Protocol of the Session on March 22, 2007

[Beifall bei der FDP]

Nun liegt ein Antrag vor. Ich fordere Sie auf, Herr Müller: Setzen Sie sich für diesen Antrag ein, dann werden Sie auch ernst genommen-

Frau Abgeordnete Senftleben! Ihre Redezeit ist beendet!

Bei diesem Antrag geht es nicht um Bestrafung, hier geht es um eine verbindliche Absprache zwischen Schule und Elternhaus, und zwar zum Wohle der Berliner Kinder.

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Senftleben! – Für die SPD- Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Saleh das Wort. – Bitte, Herr Saleh!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute mit einem äußerst ernsten Thema. Nicht alle Kinder an den gebundenen Ganztagsschulen können gleichermaßen an der Schulspeisung teilnehmen, weil ihre Eltern den nötigen finanziellen Beitrag nicht aufbringen können.

[Mieke Senftleben (FDP): Wollen!]

Der hier zur Diskussion gestellte Antrag hat zwar die richtige Intention, die vorgeschlagenen Lösungen sind aber nicht angemessen.

[Mieke Senftleben (FDP): Ach so!]

Es ist leider Realität, dass die Eltern einiger Schülerinnen und Schüler das Essensgeld nicht bezahlen. Dieser Zustand ist bedauerlich und schwer zu akzeptieren.

Für diejenigen unter Ihnen, die den Antrag nicht gelesen haben: Der FDP-Antrag ist nicht ausreichend durchdacht, er nennt zu einfache Lösungen. Der Antrag ist in dieser Form nicht hinnehmbar.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Nur wenige Eltern verweigern meiner Ansicht nach in böswilliger Absicht die Zahlung des Essensgeldes.

[Mieke Senftleben (FDP): Herr Müller! Jetzt sind Sie dran!]

Eine ganze Reihe von Eltern, die nicht zahlen, sind Menschen mit einem geringen Einkommen ohne Transfereinkommen, die sich das Essensgeld nicht leisten können. Wie will man an diese Eltern mit einer Verlagerung der Transferleistung herankommen? Auch der Vorschlag, sie vertraglich zur Zahlung des Essensgeldes zu verpflichten, ist eher polemisch als ernst zu nehmen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Würde man Ihren Ansatz konsequent zu Ende denken, dürften Kinder gar nicht eingeschult werden, wenn die Eltern einen entsprechenden Vertrag nicht unterzeichnen. Dies würde dazu führen, dass Eltern aus Angst vor Kürzung ihrer Transferleistungen oder ähnlichem ihre Kinder nicht auf eine gebundene Ganztagsschule schicken würden. Ziel muss es sein, eine kindgerechte, gesunde, schmackhafte Ernährung an der Schule zu ermöglichen. Wir müssen die Chancengleichheit in dieser Stadt für alle Kinder erhalten und ausbauen. In dieser Beziehung krankt der Antrag der FDP. Er würde im Zweifel zulasten der Kinder gehen. Dies ist mit uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht zu machen.

Die Frage der staatlichen Leistungen für den Unterhalt der Kinder ist nicht in Landes-, sondern in der Bundesgesetzgebungskompetenz geregelt.

[Ramona Pop (Grüne): Und da regiert die SPD!]

Ein unmittelbares Tätigwerden des Landes Berlin zu fordern wäre deshalb nicht zielführend.

[Mieke Senftleben (FDP): Wo ist Ihre Lösung?]

Davon einmal abgesehen, würden derartige Kürzungen, wie Sie sie anstreben, einen Mehraufwand bei der Verwaltung der Transferleistungen bedeuten, was nicht im Interesse der FDP sein kann.

Das Problem der Nichtteilnahme an bzw. Nichtbezahlung der Schulspeisung ist nicht nur ein Berliner Problem. Die vom Saarland ausgehende Bundesratsinitiative versucht momentan, das Thema anzugehen. Wir müssen die Eigenverantwortung und das Engagement der Schuldirektionen vor Ort stärken.

[Mieke Senftleben (FDP): Durch Verträge?]

Wir müssen die Lehrerinnen und Lehrer unterstützen. Wir müssen mit den Eltern ins Gespräch kommen und die Notwendigkeit erklären, warum es sehr wichtig ist, dass die Kinder an der Schulspeisung teilnehmen. Auch die Zusammenarbeit mit Fördervereinen und Sponsoren wird an Schulen bereits erfolgreich praktiziert.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich denke, der Antrag der FDP weist zu Recht auf ein Problem hin. Er nennt jedoch unzureichende Lösungen. Wir müssen mit Augenmaß und Respekt gegenüber den Beteiligten vorgehen. Ich bitte daher, diesen Antrag im Bildungsausschuss intensiv weiter zu thematisieren, denn ich merke, dass noch Diskussionsbedarf besteht.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Saleh! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Kollege Statzkowski das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Spricht man mit Lehrern und Erziehern und lässt sich die Situation vor Ort schildern, dann bekommt man sehr schnell mit, dass das Thema, das der Antrag der FDP schildert, ein wichtiges und schwieriges Thema ist, das definitiv einer Lösung harrt. Spätestens nach dem Schreiben und dem Beschluss des Landeselternausschusses vom 16. März sollte auch die Regierung wissen, dass man dieses Problem nicht einfach damit abtun kann, dass man die Zahl der betroffenen Schüler und Schülerinnen kleinredet, sondern es ist ein Problem, das an einzelnen Schulen bis zu 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler betrifft. Der Landeselternausschuss hat dazu mengenmäßig klare Aussagen getroffen, die von Seiten des Senats nicht in Frage gestellt werden können.

[Beifall von Henner Schmidt (FDP)]

Die Ursachen liegen zum einen in einem Kostensatz nach dem Sozialgesetzbuch II, der erheblich unter dem Kostensatz des Essens für Schülerinnen und Schüler an den Schulen liegt. Sie liegen teilweise aber auch in einer Form

von Nachlässigkeit von bestimmten Eltern bis hin zur Vernachlässigung von Kindern. Man muss sich die Frage stellen, wo und inwieweit der Staat, das Land Berlin, hier eingreifen und eine regelmäßige Ernährung der Schüler und Schülerinnen sicherstellen kann.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Die Schulspeisung gehört zu dem ganzheitlichen Konzept einer Ganztagsgrundschule. Nicht umsonst ist sie ein integraler Bestandteil des Schullebens. Es muss sichergestellt werden, dass den Schülerinnen und Schülern an fünf Wochentagen eine geregelte, meist auch ausgewogene Mahlzeit zur Verfügung gestellt wird. Es ist wichtig, hiermit auch die soziale Kompetenz der Schüler und Schülerinnen zu fördern – und wenn es um selbstverständliche Dinge wie Tischdecken und Miteinanderessen – auch langsam essen – oder auch um die Benutzung von Besteck geht. Das sind Kulturtechniken, die wichtig sind und hierbei eingeübt werden.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Sebastian Czaja (FDP)]

Auch das Kennenlernen unterschiedlicher Gerichte – statt täglich Pommes Frites – gehört mit Sicherheit dazu.

Die Erfahrung zeigt, dass gerade Empfänger von Bezügen nach dem SGB II an der Nahrung und auch an der Nahrung ihrer Kinder sparen. Dies gilt umso mehr, wenn dann auch noch ein Potenzial für Suchtmittel in der Familie vorhanden ist. Eine Kontrolle dessen, was Kinder dort zu essen bekommen, geschieht nicht, sondern wir merken, dass in letzter Zeit insgesamt eine erhebliche Vernachlässigung von Schülern und Schülerinnen stark zugenommen hat. Diesem gilt es zu begegnen. Wir sollten auch den gesundheitlichen Problemen einen Augenblick Aufmerksamkeit schenken: Erhöhte Karies, unzureichende Zahnpflege, Infektanfälligkeit, Wachstumsschäden, Verdauungsstörungen, Manifestation von chronischen Erkrankungen bis hin zu Sehbehinderungen sind die Folgen einer falschen oder einer Unterernährung unserer Schüler und Schülerinnen, die nicht an einem regelmäßigen Essen in den Schulen teilnehmen.

Wir haben einen Beschluss des Landeselternausschusses, den es ernst zu nehmen gilt. Wir haben diese Gremien nicht nur, damit wir formalgesetzlichen Gegebenheiten Rechnung tragen, sondern wir sollten uns ernsthaft mit den Anliegen des Landeselternausschusses befassen. Da, meine ich, ist der Antrag der FDP durchaus zielführend. Hier geht es zunächst einmal darum, die Teilnahme sicherzustellen. Der Antrag schreibt nämlich nicht vor, in welcher Form diese Teilnahme sicherzustellen ist. Er spricht von einer weitergehenden Prüfung. Aber zunächst einmal ist im Antrag von einer Sicherstellung der Teilnahme die Rede. Das, was der Kollege von der SPD dazu geäußert hat, war in keiner Weise zielführend,

[Beifall bei der CDU und der FDP]

weil es keine konkreten Ansätze dafür gab, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. „Lehrer stärken“,

„die Situation erklären“: Na, was machen denn die Kollegen vor Ort? – Gehen Sie doch mal in eine Schule, und setzen Sie sich konkret mit der Situation auseinander! Die Verantwortung einfach auf den Bund zu schieben, hilft uns nicht weiter. Wir haben uns dieser Herausforderung hier und heute im Abgeordnetenhaus von Berlin zu stellen. Wir haben eine Verantwortung für unsere Kinder, für unsere Schüler und Schülerinnen an unseren Ganztagsgrundschulen, und der sollten wir uns stellen, indem wir den Antrag der FDP annehmen. Dazu fordere ich Sie hiermit nachdrücklich auf.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Statzkowski! – Ihnen folgt Frau Dr. Barth von der Linksfraktion. – Bitte, Frau Dr. Barth, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn mit dem Titel des Antrags suggeriert werden soll, dass unsere Kinder an den Berliner Schulen hungern, dann geht der Antrag an der Realität vorbei.

[Beifall von Lars Oberg (SPD)]

Wenn aber darüber gesprochen werden soll, wie wir die Bedingungen für eine gesunde Entwicklung unserer Kinder sichern können, Frau Senftleben, dann sieht uns die antragstellende Fraktion als Partner.

Wie ist die Situation aus unserer Sicht? Was sollte getan werden? – Die Eltern von Grundschulkindern finden beim Besuch einer gebundenen oder einer offenen Ganztagsgrundschule unterschiedliche Bedingungen in Berlin vor. Im Hinblick auf die Versorgung mit Mittagessen haben wir für die Kinder in offenen Ganztagsschulen, die an der Hortbetreuung teilnehmen, eine gute Lösung geschaffen. Bekanntlich erhalten alle diese Kinder eine warme Mittagsmahlzeit für 23 € im Monat. Dagegen stehen die Eltern, deren Kinder am gebundenen Ganztagsbetrieb einer Grundschule teilnehmen, vor der Situation, ihren Kindern ein warmes Mittagessen für mindestens 40 € und mehr kaufen zu müssen. Das ist aber nach den Erfahrungen von Schulen für zunehmend mehr Eltern nicht mehr erschwinglich. Man spricht inzwischen von mehr als 10 %. Diese Entwicklung ist für uns sehr bedenklich, dient doch eine regelmäßige Versorgung mit warmem und vollwertigem Mittagessen der Erhaltung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit im Allgemeinen sowie einer erfolgreichen Entwicklung des Kindes insgesamt.

Was wird in diesem Zusammenhang diskutiert? – Es gibt Meinungen von Politikern, dass die Ungleichbehandlung in der Finanzierung des Mittagessens je nach Schulform gerechtfertigt sei, weil in der gebundenen Ganztagsgrundschule schließlich keine Betreuungskosten anfielen. Da könnten die Eltern mehr für das Mittagessen bezahlen. Aus anderen politischen Kreisen wiederum hört man, es

gebe keinen Grund, dass Eltern das Mittagessen ihrer Kinder an gebundenen Ganztagsgrundschulen nicht bezahlten, da selbst Hartz-IV-Empfänger in ihrem Regelsatz ausreichend Geld vorfänden. Wir sollten aber wissen, dass die Regelleistung für Kinder unter 14 Jahren nur 207 € pro Monat beträgt. Davon sind ca. 80 € für Essen und Getränke vorgesehen. Das sind ca. 2,60 €, von denen ein Kind den ganzen Tag – zu Hause und in der Schule – ernährt werden soll. Bedenkt man, dass davon 40 % auf das Mittagessen entfallen, bleibt von 2,60 € nur ca. 1 € für die Mittagsmahlzeit übrig. In dem uns vorliegenden Antrag der FDP wird die Einführung einer Essenspflicht gefordert. Außerdem wollen Sie, dass bei Kindern, deren Familien von staatlichen Transferleistungen leben, der Essensbetrag direkt an den Caterer überwiesen wird.