Protocol of the Session on May 26, 2011

Und dass dieses Unternehmen Q-Cells von diesem Senat nach Sachsen-Anhalt vertrieben wurde, weil man hier nicht in der Lage war, irgendwie mit denen zu verhandeln, dass jetzt 700 Arbeitsplätze in Bitterfeld entstanden sind statt in Berlin, das müssten Sie doch angreifen. Aber Sie haben sich doch aus solider Wirtschaftspolitik längst verabschiedet.

[Beifall bei den Grünen]

Herr Meyer! Gezielte Ansiedlungspolitik für Green Economy, das lehnen Sie ab, das ist Planwirtschaft. Jetzt haben Sie gerade in Ihrer Rede eine gezielte Ansiedlungspolitik für Unternehmen gefordert, die seit Jahren ihren festen Standort haben und die nicht nach Berlin kommen wollen. Und das nennen Sie dann kluge Wirtschaftspolitik. Ich bin gespannt, wie viele Menschen Sie mit dieser absurden Politik für sich gewinnen werden. Ich glaube nicht, dass dieser Weg, Aufmerksamkeit um jeden Preis, egal, was intellektuell dahintersteckt, der richtige Weg für Ihre Partei ist. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schäfer! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen vorgeschlagen. – Ich höre keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.

Zu dem Tagesordnungspunkt 4.4 verzichtet die Fraktion der SPD auf die Benennung einer Priorität, um ein Vorziehen des Berichts des Petitionsausschusses zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund haben sich alle Fraktionen darauf verständigt, Punkt 15 der Tagesordnung, Jahresbericht des Petitionsausschusses, nach dem Prioritätenblock aufzurufen.

Ich rufe auf die Priorität der Fraktion der CDU

lfd. Nr. 4.5:

Dringliche zweite Lesung

Gesetz zur Angleichung des Richterrechts der Länder Berlin und Brandenburg

Beschlussempfehlung Recht Drs 16/4166 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/3849

Hierzu liegt der Änderungsantrag der Grünen Drucksache 16/3849-1 vor. Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der vier Artikel miteinander zu verbinden. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I bis IV, Drucksache 16/3849. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der CDU. Der Abgeordnete Rissmann hat das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfs ist ausweislich des Vorblatts der Vorlage – zur Beschlussfassung – die Schaffung neuer Richtergesetze in Berlin und Brandenburg, die weitgehend gleichlautend gestaltet sind. Daher auch „Gesetz zur Angleichung des Richterrechts der Länder Berlin und Brandenburg“. Nicht nur, dass es aus Berliner Sicht keine Angleichung des Richterrechts, sondern eine Neuregelung des Richterrechts Berlins ist – auf diesen Etikettenschwindel hatte ich schon bei meiner Plenarrede am 17. Februar hingewiesen –, sondern das Ziel des vorliegenden Gesetzes wird ganz offenkundig auch nicht erreicht. So wurde beispielsweise im Rahmen der umfangreichen Anhörung im Rechtsausschuss, auf die ich später noch eingehen werde, darauf hingewiesen, dass der Berliner Gesetzentwurf in einem Umfang von bestimmt 10 Prozent von dem Brandenburger Entwurf abweicht.

Die heute vorgelegten Änderungsanträge der Koalition, von denen zu befürchten ist, dass sie hier eine Mehrheit finden werden, nehmen zwar nicht die berechtigte Kritik auf – sie sind, wie so oft, ein reines Placebo –, führen aber dennoch dazu, dass sich die Gesetzentwürfe beider Länder noch weiter voneinander entfernen, sodass der Gesetzeszweck verfehlt wird.

Es geht hier aber um mehr. Ich habe es noch nicht erlebt, dass sich bei der Beratung und der Anhörung in einem Ausschuss eine Phalanx aller Betroffenen und Anzuhörenden, auch derjenigen, die von der Koalition benannt wurden oder ihr mutmaßlich nahestehen, gegen einen solchen Gesetzentwurf bildet.

[Beifall bei der CDU]

Angehört haben wir den Deutschen Richterbund, die Neue Richtervereinigung, die Rechtsanwaltskammer Berlin, den Deutschen Beamtenbund, den Hauptrichterrat Berlin, den gesamten bisherigen Richterwahlausschuss

und die evangelische und katholische Kirche. Sie alle haben sich mit zum Teil harten Stellungnahmen gegen Ihre Vorlage, Frau von der Aue, und gegen alle großen Linien Ihres Gesetzentwurfes gewandt. Mithin, Frau von der Aue: Sie machen mit diesem Gesetzentwurf Justizpolitik gegen die gesamte Berliner Justiz.

[Beifall bei der CDU]

Durch alle Gespräche und Beratungen hat sich eine Frage durchgezogen: Warum ändern Sie die bewährte Berliner Regelung zum Richterwahlausschuss? Was ist der wichtige Grund, etwas Bewährtes neu zu regeln? Und warum soll Ihre Regelung besser sein? – Eine Antwort, die den Namen auch verdienen würde, gab es nicht, sodass der Vorwurf hier im Raum bleibt, dass die Gefahr der parteipolitischen Beeinflussung der Richterschaft droht.

[Beifall bei der CDU]

Die christlichen Kirchen haben zu Recht darauf hingewiesen, dass Ihre Vorschrift zur Eidesformel, die die religiöse Beteuerung als Regelfall wegfallen lässt, gegen Bundesrecht verstößt und eine Umkehrung des Regel-AusnahmeVerhältnisses darstellt. Auf meine Frage, Frau von der Aue, warum Sie mit dieser Tradition brechen, warum Sie gegen Bundesrecht handeln, gegen alle landesgesetzlichen Vorschriften, die es dazu gibt, warum Sie alle gläubigen Menschen – ich betone alle, nicht nur Christen – damit provozieren, haben Sie sinngemäß geantwortet: So sei es doch praktisch. Da müsse man auf der Ernennungsurkunde bei einem Richter, der eine neutrale Beteuerung wolle, nicht die Eidesformel wegstreichen – also ein Federstrich?! – Nein, Frau von der Aue, Sie entfernen sich von den Grundlagen, von dem, was Staat und Gesellschaft zusammenhält, nämlich das, was die Präambel unseres Grundgesetzes die Verantwortung vor Gott und dem Menschen nennt.

Schließlich erscheint mir bemerkenswert: Dieser Staatsvertrag zwischen Berlin und Brandenburg, der uns aufgegeben hat, dieses Gesetz zu schaffen, gemeinsames Richterrecht in Berlin und Brandenburg zu schaffen, stammt vom 26. April 2004. Mehr als sieben Jahre sind also nun schon ins Land gegangen, und plötzlich im Februar 2011 legen Sie diesen Gesetzentwurf vor, peitschen ihn durch den Rechtsausschuss, der offenbar wohl nur noch die Funktion eines demokratischen Feigenblatts hat, und lassen ihn dann heute hier mit Dringlichkeit kurz vor der Angst beschließen, kurz vor dem 18. September, vor dem Termin der Neuwahlen – und das alles auch noch gegen die Kritik nicht nur der Opposition, sondern aller Anzuhörenden und aller Betroffenen. Was ist eigentlich an diesem Gesetzentwurf dringlich? – Das erinnert mich sehr an das, was wir heute schon thematisiert haben, nämlich die Vorgänge um die Besetzung der Stelle des Polizeipräsidenten. Kurz vor den Wahlen will man offenbar noch mal schnell Tatsachen schaffen, ganz nach dem Motto: Man weiß ja nie, was da kommt!

[Beifall bei der CDU]

Der vorgelegte Gesetzentwurf ist so schlecht, dass Änderungsanträge unsererseits das Neu-Schreiben eines Ge

setzes bedeutet hätten. Deshalb war es für uns auch nicht erforderlich, das zu tun, weil wir mit der heutigen Ablehnung zum Ausdruck bringen, dass der bisherige Status quo vollkommen ausreichend ist.

Herr Rissmann! Ihre Redezeit ist beendet.

Ich bin schon am Ende meiner Rede. – Wir wollen den Status quo so lange weiterbehalten, bis Sie einen brauchbaren Entwurf vorlegen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Dr. Felgentreu das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der Novelle des Richtergesetzes geht die Justiz in Berlin und Brandenburg den eingeschlagenen Weg zur Angleichung der Rechtskultur in beiden Bundesländern konsequent weiter. Aus der Existenz gemeinsamer Obergerichte ergibt sich zwingend auch das Bedürfnis nach weitestgehender Einheitlichkeit des Richterrechts in beiden Ländern. Diesem Bedürfnis trägt eine Gesetzesnovelle Rechnung, die nach einem langjährigen Abstimmungsprozess zwischen den zuständigen Verwaltungen und nach zügiger, aber sorgfältiger parlamentarischer Beratung heute verabschiedet wird.

Die Bedeutung des erreichten Fortschritts ist gar nicht zu überschätzen. Zum ersten Mal ist es gelungen, in partnerschaftlichem Miteinander ein wichtiges Rechtsgebiet durch fast gleichlautende Gesetze einheitlich zu regeln. Die verbliebenen Unterschiede erklären sich hinlänglich aus den Unterschieden der brandenburgischen Verwaltungsstruktur und der verschiedenen Landesverfassungen. Mit diesem Ergebnis wird die Justiz erneut zum Vorreiter der notwendigen Wiedervereinigung von Berlin und Brandenburg zu einem gemeinsamen Bundesland. Das Richterrecht zeigt, dass ein produktives politisches Miteinander in einer Atmosphäre des Respekts und der Anerkennung unterschiedlicher Erfahrungen, Zielvorstellungen und Interessen möglich ist.

Angesichts der großen politischen Bedeutung dieser Gesetzgebung erscheint die Kritik, die vonseiten der Opposition an einzelnen Regelungen im Detail vorgetragen wird, unverständlich und auch maßlos.

[Andreas Gram (CDU): Ha, ha!]

Um Ihnen verständlich zu machen, woran sich die Konflikte entzünden, gestatten Sie mir beispielhaft auf die neue Verfassung des Richterwahlausschusses einzugehen!

Durch die Novelle wird die Beteiligung der Richterschaft am Richterwahlausschuss von der Hälfte auf ein Drittel reduziert und gleichzeitig die Möglichkeit geschaffen, einen Richter auch mit einfacher Mehrheit zu berufen, wenn eine Zweidrittelmehrheit nicht erreicht worden ist.

[Sven Rissmann (CDU): Ihrer Mehrheit!]

Klar ist: Ohne die Triebfeder, ein gemeinsames Richterrecht beider Länder erreichen zu wollen, hätte wohl niemand die bisherige Aufstellung des Richterwahlausschusses verändert.

[Dirk Behrendt (Grüne): Hört, hört!]

Aber beide Maßnahmen lassen sich gut begründen. Dem geringfügigen Verlust an Einfluss, den die Richterschaft hinnehmen muss, steht ein größeres Maß an direkter demokratischer Legitimierung der dritten Gewalt durch die vom Abgeordnetenhaus entsandten Mitglieder gegenüber. Wir erreichen die gleiche Kräfteverteilung, die bisher schon in Brandenburg gegolten hat, ohne auf die bewährte Effektivität der Berliner Regelung, auch mit einfacher Mehrheit berufen zu können, verzichten zu müssen. Obwohl die Neuregelung also im Sinne des übergeordneten Zieles gut und vernünftig ist, hat die SPD-Fraktion Verständnis für Kritik aus der Richterschaft, die sich für eine Verringerung des eigenen Einflusses nicht erwärmen kann. Dass die CDU in diesem Zusammenhang aber davon spricht, die Novelle lege – und ich zitiere aus dem Rechtsausschuss – „die Axt an die Wurzel der richterlichern Unabhängigkeit“, ist weder sachlich nachvollziehbar noch politisch hinnehmbar.

[Beifall bei der SPD]

Denn Qualität und Unabhängigkeit der Richterschaft werden durch das Prinzip der Bestenauslese, durch die notwendige Zustimmung der richterlichen Präsidialräte zu Personalvorschlägen und durch die Beurteilungen der Gerichtspräsidentinnen und Gerichtspräsidenten vollauf garantiert.

[Andreas Gram (CDU): Da kennt sich die SPD am besten aus!]

Wer einem so, wie in der Novelle vorgesehen, ausgestalteten Richterwahlausschuss das Vertrauen entzieht, der spricht damit gleichzeitig der gesamten Justiz des Brandenburger Partners sein Misstrauen aus, die ihre Richterinnen und Richter von jeher mit der Zustimmung eines Richterwahlausschusses berufen hat, der zu zwei Dritteln aus Abgeordneten besteht.

Die SPD-Fraktion bedauert deshalb sehr, dass keine Oppositionspartei die Kraft hat, vier Monate vor der Wahl der Versuchung einer klientelpolitisch begründeten Totalverweigerung zu widerstehen.

[Dirk Behrendt (Grüne): Ha, ha!]

Vor allem die CDU, die durch die Landesministerinnen Richstein und Blechinger wesentlichen Anteil an der Gestaltung der Novelle getragen hat, versagt erneut vor der historischen Aufgabe, neue Perspektiven für eine

Wiedervereinigung von Berlin und Brandenburg zu schaffen.

[Sven Rissmann (CDU): Da klatscht noch nicht mal Ihre Fraktion! – Andreas Gram (CDU): Ihre eigene Fraktion erstarrt!]

Nein, nein! Das ist schon so, Kollege Gram!