kulturpolitik bauen, in einer Stadt, der bisher wahrlich nicht der Ruf vorauseilte, dass sie ihre Kultur nur im Beutel mit sich herumträgt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der Piraten hat der Kollege Herberg das Wort. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Dürfen wir 15 Jahre Planung, Hoffnung und Perspektiven einfach so mit Füßen treten? – Ich sage: Nein, das dürfen wir nicht!

[Beifall bei den PIRATEN, der LINKEN und den GRÜNEN]

Wenn Studenten und der Lehrkörper, die gesamte Stadt und das gesamte Land Anstrengungen unternehmen, um diesen Standort zu retten, dann sollten wir uns fragen: Welches Zeichen senden wir, wenn wir diesen Stand aus dem Nichts kippen?

[Lars Oberg (SPD): Nichts!]

Ja, Sie haben uns im Hauptausschuss nichts gesagt – gar nichts!

[Oliver Friederici (CDU): Ach was!]

Wir haben eine Verantwortung und sollen politisch gestalten und lenken. Wenn wir diese Verantwortung 15 Jahre lang nicht wahrnehmen und am Ende wieder bei null stehen: Was machen wir dann eigentlich hier?

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf von der SPD: Noch mehr Pathos, bitte!]

Das geht noch besser! – Welche Alternativen und Perspektiven bieten Sie denn den Studenten gerade an? – Ich sehe nichts, überhaupt nichts.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]