Wir haben es hier mit zwei Grünen-Anträgen zu tun, die zwei Jahre alt sind und auf Daten zurückgreifen, die noch etwas älter sind, und deren Änderungsanträge nach noch mehr Daten rufen, um scheinbar vorhandene Lücken datentechnisch zu schließen oder „zielgenau zu steuern“. Das hört sich gut an. „Zielgenau“ kommen wir über die Einführungs- und Übergangsphase nicht hinaus, sei es auch nur bei der Frage, der Verwaltung eine Antwort abzuringen, ob gleichstellungspolitische Themen in der Fortbildung der Beamten eine Rolle spielen sollten. Davon wird sicher keine Frau und kein Mann gleichberechtigter oder glücklicher werden.
Die seit Jahren gemächliche Art des Umgangs mit diesen Themen hat zu finanziellen und personellen Einsätzen geführt, deren Effektivität wir hier nicht erklärt haben wollen – vielleicht beim nächsten Mal. Statistik lehrt Methoden zum Umgang mit Datenmengen und deren systematischer Verbindung von Erfahrung und Theorie, um Analysen zu ermöglichen. Diese Mengenarbeit hat der Senat ohne Zweifel akribisch erledigt. Wenn ich davon ausgehe, dass diese Daten permanent nachwachsen, Eigenschaften und Verhalten im Rahmen der GenderProblematik in den verschiedenen Bereichen in ihrer Gesamtheit grundlegend erfasst sind und aufgrund des großen Beharrungsvermögens beider Geschlechter zuverlässige Schätzungen für weitere Entwicklungen kaum möglich sind, braucht es natürlich viel hypothetische Weitsicht, um zu erkennen, dass diese überalterten Anträge nichts weiter erreichen, als den bürokratischen Aufwand für das Berichtswesen zu erhöhen. Oder sollte die Statistik der Verwaltung etwa Daten als Unterstützung für Entscheidungen in die Hand spielen? Der Senat hat seit Jahren gute Informationsquellen, die nicht als Datenstrom althergebrachter Traditionen eingebracht wurden.
Warum wurde der Weg für gleichrangige Teilhabe der Geschlechter vom Hausmeister bis zum Vorstandsposten in landeseigenen Betrieben nicht gesäubert, sondern wurden stattdessen nur zögerliche Entscheidungen getroffen? Statistik heißt nicht nur viel sammeln, sondern handeln.
Die Lehren von den Daten über den Staat hat die Berliner Verwaltung noch nicht verstanden. Der Datenreport zeigt ohne Zweifel Entwicklungen zugunsten der Frau: Eine sinkende Anzahl von Migrantinnen ohne Schulabschluss ist ein solcher Beleg. Aber überwiegend Frauen in der Zeit- und Teilzeitarbeit sowie bei der Pflege von Angehörigen, hohe Arbeitslosigkeit bei Akademikerinnen und immer noch zu geringe Bezahlung auch in den Einrichtungen des Gesundheitswesens und der öffentlichen Dienstleistungen sind nur drei Beispiele für eine anachronistische Frauenpolitik, die vor zwanzig Jahren in meinem Leben schon einmal weiter war und denen auch mit bester politischer Arithmetik und geschliffener Rhetorik nicht beizukommen ist.
Die Mechanismen in dieser Gesellschaft und zwischen den Geschlechtern zwingen zu mehr flexiblen Lösungen im Lebensweg von Männern und Frauen.
Längere Bildungswege, steigende prekäre Beschäftigung von Frauen, mehr Singles mit Kindern, mehr Einwanderer, steigende Anzahl deutscher Seniorinnen, Anstieg häuslicher Gewalt bei Konstanz der polizeilichen Platzverweise – und nun diese verstaubten Anträge, die auch nicht mit millionenschweren Gender-Studien zu beantworten sind.
Geschlechtsdifferenzierte Daten stehen seit langem bereit. Mehr gleichstellungsorientiertes Handeln lässt noch auf sich warten. Gender-Mainstreaming und GenderBudgeting stocken. Das gleichstellungspolitische Rahmenprogramm ist als Feigenblatt zu klein. Datenlückenschluss macht vielleicht die Analyse perfekter, aber nützt der besseren Synthese nichts. Jeder kann schon heute die richtigen Schlüsse ziehen und wer will, kann auch handeln. Dass Verwaltungen keine Datengrundlagen hätten, um dem Gender Mainstreaming Taten folgen zu lassen, muss als Ausrede gelten.
Ich hätte noch viel zu sagen, zum Beispiel zur Fortbildungspflicht. Man sollte einmal schauen, ob nicht vielleicht Desinteresse in der Verwaltung herrscht, wenn sie die Fortbildungsvereinbarungen nicht annehmen wollen. Warum sollten wir das noch mehr festlegen?
Wir brauchen für Statistiken und Gender-Projekte eigentlich nur einen flexiblen Rahmen und die Gleichstellung der Geschlechter. – Danke!
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! GenderGerechtigkeit gehört zu unserer Grundüberzeugung. Das gilt für meine Fraktion, für die Koalition und für den Senat.
Der Vorwurf, wir würden Gender-Mainstreaming vernachlässigen und in Berlin sei Gender-Mainstreaming ins Stocken geraten, Frau Görsch und Frau Kofbinger, entbehrt jeglicher Grundlage. Wir haben in einem über mehrere Jahre laufenden Prozess gute Erfahrungen im praktischen Handeln sammeln können. Das wissen Sie auch.
In anderen Bundesländern bedeutet die Implementierung von Gender-Mainstreaming Einschnitte in die Frauenpolitik, im Besonderen den Abbau von Frauenförderung und sogar die Infragestellung von Frauenbeauftragten. Wir hingegen haben eine Doppelstrategie von GenderMainstreaming und Frauenpolitik verfolgt. Wir haben die Frauenförderprogramme weiterentwickelt und die Fraueninfrastruktur stabilisiert. In dieser Legislaturperiode haben wir darüber hinaus Gender-Mainstreaming und das gleichstellungspolitische Rahmenprogramm miteinander verknüpft. Berlin ist nach wie vor in Sachen GenderPolitik Vorreiter. Das wissen Sie. Natürlich gibt es noch Handlungsbedarf. Deswegen haben wir auch die hier zur Debatte stehenden Anträge nicht einfach abgelehnt.
Lassen Sie mich zu den beiden Beschlussempfehlungen folgende Bemerkung machen: Bezüglich des Antrags „Umsetzung Gender-Mainstreaming I: Geschlechtsdifferenzierte Datenerhebung und -auswertung“ verweise ich darauf, dass wir vonseiten des Abgeordnetenhauses ausdrücklich die länderübergreifende Initiative von Berlin und Brandenburg zur geschlechterdifferenzierten Datenerhebung unterstützen. In diesem Zusammenhang ist der vom Senat herausgegebene Gender-Datenreport – er ist hier bereits mehrfach erwähnt worden – besonders hilfreich. Darüber hinaus erwarten wir in Kürze vom Senat einen Bericht darüber, wo und in welchem Umfang noch relevante Datenlücken für die geschlechtergerechte Analyse und Bewertung bestehen. Der Verweis auf eine unzureichende Datenlage soll uns künftig nicht mehr daran hindern, entsprechende Handlungsempfehlungen oder Konzepte zu entwickeln. Im Übrigen sind wir bei der Zusammenarbeit zwischen der Berliner Verwaltung und dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg in Sachen geschlechterspezifische Datenerfassung anderen Bundesländern voraus.
Zur Beschlussempfehlung „Umsetzung Gender-Mainstreaming II: Verwaltung genderorientiertes Fachwissen vermitteln“ weise ich darauf hin: Gender-Wissen soll an der Verwaltungsakademie in die regulären Fortbildungsangebote integriert werden. Die Integration dieses Wissens in Fort- und Weiterbildung ist eine wichtige Grundlage dafür, dass Gender-Mainstreaming in alle Lebensbereiche durchdringen kann. Die vorgesehene Berichterstattungspflicht soll unser Anliegen forcieren. Deshalb bitte
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Warten Sie es ab, was ich noch alles mache.
Geschätzte Kollegin Kofbinger! Ich folge Ihrer Einschätzung: Die uns vorgelegten Änderungsanträge der Koalition sind wirklich nur ein schwacher Aufguss dessen, was Sie gefordert haben. Das macht es uns leichter, uns bei beiden Anträgen der Stimme zu enthalten.
Weshalb sage ich das? – Ich möchte gern einige Bemerkungen zu den beiden Ursprungsanträgen machen, um unsere Position zu verdeutlichen. Ich glaube, es geht nicht so sehr um eine Differenzierung der Wichtigkeit dessen, was sie darstellen, sondern um die Umsetzung. In Ihrem ersten Antrag „Umsetzung Gender-Mainstreaming I: Geschlechtsdifferenzierte Datenerhebung und -auswertung“ gibt es zwei Punkte, die uns Schwierigkeiten bereiten. Konkret geht es um den Punkt 2 Ihrer Aufzählung. Sie wollen eine allgemeine Regelung im Berliner Landesstatistikgesetz aufnehmen. So allgemein, wie Sie das darstellen, kann man sich sehr viel oder sehr wenig darunter vorstellen. Hier wünsche ich mir, dass Sie spezifischer argumentieren. Wir meinen – und das bringen wir immer wieder zum Ausdruck –: Wir brauchen nicht mehr, wir brauchen weniger Bürokratie. Neue Regelungen bedeuten automatisch Bürokratieerweiterung. Das kann nicht im Interesse des von Ihnen verfolgten Ziels sein.
Noch schwerer vorstellbar ist der Punkt 3: sämtliche statistischen Einzelgesetze zu prüfen und gegebenenfalls mit dem Merkmal „Geschlecht“ zu ergänzen sowie Ausnahmen gesetzlich zu regeln. Ich habe heute Vormittag meinen Kollegen gebeten, mir zu sagen, wie viele Gesetze wir in etwa haben. Er meinte, es seien weit über 100 im Land Berlin. Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, irgendjemanden damit zu beauftragen, alle Gesetzes sprachlich zu untersuchen und gegebenenfalls zu ergänzen. Suchen Sie Jobs oder wollen Sie etwas erreichen?
Allein das wäre ein Grund für uns gewesen, diesen Antrag abzulehnen. Was die Koalition daraus gemacht hat, ist – wenn es nicht so ernst wäre – beinahe niedlich. Sie fordert, Daten bereitzustellen und das wissend, dass sich der erste Berliner Gender-Datenreport der Fertigstellung nähert. Sie haben recht, das sind keine qualitativen, sondern quantitativen Erfassungen. Aber wir haben uns am Montag darauf verständigt, dass es auf uns selbst ankommt, diese Daten quasi mit Leben zu erfüllen und auszuwerten. Das wird der nächste Schritt sein und wird sicher einige Zeit in Anspruch nehmen.
Zu Ihrem zweiten Antrag „Umsetzung Gender-Mainstreaming II: Verwaltung genderorientiertes Fachwissen vermitteln“: Bereits beim ersten Punkt fühlte ich mich spontan an meine Schulzeit erinnert. Sie fordern allen Ernstes regelmäßige und verpflichtende Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen. Liebe Frau Kofbinger! Nun einmal im Ernst, als erwachsene Frau, wenn ich Sie verpflichten würde, an einer Veranstaltung teilzunehmen, für die Sie sich gar nicht interessieren, was machen Sie dann dort? Dann sitzen Sie dort Ihre Zeit ab, schlafen wie in der Schule und sagen: Ich bin bestätigt. – Das bringt doch nichts.
Solche vom Ziel her durchaus nachvollziehbare, aber nicht klar ausformulierte Formen konterkarieren Ihr Anliegen geradezu. Gucken Sie sich in der Fort- und Weiterbildung in der Erwachsenenbildung an, was passiert, wenn Menschen dazu gezwungen werden, an etwas teilzunehmen! Die drehen Däumchen oder sagen: Ich habe gleich gewusst, dass das nichts bringt. Das konnte auch nichts bringen. – Ein bisschen mehr Fantasie, ein bisschen mehr Einfühlungsvermögen in der heutigen Zeit!
Ihre zweite Forderung ist wieder einmal typisch für Grünen-Anträge. Sie wollen Fortbildungsverantwortliche benennen, Sie wollen neue Aufgaben beschreiben und letztlich gelangen sie dazu, dass es sich um Staatsaufgaben handelt. Dann kommt der letzte Schritt hinterher, wahrscheinlich brauchen wir neue Stellen dafür. Wenn Sie sich ansehen, was Sie unter Punkt 2 zusammenfassen, dann ist das ein immens großer Auftrag. Auch diesem Antrag hätten wir, wenn er so zur Abstimmung gestellt worden wäre, abgelehnt.
Die Koalition hat es uns erleichtert. Sie hat – Sie haben es vorgetragen, ich wiederhole es nicht – es in einem nicht sehr inhaltsschweren Satz zusammengefasst. Da konnten wir uns wenigstens der Stimme enthalten und hoffen, dass die weitere Diskussion über die Umsetzung der neuen Erkenntnisse des Gender-Datenreports uns in der Sache weiterbringt. – Ich danke Ihnen!
Vielen Dank, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich lasse deshalb einzeln abstimmen.
Der Fachausschuss empfiehlt zum Antrag mit der Drucksachennummer 16/1882 einstimmig bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen die Annahme mit neuer Fassung. Wer dem Antrag im Wortlaut der Beschlussempfehlung mit der Drucksachennummer 16/2996 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der übrigen drei Fraktionen ist dann so beschlossen.
Der Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen empfiehlt zum Antrag mit der Drucksachennummer 16/1883 mehrheitlich gegen CDU und Grüne und Enthaltung der FDP die Annahme in neuer Fassung. Wer dem Antrag im Wortlaut der Beschlussempfehlung mit der Drucksachennummer 16/2997 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist offenbar niemand. So, langsam, die Koalitionsfraktionen. Ist das Ihr Ernst? Wollen Sie nicht alle abstimmen?
Dann gehen wir davon aus, dass die Koalitionsfraktionen zustimmen. Wer ist dagegen? – Dagegen sind die Fraktion der Grünen und der CDU. Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der FDP ist dann so beschlossen.
Die lfd. Nr. 4 d der Tagesordnung ist bereits gemeinsam mit 4 a als gemeinsame Priorität der Koalitionsfraktionen behandelt worden.
Ich rufe auf die lfd. Nr. 4 e, das ist die Priorität der Fraktion der FDP unter dem Tageordnungspunkt 24
Leistungsfähige Straßeninfrastruktur statt permanenter Flickschusterei – Mittel zur Straßensanierung auf 100 Millionen Euro jährlich aufstocken!