Protocol of the Session on March 22, 2012

Klar dürfte doch sein, dass es vertrauliche Aspekte gibt, beispielsweise Personalentscheidungen oder strategische Entscheidungen des Landes sowohl gegenüber dem Bund

als auch gegenüber anderen Bundesländern als auch gegenüber Privaten und Investoren. Die wird man wohl in keinem Fall öffentlich diskutieren können.

[Zuruf von den GRÜNEN: Wäre aber nötig!]

Dann stellt sich weiter die Frage, ob die Veröffentlichung von Entscheidungsfindungsprozessen wirklich sinnvoll oder vielleicht doch eher kontraproduktiv ist. Hier ist schon die Frage angesprochen worden, ob der Umstand, dass Öffentlichkeit dabei ist, nicht dazu führt, dass es insgesamt ein gesteigertes Bedürfnis nach Profilierung gibt. Ich gebe zu, nach der letzten Rechtsausschusssitzung konnte man zu dem Ergebnis kommen, dass man auch in quasi nichtöffentlichen Sitzungen ein gesteigertes Profilierungsinteresse sehen kann, aber da das normalerweise in den Fachausschüssen nicht der Fall ist, gebe ich zu bedenken, dass das der Entscheidungsfindung und konstruktiven Arbeit des Senats nicht unbedingt förderlich sein sollte.

Heute sind zahlreiche Vergleiche zwischen der Arbeit im Parlament und der Arbeit des Senats gezogen worden. Aus meiner Sicht haben wir uns noch nicht mit der Frage befasst, dass es sich beim Senat um ein Kollegialorgan handelt, das konstruktive Lösungsansätze finden soll – anders als in einem Parlament, wo gerade die Lösungsfindung im Streit, in der parlamentarischen Debatte im Vordergrund steht. Insofern hinkt der Vergleich. Da vergleichen Sie quasi Äpfel mit Birnen, wenn Sie die Parlamentsarbeit mit der Arbeit des Senats diskutieren.

[Benedikt Lux (Grüne): Nußbaum ist doch auch gegen alle, auch öffentlich!]

Was passiert, wenn man öffentlich Regierungssitzungen überträgt, das kann man sich derzeit in Russland angucken. Da werden im Fernsehen die Sitzungen der Regierung übertragen. Dass das eher eine Art Kasperletheater ist, das dürfte offenkundig sein.

[Christopher Lauer (PIRATEN) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Herr Lauer! Sie brauchen sich nicht zu melden. Ich bin gleich am Ende

[Christopher Lauer (PIRATEN): Ich auch!]

und möchte keine weitere Zwischenfrage.

Öffentliche Sitzungen führen doch letztlich nur dazu, dass die Vorbesprechungen, die Hinterzimmerpolitik länger wird und die öffentlichen Sitzungen davon nicht besser, sondern zu einer reinen Farce werden.

Nichtsdestotrotz schlage ich vor, dass wir im Ausschuss die Frage, ob es Teile aus Senatssitzungen gibt, die man öffentlich diskutieren kann, gern ausgiebig diskutieren und dass wir auch die rechtlichen Argumente anführen, das Für und Wider erwägen und dann zu einer Empfehlung an den Senat kommen. Ich bin mir allerdings relativ

sicher, dass es abstrakt eine völlige Öffentlichkeit von Senatssitzungen nicht geben kann. – Danke schön!

[Benedikt Lux (Grüne): Ein freundliches Njet! – Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Weiß. – Bitte sehr!

Ich freue mich über die gezeigte Offenheit, das zumindest mal zu diskutieren. Allerdings muss ich auch sagen, das Argument, das wird nirgendwo anders so gemacht, dann muss irgendwas rechtlich dagegen sprechen – das finde ich gerade für ein gesetzgebendes Gremium doch etwas befremdend.

[Beifall bei den PIRATEN]

Wir sind ja nicht nur hier, um uns die besten Gesetzgebungen und Regelungen der anderen Bundesländer zusammenzusuchen. Dadurch könnte man sicherlich auch einiges verbessern,

[Beifall bei den PIRATEN]

aber so geht das insgesamt nicht voran.

Den Vergleich mit Russland finde ich auch etwas befremdend. Vielleicht habe ich Ihnen da etwas voraus, aber ich habe doch etwas mehr Zutrauen in die politische und auch in die demokratische Kultur unseres Senats als in die Regierung Russlands.

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank! – Frau Kollegin Seibeld! Möchten Sie antworten? – Dann, bitte!

Herr Kollege Weiß! Ich bin weit davon entfernt zu glauben, dass man für alles Jurist sein muss, aber wenn Sie zwei juristische Staatsexamina haben, werden Sie zu dem Ergebnis kommen, dass, wenn kein Bundesland etwas in der Hinsicht geregelt hat, eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass es rechtliche Bedenken dagegen gibt.

[Beifall bei der CDU und der SPD – Benedikt Lux (GRÜNE): Nase ganz weit oben! – Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Staatsexamen 4.0!]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat jetzt der Abgeordnete Dr. Lederer das Wort – bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Transparente Senatsarbeit – wer will dagegen etwas sagen? – Eine gute Regierung hat ein eigenes Interesse daran, über politische Entscheidungen und die hinter ihnen stehenden Erwägungen und Gründe gut zu informieren, weil dies die Demokratie belebt und damit die Akzeptanz ihrer Entscheidungen steigt. Wir diskutieren hier aber einen Antrag, mit dem wir als Parlament den Senat veranlassen wollen, grundsätzlich öffentlich zu tagen. Transparenz ist mir und meiner Fraktion bekanntlich ein hohes Gut – nur Selbstzweck ist sie nicht!

[Beifall bei der LINKEN und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Deswegen müssen wir uns schon die Frage stellen, was uns Transparenz im hier beschriebenen Sinne bringt und was sie nicht bringt. Da ich eine ganze Weile die Gelegenheit hatte, die Senatsarbeit zu begleiten, glaube ich schlicht, dass hier ein paar Mythen im Raum existieren über das, was im Senat tatsächlich passiert. Was passiert da?

[Christopher Lauer (PIRATEN): Können wir nicht sagen! – Zuruf von den PIRATEN: Nichts!]

Wir können wieder das Spiel mit der Kurzintervention spielen, aber lasst mir mal eine Chance!

[Christopher Lauer (PIRATEN): Es gab schon zwei!]

Aller guten Dinge sind drei, nicht? – Große Teile der Tagesordnung im Senat betreffen nichts anderes als die Ratifizierung von Entscheidungen, die bereits vorbereitet und letztlich auch schon verabredet wurden. Nur ein kleiner Teil solcher Entscheidungen wird überhaupt noch ernsthaft und kontrovers diskutiert, weil es diverse andere Gremien gibt – und auf die haben wir zum Teil gar keinen Zugriff –, in denen solche Entscheidungen vorbereitet wurden und in denen auch Kompromisse gefunden werden. Das sind die Koalitionsausschüsse, das sind Chefgespräche, das sind Mitzeichnungsverfahren, Ressortabstimmungen, Vorbereitungsrunden und vieles andere mehr. Dort spielt die Musik, und wer wirklich umfassend Transparenz herstellen will, der müsste konsequenterweise all diese Prozesse offenlegen.

[Beifall bei den PIRATEN]

Wie hübsch ich die Vorstellung auch finde, einen Livestream aus der SPD-Vorbereitungsrunde sehen zu können, weil das ganz gewiss Unterhaltungswert hätte: Es braucht tatsächlich auch einen geschützten Raum, in dem Austausch möglich ist, in dem Kontroversen nicht sofort der öffentlichen oder medialen Instrumentalisierung preisgegeben werden. Setzen wir das um, was der Antrag der Piraten möchte, geschieht aus meiner Sicht nichts anderes – und insofern ist es dann tatsächlich ein Placebo – als die Verlagerung der Diskussions- und Entscheidungsprozesse endgültig und umfassend heraus aus den Kabinettsitzungen in die Hinterzimmer, in die Kaminrun

den und Vieraugengespräche. Die Konsequenz wäre also nichts anderes als die Diffusion des Regierungshandelns in endgültig informelle Strukturen. Das kann in niemandes Interesse sein, in meinem ist es nicht, denn es bringt keinerlei realen Transparenzgewinn, sondern es sorgt nur dafür, dass Entscheidungswege verschleiert werden und sich informell neue Formen suchen.

Ein zweiter Aspekt bezieht sich nicht unmittelbar auf die Sache selbst, aber er ist verfassungsrechtlich relevant, deshalb möchte ich auf ihn verweisen. Theoretisch ist es uns als Parlament tatsächlich untersagt, einen solchen Antrag zu verhandeln. Wir können den Appell in die Welt geben, das stimmt, aber der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung ist schon an mehreren Stellen aufgerufen worden und zwingt uns, einen geheimen Initiativ- und Beratungsbereich der Regierung zu respektieren. Das ist Ausdruck des Grundsatzes der Gewaltenteilung, den keiner wirklich in Frage stellen will. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 30. März 2004 zum Fragerecht von Parlamentsabgeordneten gesagt, der Zweck der ganzen Übung sei die Wahrung der Funktionsfähigkeit der Regierung, der Schutz ihrer Eigenständigkeit bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Ich möchte schon, dass ein Kabinett seine Entscheidungsprozesse abschließen kann, bevor in der Öffentlichkeit die Debatte darüber losgetreten wird, wer der Gewinner, wer die Verliererin einer solchen Auseinandersetzung ist. Das brächte uns kein Mehr an Handlungsfähigkeit einer Regierung.

Willensbildung und Entscheidungsfindung innerhalb der Regierung sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Ressort- und Kabinettsentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und internen Abstimmungsprozessen vollziehen, sind wohl Dinge, die – auch wenn wir uns das alle an der einen oder anderen Stelle mal anders wünschen – zukünftig geheim bleiben werden, was immer wir auch beschließen. Was ich aber wirklich sinnvoll finde, und diese Debatte würde ich gerne aufnehmen, wenn wir über den Antrag reden, ist zu klären, wo ein realer Gewinn an Transparenz erzielbar ist. Wer, lieber Kollege Kohlmeier, www.berlin.de für den Gipfel der Transparenz hält, der nutzt diese Webseite offenbar nicht.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Dr. Lederer! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall, dann verfahren wir so.

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.3:

Priorität der Fraktion der SPD

Tagesordnungspunkt 8

Gesetz zur Änderung des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/0211

Erste Lesung

Für die Beratungen steht den Fraktionen eine Redezeit von jeweils bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der SPD, das Wort hat der Abgeordnete Herr Jahnke. – Bitte sehr!