Protocol of the Session on March 22, 2007

Frau Senftleben! Entschuldigung!

Ja, mache ich gleich! – Sie reden immer so gerne von Eigenverantwortung der Schule. Sie vergessen aber: Die Verwaltung zeigt immer wieder, dass sie die zentrale Zuweisung gar nicht auf die Reihe bekommt. Also, was müssen wir machen? – Dass die Schulverwaltung sagt: 400 oder 450 Stellen brauchen wir, aber dann wird vor Ort eingestellt. Und das gehört für mich in einen solchen Antrag für eine Fraktion, die immer gerne über Eigenverantwortung redet, dazu. – Jetzt dürfen Sie gerne fragen!

Herr Mutlu, bitte!

Frau Kollegin Senftleben! Ich werde jetzt nicht fragen, wo bleiben Ihre Initiativen, sondern beziehe mich lediglich auf die magische Zahl 400, von der Sie geredet haben. Ist Ihnen bekannt, dass es eine längerfristige Lehrerbedarfsplanung in diesem Land gibt, und können Sie sich vorstellen, dass das von dort aus so berechnet werden könnte?

Bitte, Frau Senftleben!

Herr Kollege Mutlu! Mir ist klar, dass diese langfristige Lehrerbedarfsplanung noch nie hingehauen hat, und das ist für mich das einzig Entscheidende in diesem Fall, dass jetzt die Aufgabe darin besteht, einmal wirklich den Bedarf zu ermitteln: Wie viel Lehrer brauchen wir, insbesondere in den Mangelfächern? Und dass wir Lehrer brauchen, ist so klar wie das Amen in der Kirche.

[Beifall bei der FDP]

Ich finde es ein bisschen schade – und da, Herr Kollege Steuer, glaube ich, haben Sie auch die Grünen missverstanden –, dass Sie den Antrag zur Prüfung der Zweigliedrigkeit heute vertagt haben. Dort steht nämlich – und Herr Kollege Steuer, Sie müssen das einmal genau durchlesen – etwas anderes drin als oben drüber. Die Zweigliedrigkeit soll nämlich lediglich zur Überwindung der herrschenden Verhältnisse dienen und zurück oder hin zu einem glückselig machenden Einheitsschulsystem führen.

[Özcan Mutlu (Grüne): Wenn Sie zitieren, dann zitieren Sie richtig!]

Verehrte grüne Kolleginnen und Kollegen! Jetzt möchte ich Sie um eines bitten: Präzisieren Sie einmal Ihr Verhältnis zum Einheitsschulsystem! Sie eiern hier herum.

[Beifall von Dr. Felicitas Tesch (SPD)]

Danke, Frau Dr. Tesch, für diesen Beifall! – Erinnern wir uns an den Wahlkampf! Nachdem Sie gemerkt haben, dass dieser Einheitsbrei nicht so gut bei den Wählern ankommt, kamen schnell Ihre pragmatischen Bildungspolitiker zu Wort. Die Zweigliedrigkeit wurde ausgerufen, und danach – jetzt wird Muñoz zitiert: Alles wunderbar! Die Eingliedrigkeit wird aufgerufen, aber bis wir dahinkommen, soll es ein zweigliedriges System geben. – Das halte ich für völlig hirnrissig. Wohin wollen Sie? – Das müssen Sie klar und deutlich sagen, und dann bleiben Sie bitte dabei, selbst dann, wenn Sie feststellen, dass Ihr bildungsbürgerliches Klientel insgeheim die grundständigen Gymnasien bevorzugt.

[Beifall bei der FDP – Özcan Mutlu (Grüne): Lesen Sie die Begründung des Antrags!]

Abschließend etwas zum Antrag von Rot-Rot. Das kann ich mir nun auch nicht verkneifen. Sie wollen die sprachlich schwachen Kinder nun ein Jahr vor Schulbeginn nach einem Testverfahren für die drei Stunden ausbilden. Testverfahren mit vier Jahren – ja! CDU und FDP haben sich immer stark dafür gemacht, dass es passiert, aber es steht nicht darin, wo die Förderung stattfinden und von wem sie durchgeführt werden soll. Und ich sage Ihnen eines, meine Damen und Herren von Rot-Rot: Dieser Antrag verdeutlich das Scheitern rot-roter vorschulischer Bildung auf ganzer Linie. Alle bisherigen Maßnahmen, vorher hochgelobt vom ehemaligen Schulsenator Böger, als einmalig in der Republik dargestellt, alle diese Maßnahmen

sind gescheitert, und das müssen Sie eigentlich auch einmal zugeben.

Frau Abgeordnete Senftleben! Wenn Sie dann bitte zum Ende kommen würden.

Von wegen, bessere Startchancen herstellen! Von wegen, mehr Chancengerechtigkeit! Nichts haben Sie erreicht. Herumgedoktert haben Sie zum Schaden der Kinder, und offensichtlich wollen Sie weiter herumdoktern. Bekennen Sie sich endlich zu einer verbindlichen vorschulischen Bildung, indem Sie die Startklasse einführen! So erhalten alle Kinder eine Chance, besser auf den Schulstart vorbereitet zu werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Senftleben! – Frau Dr. Tesch möchte eine Kurzintervention erhalten. Dann hat sie auch bitte das Wort!

Danke schön, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Das kann ich nun wirklich nicht so stehen lassen, Frau Senftleben, was Sie hier sagen: Die Maßnahmen, die wir in der letzten Legislaturperiode ergriffen hätten, seien alle gescheitert. Wir bringen jetzt einen Antrag ein, auf den ich wegen der Kürze der Zeit leider nicht eingehen konnte, der diese guten Maßnahmen, weil sie eben gut sind und Erfolg gezeitigt haben, ausweitet. Wir haben – wie Sie wissen – das Schuleingangsalter gesenkt und deswegen noch vorher einen Deutschtest eingeführt und dann einen verbindlichen Deutschkurs für alle Kinder, die erwarten ließen, dass sie mit ihren Deutschkenntnissen nicht eingeschult werden konnten. Ursprünglich war dieser Vorkurs – wenn er verbindlich ist, ist er natürlich auch unentgeltlich – ein halbes Jahr lang und betrug zwei Zeitstunden am Tag. Nun haben wir gesagt: Prima, das ist der erste Schritt, aber für gewisse Kinder reicht es vielleicht noch nicht aus. Wir werden ihn jetzt auf ein Jahr ausweiten – das haben wir in der Koalitionsvereinbarung festgelegt und führen es jetzt durch –, vorher den Test durchführen und den Sprachkurs auf drei Zeitstunden pro Tag verlängern. Was daran gescheitert sein soll, das möchte ich wirklich gerne einmal wissen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Tesch! – Frau Senftleben möchte antworten. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Verehrte Kollegin Tesch! Das würde ich Ihnen wirklich gerne sagen, was hieran gescheitert ist. Sie haben recht, die erste Maßnahme bei den Kindern mit Sprachproblemen hieß: ein halbes Jahr zwei Stunden täglich vor Schulbeginn. Da hießt es: Diese Maßnahme ist super, sie wird ausreichen. Nach einem Durchlauf hieß es: Wir machen das Ganze jetzt drei Stunden ein halbes Jahr täglich vor der Schule. Jetzt müssen Sie einmal logisch denken: Wenn diese zwei Stunden ausgereicht hätten, dann hätten wir das nicht auf drei Stunden erhöht. Und wenn diese drei Stunden ausreichen würden, würden wir das nicht in einer zeitlichen Ausweitung erhöhen, nämlich von einem halben Jahr auf ein ganzes Jahr. – Da brat mir einer den Storch, wenn ich das nicht vom logischen Denken her so erklären kann!

Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Dieser Antrag dokumentiert, dass die rot-rote vorschulische Bildung auf ganzer Linie gescheitert ist.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Senftleben! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu den Anträgen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Drucksachen 16/0326, 16/0327, 16/0357, 16/0358 und 16/0359 – empfiehlt der Ältestenrat jeweils die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie und zur Drucksache 16/0328 die zusätzliche Überweisung auch an den Hauptausschuss. – Ich höre zu den Vorschlägen keinen Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.

Unter der

lfd. Nr. 4 c:

Keine hungernden Kinder an Berliner Schulen – Schulspeisungen zu integralem Bestandteil an gebundenen Ganztagsschulen entwickeln!

Antrag der FDP Drs 16/0346

rufe ich nun die Priorität der Fraktion der FDP auf. Für die Beratung steht den Fraktionen eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt Frau Abgeordnete Senftleben für die FDP-Fraktion – bitte!

[Daniel Buchholz (SPD): Die mit den Störchen!]

Frau Präsidentin! Meine Herren! Meine Damen! An gebundenen Ganztagsschulen ist der Schulbesuch zwischen 8 und 16 Uhr Pflicht. Das sind acht Stunden für Kinder zwischen dem 6. und 10. Lebensjahr, man könnte es auch anders ausdrücken: Das ist ein voller Arbeitstag. Wenn Sie und ich täglich ohne Nahrungsmittel aushalten müssten, dann bekäme das vielleicht unserer Figur, wäre aber

auf Dauer ungesund. Ein leerer Bauch studiert nicht gern, das gilt für Große und Kleine. 11 Prozent der Kinder, das sind rund 3 000 Schülerinnen und Schüler, die eine gebundene Ganztagsschule besuchen, nehmen nicht an der Schulspeisung teil. Viele von ihnen haben auch nicht gefrühstückt, viele haben kein Pausenbrot dabei, kein Ersatzmittagessen oder gar Geld für einen Schokoriegel. Diese Kinder nehmen an der Schulspeisung nicht teil, weil ihre Eltern keine 42 € übrig haben. Lehrer und Erzieher reagieren hierauf unterschiedlich, aber eigentlich reagieren sie alle sehr betroffen. Einige wissen manchmal gar nichts, einige lassen sie hungern und holen sie aus der Essensschlange heraus, andere wiederum animieren die satten Kinder, sich einen Nachschlag zu holen, der dann an diejenigen weitergegeben wird, die noch nichts hatten. Alle Reaktionen sind verständlich, aber auf Dauer nicht akzeptabel.

[Beifall bei der FDP]

Es ist ein Skandal, wenn in unserem Wohlstandsland Kinder hungern, und es ist ein Skandal, wenn in unserem Land Kinder unzureichend ernährt werden. Es ist aber auch ein Skandal, dass Eltern ihrer ureigenen Pflicht nicht nachkommen, für das Grundbedürfnis ihres Kindes zu sorgen, nämlich es zu ernähren. Und es ist ein Skandal, dass dies einfach hingenommen und akzeptiert wird.

[Beifall bei der FDP]

Das, verehrter Herr Senator Zöllner, haben Sie in der letzten Plenarsitzung mit Ihrer Antwort auf meine Frage gezeigt. Sie sagten, Sie wollten niemanden zwingen zu essen. Sie sagten weiterhin, Sie warteten auf eine Entscheidung auf Bundesebene. Sie wissen genauso gut wie ich, dass es hier nicht um die Zwangsernährung von Kindern geht, sondern darum, dass die Eltern den Betrag von 42 € nicht zahlen und es damit den Kindern nicht ermöglichen, an diesem Essen teilzunehmen. Wenn Sie auf etwaige Beschlüsse der Bundesregierung warten – das wissen Sie aufgrund Ihrer langjährigen Erfahrungen –, dann werden Sie lange warten. Herr Senator! Es bedarf hier Ihres ganz persönlichen Engagements, Ihres ganz persönlichen Muts, und ich fordere Sie deshalb dezidiert auf – es wäre schön, wenn Sie zuhörten –: Setzen Sie sich persönlich für die Berliner Kinder ein!

[Beifall bei der FDP]

Ich bin auf diesen Missstand vor einigen Wochen von einer Erzieherin an einer Kreuzberger Grundschule aufmerksam gemacht worden. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir diesen Missstand beheben müssen. Sie, Herr Senator, sollten begreifen und einsehen, dass hier etwas ganz gehörig schiefläuft und etwas getan werden muss. Wir fordern Sie deshalb auf zu prüfen, inwieweit es Möglichkeiten gibt, allen Kindern die Teilnahme an der Schulspeisung zu ermöglichen. Dabei geht es uns nicht darum, den Beitrag von 42 € in irgendeiner Form staatlich zu finanzieren, nein, es geht zunächst einmal darum, allen Eltern klarzumachen, dass ein Mittagessen zu einem gebundenen Ganztagsbetrieb gehört – und zwar zum Wohle des Kindes – und dass die Eltern dies auch zu finanzieren haben. – Herr Müller, hören Sie gut zu! – Sie müssen

nach Möglichkeiten suchen, den Essensbeitrag verbindlich von allen Eltern einzufordern. Die Anmeldung an einer gebundenen Ganztagsschule ist freiwillig und die Schulspeisung integraler Bestandteil einer Ganztagsschule.

Ich habe heute mit großer Freude einen Brief vom Landeselternausschuss zu diesem Thema erhalten – ich weiß nicht, ob Sie auch. Der Landeselternausschuss macht den Vorschlag – dieser Idee können wir uns anschließen –, dass es Verträge zwischen der Schule und den Eltern geben muss und nicht zwischen dem Caterer und den Eltern. Hier bedarf es einer Änderung von § 19 Schulgesetz. Herr Zöllner, vielleicht können Sie Ihre Verwaltung einmal darauf ansetzen.

Nun zu Ihnen, Herr Müller!

[Michael Müller (SPD): Ja!]

Sie haben offensichtlich erkannt, dass es Eltern gibt, die ihrer Erziehungspflicht nicht nachkommen.

[Michael Müller (SPD): Ja!]

Das ist zwar ein bisschen spät, aber Sie fordern zum wiederholten Mal ein Bußgeld von sogenannten schlechten Eltern. Als Populist treiben Sie diese Sau mindestens einmal pro Monat durch diese Stadt,

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

wohl wissend, dass dieser Vorschlag nie ernsthaft diskutiert werden wird. Sie haben Frau Bluhm gehört, dort ist es überhaupt kein Thema. Deshalb, Herr Müller – das nehme ich Ihnen wirklich übel –: Sie nehmen ein ernstes Thema nicht ernst genug. Sie als Fraktionsvorsitzender sollten das Thema vorantreiben.

[Beifall bei der FDP]