2. Welche rechtspolitischen Möglichkeiten sieht der Senat, um den Anforderungen des Urteils, aber auch den Sicherheitsbedürfnissen der Menschen auch in Zukunft gerecht zu werden?
Entschuldigung, Frau Senatorin! – Vielleicht können wir bitte ein bisschen mehr Ruhe einkehren lassen! Alle, die wichtige Dinge zu diskutieren haben, mögen bitte an den Rand gehen, sodass alle dem Wort der Senatorin folgen können! – Bitte schön, Frau Senatorin!
Vielen Dank! – Ich beginne noch einmal: Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte betrifft unmittelbar nur die Konventionswidrigkeit der
nachträglichen Verlängerung der ursprünglich auf zehn Jahre befristeten Höchstdauer der erstmalig angeordneten Sicherungsverwahrung. Da der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte allerdings die Sicherungsverwahrung im Hinblick auf ihre tatsächliche Ausgestaltung und die Vollzugssituation als Strafe im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention qualifiziert hat und sie damit dem Rückwirkungsverbot unterfallen lässt, dürfte diese Entscheidung gleichfalls Auswirkungen haben auf die nachträgliche Sicherungsverwahrung nach § 66b StGB und § 7 Abs. 2 JGG.
Zu der Frage, ob das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sinngemäß auch auf die nachträgliche Sicherungsverwahrung zu erstrecken ist, gibt es unterschiedliche, gegensätzliche Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. Mit Beschlüssen vom 12. Mai und vom 21. Juli 2010 haben der Vierte und der Fünfte Strafsenat des Bundesgerichtshofs auf die Revision der Betroffenen Urteile der Landgerichte Saarbrücken und Frankfurt/Oder aufgehoben, mit denen die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet worden war. Sie haben die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aufgezeigten Bedenken hinsichtlich der Regelung des § 67d StGB – also der nachträglichen Entfristung der Sicherungsverwahrung – auch auf die nachträgliche Sicherungsverwahrung nach § 66b StGB übertragen.
Dagegen hat der Erste Senat des BGH in einem Urteil, mit dem die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach dem JGG bestätigt wurde, die Ansicht vertreten, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in der Entscheidung vom 17. Dezember 2009 das vom allgemeinen Strafrecht abweichende System des Jugendstrafrechts nicht berücksichtigt habe. Dies spreche dagegen, dass auch die nachträgliche Sicherungsverwahrung nach § 7 Abs. 2 JGG einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention darstelle. Diese Entscheidung, das muss ich dazu sagen, erging allerdings noch vor der Ablehnung der Verweisung dieser Sache an die Große Strafkammer des Europäischen Gerichtshofs am 10. Mai dieses Jahres.
Die Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs dokumentiert die dringende Notwendigkeit der Überarbeitung und Neugestaltung des Instituts der Sicherungsverwahrung, denn die Ausgestaltung insbesondere der nachträglichen Sicherungsverwahrung scheint mit den Artikeln 5 und 7 der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht vereinbar zu sein.
In Berlin haben wir zur Zeit nur eine Person, die entsprechend § 66b des Strafgesetzbuches nachträglich mit einem rechtskräftigen Urteil zur Sicherungsverwahrung verurteilt worden ist. Hinsichtlich einer Verurteilung nach dem JGG befindet sich keine Person in Sicherungsverwahrung.
Zu Ihrer zweiten Frage: Der Senat unterstützt die Initiative des Bundesministeriums der Justiz zur Neuregelung
der Sicherungsverwahrung mit dem inzwischen in die Diskussion eingebrachten Entwurf. Wir werden diese Reformbestrebungen fördern, allerdings auch kritisch begleiten. Da die Sicherungsverwahrung durch diese Rechtssprechung insbesondere aufgrund der tatsächlichen Ausgestaltung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung in Deutschland als Strafe qualifiziert worden ist, habe ich – gemeinsam mit dem Kollegen aus Brandenburg – eine Arbeitsgruppe initiiert, die seit dem 31. Mai dieses Jahres länderübergreifend Eckpunkte für die Neugestaltung des Vollzugs erarbeitet.
An der Arbeitsgruppe nehmen Vertreter der Verwaltungen, des Vollzugs und Fachleute aus den Ländern Berlin und Brandenburg teil. Das Gremium hat den Auftrag, Eckpunkte für einen zeitgemäßen Vollzug der Sicherungsverwahrung bis Ende des Jahres vorzulegen. Der Vollzug soll sich an der Zielsetzung der Resozialisierung orientieren.
Als Themenschwerpunkte werden die Unterbringung der Sicherungsverwahrten unter Berücksichtigung des Abstandsgebotes sowie die Entwicklung spezifischer Behandlungsformen für Sicherungsverwahrte sowie für Strafgefangene mit angeordneter Sicherungsverwahrung im Mittelpunkt stehen. Die Arbeitsgruppe wird zum Ende des Jahres Eckpunkte als Ergebnis ihrer Arbeit vorlegen.
Da aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs auch in Berlin mit Entlassungen aus der Sicherungsverwahrung gerechnet werden muss, hat der Senat schon frühzeitig eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, um die Betroffenen möglichst umfassend auf ihre Freilassung vorzubereiten. Das erarbeitete Konzept eines engmaschigen Netzes von Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht und deren Kontrolle sowie eine enge Anbindung an besonders erfahrene Bewährungshelfer, die seit längerer Zeit bereits mit den Betroffenen in Verbindung stehen, zielt auf die bestmögliche Vermeidung der Begehung neuer Straftaten ab.
Frau Senatorin! Sie hatten angedeutet, dass beim Bund die Gesetzgebungskompetenz für eine Neuregelung besteht. Können Sie meinem Eindruck etwas entgegensetzen, dass ich das Gefühl habe, dass die Bundesregierung nicht mit der notwendigen Schnelligkeit vorangeht und ein Stück weit auch die Länder und Gerichte allein lässt?
Herr Abgeordneter Kohlmeier! Die Bundesregierung hat relativ zügig reagiert, was eine Reform der Sicherungsverwahrung für die Zukunft angeht. Allerdings hat sie die Länder von Anfang an hinsichtlich der Frage allein gelassen, wie eigentlich mit den sogenannten Altfällen umzugehen ist. Hier ist die Verantwortung eindeutig bis heute den Gerichten überlassen geblieben. Diese Situation hat auch dazu geführt, dass wir gegensätzliche Urteile haben und eine Unsicherheit besteht, wie in Zukunft zu verfahren ist. Inzwischen hat – wie Sie auch alle wissen – die Bundesministerin der Justiz gemeinsam mit dem Bundesinnenminister ein Eckpunktepapier mit einem Vorschlag unterbreitet, der inzwischen auch vom Bundeskabinett gebilligt worden ist und darauf hinausläuft, dass diese sogenannten Altfälle in einer Institution, einer Sicherheitsunterbringung, unterzogen werden sollen.
Unser Problem als Land ist allerdings, dass wir nicht wissen, auf welcher rechtlichen Grundlage dieses geschehen soll und wie die Einrichtung auszusehen hat, um den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu genügen.
Frau Senatorin! Dass sich das Land Berlin frühzeitig – das waren Ihre Worte – auf die Entlassung der Betroffenen vorbereitet habe. Mich interessiert, ob Sie meinen Eindruck teilen, dass, im Hinblick darauf, dass die Rechtsprechung seit Dezember 2009 absehbar war – da gab es das erste Urteil des EGMR –, die Vorbereitungen eher schleppend gelaufen sind und man eher sagen kann, dass sich die Berliner Justiz diesbezüglich nicht frühzeitig, sondern eher schlafmützig vorbereitet hat.
Den Eindruck, Herr Abgeordneter Behrendt, teile ich überhaupt nicht. Nachdem Ende Dezember des letzten Jahres dieses Urteil der kleinen Kammer ergangen war, hat sich die Justizverwaltung unmittelbar Gedanken darüber gemacht, wie sich eine solche Situation auf Berlin auswirken könnte. Wir haben bereits seit Anfang März einen großen runden Tisch zur Vorbereitung und Erarbeitung von grundsätzlichen Plänen eingesetzt, wie man mit dieser Situation umgehen kann, sowie kleine runde Tische, die sich im einzelnen mit den einzelnen potenziell zu entlassenden Sicherungsverwahrten beschäftigen unter
Wir haben sukzessive verschiedene Maßnahmen entwickelt, die ich vorhin versucht habe zu beschreiben. Wir haben ein engmaschiges Weisungskonzept erarbeitet, das der Strafvollstreckungskammer vorgeschlagen werden soll. Wir haben für jeden Einzelnen zwei Bewährungshelfer eingesetzt, die bereits Kontakt mit den Betroffenen haben. Wir haben von Beginn an ein aktuelles kriminalprognostisches Gutachten für jeden Einzelnen in Auftrag gegeben, das inzwischen vorliegt und die Grundlage für diese verschiedenen Maßnahmen ist.
Ich kann überhaupt nicht erkennen, wo hier irgendeine Schlafmützigkeit gesehen werden könnte. Im Gegenteil: Das Land Berlin war als erstes in dieser Angelegenheit tätig. Wir sind, was das angeht, wenn man es überhaupt sein kann, sehr gut vorbereitet.
„Talentschuppen SPD Berlin – der wundersame Aufstieg der ehemaligen SPD-Abgeordneten St. W. zur Pressesprecherin der Charité“
1. Wie viele Kommunikationsberater und Pressesprecher sind in Berlin bei der Arbeitsagentur arbeitslos gemeldet?
2. Mal ehrlich – welche Querverbindungen haben der Senat von Berlin oder einzelne Mitglieder des Senats genutzt, um eine seit Jahren nicht tätige und auch ansonsten als Kommunikationsberaterin nicht ausgewiesene Abgeordnete ins Amt der Pressesprecherin des fünftgrößten Berliner Unternehmens Charité zu hieven?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Braun! Zur Frage 1: Der Bestand von Arbeitslosen Stand August 2010 wird nach der Statistik der Bundesagentur für Arbeit für den Zielberuf Public Relations,
Zur Ihrer Frage 2: Bei der Einstellung der Leiterin des Geschäftsbereichs Unternehmenskommunikation der Charité handelt es sich ausschließlich um eine Entscheidung des Vorstands der Charité. Weder die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung noch andere Senatsverwaltungen oder politische Entscheidungsträger oder Mandatsträger waren in diese Personalentscheidung eingebunden. Auch gab es diesbezüglich keinerlei Fürsprache. Es wurde ein geregeltes Auswahlverfahren durchgeführt und nach dem Prinzip der Bestenauslese die Besetzung der Funktion vorgenommen. Der Personalrat der Charité ist beteiligt worden. Nach allem weise ich die mit der Fragestellung in den Raum gestellte Vermutung ausdrücklich zurück.
Herr Senator Zöllner! Vielen Dank für die Beantwortung. Haben Sie persönlich Verständnis dafür, dass viele Leute in dieser Stadt, insbesondere nachdem Sie versucht haben, Ihre Büroleitung zur Einstein-Stiftung hinüberzuhieven, dies als einen erneuten Fall von Filz betrachten könnten?
Ich habe kein Verständnis dafür, dass man davon ausgeht, dass Abgeordnete per se schlechter für eine Funktion geeignet sind als andere Menschen.
Dann ist der Kollege Michael Schäfer von der Fraktion der Grünen an der Reihe mit einer Frage zu dem Thema