Protocol of the Session on November 11, 2010

Volker Liepelt hat damals gesagt: Ihr müsst die Verträge ändern, ihr müsst ihnen die zwei Prozent wieder geben, wenn die Privatisierung vollzogen ist. – Und diesen Mist haben Sie uns hinterlassen, und deshalb lassen wir uns nicht in die Verantwortung nehmen.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Ich kann mich nicht nur erinnern, sondern es steht auch im Protokoll dieser Sitzung – –

[Gregor Hoffmann (CDU): Sie haben zehn Jahre lang nichts gemacht. Das ist eine Bankrotterklärung!]

Herr Hoffmann! Ich sage es noch einmal: Sie waren dabei. Seien Sie ruhig! Schweigen Sie! Gehen Sie in sich!

[Beifall bei der Linksfraktion – Gregor Hoffmann (CDU): Zehn Jahre völliges Versagen! Das ist peinlich! – Zurufe von der Linksfraktion – Unruhe]

Wir sind jetzt bei 1999!

Herr Hoffmann! Wenn Sie eine Frage stellen möchten, gibt es andere Mittel und Wege, als hier ständig dazwischenzurufen.

Ich würde eine Zwischenfrage auch nicht zulassen, denn Herr Hoffmann hat nachher noch die Möglichkeit – sofern ihn seine Fraktion lässt – zu reden.

Okay! – Ansonsten hat jetzt der Herr Senator das Wort – und nur der Herr Senator. – Bitte sehr!

[Zuruf von der Linksfraktion]

Ich habe damals im Parlament gesagt – neben vielem anderen –, dass hier eine Regelung geschaffen wurde, mit der das Verfassungsgerichtsurteil gegenüber den Privaten kompensiert wird. Ich habe gesagt:

Sie sind folgende Verpflichtung eingegangen: Wenn die Rendite der Investoren vom Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wird, ist das Land Berlin verpflichtet, die Gesetze zu ändern. Da frage ich mich: Wo leben wir denn, dass das Parlament und dieser Senat Verträge beschließen, wo drinsteht, wenn das Gericht erklärt, das ist verfassungswidrig, verändern wir die Gesetze so lange, bis die Rendite für die Investoren wieder stimmt? Was ist das für eine Regelung? Wie entmachtet sich das Parlament mit so etwas?

Wir haben damals verlangt, dass erst die Nachverhandlungen stattfinden und dass dann über das Gesamtkunstwerk abgestimmt wird. Das ist damals mit Ihrer Stimme abgelehnt worden, und deshalb stehen Sie in der Verantwortung für die Situation, in der sich Rot-Rot 2002 ff. befunden hat und in der sich das Land Berlin bis heute befindet.

[Beifall bei der Linksfraktion – Zurufe von den Grünen]

Und jetzt kommt die CDU und sagt: Sie hätten das alles anders machen können.

[Zurufe von den Grünen]

Nun bleiben Sie doch mal ganz ruhig! – Jetzt kommt die CDU und sagt: Sie hätten das alles ganz anders machen können.

[Zurufe von der Linksfraktion und den Grünen – Frank Henkel (CDU): Ich höre zu!]

Ja, ich weiß, Sie hören zu, aber ich warte erst mal, bis sich die Aufregung bei den Grünen gelegt hat, dann reden wir in Ruhe weiter. – Dann kommt die CDU und sagt: Sie müssen das alles anders machen! Das Grundwasserentnahmeentgelt ist zu hoch. – Ja, das Grundwasserentnahmeentgelt ist in Berlin höher als in anderen Kommunen –

[Christoph Meyer (FDP): Freundschaftspreis!]

übrigens eingeführt von den Grünen, von Klaus Martin Groth, Staatssekretär von Frau Schreyer,

[Martina Michels (Linksfraktion): Ach!]

und auch in ordentlicher Höhe damals.

Das Grundwasserentnahmeentgelt ist hoch, das ist richtig, aber die Konzessionsabgabe in Berlin bzw. das Straßennutzungsentgelt ist, verglichen mit anderen Kommunen, exorbitant niedrig. Wenn Sie den gesamten Block Kommunalabgaben nehmen, sind wir im Durchschnitt auf einer Linie mit anderen Wasserversorgern. An der Stelle der Kommunalabgaben gibt es keine Abzocke des Landes Berlin.

Sie von der CDU sagen jetzt: Nehmt die Privaten aus dem Schussfeld! Verzichtet auf Geld des Landes Berlin! – Herr Lederer hat ja schon mit Verweis auf meinen Anzug – darüber reden wir nachher noch! –

[Heiterkeit bei der Linksfraktion]

darauf verwiesen, dass es hier um öffentliches Geld geht, um Geld, das für öffentliche Aufgaben verwendet wird, unter anderem auch um Geld, das wieder als Investitionszuschüsse an die Berliner Wasserbetriebe geht, oder um Geld, das für Kindertagesstätten, für Bildung usw. verwendet wird. Wenn Sie keinen Unterschied machen können zwischen Geld, das für öffentliche Zwecke verwendet wird, und Geld, das an Aktionäre ausgeschüttet wird, dann tun Sie von der CDU mir leid, dann sind Sie auf dem Niveau der FDP angelangt!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zuruf von Gregor Hoffmann (CDU)]

Und wenn Sie sagen: Verzichten Sie doch auf den Gewinnanteil des Landes Berlin! –, das hat Herr Lederer schon gesagt, dann bedeutet das, dass wir nicht nur auf den Gewinnanteil des Landes Berlin verzichten, wo man sagen kann: Da sind die Wasserpreise zu hoch. – Das wäre noch in Ordnung. Aber wir müssten dann aus diesem reduzierten Gewinnanteil noch den privaten überhöhten Gewinnanteil finanzieren. Da sage ich: Das geht nicht. – Wir wollen, dass beide gleichmäßig auf ihre Gewinnanteile verzichten. Das ist eine gerechte Lösung, und das geht dann auch nicht zulasten der öffentlichen Hand, sondern das ist eine für die Verbraucherinnen und Verbraucher gerechte Lösung. In diese Richtung muss der Druck entwickelt werden.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zuruf von der FDP]

Wenn Sie sich ansehen, wie die Situation bei den Berliner Wasserbetrieben ist, dann ist es ziemlich eindeutig: Was die reale Kostenposition angeht, was die operativen Kosten der Berliner Wasserbetriebe angeht, liegen diese in den letzten sieben, acht Jahren unterhalb der Inflationsrate. Die operativen Kosten sind gesunken. Normalerweise müssten auch die Wasserpreise sinken, wenn die operativen Kosten sinken. Was aber steigt, sind die kalkulatorischen Kosten. Das ist das mit der Verzinsung, was Sie damals festgelegt haben. Deshalb kommt es zu der Situation, dass wir ein Unternehmen haben, das in der realen Kostenposition ausgesprochen gut dasteht, auch im Vergleich mit anderen, aber, was die Gewinne angeht, vergleichbare Unternehmen exorbitant überschreitet. Wenn man etwa Berlin mit Hamburg vergleicht – die haben auf ihrem Wasserbetrieb eine Umsatzrendite von ca. 13 bis 14 Prozent. In Berlin haben wir eine Umsatzrendite von ca. 24 Prozent. Und da sage ich: Das ist zu hoch. – Und das unterliegt jetzt auch der kartellrechtlichen Überprüfung.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zurufe von den Grünen]

Um den Irrsinn der Konstruktion, die damals gemacht wurde, deutlich zu machen, nämlich dass die Verzinsung auf das betriebsnotwendige Kapital angewandt wurde und nicht auf das eigentliche Eigenkapital: Das führt dazu, dass an jedem aufgenommen Euro Fremdkapital, wo der Fremdkapitalzins unter der gegenwärtigen kalkulatorischen Verzinsung liegt, bei den Berliner Wasserbetrieben weiter verdient wird. Das Anlegen auf das betriebsnotwendige Kapital, jede Erweiterung des Anlagevermögens, jede zusätzliche Investition in Anlagevermögen, jede Million, führt dazu, dass 70 000 Euro zusätzlicher Gewinn entsteht. Die Berliner Wasserbetriebe investieren zurzeit 250 Millionen Euro pro Jahr. Das heißt, das betriebsnotwendige Kapital steigt pro Jahr um ca. 30 Millionen Euro an. Das führt dazu, dass die Gewinne pro Jahr allein durch diesen Automatismus um 2 Millionen Euro steigen. Das ist keine ökonomisch sinnvolle Regelung. Da ist kein unternehmerisches Handeln mehr verlangt, sondern das ist, wie Guido Westerwelle sagen würde, anstrengungsloser Wohlstand, den die Privaten da herausziehen können. Und das Land Berlin profitiert mit davon.

Der Fraktionsvorsitzende der SPD hat es erklärt, und ich erkläre es auch: Wir sind bereit, auf Gewinnanteile zu verzichten und auf normale Standards zu gehen, aber wir verlangen, dass die Privaten mitziehen. Es kann nicht sein, dass das Land Berlin einseitig eine Leistung erbringt und die anderen Rendite ziehen und dann auch noch ein Schiedsverfahren gegen das Land Berlin einleiten und einen dreistelligen Millionenbetrag vom Land Berlin verlangen. Das ist unanständig. Das geht mit uns nicht, und das werden wir auch nicht mitmachen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zuruf von Christoph Meyer (FDP)]

Frau Kosche! Das Thema Nachkalkulation, das Sie angesprochen haben, ist auch keine Neuigkeit. Das Thema Nachkalkulation steht im Betriebegesetz. Dieses gilt für alle Betriebe, die Gebühren kalkulieren und an das Kostendeckungsgebot gebunden sind. Es wurde breit im Parlament diskutiert und beschlossen.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Ich weiß nicht, ob die Grünen damals den Antrag gestellt haben, die Nachkalkulation aus dem Betriebegesetz herauszunehmen. Ich sage, sie ist ein sinnvolles Instrument, weil die Nachkalkulation unter anderem dazu führt, dass überhöhte Gebühren, die eingenommen werden, an die Verbraucher zurückgegeben werden – was wir zum Beispiel bei der BSR häufig tun. Es kann auch dazu führen, dass eine Tarifentwicklung geglättet wird, sodass man nicht zuerst eine Tarifsenkung hat, und dann springt es wieder nach oben. Wir können gern in Ruhe im Ausschuss darüber diskutieren, was an dieser Regelung sinnvoll ist. Das Problem ist nicht die Nachkalkulation, sondern das Problem sind die Garantien, die den Privaten damals gegeben worden sind.

Und dann kommen jetzt ganz Schlaue an und sagen: Ihr hättet damals einfach sitzen bleiben und nichts tun sollen. – Ja, meinen Sie, dass jemand, der einen rechtskräftigen

Vertrag in der Tasche hat, der ihm all das garantiert, was 1999 garantiert worden ist, sagt: Nehmen wir das zur Kenntnis, gehen wir nach Hause, geben wir uns mit weniger zufrieden! –?

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Gerade die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, ich kann mich noch erinnern: Was sind Sie mit allem Möglichen vor Verfassungsgerichte gerannt, wo Sie Landeshaushalte usw. beklagt haben! Wenn wir da hohe Risiken eingegangen wären, hohe Prozesskosten, die das bedeutet hätte, hätten wir mit einer extrem hohen Wahrscheinlichkeit verloren. Lesen Sie die Vertragstexte, die damals rechtskräftig unterschieben worden sind, und die jetzt öffentlich sind. Das Parlament hätte es damals wissen können, denn ich habe 1999 alles gesagt, was dort steht und welches die Konsequenzen sind. Wenn diese Verträge damals in vollem Bewusstsein von diesem Parlament so beschlossen worden sind – welche Rechtsposition haben Sie denn da? Ich bin gespannt, wenn Sie mal regieren sollten, welche Rechtspositionen Sie dann einnehmen.

[Volker Ratzmann (Grüne): Das werden wir Ihnen dann mitteilen! – Gelächter bei der Linksfraktion]

Aber ich sage Ihnen, mit dieser Position werden Sie nicht weit kommen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Der Vorschlag der FDP, jetzt zu den Wasserpreisen eine unabhängige Kommission zu bilden, einen Runden Tisch oder wo immer man das jetzt verhandeln soll, ist grandios. Welche materielle Gewalt steckt denn dahinter? – Es gibt rechtskräftige Verträge! Sie haben doch ein paar Anwälte in Ihrer Partei, die wissen, was rechtskräftige Verträge sind. Da können Sie eine unabhängige Kommission daneben setzen, das ändert erst einmal nichts. Nein! Ich sage, was hilft, ist öffentlicher Druck, eine klare Positionierung dieses Parlaments.

[Zurufe von Joachim Esser (Grüne) – und von Björn Jotzo (FDP)]

Ich würde mir wünschen, dass sich dieses Parlament jetzt nicht in parteipolitischen Streitereien ergeht, sondern sagt: Wir haben jetzt offensichtlich einen Konsens, dass alle Fraktionen aus unterschiedlichen Gründen der Meinung sind, dass diese Verträge, wie sie 1999 geschlossen worden sind, schlechte Verträge gewesen sind. Alle sagen mittlerweile, man hätte sie so nicht abschließen sollen. Das ist ein Erkenntnisgewinn, den ich durchaus begrüße, der auch gut ist. Wenn man sich darauf verständigen würde, dass man an einem Strang zieht und sagt: Wir wollen eine Vertragsänderung, wir wollen aus dieser Renditegarantie gegenüber den Privaten heraus, anstatt hier untereinander den Streit zu entfachen, dann würde das die Verhandlungsposition des Landes Berlin stärken. Dann hätten die Privaten aber immer noch rechtskräftige Verträge in der Tasche.

[Ja! von den Grünen]

Das Zweite ist – und darauf setze ich einige Hoffnung –, wir haben gegenwärtig die kartellrechtliche Überprüfung der Wasserpreise. Das ist ein realer Druckfaktor, weil wir an dieser Stelle nicht in der Ausgleichsverpflichtung sind. Deshalb, glaube ich, müssen der öffentliche Druck und der klare Wille des Senats, die Verträge neu zu verhandeln, damit synchronisiert werden. Ich wünsche mir Unterstützung aus dem Parlament, sodass wir in der Lage sind, zu anderen Regelungen zu kommen, damit die privaten Investoren verstehen: Es gibt keine Akzeptanz mehr in der Stadt, und es ist nicht mehr so, dass das Thema von ein oder zwei Oppositionsfraktionen kritisch diskutiert wird, so wie das 1999 der Fall war, sondern es wird auf breiter Ebene politisiert. An dieser Stelle ist, bei allem, was ich an dem Gesetzentwurf des Wassertisches für nicht möglich und falsch halte, dem Wassertisch zu danken, dass er öffentlichen Druck entfaltet hat. Das hat geholfen, und das hilft weiter, um das noch einmal klar zu sagen.