Protocol of the Session on December 9, 2010

Aber über den wissenschaftlichen Teil der Charité hinaus – Sie wissen, dass die Charité auch einen Krankenhaus

betrieb und Betten hat – gibt es Probleme. Diese Problem rühren anerkanntermaßen aus der Vergangenheit her. Da gibt es sehr große Investitionsrückstände – Sanierungsstaus. Das ist anerkannt, und das hat der Senat auch nie infrage gestellt. Deshalb hat der Senat ganzheitlich im Juni 330 Millionen Euro für die Charité bereitgestellt – für verschiedene Projekte wie die Vorklinik, OPs in Steglitz, aber auch für einen Notstromgenerator oder jetzt für die Sanierung in Mitte.

Aber – und das ist ein großes Aber – es gibt aktuell anscheinend im operativen Geschäft der Charité große Probleme, sodass die Liquidität nicht ausreicht. Wir sind davon genauso überrascht worden – über öffentliche Äußerungen, dass die Charité das nicht stemmen kann –, denn die Planung der Charité sieht anders aus. Die CharitéPlanung sieht eine Liquidität vor, die im Jahr 2011 im Grunde ihren Verpflichtungen nachkommen kann. Sie hat einen Finanzbedarf in einer Größenordnung von 50 bis 65 Millionen Euro im Monat. Die braucht sie, um ihre laufenden Gehälter und ihre laufenden Rechnungen bezahlen zu können. Anscheinend gibt es jetzt neue Erkenntnisse der Charité, die dazu führen, sich nicht mehr sicher sein zu können, ob man diese Leistungen bringen kann.

Deswegen gibt es in der Charité Überlegungen, jetzt erstmalig Betriebsmittelkredite in Anspruch zu nehmen. Wir werden sehen, ob das in dieser Form gehen kann. Das Universitätsgesetz lässt das zu. Aber das sind letztlich dann auch Betriebsmittelkredite, die zulasten des Haushalts gehen. Das ist eine Anstalt, für die wir sozusagen die Gewährträgerhaftung haben. Das muss überprüft werden.

Wir werden uns auch mit der Frage auseinandersetzen müssen: Was läuft da falsch, sodass abweichend von den Planungen jetzt dort höhere Liquiditätsbedarfe auftreten? Es kann jedenfalls nicht zulasten der Mitarbeiter in einer Form gehen, wie Sie es eben beschrieben haben. Es kann auch letztlich nicht zulasten der Wissenschaft gehen. Es geht darum, dass wir mit der Charité positiv umgehen und dass sie so ausgestattet wird, dass sie ihre Arbeit machen kann. Da bin ich mir mit dem Kollegen Zöllner einig. Wir werden das gemeinschaftlich im Aufsichtsrat am Freitag in aller Tiefe beurteilen müssen. Ich gehe davon aus, dass der Vorstand hier sprechfähig ist, um uns aufzuzeigen, wie er welche Gegenmaßnahmen ergreifen will, damit es im Jahr 2011 nicht zu diesen Liquiditätsengpässen kommt. Ich erwarte hier konkrete Vorschläge. Wenn das strukturelle Vorschläge sein sollten, dann kann es durchaus sein, dass der Vorstand das am Freitag noch nicht kann. Er wird aber sicherlich in den kommenden Wochen und Monaten im Aufsichtsrat ein umfassendes Konzept vorlegen. Uns ist es jedenfalls wichtig, dass, nachdem wir diese wichtige Investitionsfreigabe machen, nämlich die Sanierung von Mitte freigeben – die wird auch nicht durch diese operativen Probleme infrage gestellt; das steht, da sind wir uns alle einig, hier muss es jetzt vorangehen –, nicht durch zusätzliche Probleme der Kurs der

Charité, der nach vorne gerichtet sein sollte, infrage gestellt wird.

Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Meyer – bitte, Herr Meyer!

Danke! – Herr Nußbaum! Sie haben eben auch gesagt, dass Sie durch die aktuellen Zahlen, die wir heute in der Öffentlichkeit gelesen haben, überrascht wurden, was die Planung des Charité-Vorstands angeht. Wie wollen Sie zum einen sicherstellen, dass die quasi gebilligten Sanierungsmittel nicht ggf. doch auch zweckentfremdet werden, um operative Liquiditätsengpässe zu stopfen?

Zum Zweiten möchte ich von Ihnen eine ganz deutliche Aussage – Sie haben das eben verklausuliert formuliert – hören, ob Sie die Vorschläge der Charité, den Mitarbeitern die Gehaltszahlungen ab Februar nächsten Jahres um zwei Wochen nach hinten zu verschieben, als Aufsichtsrat billigen oder ob Sie morgen oder in den nächsten Wochen massiv gegensteuern werden.

Herr Senator Dr. Nußbaum!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Operative Maßnahmen hat zuvörderst der Vorstand zu verantworten. Ich finde es in Ordnung, dass Sie mich fragen. Ich habe auch eine Meinung dazu. Aber wir haben hier einen der bestbezahlten Vorstände überhaupt in diesem Lande mit einer der uns am Herzen liegendsten Gesellschaften. Da erwarte ich, dass Vorschläge kommen. Es ist für mich auch in Ordnung, dass der Vorstand ein ganzes Potpourri an Vorschlägen erst einmal erwägt und dann auf Sinnhaftigkeit überprüft.

Wenn Sie meine persönliche Meinung zu diesem konkreten Vorschlag hören wollen, kann ich Ihnen nur sagen: Er löst das strukturelle Problem, das die Charité hat, das strukturelle Defizit der Charité nicht. Es würde eine Verschiebung von Liquidität bringen, spart aber letztlich keinen Cent. Die Charité ist nicht groß genug, um über die Masse der Lohn- und Gehaltszahlungen, sozusagen über die Zinseffekte nennenswerte Beträge einzusparen. Also es löst nicht das strukturelle Problem. Aber das werden wir im Aufsichtsrat gemeinsam diskutieren und erwägen müssen. Deswegen möchte ich dem Thema jetzt nicht vorgreifen.

Ihre zweite Frage war, wie wir sicherstellen, dass in Zukunft die Investitionsmittel, die wir für die Sanierung des Bettenhauses bereitstellen, nämlich 185 Millionen Euro, nicht auch für das operative Geschäft gebraucht werden:

Das wird eine wirklich spannende Frage sein, die wir gemeinsam im Finanzausschuss, dessen Vorsitzender ich ja bin, und im Aufsichtsrat zu erörtern haben werden. Hier erwarte ich von einem Vorstand, den wir in dieser Frage gern und positiv begleiten, konkrete Vorschläge, wie er das machen kann. Es ist aber auch klar: Es kann aus unserer gemeinsamen Sicht nicht sein, dass ein Bauvorhaben möglicherweise deshalb verzögert wird, weil man die Mittel abruft und in die laufenden Verluste hineinsteckt. Umso wichtiger ist es deshalb, dass der Vorstand konkrete Vorschläge macht, wie er das prognostizierte Defizit von 20 Millionen Euro für das Jahr 2011, das jetzt sehr überraschend, nachdem die anderen Maßnahmen beschlossen worden sind, zutage getreten ist, strukturiert und dass er dem Aufsichtsrat und auch dem Finanzausschuss konkrete Vorschläge macht. Wir werden ihn da begleiten. Es geht auch nicht darum, das möglichst schnell zu machen, sondern darum, dass fundierte und gute Vorschläge in dem Zusammenhang kommen, die wir dann als Aufsichtsrat gemeinsam begleiten und ihn darin auch unterstützen werden.

Danke schön, Herr Senator!

Dann ist Frau Matuschek dran. – Bitte schön, Frau Matuschek!

Vielen Dank! – Ich habe eine Frage an die Verkehrssenatorin Junge-Reyer. – Frau Junge-Reyer! Ich habe heute der Zeitung entnommen, dass der Bund seine Finanzierungszusage zur Ertüchtigung der Bahnstrecke nach Frankfurt/Oder auf 160 km/h zurückgezogen haben soll. Sind Ihnen solche Informationen bekannt?

Frau Senatorin Junge-Reyer – bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Matuschek! Ja, sie sind uns bekannt. Wir sind aus diesem Anlass im Augenblick im Gespräch mit der Deutschen Bahn zur Frage der Finanzierung des Regionalbahnhofs Köpenick. Sie wissen, dass die Formulierung eines solchen Halts Gegenstand des gesamten Pilzkonzeptes ist. Ich will auch sagen, dass ich den Zusammenhang zum Regionalbahnhof Karlshorst durchaus sehe und mir dieser Frage, also der Bedeutung für den Regionalbahnhof Karlshorst, bewusst bin.

Wir haben die Deutsche Bahn aufgefordert – und zwar seit uns bekannt ist, dass die Beschleunigung der Strecke auf 160 km/h von der Bundesregierung nach hinten gestellt worden ist – zu klären, ob es eine Finanzierungsabsicht der Deutschen Bahn aus der Leistungs- und Finan

zierungsvereinbarung mit dem Bund bzw. den Ländern gibt. Ich gehe davon aus, dass wir in den üblichen BundLänder-Gesprächen zu Beginn des Jahres eine Klärung erreichen können, sodass es eine Finanzierungsmöglichkeit für den Regionalbahnhof Köpenick geben könnte. Ich sehe allerdings keine Möglichkeit, als Land Berlin auf die Frage der Beschleunigung auf 160 km/h tatsächlich erfolgreich Einfluss zu nehmen. Dies wäre eine Aufgabe des Deutschen Bundestages.

Danke schön, Frau Senatorin! – Nachfrage von Frau Matuschek? – Bitte schön!

Ich wünsche Ihnen Erfolg für die anstehenden Gespräche und frage nach: Gibt es auch für andere Streckenausbaupläne, beispielsweise für die Dresdner Bahn, solche Hiobsbotschaften, dass der Bund seine Finanzierungszusage zurückziehen will?

Frau Senatorin Junge-Reyer – bitte!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Matuschek! Mir sind solche Hiobsbotschaften zurzeit nicht bekannt. Ich bin allerdings nicht sicher, welche Formulierung im Rahmen der beschlossenen – sozusagen – Ansätze zur Finanzierung des Haushalts beim Bundesministerium im Laufe der kommenden Wochen und Monate noch in Rede stehen. Eine vollständige Sicherheit und eine abgeschlossene Diskussion scheint es für mich dazu noch nicht zu geben. Ich gehe aber davon aus, dass die Länder und auch wir regelmäßig informiert werden, insbesondere auch, wenn es sich um solche bedeutenden Fragen wie die Anbindung der Länder überregional, insbesondere nach Osteuropa handelt.

Danke schön, Frau Senatorin!

Wegen Zeitablaufs hat die Spontane Fragestunde ihr Ende gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3:

Aktuelle Stunde

Winterchaos trotz nachverhandeltem Verkehrsvertrag: Warum hat sich der Senat keine Kontrollen und keinen Einfluss bei der S-Bahn gesichert und sich wieder auf offenbar unhaltbare Zusicherungen verlassen?

Antrag der CDU

Für die gemeinsame Besprechung bzw. Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die CDU-Fraktion in Person von Herrn Friederici. – Herr Friederici! Eilen Sie herbei! Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Seit dem 7. Januar 2009 sind wir nun im dritten Winter und damit leider auch in der dritten Winterkrise der Berliner S-Bahn und des gesamten öffentlichen Nahverkehrs von Berlin. Der Berliner Senat hat vor rund zehn Monaten Nachverhandlungen zum bestehenden S-Bahnvertrag aufgenommen. Diese wurden vor rund vier Monaten beendet, leider ohne greifbare Ergebnisse. Stattdessen zahlen heute die Steuerzahler zwar weniger, aber offensichtlich noch zu viel, denn die S-Bahn fährt gerade mal zur Hälfte.

Fast sieben Monate zähe Verhandlungen, ein nach dem Grube-Chefgespräch inzwischen wieder abgetauchter Herr Regierender Bürgermeister Wowereit und nun die nächste Winterkrise! Der Senat schafft es nicht, der S-Bahn klarzumachen, dass der Vertrag eingehalten werden muss. Stattdessen sind wir noch weit vom Normalfahrplan entfernt.

[Beifall bei der CDU]

Die Berliner CDU-Fraktion hat dem Senat und dem Parlament vor rund einem Jahr einen Lösungsweg aus der Krise aufgezeigt. Es hätte ein separater Sanierungsvertrag hergemusst, in dem die S-Bahn zu klar definierten Zeitzielen auf eigene Kosten neue Fahrzeuge bestellt hätte. Zweitens hätte sehr wohl mit klaren Zeit- und Zielvorgaben, die in den Sanierungsvertrag reingehört hätten, die alte Baureihe 485 längst in Dienst gestellt werden müssen. Weiter hätten zu klaren Fristen nicht nur Wartungen der Fahrzeuge, sondern auch der Austausch von technischen Bauteilen stattfinden müssen, und zwar so, wie es der Hersteller empfiehlt, und nicht so, wie die S-Bahn es will. Der Senat hätte das bei den Werkstätten der Berliner S-Bahn immer und immer wieder selbst kontrollieren müssen.

[Beifall bei der CDU]

Die S-Bahngeschäftsführung hat vor sechs Monaten von sich aus versprochen, bis Dezember wieder hundertprozentig zu fahren. Aber hier liegt das Problem. Der Senat hat sich auf diese und andere Versprechungen eingelas

sen. Er hat sich mit den Nachverhandlungen zu viel Zeit gelassen, keine erkennbare Stärke gezeigt und nun nichts erreicht. Nicht einmal unangekündigte Kontrollen der Senatsverkehrsverwaltung in den Werkstätten oder Einrichtungen hat es gegeben. Hätte sich dieser Senat konsequent um unangekündigte Kontrollen bemüht, hätte er die zuvor genauestens definierten Sanierungsfortschritte, die Erhöhung der Lagerbestände und auch die Fortschritte beim Austausch der technischen Bauteile kontrolliert, würde es heute deutlich weniger dieser Probleme geben.

[Beifall bei der CDU]

Ein exemplarisches Beispiel für das Versagen des Berliner Senats ist auch die Weichenheizungstechnik. Hätte der Senat nach den ersten Ausfällen vor drei Jahren intensiv von der DB Netz ein stabileres System gefordert, dann hätten wir heute andere Weichenkomponenten und einen stabilen S-Bahnverkehr.

[Beifall bei der CDU – Zurufe von der Linksfraktion]

Auf das alles haben Herr Franz, die Mitglieder des Betriebsrats und viele Menschen in Berlin und Brandenburg hingewiesen – vom Senat haben wir nichts gesehen.

Wo bleibt Herr Wowereit? – Zu Anfang des Jahres 2010 war er zum netten Plausch bei Bahnchef Grube. Die damaligen Wischiwaschi-Ergebnisse haben außer der Schlagzeile über ein Chefgespräch gar nichts gebracht. Die Berliner CDU-Fraktion bemängelt diese Verantwortungslosigkeit des rot-roten Senats und des Regierenden Bürgermeisters. Die S-Bahn fährt nicht. Die BVG leidet unter massiven Fahrzeugproblemen. Statt dessen findet in diesem Senat keine lösungsorientierte Verkehrspolitik mehr statt.

[Beifall bei der CDU]

Pressekonferenzen werden abgehalten, auf denen der Senat das Zeitalter des öffentlichen Nahverkehrs ausruft, des Fahrradverkehrs und der Bevormundung und Beschränkung des Auto- und Wirtschaftsverkehrs. Die Bilanz aber nach neun Jahren rot-roter Verkehrspolitik und -verantwortung in Berlin ist: Die S-Bahn steht vor dem Kollaps, der Busverkehr der BVG ist angeschlagen. Straßen werden zurückgebaut. Sinnlose Tempo-30-Zonen auf Hauptverkehrsstraßen behindern die BVG, den Wirtschaftsverkehr und den Autoverkehr. Ein entlastender Hauptstraßenneubau findet nicht statt, und die A-100Planungen werden gestoppt. Das ist die Verkehrsleistung dieses rot-roten Senats!

[Beifall bei der CDU – Zurufe von der Linksfraktion]

Es zeigt auch die Ignoranz von Rot-Rot: Der Senat lässt sich in steuerfinanzierten Dienstwagen chauffieren, aber die Menschen sollen selber sehen, wie sie in Berlin von A nach B kommen. Würden Sie, so wie ich, täglich die Berliner S-Bahn benutzen, dann würden Sie sich endlich einmal original über die Zustände informieren können!

[Beifall bei der CDU]

Wenige Menschen können es sich leisten, dauerhaft auf ein eigenes Auto umzusteigen, und sind leider, leider für lange Zeit dem öffentlichen Nahverkehr abhanden gekommen, weil sie nämlich ihre Jahresabos gekündigt haben. Sehr, sehr viele Menschen sind aber auf den funktionierenden öffentlichen Personennahverkehr in Berlin angewiesen und können es sich nicht leisten, privat mit dem Auto zu fahren, oder sie fahren aus Überzeugung öffentlich. Sie müssen aber alle hin und zurück zur Arbeit und müssen nun die Versäumnisse des Senats ausbaden. Das ist ein klassisches Beispiel rot-roter Gerechtigkeit. Das wird leider weiter zu Politikverdrossenheit führen. Diese rot-rote Politik ist absolut beschämend und inakzeptabel!