Zweitens möchte ich hier nicht Schilda bemühen. Die Ergebnisse sind beschämend für diese Stadt, weil Sie insbesondere denjenigen nicht helfen, die unsere Hilfe am dringendsten nötig haben. Das sind Kinder unterer sozialer Schichten. Das sind insbesondere auch Kinder mit Migrationshintergrund.
Wenn man sich nämlich diese Gruppen – das hat Herr Zillich andeutungsweise gesagt – und deren die Ergebnisse anguckt und sie vergleicht mit unseren besten, kommt heraus, dass es ein ganzes Schuljahr an Leistungsunterschied ist, die diese Schüler hinterherhinken. Das ist kein Prädikat für diese Stadt, ganz im Gegenteil.
Ich freue mich ja, dass es der Senator jetzt endlich erkannt hat und sagt: Wir brauchen ein Qualitätspaket. Seit Jahren fordern wir für diese Stadt eine Qualitätsoffensive. Es reicht nämlich nicht aus, Geld in das System zu stecken, wenn man sich nicht fragt, was dann mit dem Ergebnis ist. Es reicht nicht aus, etliche Stellen für Sprachförderung, die wir brauchen, bereitzustellen und sich nie Gedanken darüber zu machen, ob diese Sprachförderstunden und diese Stellen bei den Schülerinnen und Schülern überhaupt ankommen. Das gilt für die Kita, das gilt für die Schule. Da geht es nicht um Kritik an den Lehrerinnen und Lehrern oder an den Erzieherinnen und Erziehern, im Gegenteil, sie geben ihr Bestes, aber Sie haben die falschen Rahmenbedingungen geschaffen. Deshalb funktioniert das Ganze nicht. So ist das leider.
Wenn man sich unsere Schulen, die Gymnasien hier in diesem Fall, isoliert von der gesamten Studie anguckt, landen auch unsere Gymnasiasten im Allgemeinen auf Platz 15. Auch das ist nicht gerade ein besonderes Zeichen für gute Bildungspolitik in dieser Stadt. Auch dort müssen Sie auf jeden Fall mehr tun. Ein Viertel der 15jährigen Schülerinnen und Schüler versteht Texte nur auf Grundschulniveau. Das ist in der ganzen Republik so, im Besonderen in Berlin. Das ist nicht hinzunehmen. Wenn man sich anguckt, was sonst so in der Berliner Schule passiert, jedes Jahr dasselbe Theater, jedes Jahr müssen sich Eltern kurz vor Schuljahresbeginn selbst darum bemühen, dass die Schulhelferstunden rechtzeitig bis zum Schuljahresbeginn da sind, dass genügend sonderpädagogische Fördermittel da sind, damit die Schülerinnen und Schüler zu ihrem Recht kommen.
Letztens haben wir im Gesundheitsausschuss gehört, es gibt nicht genügend Amtsärzte in dieser Stadt, mit dem Ergebnis, dass etliche Hundert Schülerinnen und Schüler
10 Prozent des Unterrichts fallen aus. Heute haben wir von der Staatssekretärin gehört, dass 340 Erzieherinnen- oder Erzieherstellen fehlen, und das eine Woche vor Schuljahresende. Man hat die Absicht nachzubessern. Ich kann nur sagen: Guten Morgen! Eine Woche vor Schuljahresende wollen Sie dafür sorgen, dass diese Stellen endlich besetzt werden.
Herr Mutlu! Eine Frage zur Sprachkompetenz der Berliner Schülerinnen und Schüler: Könnten Sie mir die Frage beantworten, warum die Schülerinnen und Schüler in Bremen – schon einige Zeit rot-grün regiert – noch schlechter abschließen als Berlin?
Das ist eine gute Frage. – Seit wann regieren die Bremer Grünen in Bremen? Das kann ich Ihnen als Antwort geben. Wenn die neun Jahre regiert hätten, hätten wir definitiv viel bessere Ergebnisse als Berlin. Das kann ich Ihnen heute versprechen.
Ich komme zur Schulstrukturreform zurück. Wir haben hier die Schulstrukturreform in aller Breite diskutiert. Diese war notwendig. Sie ist richtig und geht auch in die richtige Richtung. Aber wenn man sich die praktische Umsetzung anschaut, hier kann ich aus der vorletzten Schulausschusssitzung zitieren: Die versprochenen Sozialpädagoginnenstellen, die man dieser integrierten Sekundarschule zubilligen wollte oder versprochen hat, kommen nicht an, im Gegenteil, Gesamtschulen, die jetzt ab dem neuen Schuljahr integrierte Sekundarschule sind, haben sogar weniger Personal hinsichtlich sozialpädagogischer Förderung und Sozialpädagogen als jetzt in den Gesamtschulen.
Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter Mutlu! Es gibt eine weitere Bitte für eine Zwischenfrage an Sie, und zwar von Frau Dr. Tesch.
Danke schön, das ist sehr lieb! – Es passt zu der anderen Frage. Sie haben vorhin betont, wie wichtig Ihnen die Migrantenkinder sind. Deswegen frage ich Sie, warum die Grünen in Hamburg und auch bei uns hier dann für die Einführung von Kitagebühren sind, wenn Ihnen Migrantenkinder so am Herzen liegen.
Was soll ich auf diese Frage antworten? Wir sind in Berlin, wir reden über die Berliner Bildungspolitik und nicht über die Hamburger.
Jetzt lenken Sie nicht ab! Bilanzieren Sie doch einmal Ihre neunjährige Bildungspolitik! Herr Statzkowski hat gesagt, Sie seien auch davor mit verantwortlich gewesen für die Bildungspolitik dieser Stadt. Deshalb tun Sie nicht so, als hätten Sie mit dem Ganzen nichts zu tun. Lenken Sie nicht wieder ab mit Bremen oder Hamburg! Machen Sie Ihre Hausarbeiten, das werden Ihnen die Schülerinnen und Schüler und die Eltern danken! Alles andere ist Geschwätz, finde ich!
In Bezug auf die Kinder mit Migrationshintergrund kann ich nur sagen: Ja, hier ist sehr viel Nachholbedarf. Hier muss der Senat sehr viel mehr tun. Der Senat muss sich neben einem Qualitätspaket genau angucken, warum die Mittel nicht bei den Schülerinnen und Schülern ankommen. Der Senat muss sich aber auch an dieser Stelle mehr Gedanken darüber machen, wie man Elternhäuser auch für die Erfolge der Kinder gewinnen kann.
Es ist richtig, was der Senator in den Medien gesagt hat: Wenn Kinder drei Jahre in die Kita gehen und immer noch kein Deutsch können, ist es nicht allein Schuld der Elternhäuser, aber unabhängig davon müssten auch die Eltern als Partner der Bildungseinrichtung gewonnen werden, damit alle gemeinsam im Interesse des Kindes zu einer erfolgreichen Bildungskarriere kommen können.
An dieser Stelle frage ich mich durchaus, warum wir nicht generell verpflichtende Bildungsvereinbarungen zwischen Eltern und Schulen einführen. Bei Kindern, die den Sprachtest bei der Schuluntersuchung nicht schaffen, die vom Sprachstand her ungenügend sind, um der Grundschule zu folgen, sollte man generell, egal welcher Her
kunft die Kinder sind, eine Bildungsvereinbarung mit ganz konkreten Zielformulierungen vereinbaren, damit Eltern wissen, was ihre Aufgabe ist, damit Schule weiß, was konkret ihre Aufgabe ist, und alle gemeinsam im Interesse des Kindes handeln können. Solche Schritte muss man durchaus gehen, damit wir nicht in mehreren Jahren wieder hier stehen, wieder dieselbe Bildungsmisere bedauern und wieder die Koalition in dem Fall den Kopf in den Sand steckt.
In dem Sinne kann ich nur an Ihre Vernunft appellieren: Hören Sie auf mit dem Wir-sind-nicht-schuld-Gerede, sondern tun Sie endlich etwas für die Schulen!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Mutlu! – Für die FDPFraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Senftleben das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Verehrte Kollegen und Kolleginnen von SPD und den Linken! Als ich den Titel Ihrer sogenannten Aktuellen Stunde gelesen habe, da blieb mir in der Tat fast die Spucke weg: Berlin als Vorreiter in Sachen Chancengleichheit und Durchlässigkeit.
Nicht nur, dass wir zum wiederholten Male über Bildung reden – und an der Beteiligung der SPD-Fraktion erkenne ich deutlich, dass Sie über die Aktuelle Stunde sehr begeistert sind –, nein, viel schlimmer, wir haben heute das Hohelied auf rot-rote Bildungspolitik gehört.
Liebe Frau Scheeres! Sehr geehrte Frau Dr. Tesch! Dieser Lobhudelei möchte ich gerne etwas entgegensetzen. Da müssen wir mal genauer hinschauen.