Protocol of the Session on October 7, 2010

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Es geht Ihnen im Kern nämlich nicht um die eigentliche Aufgabe, die das Bundesverfassungsgericht der Politik aufgetragen hat – nämlich um die Transparenz der Berechnungen –, sondern um die Beschädigung einer anerkannten und sehr beliebten Ministerin sowie die breite Kultivierung des Vorwurfs der sozialen Kälte der schwarz-gelben Koalition.

[Beifall bei der CDU und der FDP – [Ramona Pop (Grüne): Das habe ich doch gar nicht gesagt!]

Das treibt Sie an, nicht die angeblich unseriösen Berechnungsgrundlagen des Sozialministeriums.

[Zuruf von Clara Herrmann (Grüne)]

Dieser Vorwurf ist zudem völlig absurd und aus der Luft gegriffen, denn die Berechnungen sind gemäß dem Urteil erfolgt, völlig transparent dargestellt und auch allen Interessenten zugänglich.

[Ramona Pop (Grüne): Ich habe die Zahlen auch noch nie gesehen!]

Und weil Ihnen das nur allzu gut bewusst ist, wagen Sie es in Ihrer vorgelegten Entschließung nicht, davon zu sprechen, dass diese falsch wären, sondern formulieren vage,

[Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

dass sie statistisch-methodisch höchst bedenklich seien. Ja was denn nun, Frau Pop? Sind die Methoden falsch und die Berechnungsergebnisse richtig oder alles beides falsch? – Diese Antwort bleiben Sie schuldig.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von Michael Schäfer (Grüne) und Ramona Pop (Grüne)]

Ich möchte jetzt keine Zwischenfragen, bitte!

[Zuruf von Michael Schäfer (Grüne)]

Damit haben Sie deutlich gemacht, dass es um etwas anderes geht: Grüne wie auch SPD stehen nicht mehr zu dem Gesetz, dass sie im Jahr 2006 gemeinsam verabschiedet haben. Sie möchten Ihre politischen Sünden lieber vergessen machen, denn damals scherte die angesetzte Höhe der Regelsätze beide Parteien nicht.

[Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

Das war eben Existenzminimum und damit basta!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Erst unter einer CDU-geführten Bundesregierung wurden die Regelsätze 2008 zum ersten Mal und in 2009 zum zweiten Mal angehoben. Die Kinderregelsätze wurden ebenfalls angehoben und 2009 nach Alter und Mehrbedarf mit steigendem Lebensalter ausdifferenziert. Das gab es vorher auch nicht, Frau Pop, da müssen Sie doch mal Farbe bekennen!

[Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

Auch der Beschluss der schwarz-gelben Koalition, die Regelsätze an die Entwicklung der Preise und Löhne zu koppeln, wird seine Wirkung entfalten. So ist bereits zum nächsten Jahr eine weitere moderate Steigerung der Regelsätze absehbar.

Das alles und die jetzt aktuell geplante Erhöhung der Regelsätze um 5 Euro, zusätzlich zu dem Bildungspaket für Kinder, zeigt, dass die CDU die soziale Absicherung und Teilhabe der Menschen im Arbeitslosengeld-II-Bezug im Auge hat.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Die Hartz-IV-Bezieher und ihre Familien werden nicht weniger in der Tasche haben und zudem zusätzliche Leistungen für ihre Kinder erhalten. Darum ist auch die Warnung der Sozialsenatorin, dass es nunmehr allen noch schlechter gehen würde, eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Noch ein Wort zu den Regelsätzen: Heute, liebe Frau Pop, wo die Grünen in der Frage von Hartz IV vom Saulus zum Paulus geworden sind, sehen Sie Ihre Vorstellungen von einem Existenzminimum natürlich ganz anders. So ist in den Vorschlägen der Grünen von März dieses Jahres nachzulesen, dass diese die Regelsätze auf mindestens 420 Euro anheben wollen. Wo sind dazu die nachvollziehbaren transparenten Berechnungen, Frau Pop?

[Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

Haben die Grünen bei dieser Forderung einmal darüber nachgedacht, was es den Steuerzahler jährlich kosten würde? – Das bezweifle ich, denn bei den zur Zeit bestehenden 4,2 Millionen Hartz-IV-Empfängern – und Sie rechnen die 25 Jahre alten Empfänger aus den Bedarfsgemeinschaften heraus, da würde der gleiche Regelsatz gelten – wäre das eine enorme zusätzliche Haushaltsbelastung. Vor dem Hintergrund leerer Staatskassen und der gesetzlich verankerten Schuldenbremse ist das völlig illusionär. Würde das nicht zudem die Gerechtigkeitslücke zwischen den Hartz-IV-Beziehern und den Niedriglohnempfängern noch weiter vertiefen? – Das sind alles Fragen, die Sie nicht beantworten können oder wollen. Ihre Forderung nach gesetzlichem Mindestlohn, der heute von Ihnen mit Ihrem dringlichen Antrag und auch von der SPD vorgelegt wurde, ist darauf nicht die richtige Antwort. Das lehnen wir auf jeden Fall ab!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Nur nebenbei: Wie und woher das Geld für einen solchen Aufwuchs aufgebracht werden soll, bleibt das Geheimnis aller Kritiker, auch diese Frage bleibt unbeantwortet.

Doch in einem Punkt sollte wenigstens die Einigung aller möglich sein: den Menschen eine Perspektive zu geben, dass sie aus Hartz IV herauskommen können. Das gelingt nach unserer Auffassung in erster Linie nur über Anreize zur Arbeitsaufnahme bzw. über die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Deshalb sollten Grüne wie Rote ihre Blockadehaltung aufgeben und stattdessen konstruktive Vorschläge unterbreiten.

Auf Landesebene muss die rot-rote Koalition ihre Anstrengungen verstärken, mehr Arbeitsplätze in die Stadt zu holen, damit Berlin endlich nicht mehr Schlusslicht in Sachen Langzeitarbeitslosigkeit ist.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Doch wenn der Senat in dieser Frage genauso bedächtig weiteragiert, wie bei der Reform der Jobcenter, dann sieht das auch künftig nicht gerade hoffnungsvoll aus, wurden doch trotz vieler Ankündigungen der zuständigen Senatorin die Chancen nicht genügend genutzt, um den Einfluss

auf die Neuorganisation der Jobcenter zur Verbesserung und Betreuung langzeitarbeitsloser Menschen auszureizen. Da sah sich selbst der Koalitionspartner SPD veranlasst, auf einer eigens dazu einberufenen Pressekonferenz einen Forderungskatalog für die Senatorin aufzustellen, doch alles viel zu spät. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD! Der Zug war bereits auf dem eingefahrenen Gleis weitergefahren, was die Grünen zu einer Presseerklärung mit dem tollen Titel veranlasste: Raider heißt jetzt Twix, sonst ändert sich nix. – Kein Chaos, sondern eher mehr Trübsal, würde ich sagen, liebe Frau Pop!

Was die Entschließung der Grünen angeht – zu den Mindestlöhnen hatte ich es schon gesagt –, so werden wir diese ablehnen. Anstatt utopische Regelsatzerhöhungen zu fordern, muss der Arbeitsmarkt weiter belebt werden. Nur so kann es echte Perspektiven für die vielen Langzeitarbeitslosen in unserer Stadt geben. – Danke!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Frau Kroll! – Zu einer Kurzintervention hat Frau Pop das Wort.

Obwohl ich zum Schluss fast eingeschlafen wäre, muss ich doch noch ein paar Punkte loswerden. – Liebe Frau Kroll! Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir die Berechnung der Regelsätze vortragen würden. Sie scheinen mehr Informationen zu haben als ich.

[Christoph Meyer (FDP): Gehen Sie ins Internet!]

Frau von der Leyen hat die Zahlen nicht vorgelegt. Da kann man wohl behaupten, dass das nicht transparent stattgefunden hat. Wenn Sie uns hier vorrechnen können, warum diese Erhöhung sinnvoll, bedarfsgerecht und auf einer soliden Grundlage berechnet ist, bin ich Ihnen sehr dankbar. Diese Zahlen wurden bislang nicht vorgelegt. Man kann also nicht davon sprechen, dass das offen und transparent stattgefunden hätte.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Wer hat denn Hartz IV festgelegt?]

Wir verlassen uns dagegen auf die Zahlen der Sozialverbände, die eine bedarfsgerechte Grundsicherung berechnet haben. Sie liegt bei rund 420 Euro.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Wer hat die alten Regelsätze festgelegt?]

Diese Rechnung kann ich nachvollziehen. Sie liegt vor.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als das Gesetz im Bundesrat beschlossen wurde. Roland Koch, der Ihnen in der Zwischenzeit von der Fahne gegangen ist, wollte den Regelsatz in genau dieser Höhe festgelegt haben, und er hat die Kinderregelsätze herunter gerechnet. Sie können mal in den eigenen Reihen schauen, wie es zur Festsetzung der alten Regelsätze gekommen ist. Daran war die

CDU deutlich beteiligt. Wir müssen uns als Grünen von der CDU, die Milliardengeschenke an die Atomlobby verteilt, nicht sagen lassen, man sei ein Haushaltsrisiko, nur, weil man eine Regelsatzerhöhung von 5 Euro nicht für angemessen hält. Schauen Sie sich Ihre eigene Finanzpolitik an, die auf Kosten der Schwachen geht und denen da oben, inklusive der Atomlobby, Geschenke macht. Wer diese Milliarden zu verteilen hat, sollte sich nicht darüber beschweren, dass die Grünen andere Akzente setzen möchten.

[Beifall bei den Grünen – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Ihr Grünen stehlt euch aus der Verantwortung!]

Frau Kroll hat das Wort zur Erwiderung.

Liebe Frau Pop! Ich möchte Ihnen die Positionen jetzt nicht im Einzelnen vortragen und Ihnen auch nicht vorrechnen. Ich habe den Referentenentwurf des BMAS in meinen Unterlagen und stellen Ihnen den gerne zur Verfügung. Sie können ihn kopieren und nachrechnen. Sie werden dort jede Position ganz transparent finden.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat Frau Breitenbach das Wort.