Protocol of the Session on October 7, 2010

Nein, jetzt nicht, Herr Steuer! Wir können uns draußen darüber unterhalten.

[Och! von der CDU]

Die Botschaft ist deutlich, auch wenn Sie es hören wollen oder nicht: Boni für die Banker und Sparen auf Kosten der Armen und Schwachen. Wer schon wenig hat, soll künftig noch weniger haben. Das ist ein Skandal.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von der CDU]

Für die SPD ist ganz klar, dass der Vorschlag in der vorgelegten Form weder im Bundestag noch im Bundesrat zustimmungsfähig ist. Deswegen haben wir Ihnen heute auch einen dringlichen Antrag vorgelegt, der das noch mal unterstreichen soll. Das Lohnabstandsgebot, das hier immer vor sich hergetragen wird, deshalb dürfen die Hartz-IV-Familien nicht so viel Geld bekommen,

[Beifall von Mieke Senftleben (FDP)]

erreiche ich nur mit einem flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn, und da verweigern Sie sich nach wie vor.

[Beifall bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion]

3,50 Euro und 4 Euro, das sind prekäre Beschäftigungen in Berlin, und die Aufstocker nehmen zu. Die Aufstocker werden zunehmen, wenn die Hartz-IV-Regelsätze nach

oben gehen. Deshalb muss der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn eingeführt werden.

[Beifall bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion]

Das ist sozial!

Unsere Kritik richtet sich weiter an das gewählte Verfahren der Regelsatzermittlung. Karlsruhe hatte gefordert, in einem transparenten Verfahren die Neufestsetzung zu treffen.

[Mieke Senftleben (FDP): Ist es auch!]

Fakt ist, das BMAS – schwarz-gelb regiert – hat in internen Beratungen und nur unter punktueller Hinzuziehung von externem Sachverstand die Regelsatzfestlegung vorbereitet. Eine von allen Oppositionsparteien und zahlreichen Verbänden geforderten unabhängigen Sachverständigenkommissionen hat man angeblich aus Zeitmangel abgelehnt. Fakt ist auch: Der Referentenentwurf bleibt hinter den Anforderungen des Urteils deutlich zurück. Im Ergebnis steht eine Beinahepunktlandung in Höhe der alten Sätze. Zufall oder ein politisch gewünschtes Ergebnis unter Einflussnahme der Haushalts- und Finanzpolitiker der schwarz-gelben Koalition? Das sind Regelsätze nach Kassenlage. Das ist nicht der große Wurf und schon gar nicht die soziale Gerechtigkeit. Das ist soziale Kälte und ein Schlag ins Gesicht aller Betroffenen und ihrer Familien.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Die Chipkartenlösung mag für viele auf den ersten Blick ein zeitgemäßer Weg sein. Schaut man aber genauer hin, so entdeckt man, dass der Gutschein im Wert von 10 Euro für einen Sportverein oder eine Musikschule oder um am Nachhilfeunterricht teilzunehmen wohl vorne und hinten nicht reicht.

[Andreas Gram (CDU): Wie bei anderen Eltern auch!]

Danke! Dazu komme ich noch. – Nein, sie stigmatisiert die Kinder von Hartz-IV-Empfängern und grenzt die Kinder von Niedrigverdienern aus. Völlig unklar ist, wie und in welchem Umfang die Jobcenter sich nun auch noch um Nachhilfefrage kümmern sollen, von der fachlichen Beurteilung mal ganz abgesehen.

[Zurufe von der FDP]

Hier ist die Zusammenarbeit mit den Jugendämtern gefragt, oder die Jobcenter müssen Familienberatungsstellen mit fachkundigem Personal errichten.

Jetzt komme ich zu den Grünen. Ein rot-rotes Chaos um die Jobcenter kann ich nun beim besten Willen nicht erkennen, Frau Pop. Chaos hätte es gegeben, und das wissen Sie auch ganz genau – Frau Pop ist gar nicht mehr da –, wenn die Bundesregierung nicht in letzter Minute die verfassungskonforme Lösung und somit den Erhalt der Jobcenter abgesichert hätte. Dann wäre Chaos entstanden.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Machen Sie sich mal keinen Kopf, wir sind hier in Berlin auf einem guten Weg, die Arbeit der Jobcenter qualitativ zu verbessern sowie die landesweite Steuerung der zwölf Jobcenter zu sichern.

[Zurufe von Uwe Goetze (CDU) und Mieke Senftleben (FDP)]

Und wenn Sie heute sagen, Sie wüssten noch nicht, ob wir ein Jobcenter oder zwölf in Berlin errichten,

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Herr Esser, ich kann auch laut reden! –

[Beifall bei der SPD]

dann haben Sie im Ausschuss wahrscheinlich nicht genau zugehört. In der Koalition und in den Fraktionen haben wir um eine Lösung gerungen, das ist richtig,

[Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

und wir sind nun gemeinsam zu dem Entschluss gelangt, kein landesweites Jobcenter mit zwölf Außenstellen für Berlin zu errichten. In der rot-roten Koalition haben wir uns für ein Jobcenter pro Bezirk in Form von zwölf gemeinsamen Einrichtungen entschieden. Die SPD-Fraktion hat daran Bedingungen geknüpft, die durch die Senatsverwaltung und die Senatorin Bluhm auch so erfüllt werden. Jedes Jobcenter in den zwölf Bezirken ist eine gemeinsame Einrichtung des Bundes und des Landes Berlin – das ist im SGB II so festgelegt.

[Ramona Pop (Grüne): Und was ist mit den Bezirken?]

Berlin ist die Kommune und somit in den Trägerversammlungen weisungsbefugt.

Mit der Neuordnung der Jobcenter wollen wir folgende Ziele erreichen:

Erstens: Bei einem Umzug in einen anderen Bezirk müssen Erwerbslose sich nicht neu anmelden, die Akten werden durch die Jobcenter weitergeleitet.

Zweitens: Arbeitsfördermaßnahmen werden weitergeführt und müssen beim Umzug in einen anderen Bezirk nicht abgebrochen werden.

Drittens: Bezirksübergreifende Maßnahmen sind nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch sicherzustellen, denn arbeitsmarktpolitische Maßnahmen hören nicht an der Bezirksgrenze auf – das muss der Vergangenheit angehören.

Viertens: Berlinweit ist die Zuständigkeit für die Ausbildungsvermittlung und den Arbeitgeberservice einheitlich zu regeln.

Fünftens: Die Arbeitsmarktprogramme der Jobcenter werden miteinander abgestimmt, und um dies sicherzustellen, erhält mindestens ein Vertreter des Landes einen Sitz in jeder Trägervertretung. Ein SGB-II-Referat koordiniert die Vorgehensweise.

[Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales hat bereits entsprechende Maßnahmen ergriffen und Verhandlungen mit der Regionaldirektion geführt, um die Ziele für die Berliner Jobcenter zu erreichen. Die Langzeitarbeitslosen müssen spüren – und das steht für die SPD an erster Stelle –, dass die gemeinsamen Einrichtungen in Berlin an Qualität gewonnen haben. Daran werden wir arbeiten – ich danke Ihnen fürs Zuhören!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von Michael Schäfer (Grüne) und Ramona Pop (Grüne)]

Vielen Dank, Frau Kollegin Grosse! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat die Kollegin Kroll.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Pop, liebe Frau Grosse! Ich hoffe, ich kann mich hier durchsetzen, ich bin ja nicht so stimmgewaltig wie die Damen aus der Gewerkschaft, aber ich werde mein Bestes geben.

[Beifall und Heiterkeit bei der CDU und der FDP – Zuruf von Uwe Doering (Linksfraktion)]

Frau Pop! Ihr abgegebenes Schnellfeuerwerk bewerte ich zunächst einmal als politische Bringepflicht der Berliner Grünen gegenüber ihrer Bundesparteispitze – Frau Roth und Herr Özdemir beschwören ja schon seit Wochen, es werde einen heißen Herbst geben.

Ihre Rede war weder ein sachlicher noch ein konstruktiver Beitrag zum Thema Hartz IV und Neuberechnung der Regelsätze. Eher gehört er in eine Reihe von Aktivitäten, die ich inszeniertes politisches Vorwahlkampftheater nennen würde.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Michael Schäfer (Grüne): Und das alles haben Sie aufgeschrieben, bevor Frau Pop überhaupt geredet hat!]

Ich wage zu behaupten, auch wenn die Erhöhung der Regelsätze um einiges höher ausgefallen wäre, so wäre der bestens organisierte kollektive Aufschrei von Rot bis Grün trotzdem nicht ausgeblieben.

[Beifall bei der CDU und der FDP]