Protocol of the Session on April 22, 2010

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall der Mieke Senftleben (FDP)]

Und jetzt zu den Sachen selbst. Erstens zum VERA-Test: Wenn es um Qualität von Arbeit geht, dann ist in fast allen Lebensbereichen ein Verfahren das Verfahren der Wahl und das zielführende, das man als Qualitätsmanagement bezeichnet. Und als ich dieses Mitte der Neunzigerjahre gesagt habe, dass es auch das Verfahren in der Schule sein muss, bin ich noch ausgepfiffen worden. Heute, habe ich den Eindruck, ist es im Grundsatz akzeptiert. Das Geheimnis von Qualitätsmanagement besteht in der zyklischen Trias von Ziele setzen, Maßnahmen ergreifen, hinterfragen, ob man die Ziele erreicht hat, und dann fängt die Runde von Neuem an, wenn man den Ehrgeiz hat, in der Qualität immer besser zu werden.

Es ist nun mal ein Gegenstand von Schule, dass neben Persönlichkeitsbildung und sozialer Integration natürlich auch Wissen und Können vermittelt werden sollen. Es ist nun mal so. Zweitens gibt es überhaupt keinen Zweifel, dass zum Hinterfragen dieser Wissensvermittlung VERA ein geeignetes und, wenn wir in Deutschland noch einen gemeinsamen Standard haben wollen, das einzige Instrument ist,

[Mieke Senftleben (FDP): Ich gebe Ihnen ja recht!]

in dem wir uns auch zwischen den Bundesländern einordnen können, ein unverzichtbares Instrumentarium ist. Deswegen sage ich, obwohl ich weiß, dass ein so sensibles Völkchen in der Schule ist, hier ganz bewusst: Derjenige, der sich öffentlich hinstellt und sagt – aus welchem Grund auch immer –, er will das nicht machen, dem glaube ich nicht, dass es ihm um Qualität in der Schule geht,

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

weil es nicht darum geht, dass er mit seinen Schülerinnen und Schülern schlecht abschneidet. Dann wird es ja Gründe haben, wenn er es ernst nimmt. Dann wird man den Gründen nachgehen und versuchen können, sie zu beseitigen. Wenn man sich dieser Frage nicht stellt, dann ist man nicht bereit, möglicherweise auch Gründe für einen schlechten Lernerfolg von Kindern zu beseitigen. Und dann, meine ich, muss man mit aller Konsequenz vorgehen. Deswegen werde ich das nicht tolerieren, in welcher Form das auch immer gemacht werden muss.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich sage noch einen Schlenker, jetzt hoffentlich etwas lächelnd, in diesem Raum. Wenn ja immer die Bundesländervergleiche gemacht werden – ich weiß ja, wie das Leben ist, zumindest ahne ich es in einigen Bereichen –, die Lehrerinnen und Lehrer lieben das alle nicht, weder in Bayern noch in Baden-Württemberg noch in Hessen noch in Rheinland-Pfalz noch in Berlin. Aber ich sage Ihnen eins: Die Ergebnisse hängen auch ein bisschen davon ab, wie man letzten Endes nachher die Sache spielt. Und ich

sage Ihnen, in Bayern ist es so, denen stinkt das genauso, der PISA-Test, wie in Berlin. Nur, in Bayern sagen die Wenn wir es schon machen müssen, dann wollen wir in die Champions League –, während man hier in Berlin sagt: Das ist vielleicht eine gute Chance, mal zu zeigen, dass uns das Ganze stinkt. So!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das war aber ein Schlenker nebenbei. Das heißt, ich werde diese Verweigerung nicht tolerieren. Das bedeutet aber nicht, dass man sich völlig unabhängig davon – und ich muss dieses in Abstimmung mit den anderen Bundesländern tun – darum bemüht, dass es eine inhaltliche Verbesserung von Tests gibt, und zwar primär aus einem Grund: damit die Lehrerinnen und Lehrer vor Ort merken, ob die Maßnahmen, die sie selber eingeleitet haben, auch gewirkt haben beim nächsten PISA-Test. Und das müssen wir vermehrt erreichen. Und natürlich, aber nur dann, wenn es nötig ist, dass wir eine nötige Ausdifferenzierung im unteren Leistungsbereich kriegen, und mit dem Ehrgeiz, den dieser Senat für Schulpolitik in Berlin hat, dass wir auch eine noch bessere Ausdifferenzierung im oberen Leistungsbereich kriegen, denn die brauchen wir genauso.

[Mieke Senftleben (FDP): Das wäre schön! Das hören wir zum ersten Mal!]

Nein! Mein Bekenntnis zur Elitebildung ist doch legendär. –

[Mieke Senftleben (FDP): Wo sehen wir das denn?]

Übrigens gibt es ganz ohne Zweifel – das ist völlig unbestritten – eine unheimlich starke Abhängigkeit zwischen der VERA-Leistung und letzten Endes den sozialen Bedingungen bei uns, in der Anzahl der Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache und mit Lehrmittelbefreiung. Es ist aber genauso wissenschaftlich belegbar aus dem letzten VERA-Test, dass wir durch die spezifische Zuweisung von zusätzlichen Ressourcen in diese belasteten Klassen diese Abhängigkeit entscheidend verringern. Haben Sie und der Grundschulverband vergessen, was wir 2008 gemacht haben, dass wir aus vorhandenen ca. 700 DaZ-Stunden zur speziellen Förderung sowohl nichtdeutscher Herkunftssprache als auch von Kindern aus sozial belasteten Gebieten insgesamt 1 100 Stellen gemacht haben, die wir proportional mit der Belastung verteilt haben? Das waren weit über 100 zusätzliche Stellen, und da gab es keine Protestbriefe von den Gymnasien und den Realschulen.

[Beifall bei der SPD]

Herr Senator! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Mutlu?

Ja, der Versuch, mich in meiner Leidenschaft zu unterbrechen, wird toleriert. – Herr Mutlu!

Senator Dr. Jürgen Zöllner

Anschließend von Frau Senftleben? – Was ist mit der Leidenschaft? – Zunächst der Kollege Mutlu!

Lieber Herr Senator! Sie haben gerade eine Zahl bemüht, 1 200 Stellen für die Sprachförderung,

[Senator Dr. Jürgen Zöllner: 1 100!]

1 100, im Vergleich zu früher 760. Ist es denn nicht so gewesen, dass Sie die verschiedenen Fördertöpfe, die es für sozial benachteiligte Gebiete und für die Sprachförderung gab, einfach nur zusammengelegt haben und sich damit an der Summe der Personalmittel kaum etwas verändert hat? Rechnen können wir ja alle, wir müssen einfach nur gucken: Was gab es vorher in drei verschiedenen Töpfen, und was ist jetzt zusammengelegt in einem Topf? Sagen Sie uns doch, was tatsächlich reell zusätzlich als Sprachförderung in das System eingebracht worden ist!

Ich achte nicht nur, wenn Herr Mutlu da ist, darauf, dass das stimmt, was ich sage. Was ich sagte, ist ja protokolliert worden. Ich habe gesagt: Darin sind mehr als 100 zusätzliche Stellen enthalten. Ich habe nicht so getan, als ob 1 100 zusätzlich gekommen wären. Ich habe gesagt, es waren vorher 700 in DaZ, und wir haben dann einige Sachen zur gezielten Förderung zusammengetan; und da sind 100 zusätzliche gewesen. Das habe ich vorhin gesagt, Herr Mutlu. Ich kann nur das Faktum wiederholen. – Frau Senftleben!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Senator! –Wenn Sie die Kapazität der DaZ-Lehrer und DaZ-Stunden erhöhen, was Sie getan haben, das bezweifle ich nicht, meinen Sie nicht, dass es irgendwann einmal an der Zeit ist, auch die Methode, die im DaZ-Unterricht verwendet wird, zu hinterfragen? Ich sage es noch einmal deutlich: Wenn diese Methode erfolgreich wäre, dann säßen wir heute nicht hier mit diesen Ergebnissen. Das ist durchaus eine Frage wert.

Und dann noch die Frage: DaZ-Unterricht in der Sekundarschule wollen Sie erhöhen. Das halte ich für völlig absurd. Ist es da nicht sinnvoller und besser – auch das zeigt der Protestbrief der Lehrer –, dieses insbesondere in der Grundschule zu verstärken? Ich habe mal gelernt, dass die Kinder besser und schneller lernen, je kleiner und jünger sie sind.

Erste Frage: Ja. – Zweite Frage: Das sind keine DaZStunden, sondern zusätzliche Stunden für besonders

betreuungsintensive Schülerinnen und Schüler in sozial problematischen Bereichen. Die sollen nicht nur für die Sprachförderung eingesetzt werden. Ich finde sehr wohl, dass diese Zumessung adäquat ist, um mit den Problemen fertig zu werden.

Es ist nicht nur so, dass diese Abhängigkeit von Migrationshintergrund und sozialer Herkunft mit der Leistung entscheidend durch unsere zusätzlichen Ressourcen und die Art der Zuweisung verringert wird. Es ist auch so, dass Schulen mit unheimlich hoher Belastung nicht nur durchschnittliche, sondern überdurchschnittliche Leistungen haben. Und dann gibt es natürlich welche, wo es eben nicht so ist. Dann muss man das hinterfragen. Und dann bin ich bei Ihnen, Frau Senftleben. Da müssen wir fragen, woran das liegt. Letzten Endes geht es um das, was herauskommt.

[Mieke Senftleben (FDP): Genau!]

Es könnte sein, dass die Ausstattung zu gering ist. Und da verweise ich Sie darauf, dass wir eine durchschnittliche Schüler-Lehrer-Relation von ca. 18 haben, dass in Wirklichkeit die belasteten Schulen eine Schüler-LehrerRelation von 12 zu 1 haben. Und da, sage ich Ihnen, werden Sie durch Verbesserung der Personalzuweisung nichts mehr entscheidend erreichen.

[Mieke Senftleben (FDP): Sie haben von mir acht Vor- schläge gehabt! Und davon nicht einen!]

Und wenn es so ist, müssen wir uns jetzt, wenn es nicht grundsätzlich an der Lehrerzuweisung hängt, um den Einzelfall kümmern. Da könnte meine Verwaltung oder ich versagt haben, indem wir eine Schulleiterstelle lange nicht besetzt haben.

Das könnte ein Grund sein, das muss man beseitigen. Es könnte aber auch sein – und wir sagen alle, das Wichtigste in der Schule sind die Lehrerinnen und die Lehrer –, dass es letzten Endes in der Schule, in der Klasse oder beim einzelnen Lehrer nicht funktioniert, und dem müssen wir bereit sein nachzugehen, sonst werden wir das Ziel nie erreichen, das wir brauchen.

[Beifall bei der SPD – Mieke Senftleben (FDP): Richtig! Genau! Schlauer geworden, der Herr Senator!]

Das heißt, dass mehr Lehrerinnen und Lehrer erstrebenswert sind, kann und soll nicht abgestritten werden. Aber nach meiner festen Überzeugung ist das nicht der zentrale Ansatzpunkt, um mit diesen Problemen fertig zu werden. Es ist schon angedeutet worden, wir haben eine der besten Schüler-Lehrer-Relationen in der Bundesrepublik Deutschland. Nur Länder wie Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben aus ganz anderen Gründen eine bessere, keines mit einer Migrationsbelastung hat eine bessere Relation. Das heißt, wir haben 20 Prozent über dem Durchschnitt. Im Grundsatz ist die Personalausstattung also auch im Grundschulbereich in Berlin im Bundesvergleich sehr gut. Deswegen kann es nicht der primäre Grund sein.

Wir haben in Bezug auf die Ausstattung und die vernachlässigten Grundschulen noch gar nicht berücksichtigt, dass wir im Gegensatz zu allen anderen in der Bundesrepublik fast ein flächendeckendes Ganztagsangebot im Grundschulbereich haben, dass wir im Jahr 2009/2010 74 zusätzliche Sozialarbeiter für diesen Bereich zur Verfügung gestellt haben.

[Özcan Mutlu (Grüne): Mit welchem Ergebnis?]

Diese Spitzenstellung in der Ausstattung im Grundschulbereich ergibt sich auch aus den verausgabten Mitteln. Berlin gibt 5 000 Euro pro Grundschüler aus, damit am drittmeisten in der Bundesrepublik Deutschland und 20 Prozent mehr als der Durchschnitt. Dies alles belegt, dass der Grundschulbereich der zentrale Ansatzpunkt für inhaltliche und auch finanzielle Ressourcen war.

[Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)]

Sie brauchen gar nicht mit dem Kopf zu schütteln. Seit 2006 – und seitdem führe ich eine Statistik, weil ich Zahlen liebe – hat sich die Schüler-Lehrer-Relation im Grundschulbereich in Berlin in der Größenordnung von ca. vier bis fünf Prozent verbessert.

[Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)]

Das heißt, ein Schüler weniger pro Lehrer mit der Durchschnittszahl, die ich vorhin genannt habe.

[Mieke Senftleben (FDP): Es gibt zu viel Verwaltung!]

Vor diesem Hintergrund – und die PKB-Mittel sind noch nicht gerechnet – zu sagen, es gebe eine Mangelverwaltung und eine Vernachlässigung der Grundschulen, Herr Steuer, entbehrt jeder Realität und jeder sachlich fundierten Diskussion.

Herr Senator! Herr Mutlu hat das Bedürfnis, Ihnen noch einmal eine Frage zu stellen.

Wenn das Parlament nicht zu unruhig wird, aber schnell dann und ich beantworte schnell.

[Zuruf von Mirco Dragowski (FDP)]

Sie wissen doch, ich bin immer respektvoll zu Ihnen. – Lieber Herr Senator! Sie haben jetzt die Schüler-LehrerRelation und die Veränderung seit 2002 bemüht. In der Tat sind diese Zeilen richtig. Dem ist nicht zu widersprechen, aber wenn ich an dieser Schraube drehe, nämlich zum Besseren,