Protocol of the Session on November 11, 2010

Dass es Ihnen vor allem um das Geld geht, hat auch Herr Müller zugegeben. Sie sind in der „taz“ damit zitiert worden, wenn man rekommunalisiere, sei es notwendig, dass sich die Refinanzierung des Kaufpreises durch zusätzliche Gewinne darstellen lasse. Sie haben heute noch einmal bestätigt, dass Sie die Wasserpreise nicht senken wollen.

[Michael Müller (SPD): Sie haben nicht zugehört!]

Was heißt das? – Sie wollen die jetzt vom Land Berlin deutlich überhöhten Entnahmen aufgrund überhöhter Gewinne behalten und wollen dann bei der Rekommunalisierung durch einen Zusatzvertrag noch zusätzliche Gewinne abgreifen. Sie wollen nur das Geld, das jetzt die Investoren zuviel bekommen, auf die Mühlen des Landes Berlin lenken.

[Beifall bei der FDP – Christoph Meyer (FDP): Wegelagerei!]

Nein! Dann kommt immer die Argumentation, das Geld gehöre dem Land Berlin und das könne man ihm nicht wegnehmen. Nein! Das Geld, das der rot-rote Senat den Bürgern zu viel abgenommen hat, gehört den Bürgern, und Sie sollten es ihnen auch wieder zurückgeben.

[Beifall bei der FDP]

Zusätzlich verdienen Sie kräftig am Grundwasserentnahmeentgelt. Das ist keine Petitesse. Herr Jahnke! Es ging 2009 immerhin um 54 Millionen Euro im Jahr. Wir als FDP wollen, dass dieses deutlich erhöhte Grundwasserentnahmeentgelt nach und nach abgebaut wird, und vor allem, dass es in der Zeit, in der es erhoben wird, zweckgebunden verwendet wird. Wir wollen, dass die Bürger

wieder in der Spree schwimmen können, und nicht, dass der Senat im Geld schwimmt.

[Beifall bei der FDP]

Zu den Strukturen – Private und Staat –: Wir Liberale messen den Erfolg nicht daran, wie viel Prozent einer Gesellschaft den Privaten oder dem Senat gehören, sondern daran, dass gute Leistungen zu einem fairen Preis erbracht werden. Wir wollen eine kostengünstige, umweltfreundliche und hochwertige Wasserver- und -entsorgung. Vor allem muss unser Ziel eine Senkung der Wassertarife sein. Deshalb ist es wichtig, bei einer Neuverhandlung der Verträge klare Mechanismen zur Sicherung fairer Preise einzubauen, denn die Probleme liegen nicht daran, dass dort Private beteiligt sind, sondern an der inkompetenten Vertragsgestaltung. Eine Neuverhandlung ist durchaus möglich. Wir als FDP sagen: Ja! Wir wären auch bereit, sogar noch mehr Anteile an die Privaten zu geben, wenn denn dann das Land Berlin tatsächlich die Preise wieder kontrollieren kann. Denn schlimmer, als es jetzt ist, kann es ja nun wirklich nicht mehr werden.

[Beifall bei der FDP]

Herr Wolf! Sie können auch beim bestehenden Vertrag schon etwas tun, um Ihre Spielräume zur Preissenkung zu nutzen. Das betrifft die Festlegung des betriebsnotwendigen Kapitals und die Festlegung der Verzinsungshöhe. Da haben Sie nicht alles ausgenutzt, und da könnten Sie im Rahmen des Vertrages Ihre Spielräume austesten. Herr Wolf! Deshalb unsere Aufforderung: Nutzen Sie die Möglichkeiten, die ich eben dargestellt habe, sofort, um die Wasserpreise zu senken – durch Ausnutzung der Spielräume! Nutzen Sie die Möglichkeit, den Vertrag nachzuverhandeln! Lassen Sie davon ab, immer nur die Gewinne des Landes Berlin zulasten der Bürger zu maximieren! – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Für den Senat hat nun der Senator für Wirtschaft, Technologie und Frauen das Wort. – Herr Wolf – bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist gut, dass die Verträge über die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe endlich öffentlich sind. Ich sage allerdings auch, dass diese Veröffentlichung längst überfällig ist. Sie hätte früher erfolgen können, aber es war offensichtlich erst möglich, nachdem der öffentliche Druck so angewachsen ist, nachdem das Parlament das Informationsfreiheitsgesetz geändert hat und nachdem die „taz“ die Verträge veröffentlicht hat, dass die privaten Investoren dann gesagt haben: Jetzt veröffentlichen wir auch. Das ist kein großer Schritt mehr.

Dieser Schritt hätte viel früher erfolgen können und müssen. Ich hatte im Februar 2010 mit dem Kollegen Nuß

baum eigentlich schon eine Einigung mit den privaten Investoren darüber, die Verträge zu veröffentlichen. Ein paar Tage später kam der Brief: Nein, doch nicht! Wir müssen einige Stellen schwärzen. – Ich sage: Das ist keine Art des Umgangs, keine Art und Weise zu verhandeln, aber es ist gut, dass sie jetzt öffentlich sind. Jetzt kann jeder und jede nachlesen, was damals verhandelt und vertraglich festgelegt wurde.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das hat trotzdem nicht verhindert, dass in den letzten Tagen und Wochen wieder ein Phänomen aufgetreten ist, das man häufig in der Politik feststellen kann, nämlich Amnesie – oder wie es ein früherer Bundeskanzler etwas populärer formuliert hat: Ich hatte einen Blackout. – Es gibt wieder Geschichtsklitterungen, eigenartige Behauptungen und Legenden. Ein Beispiel dafür ist der Beitrag des Kollegen Ratzmann. Dazu hat Herr Lederer schon etwas gesagt.

Herr Ratzmann! Hier ist nichts unter dem Deckmantel der Geheimhaltung verhandelt worden, sondern die Fünfte Änderungsvereinbarung und die Novelle des Betriebegesetzes sind hier im Parlament in öffentlicher Sitzung behandelt worden. Ich habe mir die Mühe gemacht, die hervorragende Rede Ihres Fraktionsmitglieds Esser zu veröffentlichen, in der alles in öffentlicher Sitzung noch mal minutiös dargestellt wurde. Ich sage – da ja vorhin in der Fragestunde gesagt wurde, dass der Begriff der Lüge ein unparlamentarischer Ausdruck ist –: Herr Ratzmann! Sie sagen wissentlich die Unwahrheit.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Aber den Vogel hat der Fraktionsvorsitzende der CDU abgeschossen.

[Björn Jotzo (FDP): Das stimmt!]

Angesichts dieser Debatte bin ich in die Archive gegangen, weil ich die eine oder andere Gegendarstellung machen musste. Da findet sich so manche Perle. Ich zitiere mal aus der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 29. Oktober 1999. Das war die Sondersitzung, die die Opposition damals einberufen hat, um die Unterzeichnung der Verträge noch zu verhindern. Der Hauptredner der CDUFraktion war Kollege Liepelt, damals Fraktionsgeschäftsführer, und der hat in dieser Sitzung bemerkenswerte Sätze gesagt, die ich zitieren möchte.

[Gregor Hoffmann (CDU): Zitieren Sie doch die SPD – Ihren Koalitionspartner!]

Er sagte, dass

dieses Vorhaben einmal nicht nur in die Rechtsgeschichte eingehen wird, sondern auch als Berliner Modell der Privatisierung. Und dazu stehen wir eindeutig...

[Allgemeine Heiterkeit – Beifall bei der Linksfraktion]

Das Protokoll vermerkt: Beifall der CDU. Zwischenruf des Abgeordneten Doering von der PDS: Muss aber nicht positiv sein!

[Heiterkeit bei der Linksfraktion]

Und Zwischenruf des Abgeordneten Wieland von den Grünen: Als Negativbeispiel! – Diese Zwischenrufe haben sich mittlerweile bewahrheitet, und auch dieses Berliner Modell der Privatisierung, Herr Henkel, hat Geschichte gemacht.

Volker Liepelt führt weiter aus – –

[Gregor Hoffmann (CDU): Sie haben die Preise nicht gesenkt!]

Sie waren doch damals dabei, Herr Hoffmann! Ganz ruhig bleiben! Sie waren dabei.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Gregor Hoffmann (CDU): Die SPD war dabei!]

Weil es so schön ist, lese ich weiter vor – und damit schießt Herr Liepelt den Vogel ab –:

Und im Übrigen ist dadurch auch indirekt die rechtliche Konstruktion für die Bankgesellschaft auch bestätigt worden.

[Heiterkeit bei der Linksfraktion]

Denn das war auch ein Stück Vorbild für die Konstruktion der Teilprivatisierung der Wasserbetriebe.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Ihr wart echt klasse!]

Und Herr Liepelt fährt fort:

Ich halte es daher auch für unverantwortlich, wenn aus den Reihen der Opposition schon am Tage des Urteilsspruches, möglicherweise ohne Prüfung der Begründung und des ausführlichen Textes, nun gleich Horrorzahlen in die Welt gesetzt worden sind...

[Gregor Hoffmann (CDU): Sie lenken ab!]

So weit dazu, was die historische Verantwortung für dieses Thema angeht. Die CDU hat sich bei der Fünften Änderungsvereinbarung 2004 wenigstens noch enthalten, weil sie sich noch an ihre Verantwortung erinnern konnte und damals noch einen Rest von Schamgefühl hatte. Das ist offensichtlich vollständig verlorengegangen, und deshalb rufen wir das wieder in Erinnerung.

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und der FPD]

Sie waren dabei – an vorderster Stelle.

Ich habe damals in dieser Sitzung, aus der ich eben zitiert habe, sehr genau darauf hingewiesen, welche Ausgleichsverpflichtung zur Aushebelung des Verfassungsgerichtsurteils damals das Land Berlin mit diesen Verträgen eingegangen ist.

[Gregor Hoffmann (CDU): Sie brauchen keine Geschichtsvorträge zu halten!]

Ich will gleich noch mal Volker Liepelt zitieren, der damals nämlich auch Folgendes gesagt hat:

Die vom Gericht nicht bestätigte Regelung der Verzinsung mit dem Zuschlag von zwei Prozentpunkten hat zunächst keine materiellen Auswirkungen, weder für das Land Berlin noch für die Investoren. Hier werden wir eine Regelung brauchen, eine Novellierung des Vertrages dergestalt, dass wir die zwei Prozentpunkte an die tatsächliche und wirkliche Durchführung der Privatisierung binden. Insoweit ist aus diesem Punkt, auch wenn wir heute das Vertragswerk abschließen, keine materiell negative Auswirkung für die Vertragspartner zu ersehen.

Volker Liepelt hat damals gesagt: Ihr müsst die Verträge ändern, ihr müsst ihnen die zwei Prozent wieder geben, wenn die Privatisierung vollzogen ist. – Und diesen Mist haben Sie uns hinterlassen, und deshalb lassen wir uns nicht in die Verantwortung nehmen.