Protocol of the Session on June 17, 2010

Es ist bekannt: Die Positionen zu einzelnen Fragen des Landesgleichstellungsgesetzes gehen durchaus auseinander. Wer sich an die bisherigen Debatten um die Besetzung von Vorständen erinnert, weiß, was damit gemeint ist. Der eine oder andere Punkt wird im Senatsentwurf im Rahmen der parlamentarischen Beratung noch ergänzt bzw. geändert. Einigkeit besteht fraktionsübergreifend darüber, dass wir die Novelle des Landesgleichstellungsgesetzes brauchen, um den aktuellen Anforderungen umfassend gerecht zu werden. Der dringende Handlungsbedarf bei der bestehenden Unterrepräsentanz von Frauen in Spitzenpositionen ist unumstritten. Hier hat sich gezeigt, dass wir eine gesetzliche Klarstellung brauchen.

Es ist unser erklärtes Ziel, jeden gesetzlichen Gestaltungsraum zu nutzen, um die Gleichstellungspolitik in Berlin voranzubringen. Die Erfahrung der zehn Jahre rechtfertigt die Herabsetzung des Schwellenwertes für Aufträge von 50 000 auf 25 000 Euro. Künftig werden wir ein effizientes Controlling zur Überprüfung der Maßnahmen zur Frauenförderung haben. Bei der vorliegenden Gesetzesnovelle wurde nicht nur die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen und die öffentliche Auftragsvergabe neu geregelt, das ganze Gesetz wurde evaluiert und auf den neuen Stand gebracht.

Lassen Sie mich zum Schluss noch darauf verweisen, dass die Novellierung des Landesgleichstellungsgesetzes nur ein Glied in einer Kette von Maßnahmen zur Geschlechtergerechtigkeit in Berlin ist. So sind etwa die Berliner Hochschulen bundesweit Spitzenreiter im Ranking nach Gleichstellungsaspekten. Berlin bietet umfassende Kinderbetreuungseinrichtungen. Last but not least: Alle Senatsressorts sind in das gleichstellungspolitische Rahmenprogramm eingebunden. Das alles ist wichtig, und ich bin zuversichtlich, dass wir jetzt einen gewaltigen Schritt weiterkommen. – Danke!

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Baba-Sommer! – Für die Fraktion der Grünen hat jetzt Frau Abgeordnete Kofbinger das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zuerst einmal möchte auch ich feststellen, dass ich mich sehr freue, dass wir heute das Neunte Gesetz zur Änderung des Landesgleichstellungsgesetzes in erster Lesung im Parlament haben. Nach den zahlreichen Verschiebungen dieser Novellierung – da wurde ziemlich getrödelt – ist dies nicht so selbstverständlich. Das ist also erst einmal sehr erfreulich.

Nicht erfreulich – da muss ich mich der Kollegin Görsch anschließen – ist die absolute Nichtbesetzung der Senatsbank. Es gibt auch noch zwei Staatssekretärinnen – mit einem großen I –, Herrn Heuer und Frau Nehring-Venus. Ich weiß, dass Herr Wolf krank ist. Er war auch schon am Montag, dem Sitzungstag des Ausschusses, krank. Aber es ist ein schwaches Bild, was Sie hier abgeben. Es ist nicht sehr schön, dass Sie das Neunte Gesetz zur Änderung des Landesgleichstellungsgesetzes ohne jegliche Beteiligung des Senats – nur Frau Junge-Reyer ist hier – durchgehen lassen. Aber es ist auch erst die erste Lesung, und ich bin gespannt, ob es vielleicht noch etwas munterer wird. Wir werden es noch im Ausschuss beraten – Frau Baba hat darauf hingewiesen.

Es ist auch nicht der große Wurf, wie dies vielleicht anklang. Das hat auch wirklich niemand erwartet. Sollte man das vorgelegte Gesetz mit einem einzigen Wort charakterisieren, so würde ich sagen: Verschlimmbesserung. Dies ist ein merkwürdiges Wort – das ist wohl wahr –, aber es ist auch eine sehr merkwürdige Vorlage, die uns hier zur Kenntnis gegeben wurde. Das Landesgleichstellungsgesetz soll mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern schaffen, ein Mehr an Gleichstellung, mehr Fairness unter anderem. Wenn wir diese Vorlage an diesem Anspruch messen, müssen wir aber konstatieren, dass diese Version des LGG das nicht leistet.

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Margit Görsch (CDU) – Beifall von Volker Thiel (FDP)]

Mit dieser Einschätzung stehen wir Grüne übrigens nicht allein da. Auch der Deutsche Juristinnenbund kommt in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis: Der Senatsentwurf bringt keine gleichstellungsrechtliche Verbesserung, sondern eine Verschlechterung. Ich finde das sehr bedauerlich.

Lassen Sie mich jetzt einige prägnante Beispiele nennen. Es wurde hier immer sehr oberflächlich von: Da hat man etwa geregelt. – gesprochen. Fangen wir gleich bei § 1 an: Entgegen Ihrer in der Präambel erklärten Absicht, die Gleichstellung durch den Reformvorschlag fördern zu wollen, wird der Geltungsbereich als Erstes eingeschränkt. Das ist interessant. Nach dem geltenden Recht gilt das LGG für die Verwaltung und zahlreiche genannte Einrichtungen, bei der Neufassung jedoch nur noch, so weit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Es ist die Aufgabe eines Gleichstellungsgesetzes, Konflikte mit anderen Rechtsmaterien zu erkennen und eindeutig zu

lösen. Das machen Sie auch, indem Sie jedem anderen Gesetz Vorrang vor dem LGG einräumen. Was soll das bitte schön?

[Beifall bei den Grünen]

Danach geht es noch weiter: Sehen wir uns § 5 Abs. 3 LGG an. Hier wird festgelegt, dass zu besetzende Vorstands- und Geschäftsführungspositionen der Anstalten, Körperschaften und Stiftungen öffentlichen Rechts öffentlich bekannt gemacht werden müssen, sofern eine Unterrepräsentanz von Frauen besteht. Demgegenüber schreiben Sie aber in § 5 Abs. 1, dass alle Stellen oberhalb der Besoldungsgruppe A 9, also die genannten Vorstandspositionen, öffentlich auszuschreiben sind. Das ist auch richtig. Damit sind Sie auch im Konsens mit dem EuGHUrteil und der laufenden Rechtsprechung des EuGH. Was Sie gemacht haben, ist handwerklich schlecht gearbeitet und bringt Rechtsunsicherheit und nicht Rechtssicherheit, so wie Sie das eigentlich wollten.

Als letzten Punkt – meine Zeit ist ja limitiert, denn ich könnte noch Stunden reden – möchte ich noch etwas zu den Frauenvertreterinnen sagen. Wir haben – Frau Baba und Frau Neumann haben darauf hingewiesen – mit den Frauenvertreterinnen geredet und uns sehr intensiv angehört, was sie zu sagen hatten – leider aber ohne Konsequenz. Denn in § 17 steht jetzt, dass die Frauenvertreterinnen zwar angehört werden müssen und auch Vorschläge einbringen dürfen, aber es hat keine Konsequenz. Das heißt, sie haben keine weitere Möglichkeit der Einwendung. Sie haben kein Widerspruchsrecht und können keine aufschiebende Wirkung erreichen. Sie dürfen lediglich einige Bemerkungen an den Rand schreiben. Das halten wir für völlig unzureichend.

[Beifall bei den Grünen]

Nun will ich Ihnen aber nicht nur Ihre Versäumnisse vorhalten, sondern auch daran erinnern, was der Auslöser für diese LGG-Novelle war. Das war unser Antrag vom Mai letzten Jahres, –

[Gelächter bei der Linksfraktion]

ich merke, Sie erinnern sich –, in dem wir Ihnen eine wirksame Gesetzesänderung vorschlugen, wie man es schaffen könnte, die Führungspositionen in den landeseigenen Betrieben in Zukunft quotiert zu besetzen. Das von uns dazu vorgeschlagene Instrument eines Verbandsklagerechts für Frauenverbände bei Verstößen gegen das LGG war radikal und innovativ – und wurde von Ihnen natürlich nicht angenommen. Aber immerhin hat es Sie in Bewegung gesetzt. Das freut uns sehr. Es ist schade, dass Sie nicht mutiger ans Werk gegangen sind und sich richtig was getraut haben.

Frau Kofbinger! Ihre Redezeit ist beendet!

Es ist schade, dass die von Ihnen selbst verteilten Vorschusslorbeeren nicht zu einem Siegerkranz zu flechten

sind, sondern Sie sich diese höchsten an Ihren Hut stecken können. Aber verzagen Sie nicht, sondern seien Sie gewiss, dass wir Ihre Scharte auswetzen und in Kürze unsere eigenen Änderungsvorschläge vorstellen werden. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kofbinger! – Es liegt mir fern, Sie zu korrigieren, aber ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass Herr Senator Wolf heute entschuldigt ist, da er ganztägig an der Wirtschaftsministerkonferenz in Göhren teilnimmt.

[Anja Kofbinger (Grüne): Das ist eine Stil- und keine Anwesenheitsfrage!]

Es war die Rede davon, dass er krank ist, das ist jedoch nicht der Fall. Deswegen habe ich noch einmal die Entschuldigung verlesen. Jetzt hat Herr Abgeordneter Thiel für die FDP-Fraktion das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Grund für diese Novelle – so heißt es jedenfalls in den einleitenden Worten dort – ist, dass es eine gravierende Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen gibt. Das macht erst einmal neugierig und weckt Interesse, was Sie dagegen unternehmen werden. Was Sie zum Abbau dieser Defizite machen wollen, führen Sie aus, indem Sie sagen: Wir brauchen weitergehende gesetzliche Regelungen. – und berufen sich dabei auf Forderungen aus dem parlamentarischen und politischen Raum und berücksichtigen langjährige praktische Erfahrungen.

Ich habe ein paar Fragen hierzu, ganz einfache Fragen, die jedoch auch die Novelle nicht beantworten kann.

Wenn hier behauptet wird, dass gerade durch das Landesgleichstellungsgesetz erhebliche Verbesserungen eingetreten seien, dann frage ich mich, welche das sein sollen.

[Beifall bei der FDP]

Welchen Anteil hat das Landesgleichstellungsgesetz in den letzten 19 Jahren an der Verbesserung des Anteils von Frauen in Führungspositionen gehabt? Hatte er überhaupt einen? Welche weiteren gesetzlichen Regelungen tragen dazu bei, dieses Ziel zu erreichen, sind also geeignet, oder reichen gesetzliche Regelungen nicht aus? Welche weiteren Erkenntnisse gibt es? Ist zum Beispiel in die Novelle des Landesgleichstellungsgesetzes der erfreuliche und von uns sehr begrüßte Umstand eingearbeitet worden, dass mittlerweile immer mehr Frauen Hochschulabschlüssen machen, dass über 50 Prozent der erfolgreich Studierenden Frauen sind? Schlägt sich das hier irgendwo nieder?

Ich habe ein paar Beobachtungen machen dürfen, die mich ebenfalls zu Fragen führen. Ich glaube, dass Frauen in unserer heutigen Gesellschaft – trotz aller Probleme – in sehr vielen Bereichen Entwicklungsmöglichkeiten haben. Ich glaube, das kann man so feststellen. Dass das nicht ausreichend ist, unterschreibe ich sofort. Aber gleichzeitig sind sie in Führungspositionen unterrepräsentiert. Woran liegt das? – Ich komme auf zwei Dinge, die ich mit Ihnen im Ausschuss intensiver diskutieren möchte: Ich frage mich, ob die vorhandenen Strukturen sich nicht so stark verändert haben, wie man sich das erhofft und gewünscht hat. Eine Veränderung der Strukturen haben auch die Gesetze nicht erreicht. Die Strukturen, in denen wir uns insbesondere in der Wirtschaft bewegen, sind träge. Kann man diese Strukturen durch Gesetze ändern, und wenn ja, in welcher Form? Das ist für mich eine offene Frage.

Meine zweite Beobachtung: In der alltäglichen Praxis ist immer wieder festzustellen, dass Frauen, die schon in Unternehmen sind, nach Alternativen zu Führungspositionen suchen. Sie wollen in letzter Konsequenz nicht unbedingt Führungsverantwortung übernehmen.

[Zurufe von den Grünen]

Manche steigen ganz aus, machen sich selbständig und sind auch erfolgreich. – Frau Kosche! Sie brauchen nicht dazwischenrufen. Ich weiß, wovon ich rede.

[Zurufe von den Grünen]

Ich brauche Ihnen gegenüber keine Legitimation. – Ich weiß, dass das eine Riesenproblem ist. Frauen, die Führungskräfte sind, haben ein Problem, andere Frauen zu motivieren, auch Führungskräfte zu werden. Dafür gibt es Gründe.

[Zuruf von Heidi Kosche (Grüne)]

Wir können uns darüber gerne unterhalten, wenn Sie sich ein bisschen beruhigt haben.

[Zuruf von der CDU: Das ist aber mutig!]

Das Gesprächsangebot war mutig.

[Beifall bei der FDP]

Zwei Dinge sind aus meiner Sicht wichtig: Die vorhandnen Strukturen müssen sich ändern. Das ist das erste Ziel. Zweitens sind die Frauen eingeladen, ihre Einstellungen zu überprüfen. Ich will das auf den Punkt bringen: Um einem Vorstand anzugehören, reicht es nicht aus, dass man einen Magister in Romanistik hat. Damit können Sie noch nicht einmal vernünftig ein Geschäft führen. – In dem Ziel, mehr Frauen in Führungspositionen bringen zu wollen, stimmen wir überein. Klare Aussage!

[Beifall bei der FDP]

Den Weg aber, den Sie glauben, durch eine Gesetzesverschärfung und -fortschreibung hier gehen zu müssen, halten wir nicht für zielführend. Deswegen lehnen wir die Novelle ab. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der FDP]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung der Vorlage Drucksache 16/3267 federführend an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen sowie mitberatend an den Rechtsausschuss empfohlen, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Dann kommen wir zur

lfd. Nr. 5:

II. Lesung

Gesetz zur Änderung des Berliner Schulgesetzes