Protocol of the Session on April 22, 2010

Deshalb stellt sich die Frage: Macht es Sinn, eine von vornherein aussichtslose Initiative zu starten? – Unter Umständen erreicht man nämlich genau das Gegenteil von dem, was man erreichen will. Wenn es einmal eine weitere Ablehnung einer Änderung gibt, wird es später vielleicht nur umso schwerer, eine Änderung herbeizuführen.

Der Kollege Mutlu wollte was fragen.

Aufgabe der Politik ist es ja nicht nur, lediglich Anträge im Bundesrat zu stellen, die erfolgreich sind, sondern überhaupt politische Diskurse einzuleiten. – Meine Frage, weil Sie gesagt haben, wir müssen das analysieren, untersuchen und dann bewerten: Seit über drei Jahren gibt es ja diese Sprachtests schon, für manche Länder, nicht für alle, wie Sie wissen. Was haben Sie denn als zuständiger Fachpolitiker oder Ihre Fraktion bisher getan, um die letzten drei Jahre mal zu bewerten, hat es für die Betroffenen was gebracht, oder war es eher unnötige Bürokratie, um bestimmte Länder bei der Zuwanderung im Zusammenhang mit Familienzusammenführung zu behindern?

Herr Mutlu! Ich habe versucht, gerade deutlich zu machen, dass wir den bisherigen Zeitraum nicht für ausreichend gehalten haben, zu einer abschließenden Bewertung zu kommen. Deshalb können wir das heute noch nicht vornehmen. – Ihr Hinweis auf den Bundesrat: Ja, man kann auch einmal eine Bundesratsinitiative machen, um bestimmte Diskussionen anzustoßen. Wenn wir aber nur danach Bundesratsinitiativen machen, dann machen wir eher Schaufensterpolitik, als wirklich auf Veränderungen hinzuarbeiten.

[Zuruf von Heidi Kosche (Grüne)]

Man muss sich schon überlegen, was auch eine Ablehnung im politischen Diskurs in der weiteren Zukunft bedeuten kann. Für eine reine Schaufensterpolitik ist die Berliner SPD nicht zu haben. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Zurufe von den Grünen]

Vielen Dank! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat der bereits erwähnte Kollege Wansner.

[Özcan Mutlu (Grüne): Was sagen deine Kreuzberger dazu? – Zuruf von links: Jetzt kommt der Freund aller Migranten!]

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kleineidam! Wenn ich nach Istanbul fahre und mich dort mit Menschen unterhalte, ist es ein Zeichen der Höflichkeit, wenn man versucht, auch sie auf ihrer Sprache hin oder zu ihrer Sprache hin anzusprechen.

[Gelächter bei den Grünen]

Ich glaube, das auch der richtige Ansatz.

Thomas Kleineidam

[Zurufe von Benedikt Lux (Grüne) und Özcan Mutlu (Grüne)]

Seien Sie gewiss, wenn ich mit meinen Parteifreunden aus Friedrichshain-Kreuzberg spreche, sehr geehrter Herr Mutlu, auch da ist die Überlegung, dass man die Sprache der Menschen spricht, in dem Wahlkreis, in dem man zu Hause ist und wo viele Menschen mit Migrationshintergrund zu Hause sind.

[Zuruf von Elke Breitenbach (Linksfraktion)]

Herr Mutlu! Es ist ja immer so, wer versucht, zwischen Menschen in dieser Stadt zu vermitteln, und nicht – so wie Sie – Klientelpolitik nur für eine Gruppierung betreibt, es ist eigentlich, glaube ich, die Aufgabe, den Versuch zu wagen, mit allen in ein vernünftiges Gespräch zu kommen.

Der Antrag der Fraktion der Grünen, Sprachtests als Eintrittskarte nach Deutschland abzuschaffen, geht an der erlebten, Frau Bayram, bzw. auch gelebten Wirklichkeit in Deutschland, aber insbesondere in Berlin vorbei.

Herr Kollege! Die von Ihnen genannte – –

Nein! Ich unterhalte mich mit Frau Bayram so oft im Innenausschuss und auch im Integrationsausschuss, dass wir wissen, was wir voneinander halten.

[Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion) – Heiterkeit bei den Grünen]

Wer sich mit dem Zusammenleben der Menschen in dieser Stadt einmal auch nur im Ansatz realistisch beschäftigt hat, weiß, dass die teilweise völlig fehlenden Deutschkenntnisse, liebe Frau Bayram, vieler Migranten, insbesondere bei den Frauen, ein Miteinander mit der Mehrheitsgesellschaft verhindern. Das führt doch nachweislich zu den seit Längerem erkennbaren Abgrenzungs- und Abschottungstendenzen gegenüber der Aufnahmegesellschaft. Sie schreiben in Ihrem Antrag doch selbst – ich zitiere –:

Zweifellos sind Deutschkenntnisse für die Integration und die volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in Deutschland erforderlich. Diese können jedoch besser in den (ohnehin verbindlichen) Integrationskursen nach der Einreise erworben werden.

Doch, Frau Bayram, das stimmt nachweislich nicht. Wer ohne jegliche Grundkenntnisse der deutschen Sprache nach Berlin kommt, um hier auf Dauer zu leben, hat doch – das wissen wir – nachweisbar die größten Probleme. Und Sie führen weiter in Ihrem Antrag aus:

Das Gesetz greift unverhältnismäßig in das Recht auf Familienzusammenleben ein. Die Regelung steht im Widerspruch zu der in Artikel 6 des Grundgesetzes enthaltenen Schutzverpflichtung

des Staates gegenüber Ehe und Familie. Der Nachweis von Deutschkenntnissen vor der Einreise als Familienangehöriger stellt eine staatliche Einmischung in die Partnerwahlentscheidung dar …

Sehr geehrte Frau Bayram! Wer so etwas formuliert, will nicht die Integration, und er will auch nicht das gleichberechtigte Miteinander aller Menschen in dieser Stadt, insbesondere möchte er nicht die Gleichberechtigung der Frauen hier in Berlin.

[Zurufe von Heidi Kosche (Grüne) und Alice Ströver (Grüne)]

Das Aufenthaltsgesetz verlangt doch lediglich für den Nachzug eines Ehepartners, dass sich dieser zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann. Somit soll das u. a. der Zwangsverheiratung entgegenwirken, denn gerade in diesen Fällen ist es doch extrem schwierig, ohne sich mindestens in einfacher Art und Weise in deutscher Sprache verständigen zu können, sich aus dieser Situation zu befreien. Mit dem Erfordernis des Nachweises von einfachen – und ich wiederhole noch mal –, nicht fortgeschrittenen Sprachkenntnissen, die vor der Einreise nach Deutschland im Herkunftsland erworben werden müssen, wird gewährleistet, dass die Frauen, insbesondere aus den muslimisch geprägten Ländern, z. B. aus der Türkei, schon mit ordentlichen Deutschkenntnissen nach Deutschland kommen, sie sich somit in der deutschen Gesellschaft zurechtfinden können.

Eigenständig einkaufen gehen und sich einen Freundeskreis aufbauen können, auch das – liebe Frau Bayram! – stärkt die Frauen. Ich bin immer wieder erstaunt darüber, mit welchen Anträgen Sie kommen und nicht sehen, wie die Gegebenheiten sind, die wir in den Kiezen, in den Problembereichen haben.

Es trifft einfach nicht zu, dass im Ausland nicht ausreichende Möglichkeiten vorhanden sind, um im Vorfeld Sprachkurse zu besuchen. Das Goethe-Institut bietet zum Beispiel in der Türkei, auch in Südostanatolien, die Möglichkeit an, Sprachkurse zu besuchen. Es ist deshalb im Ausland gut möglich, deutsch zu lernen. Wir fordern – und ich fordere Sie persönlich auf: Ziehen Sie diesen Antrag zurück! Wer solche Anträge stellt, liebe Frau Bayram, fällt in der Integrationsarbeit der Grünen zurück.

[Özcan Mutlu (Grüne): Das muss ein CDU-Mann uns sagen!]

Lieber Herr Mutlu! Wir wollen gemeinsam, dass ein friedliches Zusammenleben aller Menschen stattfindet. Wer solche Anträge stellt, möchte dies nicht. Er nimmt die erlebte Realität in dieser Stadt nicht zur Kenntnis. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – [Özcan Mutlu (Grüne): Wo leben Sie denn?]

Vielen Dank, Herr Kollege Wansner! – Das Wort für eine Kurzintervention hat nunmehr Frau Bayram.

Herr Wansner! Ich frage Sie, ob Sie von dem Fall Kenntnis haben, den Frau Dagdelen von der Linksfraktion im Bundestag in ihrer Rede geschildert hat: Eine junge schwangere Frau, die aufgrund der Strapazen, die sie durch diese Anreise zum Sprachtest hatte, ihr Kind verloren hat, die eine Fehlgeburt hatte.

Von welcher Realität reden Sie eigentlich? Ich meine, es ist wirklich nicht ausreichend, dass man sich einfach hinstellt und sagt, das, was seinerzeit gemacht wurde, halte ich auch heute noch für richtig. Informieren Sie sich doch mal! Herr Kleineidam hat zumindest zugegeben, dass er sich bislang noch nicht so sehr dafür interessiert hat und erst eine Evaluation abwarten will. Aber Sie verschließen komplett die Augen vor der Wirklichkeit,

[Uwe Goetze (CDU): Einzelfallpolitik!]

und das ist keine verantwortungsvolle Politik.

Herr Goetze! Es dann auch noch so darzustellen, das dies eine Einzelfallpolitik ist: Es geht hier um sehr viele Länder, in denen diese Regelung herrscht!

[Zuruf von Uwe Goetze (CDU)]

Herr Goetze! Hören Sie zu, dann lernen Sie noch etwas!

[Uwe Goetze (CDU): Aber mit Sicherheit nicht von Ihnen!]

Es geht hier darum, dass z. B. ein Brite, der in Deutschland lebt, Familiennachzug nach Deutschland erhalten kann, ohne dass seine Ehefrau einen Sprachtest erfüllen muss. Ein Deutscher kann das nicht. Das ist das Gesetz, das Ihre Bundestagsfraktion gemacht hat.

[Uwe Goetze (CDU): Ein gutes Gesetz!]

Und wenn Sie sich informieren würden, dann müssten Sie darüber nachdenken.

Eines noch: Keines der Gerichte hat die Begründung, mit der dieses Gesetz eingebracht wurde, man wolle Zwangsverheiratungen verhindern, aufgegriffen. Kein einziges Gericht hat das angenommen. Es hat lediglich immer wieder nur gesagt: wenn das der Wille des Gesetzgebers war.

[Uwe Goetze (CDU): Von Gesetzgebung haben Sie auch keine Ahnung!]

Das besonders unanständige an diesem Gesetz ist auch noch, dass so getan wird, als wenn ein paar Worte deutsch Zwangsverheiratungen verhindern. – Nein, meine Damen und Herren! Da müssten wir ganz andere Maßnahmen ergreifen! Da müssen die geeigneten Maßnahmen ergriffen werden! Und auch in der Hinsicht schläft dieser Senat – da hat er nämlich die Verantwortung –, und wahrscheinlich schläft er noch ein weiteres Jahr.

[Beifall bei den Grünen]

Zur Erwiderung hat der Kollege Wansner das Wort.